Im Palast der Leidenschaft

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Nie hätte die hübsche Samantha, Inhaberin eines Partyservices, geglaubt, was sie auf der griechischen Insel Delphus erwartet: Matt, der sie hierher eingeladen hat, stammt aus einer unermesslich reichen Familie! Wie König und Königin leben sie in einem wunderschönen Palast …


  • Erscheinungstag 01.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758875
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Matthew wälzte sich schlaftrunken auf die andere Seite und warf einen Blick auf die Uhr, die auf seinem Nachttisch stand. Es war bereits zwölf Uhr mittags.

Schwerfällig richtete er sich auf. Wenn nur das unerträgliche Hämmern in seinem Kopf nachlassen würde. Matthew hatte bis weit nach Mitternacht an der Entwicklung eines neuen Computerprogramms gearbeitet und sich dabei mit viel Alkohol wach gehalten.

Dass er Alkohol als Muntermacher erst brauchte, seit Melissa ihn verlassen hatte, daran wollte er lieber nicht denken. Die Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden, und Matthew hoffte, dass dies in seinem Fall auch zutreffen würde.

Matthew stand auf, schleppte sich ins Badezimmer und betrachtete sich missmutig im Spiegel. Seine Augen waren rot gerändert, die Haut war fahl und von dunklen Bartstoppeln übersät.

Ich sehe aus wie ein Penner, dachte er grimmig und schnitt sich selbst eine Grimasse. Eigentlich hatte er gar keinen Grund, sich so gehen zu lassen. Er hatte ein schönes Zuhause, einen interessanten Job, und durch den Reichtum seines Großvaters, der ein äußerst scharfsinniger Geschäftsmann war, mehr Geld, als er ausgeben konnte. Kein Grund also, sich wie ein Alkoholiker zu benehmen und sein Äußeres zu vernachlässigen.

Matthew stellte sich unter die Dusche und ließ eiskaltes Wasser auf sich niederprasseln. Dann drehte er das Wasser ab, wickelte ein großes Badetuch um die Hüften und trat aus der Duschkabine. Sein Kopf schmerzte zwar immer noch, doch wenigstens hatte die Kälte das Gefühl von Müdigkeit vertrieben. Jetzt konnte er sich wieder in die Arbeit stürzen.

Nachdem Matthew sich rasiert hatte, ging er zurück ins Schlafzimmer, wo er erst jetzt den widerlichen Geruch von Alkohol wahrnahm. Unbekleidet eilte er zum Balkon, riss Türen und Fenster auf und atmete tief die kalte Luft ein. Dann griff er nach seinen Jeans und zog sie an.

Gerade wühlte Matthew in einem seiner Schränke nach einem sauberen Hemd, als es an der Tür klopfte. „Ja?“

Ein kahlköpfiger großer Mann in marineblauer Uniform trat ein. „Oh, Sie sind auf, Sir? Möchten Sie frühstücken?“

Matthew presste die Lippen zusammen. „Um diese Zeit, Jeeves? Machen Sie mir nur ein Sandwich. Ich gehe gleich zur Arbeit.“

„Gehen Sie ins Büro, Sir?“, erkundigte sich der stämmige Mann, dessen steife Kleidung so gar nicht zu seinem Äußeren passte, während er den Blick missbilligend über die Unordnung im Zimmer schweifen ließ. „Und bitte nennen Sie mich nicht Jeeves, Mr. Putnam. Sie wissen, dass ich das nicht mag.“

Matthew warf seinem Butler einen gleichgültigen Blick zu und griff schließlich, nachdem er kein sauberes Hemd gefunden hatte, nach dem Sweatshirt, das er am Tag zuvor getragen hatte. „Nein, ich will heute nicht ins …“ Er hielt abrupt inne, als der Butler ihm das Sweatshirt aus der Hand nahm. „Was soll das, Victor?“

„Nun, offensichtlich haben Sie soeben geduscht, Sir“, erklärte Victor ruhig. „Und ich bin sicher, Sie möchten dieses … na ja, dieses stinkende Ding nicht noch einmal anziehen. Im Schrank hinter Ihnen liegt ein ganzer Stapel sauberer Hemden. Sagen Sie mir, was Sie möchten, ich hole es für Sie heraus.“

„Danke, aber ich brauche kein Kindermädchen“, brummte Matthew gereizt.

