Küsse unterm Wüstenhimmel

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Heiß wie die Sonne brennt Fariqs Kuss auf ihrer Haut. Crystal vergisst alles um sich herum. Erst als ihr der Prinz sanft die Brille abnehmen und die Haare lösen will, kriegt sie Panik: Auf keinen Fall darf er sie erkennen!


  • Erscheinungstag 06.09.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733742829
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sie fühlte sich wie das hässliche Entlein an einem ganz besonders schlechten Tag.

Crystal Rawlins rückte die großen, dicken Brillengläser zurecht, die so viel von ihrem Gesicht verdeckten wie nur irgend möglich. Sie war nicht daran gewöhnt, dass etwas ihre Sicht einschränkte, doch für ihre Tarnung war das Ganze unerlässlich. Und jetzt hieß es Showtime.

„Ich bin Crystal Rawlins“, stellte sie sich Seiner Hoheit Fariq Hassan vor, während sie beide neben dem auf Hochglanz polierten Kirschholzschreibtisch in seinem Büro standen.

„Ja. Das neue Kindermädchen. Willkommen in El Zafir, Miss Rawlins. Es freut mich, Sie kennen zu lernen.“

Er war die Verkörperung von groß, dunkel und – wow! Ohne Probleme hätte er das Vorbild für jeden Märchenprinzen abgeben können. Höflich lächelnd streckte er ihr die Hand entgegen.

Ich schüttele dem Teufel die Hand.

Der Gedanke kam Crystal unweigerlich, als sie die Begrüßungsgeste erwiderte. Der kurze Körperkontakt ließ ihre ohnehin schon zittrigen Nerven vollends durchgehen.

Wenn sie sich sonst zu ihrem ersten Arbeitstag einfand, trug sie normalerweise ein sorgfältiges Make-up und Kleidung, in der sie sich professionell und sicher fühlte. Doch sie hatte nie einen Job wie diesen gehabt, weder was Umstände, Geld noch Bedeutung anbelangte. Und die Risiken waren niemals so groß gewesen. Eine seltsame Wendung des Schicksals hatte dazu geführt, dass ihr gutes Aussehen zu ihrer Entlassung führen konnte. Und wenn das passieren sollte, wer würde dann die Arztrechnungen ihrer Mutter bezahlen? Die Gläubiger drohten ohnehin schon, ihrer Mutter alles zu nehmen, was sie besaß – auch das Haus, in dem Crystal aufgewachsen war – und das würde sie, Crystal, niemals zulassen.

„Es freut mich ebenfalls, Sie endlich kennen zu lernen, Euer Hoheit. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt und dabei viele wunderbare Dinge über Ihr Land erfahren. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, hier zu arbeiten.“

Er musterte sie. „Selbst wenn der Vertrag über drei Jahre geht? Von den Ferien mal abgesehen, ist es eine lange Zeit, die Sie fern Ihrer Heimat verbringen.“

„Einen festen Job zu haben ist etwas sehr Gutes.“

Er nickte zustimmend. „Das ist wahr. Genauso wie Stabilität für meine Kinder.“

„Ihre Tante erwähnte, dass Sie in letzter Zeit einige Schwierigkeiten mit der Besetzung dieser Stelle hatten. Fünf Kindermädchen in einem Jahr, wie ich hörte?“

„Ja.“ Er runzelte die Stirn.

„Ich versichere Ihnen, dass es meine volle Absicht ist, den Vertrag zu erfüllen.“

„Gut. Ich verstehe jetzt, warum meine Tante so von Ihnen geschwärmt hat, nachdem sie Sie in New York getroffen hatte.“

„Prinzessin Farrah hat einen ausgezeichneten Geschmack …“ Crystal hielt mitten im Satz inne. Das klang ja furchtbar eingebildet und ganz und gar nicht wie das, was sie gemeint hatte. „Ich wollte sagen, die Prinzessin scheint sehr wählerisch zu sein und eine gute Beobachtungsgabe zu haben. Und außerdem einen wunderbaren Sinn für Mode.“

„Auch für Kindermädchen, wie ich hoffe.“

Fariq war der Vater von den fünfjährigen Zwillingen, um die sie sich kümmern sollte. Es war wichtig, dass sie ihn von Anfang an von sich überzeugte.