„Das behauptet auch niemand“, entgegnete Victor ruhig. „Aber wie mir scheint, brauchen Sie Hilfe. Ihre Mutter wird von dem Verhalten, das Sie in letzter Zeit an den Tag legen, sicher nicht begeistert sein.“

„Meine Mutter?“ Matthew holte sich ein frisches Hemd aus dem Schrank, bevor er sich wieder Victor zuwandte. „Was hat sie damit zu tun?“

„Sie haben wohl vergessen, dass Sie in einer guten halben Stunde mit ihr zum Mittagessen verabredet sind?“

„Ach du Schande!“ Matthew schloss die Schranktür wieder und zog ein schwarzes Polohemd über, das die Blässe in seinem Gesicht noch betonte. Die bevorstehende Standpauke seiner Mutter über seinen Lebensstil hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Ein Sandwich, haben Sie gesagt“, meinte Victor, der Matthews Gedanken offensichtlich erraten hatte.

„Nein, nichts zu essen“, lehnte Matthew grimmig ab. „Bringen Sie mir ein Bier – ohne Kommentar bitte. Und rufen Sie mir ein Taxi.“

Eine Dreiviertelstunde trat Matthew durch die gläserne Schwingtür in das elegante Foyer des Hotel Ritz.

Der Speisesaal befand sich am hinteren Ende des Korridors. Gäste, die vor dem Essen einen Aperitif trinken wollten, saßen an der prachtvollen Bar des Palmengartens. Matthew wusste, dass er seine Mutter hier finden würde. Aber mehr als einen kleinen, harmlosen Drink würde sie sich sicher nicht genehmigen.

Caroline Putnam pflegte ihr Äußeres ebenso sorgsam, wie ihr Sohn es vernachlässigte, und sie war stolz darauf, dass ihr ihr Hochzeitskleid nach mehr als dreißig Jahren immer noch passte.

Sie hatte Joseph Putnam gegen den Willen ihrer Eltern mit achtzehn Jahren geheiratet, danach allerdings ziemlich bald festgestellt, dass ihr Vater recht gehabt hatte. Joseph Putnam, ein Engländer aus gutem Hause, jedoch ohne Geschäftssinn, hatte sich kurz nach Matthews Geburt aus dem Staub gemacht, um an einem Segelrennen rund um die Welt teilzunehmen, das für ihn tödlich endete.

Selbstverständlich war die Nachricht über seinen Tod für Caroline zunächst ein Schock gewesen, doch niemand konnte bestreiten, dass ihr auf diese Weise wenigstens die Publicity und die hohen Kosten, die eine Scheidung mit sich gebracht hätte, erspart geblieben waren. Ihrem Vater, Aristoteles Apollonius, der sich selbst gern Apollo nannte, war es mehr als recht gewesen, seine Tochter und seinen kleinen Enkelsohn zu sich nach Griechenland zu holen.

In Matthews Augen war dies jedoch nicht die beste Lösung gewesen. Apollo hatte nur eine einzige Tochter und ein Enkelkind, und somit würde Matthew später einmal Alleinerbe der großen Reederei seines Großvaters werden. Schon von frühester Kindheit an hatte er größte Abneigung gegen das Geschäftsgebaren seines Großvaters gehegt. Politik und Macht interessierten Matthew nicht. Er sah keinen Sinn darin, das Leben anderer Menschen aus reiner Profitsucht zu kontrollieren.

Da sein Vater ihm immerhin so viel Geld hinterlassen hatte, dass Matthew in England die Schulen besuchen konnte, auf die auch sein Vater gegangen war, und in denen eine recht spartanische Lebensweise vorgezogen wurde, hatte Matthew im Lauf der Jahre eine regelrechte Abscheu gegen jegliche Form von Reichtum und Luxus entwickelt. Immer wieder war er deshalb in Konflikt mit seinen griechischen Verwandten geraten, und die Tatsache, dass er lieber in England lebte, hatte nicht unerheblich zu diesem Zwist beigetragen.

Matthew wurde es unbehaglich zumute, wenn er an das bevorstehende Treffen mit seiner Mutter dachte. Seit seiner Trennung von Melissa lag sie ihm ständig in den Ohren, nach Athen zurückzukehren. Sie ließ nicht locker, obwohl sie wusste, dass Matthew sein eigenes Unternehmen, das Computer-Software entwickelte, gegründet hatte und nicht im geringsten Lust verspürte, in die Reederei seines Großvaters einzusteigen.

Matthew befürchtete allerdings, seine Mutter könnte eines Tages doch Erfolg haben. Apollo war immerhin schon über siebzig Jahre alt. In absehbarer Zeit würde er das Zeitliche segnen, und dann hätte Matthew keine Ausrede mehr, sich vor der Verantwortung zu drücken. Tausende von Menschen verdienten in der Apolloniusreederei ihren Lebensunterhalt, und ob Matthew wollte oder nicht, er konnte nicht zulassen, dass seine Verwandten in ihrer Habgier zunichte machten, was sein Großvater in all den Jahren aufgebaut hatte.

Der Oberkellner erkannte Matthew sofort, als er die Stufen in das erhellte Atrium emporstieg. „Guten Tag, Mr. Putnam“, grüßte der Mann freundlich und wies auf eine elegant gekleidete Dame, die an einem Ecktisch saß. „Ihre Mutter erwartet Sie bereits.“

Der Kellner ging, und Matthew trat auf seine Mutter zu. „Mama“, begrüßte er sie und gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme.“

Caroline Putnam betrachtete ihren Sohn missbilligend und stolz zugleich. Er war groß wie sein Vater und dunkel wie seine griechischen Vorfahren und erregte überall Aufmerksamkeit, besonders die des weiblichen Geschlechts. Auch wenn Matthew es nicht wahrhaben wollte, er war seinem Großvater ähnlicher, als ihm lieb war, nämlich arrogant, dickköpfig und unabhängig. Seine dunklen Augen und sein muskulöser Körperbau erinnerten an ein Raubtier. Matthew vereinigte in sich die unwiderstehliche Kombination von männlicher Sinnlichkeit und Kraft.

Aber er lässt sich gehen, stellte Caroline fest. Jeans und Lederjacke! So erschien er zum Lunch mit seiner Mutter! Diese Melissa war an allem schuld. Sagt einfach, sie hätte sich in einen anderen verliebt. Wahrscheinlich nur, weil Matthew sie nicht heiraten wollte.

„Ich habe immer geglaubt, du verstündest es, dir deinen Tag einzuteilen“, warf sie ihm vor. „Du warst nicht im Büro. Ich rief an, und Robert sagte mir, du seist nicht dort.“

„War ich auch nicht“, antwortete Matthew kurz angebunden. „Wann bist du angekommen?“

„Hier oder in England?“, fragte Caroline zurück, während sie mit der dreireihigen Perlenkette an ihrem schlanken Hals spielte.

„In England. Wohnst du wieder in der Suite, die du immer hast?“

„Ja, und du hättest dir ruhig die Mühe machen können, pünktlich zu sein, um mich hinunterzubegleiten“, entgegnete sie ärgerlich. „Was du dir in letzter Zeit erlaubst, geht wirklich zu weit, Matt. Lässt mich hier allein sitzen. Wenn mich nun irgendein Kerl belästigt hätte?“

„Ins Ritz kommen keine ‚Kerle‘“, erwiderte er gelassen und nickte dem Kellner zu, als er den bestellten Scotch mit Soda auf den Tisch stellte. „Du könntest den ganzen Tag hier sitzen, niemand würde dich belästigen. Aber gut, ich gebe zu, ich hätte dich anrufen sollen. Ich habe mich ja schon entschuldigt.“

„Na, jetzt bist du hier“, lenkte Caroline ein. „Ich bin gestern Abend angekommen und dann gleich zu dieser Wohltätigkeitsgala in der Albert Hall gegangen. Dein Onkel Henry hat mich begleitet. Und du hast dich wieder in zwielichtigen Kneipen herumgetrieben, nehme ich an“, fügte sie tadelnd hinzu, als Matthew einen zweiten Drink bestellte. „Matt, findest du nicht, dass du dich ziemlich dumm benimmst? Mein Gott, wenn du so vernarrt in dieses Mädchen bist, warum hast du sie dann nicht geheiratet?“

„Du weißt, wie ich über die Ehe denke, Mama. Also lassen wir das Thema, ja? Und jetzt sag mir bitte, warum du mich sehen wolltest. Oder wolltest du mir bloß eine Moralpredigt halten?“

„Natürlich nicht.“ Caroline schlug die schlanken Beine übereinander. „Du weißt, dein Großvater hat Ende des Monats Geburtstag.“