Nun stand sie also ihrem zukünftigen Boss gegenüber, der, wenn nicht der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, doch zumindest zu den Top Drei zählte, und sie hatte nur ihr nacktes Gesicht zu bieten. Was hätte sie für ein wenig Kosmetik gegeben oder hohe Absätze und ein maßgeschneidertes Kostüm!

Stattdessen bemühte Crystal sich um ein unscheinbares Äußeres, wie es in der Jobqualifikation gefordert worden war. Eine ganz schöne Herausforderung für eine ehemalige Schönheitskönigin. Schließlich war sie der Stolz ihrer Heimatgemeinde Pullman, Washington. Dort war ihr ganzer Erfolg nur von ihrer Optik bestimmt worden. Doch jetzt kam der Moment der Wahrheit: Würde der Prinz die Maskerade durchschauen, die aus hässlicher Brille, sackartigem, marineblauem Kostüm, flachen Schuhen und einer Frisur bestand, bei der ihre Haare so streng und fest zurückgebunden waren, dass es schmerzte?

Wenn ja, würde sie sofort in den Flieger gesetzt werden, und zwar ohne das großzügige Gehalt, das der Hauptgrund für ihre Anwesenheit in El Zafir war. Der andere Grund lag darin, dass es ihr die Möglichkeit bot zu reisen und ein fremdes Land kennen zu lernen. Das war ihrer Mutter wichtig gewesen und auch der einzige Weg, auf dem Crystal sie dazu hatte bringen können, finanzielle Hilfe von ihr anzunehmen.

„Bitte setzen Sie sich, Miss Rawlins.“ Er deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.

„Danke schön.“

Sie nahm Platz und unterdrückte einen wohligen Seufzer, als sie in das weiche Leder sank.

„So“, murmelte er, während er um den Tisch herumging und sich dann dahinter setzte. Er begegnete ihrem Blick. „Wie war Ihr Flug von …“ Er schaute hinunter auf etwas, was vermutlich ihre Bewerbungspapiere waren. „Washington? Dem Anbaugebiet köstlicher Äpfel, wie ich mich zu erinnern glaube.“

„Nicht in Pullman. Dort gibt es überall nur Weizen. Und mein Flug war sehr lang, Euer Hoheit. Ich habe vergessen, wie viele Zeitzonen ich passiert habe.“

„Ja.“

Fariq Hassan war der Mittlere der drei Söhne von König Gamil, und offensichtlich verschwendete er nicht viele Worte. Ihre Nachforschungen über die traumhaft reiche königliche Familie dieses Landes des Mittleren Ostens hatten ergeben, dass die Hassans in der absoluten Oberliga spielten. Der jüngste Sohn Rafiq war so etwas wie ein Playboy. Der älteste Sohn, Kronprinz Kamal, wurde von der Presse als begehrtester Junggeselle der Welt gehandelt, und Fariq war ein Witwer, der von einigen der schönsten Jet-Set-Frauen regelrecht verfolgt wurde.

„Haben Sie sich von der Reise erholt?“, erkundigte er sich höflich.

„Ich bin dabei. Gestern habe ich mich wie ein begossener Pudel gefühlt“, seufzte sie. „Wahrscheinlich habe ich auch genau so ausgesehen“, fügte sie hinzu und testete damit die Wirkung ihrer Maskerade.