„Wie alt wird der alte Teufel eigentlich? Einundsiebzig?“

„Zweiundsiebzig“, erklärte Caroline. „Zu seinem letzten Geburtstag konntest du ja nicht kommen, weil der mit der Silberhochzeit von Melissas Eltern zusammenfiel, oder so etwas Ähnliches. Auf jeden Fall möchten wir, dass du dieses Mal an den Feierlichkeiten teilnimmst. Apollo hat die ganze Verwandtschaft eingeladen, und es würde sehr seltsam aussehen, wenn du nicht kämst.“

Matthew sah seine Mutter über den Rand seines Glases hinweg an. „Du meinst, wie letztes Jahr, stimmt’s?“

Caroline seufzte leise. „Also, kommst du nun oder nicht?“

Matthew runzelte die Stirn. „Was ist an diesem Geburtstag denn so besonders?“

„Nun ja, Großvater ist ein Jahr älter … und …“

„Und?“

„Es geht ihm eben nicht mehr so gut“, gab Caroline widerstrebend zu. „Du weißt, er hat schon seit Langem Beschwerden mit der Lunge. Und nun geht es ihm noch schlechter, und das hat ihm wohl deutlich gemacht, dass seine Jahre gezählt sind.“

Matthew verzog den Mund. „Wenn er nur endlich die Finger von diesen verdammten Zigarren lassen würde. Wie viele raucht er denn am Tag? Fünfzehn? Zwanzig?“

„So viele nun auch wieder nicht“, verteidigte Caroline ihren Vater. „Apollo ist eben der Meinung, wenn er nicht so leben kann, wie er will, dann hat es keinen Sinn, noch weiterzumachen.“

Matthew merkte, dass das Thema seiner Mutter unangenehm war, und verfolgte es deshalb nicht weiter. „Ich weiß noch nicht, ob ich komme. Familienfeiern sind nicht unbedingt mein Fall.“

Caroline schüttelte missbilligend den Kopf. „Wie ich gehört habe, gehst du allen gesellschaftlichen Anlässen aus dem Weg. Du bist ein richtiger Einzelgänger geworden, Matt, ein Einsiedler. Du gehst nirgendwo hin, außer ins Büro, du triffst dich mit niemandem …“

„Und woher weißt du das alles?“ Matthew wurde ärgerlich. „Nein, du brauchst mir nichts zu erzählen, ich kann’s mir schon denken: Victor!“

„Victor sorgt sich um dich, Matt. Er würde mir nichts sagen, wenn er nicht wüsste, dass es in deinem eigenen Interesse ist.“

„Ach, tatsächlich?“

Caroline seufzte. „Matt, ich will mich ja nicht einmischen, aber …“

„Dann tu es auch nicht.“

„Aber ich mache mir auch Sorgen um dich. Ich wünschte, du würdest dir diese Melissa Mainwaring endlich aus dem Kopf schlagen.“

„Ja, du hast recht.“ Matthew winkte den Kellner herbei. „Wollen wir uns jetzt die Speisekarte ansehen?“

Caroline gab auf. Es hatte keinen Sinn, mit Matthew über dieses Mädchen zu reden. Er war ein äußerst gut aussehender Mann, und er hatte alles, was man sich nur wünschen konnte. Und trotzdem ließ er es zu, dass ein verwöhntes kleines Biest, das offensichtlich keinen Funken Verstand im Hirn hatte, sein Leben zerstörte.

Eine Stunde später, nachdem sie gegessen und sich über mehr oder weniger belanglose Dinge unterhalten hatten, wagte Caroline erneut, das heikle Thema anzuschneiden.

„Und … wann wird Melissa ihren Prinzen heiraten?“, fragte sie beiläufig. „Sie werden doch heiraten, nicht? Ich habe kürzlich davon in der Boulevardpresse gelesen.“

Matthew stellte seine Kaffeetasse ab. Er hätte sich gleich denken können, dass seine Mutter nicht locker lassen würde. Aber sie hatte recht. Es hatte tatsächlich in der Zeitung gestanden, dass Brigadier Alfred Mainwarings Tochter den Prinzen irgendeines osteuropäischen Landes heiraten würde. Die Hochzeit sollte im Juni stattfinden, aber das wusste Caroline sicher genauso gut wie Matthew.

„Bald“, antwortete er deshalb knapp. „Warum fragst du? Glaubst du, du bekommst eine Einladung? Was würden sie wohl über dich sagen? Ah, seht mal, da ist die Mutter des ausgebooteten Traummannes.“

„Mach dich nur darüber lustig“, schimpfte Caroline erbost. „Du bist nämlich wirklich einer, oder besser gesagt, du wärest einer, wenn du endlich aufhören würdest, dich selbst zu bemitleiden. Ich hätte nie geglaubt, dass mein Sohn sich so hirnlos aufführen könnte. Na ja, kein Wunder, bei dem Vater!“ Caroline schob zornig den Stuhl zurück und stand auf. „Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Komm bitte morgen wieder. Und denk über Großvaters Geburtstag nach. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass er mit dir rechnet.“

Auf dem Rückweg in sein Apartment dachte Matthew über die Worte seiner Mutter nach. Das luxuriöse Penthouse, das er mit seinem selbst verdienten Geld erworben hatte, befand sich im obersten Stockwerk eines großen Apartmentblocks in Knightsbridge. Obwohl Matthew wusste, dass Victor es gar nicht gern sah, wenn er allein zu Fuß ging, genoss er doch den Spaziergang. In letzter Zeit hatte er ohnehin viel zu wenig Bewegung gehabt.

Obwohl es draußen noch recht kalt war, blühten bereits die ersten Osterglocken und Kirschblüten und erinnerten Matthew daran, wie es in Griechenland zu dieser Jahreszeit aussah, besonders auf der Insel Delphus, wo sein Großvater lebte. Glückliche Erinnerungen verband Matthew mit der prächtigen Villa, in der er die ersten Jahre seiner Kindheit verbracht hatte, und er freute sich darauf, seine Cousins und all die anderen Verwandten wiederzusehen.

Da fiel Matthew wieder ein, was seine Mutter über Melissa gesagt hatte. Im Grunde hatte Caroline ja recht. Vielleicht hätte er Melissa wirklich heiraten sollen. Oft genug hatte sie ihn zu diesem Schritt gedrängt, doch er hatte sich immer wieder dagegen gewehrt. Sie hatten sich deswegen oft gestritten. Melissa hatte ihm Bindungsunfähigkeit vorgeworfen und gemeint, er liebe sie einfach nicht genug.

Liebe! Matthew presste die Lippen aufeinander. Ob Melissa überhaupt wusste, was das war? Wenn sie ihn wirklich so sehr geliebt hätte, wie sie immer behauptete, wie konnte diese Liebe dann so schnell erlöschen? Matthew war klar geworden, dass Melissa ihre sogenannte Liebe nur an den Meistbietenden verschenken wollte. In sexueller wie auch finanzieller Hinsicht hatte er, Matthew, bestimmt die besseren Karten, aber Georgio Ivanov bot Melissa das, was ihr am wichtigsten war: den Ring am Finger.

Matthew hatte nie das Bedürfnis gehabt, eine Verbindung mit einer Frau durch ein Stück Papier zu legalisieren. Dafür brauchte er keinen Vertrag, der früher oder später wahrscheinlich doch wieder gebrochen wurde. Melissa wollte Sicherheit, und zwar die Art von Sicherheit, die nur eine Ehe ihr garantieren konnte.

Dass Matthew eine eher kritische Einstellung zur Ehe hatte, war keineswegs verwunderlich. Die Verbindung seiner Eltern war sehr früh gescheitert, und er wusste, dass der plötzliche Tod seines Vaters Caroline nicht einmal so ungelegen gekommen war. Schon seit jeher regierte der schnöde Mammon die Familie, und er, Matthew, war ein Narr gewesen, als er glaubte, bei Melissa sei das anders.

Victor erwartete Matthew bereits, als er aus dem Lift ins Foyer des zweiundzwanzigsten Stockwerks trat. „Sie sind zu Fuß gekommen“, tadelte der Butler, während er Matthew die Jacke abnahm und die Regentropfen abwischte.