„Ich bin sicher, das war nicht der Fall.“

„Sie sind sehr freundlich. Und ich bin dankbar für die Möglichkeit, mich zu akklimatisieren. Ich habe es sehr geschätzt, dass ich mich ein wenig erholen konnte, um auf Sie und die Kinder einen möglichst positiven Eindruck zu machen.“

„Erzählen Sie mir von Ihren Erfahrungen mit Kindern.“

Er betrachtete sie sehr aufmerksam, doch sein Blick zeigte nicht mehr als normale Neugier. Wenn eine Frau es gelernt hatte, mit ihrem weiblichen Radar männliches Interesse zu erkennen, dann war es Crystal. Sie hatte genügend praktische Erfahrung sammeln können und sich geschworen, niemals wieder das dekorative Anhängsel eines Mannes zu sein. Seine neutrale Reaktion deutete an, dass ihre Verkleidung funktionierte. Warum war sie dann leicht enttäuscht, dass er sie offensichtlich kein bisschen attraktiv fand?

„Ich habe mein Studium damit finanziert, dass ich Kinder gehütet habe.“ Und mit dem Preisgeld aus dem Schönheitswettbewerb. „Ich habe einen Abschluss in Erziehungswissenschaften. Nach dem Examen habe ich ein Jahr lang bei einer wohlhabenden Familie in Seattle gearbeitet. Meine Empfehlungsschreiben liegen Ihnen vermutlich vor …“

„Ihre Referenzen sind tadellos. Ein Abschluss in Erziehungswissenschaften?“ Er blickte sie fragend an.

Mit diesen schwarzen Augen schien er geradezu durch sie hindurchzusehen. Wie Röntgenstrahlen.

„Irgendwann möchte ich gerne unterrichten.“ Sie setzte sich so aufrecht hin, wie sie konnte, straffte ihre Schultern und warf ihm ihren besten Ich-habe-nichts-zu-verbergen-Blick zu.

„Sie haben kein Bedürfnis, eine eigene Familie zu gründen?“ Er hob eine mitternachtsschwarze Augenbraue.

„Irgendwann sicher. Aber da sind einige Dinge, die ich vor Liebe, Heirat und Kindern erleben möchte.“

„In dieser Reihenfolge?“

„Welche andere Reihenfolge sollte es geben?“

Seine Mundwinkel nahmen einen zynischen Zug an. „Kinder, dann die Heirat.“

Crystal schoss das Blut in die Wangen bei der Andeutung von Sex vor der Hochzeit. Heutzutage war das wohl völlig normal, und sie beurteilte auch niemanden danach. Aber die Tatsache, dass sie mit diesem Mann über so intime Dinge sprach, trieb ihr die Röte ins Gesicht.

Sie rutschte nervös auf ihrem Ledersessel herum, und schaute ihm dann schließlich in die Augen. „Euer Hoheit, ich bin nicht so naiv, dass ich nicht wüsste, dass das vorkommt. Aber nicht bei mir.“

„Ich verstehe. Ich dachte allerdings, dass amerikanische Frauen so stolz darauf sind, eine Karriere und eine Familie zugleich unter einen Hut bringen zu können. Worin liegt also die Notwendigkeit zu warten, Miss Rawlins?“

„Es ist nun mal nicht die Art und Weise, wie ich es machen möchte. Ich liebe Kinder, weshalb ich auch Erziehungswissenschaften studiert habe. Und wenn ich eigene habe, beabsichtige ich, zu Hause zu bleiben und sie großzuziehen. Aber wenn der Zeitpunkt der Richtige ist, werde ich wieder arbeiten gehen. Mein Beruf als Lehrerin wird es mir ermöglichen, Feiertage und Ferien mit meinen Kindern verbringen zu können.“

„Aha. Eine Planerin. Sehr organisiert.“ Er runzelte die Stirn.