„Ganz recht, ich bin zu Fuß gegangen“, wiederholte Matthew gereizt und trat in die Wohnung. „Rob hat nicht angerufen, oder?“

„Nein“, bestätigte Victor und fügte dann in seltsamem Tonfall hinzu: „Aber Sie haben Post bekommen. Möchten Sie sie gleich lesen?“

Matthew stutzte. „Was hat das nun schon wieder zu bedeuten? Sie wissen doch, dass ich die Post immer erst beim Abendessen durchsehe. Oder gibt es was Besonderes?“

Eine verräterische Röte überzog Victors Gesicht. „Nun ja, da scheint ein Brief von Miss Mainwaring dabei zu sein. Ich dachte, Sie möchten ihn vielleicht gleich öffnen, da Sie …“

„Da ich mich vor Selbstmitleid verzehre, nicht wahr?“

„Aber nein“, verteidigte sich Victor empört. „Ich dachte nur, Sie …“

„Wo ist der Brief?“

Matthew hielt es nicht mehr aus. Er musste wissen, was Melissa wollte. Wenn sie vorhatte, zu ihm zurückzukommen, würde sie ihm wohl kaum einen Brief schreiben – oder etwa doch?

Victor zog den Brief unter etlichen anderen hervor und reichte ihn Matthew. „Darf ich Ihnen eine Tasse Tee bringen, Sir?“

Matthew schüttelte den Kopf und steuerte auf sein Arbeitszimmer zu. „Nein, danke. Wenn ich etwas brauche, melde ich mich.“ Demonstrativ schloss er die Tür hinter sich. Victor sollte nicht zusehen, wenn Matthew Melissas Brief las.

Er riss den Umschlag auf und zog das Papier heraus. Es war eine Einladung. Nach einigen nichtssagenden Sätzen kam Melissa zur Sache: Sie wollte wissen, ob Matthew zu ihrer Verlobungsparty mit Georgio Ivanov kommen würde.

Sekundenlang starrte Matthew auf den Brief in seiner Hand, dann schleuderte er ihn wütend auf den Tisch. Glaubte Melissa tatsächlich, er würde an ihrer Verlobungsparty teilnehmen? Das war ja geradezu absurd!

Matthew wünschte, er hätte Victor gebeten, ihm eine Flasche Scotch zu holen. Ein kräftiger Schluck hätte ihm jetzt gut getan. Er hätte wissen müssen, dass dieser Brief nichts Gutes bringen würde. Melissa wollte Rache, und sie war entschlossen, ihr Ziel zu erreichen.

Matthew fluchte wutentbrannt vor sich hin. Zum ersten Mal, seit diese Frau ihn verlassen hatte, fühlte er einen Anflug von Groll in sich aufkommen. Sie wollte ihn mit Absicht quälen. Und sie rechnete damit, dass er absagte.

Armer Georgio, dachte Matthew grimmig. Sicher hat er keine Ahnung, dass Melissa ihren Ex-Lover zu ihrer Verlobungsparty eingeladen hat. Was aber bezweckt sie damit? Ist es wirklich nur Rache?

Immerhin war es möglich, dass sie Matthew tatsächlich zurückzugewinnen versuchte. Doch nicht zu den alten Bedingungen, das war ihm klar. Was also hatte sie vor? Wollte sie einen Mann gegen den anderen ausspielen?

Matthew lächelte bitter. Es konnte ganz interessant sein, das herauszufinden.

2. KAPITEL

„Warum tust du das?“ Paul Webster sah seine Verlobte verständnislos an. „Das Café läuft doch gut. Wozu musst du da noch zusätzlich für andere Leute Küchenmädchen spielen?“

„Das tue ich eben nicht“, protestierte Samantha Maxwell heftig. „Dieser Partyservice ist etwas Neues, verstehst du das denn nicht? Es ist aufregend, mal was anderes auszuprobieren.“

Paul machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aufregend nennst du das? Vierundzwanzig Stunden am Tag zu arbeiten?“

„So viel arbeite ich ganz bestimmt nicht.“ Samantha hatte nun Mühe, sich zu beherrschen. „Nur ein bis zwei Abende die Woche. Du siehst mich doch dadurch nicht weniger. Du musst zu deinen Kunden und ich zu meinen.“

„Ach, du bist doch verrückt.“

„Und wenn schon.“ Samantha strich sich trotzig eine Strähne ihres hellbraunen Haars aus dem Gesicht und versuchte sich auf die Einkaufsliste, die vor ihr lag, zu konzentrieren. Doch das war so gut wie unmöglich, da Paul ihr ständig in den Ohren lag, dass er ihre Arbeit für eine minderwertige Beschäftigung hielt.