„Ist daran irgendetwas falsch?“

„Im Gegenteil. Ich finde das sehr erfrischend.“

Den Eindruck machte er allerdings gar nicht. Er wirkte vielmehr so, als wenn er ihr nicht glauben würde. Sie schlang die Hände ineinander und ließ sie in ihrem Schoß ruhen. „Darf ich Sie etwas fragen?“

„Ja.“

„Ich bitte um Entschuldigung, wenn das impertinent wirken sollte, aber als Erzieherin habe ich gelernt, dass es wichtig ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der keine Frage als dumm betrachtet wird.“

Er verzog amüsiert die Mundwinkel. „Ich verstehe. Jetzt, wo Sie sich erklärt haben, stellen Sie bitte Ihre dumme Frage.“

Crystal war sich nicht ganz sicher, ob er sich über sie lustig machte oder nicht. Sie entschied aber, dass sie sich davon nicht aus dem Konzept bringen lassen würde. Schon wegen seiner Kinder würden sie miteinander auskommen müssen. Daher war es wichtig, dass er akzeptierte, dass sie eine Frau war, die ihre Meinung sagte.

„Es ist eigentlich keine dumme Frage, sondern geht mehr in Richtung der Klärung eines Sachverhalts. Dieses … Gespräch, das wir hier führen, fühlt sich mehr wie eine Bewerbungssituation an als eine Begrüßung. Ich hatte aber den Eindruck, dass ich bereits für die Stelle engagiert wäre.“

Er nickte. „Meine Tante war sehr von Ihnen beeindruckt, und ich respektiere ihre Meinung sehr. Aber es handelt sich hier um meine Kinder, Miss Rawlins. Die endgültige Entscheidung liegt bei mir.“

„Wenn Sie also anderer Meinung sind als Prinzessin Farrah …“

„Dann sitzen Sie im ersten Flugzeug zurück in die Vereinigten Staaten“, erklärte er vollkommen offen.

„Was eine neue Frage aufkommen lässt.“

„Eine dumme?“ Er grinste sie an, wodurch er den Worten die mögliche Schärfe nahm.

„Ich … ich hoffe nicht.“ Sie räusperte sich. „Warum wollten Sie ein amerikanisches Kindermädchen? Warum nicht eine Frau aus Ihrem eigenen Land, die mit den Sitten El Zafirs vertraut ist?“

„Was meine Kinder über ihr Land wissen müssen, werde ich ihnen selbst beibringen, genauso wie der Rest meiner Familie. Aber viele unserer Geschäftsbeziehungen gehen in den Westen, und aufgrund ihrer Geburt werden Hana und Nuri El Zafir dienen müssen. Sie werden mit vielen amerikanischen Diplomaten und Geschäftsleuten verkehren, und Sie können sie darauf vorbereiten, und zwar in einer Art und Weise wie das niemand aus meinem Land tun könnte. Es ist etwas, was ich als sehr wichtig empfinde.“

Crystal schluckte. „Was die Jobqualifikationen anbelangt, Euer Hoheit.“

„Waren die nicht klar genug?“

„Es ist interessant, dass Sie das fragen. Dürfte ich erfahren, warum ein schlichtes, unscheinbares Kindermädchen gesucht wurde?“

„Ich glaube die eigentliche Formulierung lautete ‚eine schlichte, unscheinbare, unaufdringliche amerikanische Frau von einiger Intelligenz, die gut im Umgang mit Kindern ist‘.“

Crystal konnte mehr als unaufdringlich sein, sie machte sich auch keinerlei Gedanken um den Teil über den guten Umgang mit Kindern. Es war das Adjektiv „schlicht“, das sie verwirrte.

Aus Spaß hatte sie die Definition im Wörterbuch nachgeschlagen, die von diskret und einfach bis zu hässlich und unattraktiv reichte. War ihm eigentlich klar, dass sie sich von der Formulierung beleidigt fühlen könnte? In erster Linie war sie jedoch neugierig.

„Ich verstehe die Bedeutung der restlichen Formulierung. Ihre Tante hatte jedoch nicht erklärt, warum ‚Schlichtheit‘ so ein wichtiges Kriterium ist.“

„Weil schöne Frauen …“ Er zögerte, und währenddessen wurde sein Blick hart. Sein Mund war nur noch eine dünne Linie.

„Was ist mit schönen Frauen?“, hakte sie nach, wobei sie bei seinem Gesichtsausdruck innerlich zitterte.