„Mit deinem Universitätsabschluss könntest du als Lehrerin arbeiten“, fuhr er fort. „Stattdessen spielst du Köchin für andere Leute.“

Nun wurde Samantha wütend. „Ich spiele keine Köchin. Und ob es dir passt oder nicht, mir gefällt die Arbeit. Anscheinend geht es nicht in deinen Kopf, dass es wahnsinnigen Spaß macht, in ein interessantes Geschäft einzusteigen. Das könnte der Anfang einer neuen Karriere sein.“

„Für andere Leute Essen kochen, pah!“

„Was ich mache, ist ein Partyservice, Paul. Ich liefere selbst gekochte Speisen an Leute, die entweder wenig Zeit haben oder einfach nicht gut kochen können.“

„Sag ich ja, du machst Küchendienst bei fremden Leuten.“

„Nenn es, wie du willst.“ Samantha hatte keine Lust mehr, sich mit Paul zu streiten. Sie sah sich in dem hübsch eingerichteten Café um. „Ich dachte, du würdest dich freuen, dass es mit dem Café so gut läuft. Schließlich war das Ganze deine Idee.“

„Weil du nicht wusstest, was du nach der Ausbildung auf der Universität anfangen solltest und das Café gerade zu verpachten war. Wenn ich aber gewusst hätte, auf welche verrückten Ideen du dabei kommst, hätte ich dir den Vorschlag bestimmt nicht gemacht.“

„Von einem Geschäft wie diesem habe ich schon immer geträumt, Paul. Mum und Dad wollten, dass ich auf die Universität gehe, und sie haben hart dafür gearbeitet, um mir diese Ausbildung zu ermöglichen. Da konnte ich sie nicht enttäuschen. Sie war ja auch nicht umsonst. Ich habe viel auf der Universität gelernt. Zum Beispiel, wo meine Prioritäten liegen und was ich im Leben erreichen möchte.“

„Erfolg als Geschäftsfrau!“ Paul schüttelte den Kopf. „Und ich dachte, du wolltest mich heiraten.“

„Das will ich ja auch. Aber das ist nicht das einzige Ziel in meinem Leben. Ich möchte Karriere machen, Paul, das ist wichtig für mich.“

Paul seufzte. „Und du meinst, dieser Partyservice ist der Schlüssel zum Erfolg?“

„Ich weiß es nicht. Das muss sich erst noch herausstellen. Aber dass ich Jenny kennengelernt habe, war ein Glücksfall. Die Kontakte, die ich auf ihrer Dinnerparty geknüpft habe, sind unbezahlbar.“

„Aber diese Leute wohnen alle im West End. Es gefällt mir nicht, wenn du in der Dunkelheit allein nach Hause fährst.“

„Ach, Paul!“ Samantha setzte sich auf seinen Schoß. „Darüber brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ich fahre vorsichtig, das weißt du doch, und außerdem werden die Tage allmählich immer länger.“

„Und was ist, wenn der Winter kommt?“, beharrte Paul. Seine Stimme klang jedoch sanfter, und er strich mit den Lippen zart über Samanthas Nacken. „Bis dahin sind wir doch verheiratet, oder? Dann hast du genug damit zu tun, dich um mich zu kümmern.“

„Mmm.“

Samantha klang nicht gerade begeistert, doch Paul war viel zu beschäftigt, ihren Nacken zu liebkosen, als dass er es bemerkt hätte. Als er versuchte, ihre Bluse zu öffnen, wehrte Samantha ihn sanft, aber bestimmt ab. Natürlich liebte sie Paul, aber sie konnte nicht so einfach die Stimmung wechseln, wie er es tat. Auch hielt sie Sex nicht für den richtigen Weg, um Differenzen zu bereinigen.

„Was hast du denn?“

Samantha stand auf und lächelte verlegen. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“, fragte sie ausweichend. „Bevor ich nach Hause gehe, muss ich noch beim Großhändler vorbei, und wenn ich mich nicht beeile, stehe ich vor verschlossenen Türen.“

Autor

Anne Mather
<p>Ich habe schon immer gern geschrieben, was nicht heißt, dass ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Jahrelang tat ich es nur zu meinem Vergnügen, bis mein Mann vorschlug, ich solle doch meine Storys mal zu einem Verlag schicken – und das war’s. Mittlerweile habe ich über 140 Romances verfasst und wundere...
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