„Sie sind eine unwillkommene Ablenkung.“

„Ich verstehe.“

Sie hatte Arroganz erwartet und war nicht enttäuscht worden. Schöne Frauen waren eine unwillkommene Ablenkung? Ärger stieg in ihr auf. Sie war dazu erzogen worden, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, aber ein Scheich kam vielleicht damit davon, anderen die Schuld für seine Unzulänglichkeiten zu geben.

„Euer Hoheit“, begann sie. „Lassen Sie mich sichergehen, dass ich Sie richtig verstehe. Wenn Sie nicht in der Lage sind, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, dann ist es die Schuld der Frau – zumindest wenn sie zufälligerweise schön ist?“

Wieder hob sie das Kinn und ließ ihn einen langen Blick auf ihr Gesicht werfen. Wenn ihre Maskerade einer kritischen Musterung nicht standhalten würde, war es das Beste, es gleich zu erfahren.

Sie betrachtete sich selbst nicht als schön – nicht in der Liga, in der Fariq Hassan spielte. Doch zu Hause hatte sie ihren Teil an Aufmerksamkeit erhalten, wenn auch nicht immer in positiver Hinsicht. Und sie fand nicht, dass ihr Aussehen darüber entscheiden sollte, ob sie dazu geeignet war, Kinder zu erziehen oder nicht.

Sie starrten sich mehrere Augenblicke lang an, und Crystal wünschte sich, er würde etwas sagen. Sie befürchtete bereits, dass ihre scharfe Zunge sie einmal mehr in Schwierigkeiten gebracht hatte. Dennoch war es besser, das gleich zu Beginn zu klären – für sie beide. Und besonders für die Kinder.

„Lassen Sie mich sehen, ob ich die Frage richtig verstehe“, meinte der Prinz schließlich. In seinen Augen funkelte es, was Humor bedeuten konnte. „Wenn ich mich in der Gegenwart einer schönen Frau nicht konzentrieren kann, dann fragen Sie, wessen Schuld das ist?“

„Das fasst es in etwa zusammen.“

„Es ist natürlich die Schuld der Frau.“

Wieder wusste sie nicht, ob er scherzte, beschloss dann aber, so zu tun, als meine er es ernst. „Dann sollten Sie etwas über mich wissen, bevor wir weiterreden.“

Er legte die Hände zusammen und lehnte sich über den Schreibtisch hinweg weiter vor. „Und was ist das?“

„Die Basis meiner Philosophie im Umgang mit Kindern liegt darin, dass ich von ihnen verlange, dass sie immer die Verantwortung für ihre Taten übernehmen.“

„Nun, dann ist da auch etwas, dass Sie über mich wissen sollten.“

„Und das wäre?“

„Ich bin kein Kind. Und ich habe immer recht.“

Über seine erste Aussage ließ sich zweifellos nicht streiten. Er war durch und durch maskulin! Sie schluckte trocken. Durch diese provozierende Antwort, wäre ihr beinahe die Arroganz in seiner zweiten Aussage entgangen. Er hatte immer recht?

„Es ist immer gut zu wissen, wie sein Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt sieht“, erwiderte sie. „Ich gehe mal davon aus, dass Sie noch mein Arbeitgeber sind.“ Sie hielt den Atem an.

„Ich denke, meine Tante hat weise ausgesucht. Sie werden Ihre Sache gut machen.“

Crystal war klar, dass sie erleichtert darüber sein sollte, der Musterung standgehalten zu haben. Sie hatte es geschafft. Sie war eingestellt. Bevor sie den Prinzen persönlich getroffen hatte, hatte genau darin ihre Hoffnung gelegen. Unglücklicherweise fühlte sie sich jetzt, wo ihr der Job sicher war, seltsam enttäuscht über ihren Erfolg. Er glaubte also tatsächlich, dass sie so schlicht und bieder war, wie sie vortäuschte. Er nahm ihre Kleider, ihr Haar und die Brille wahr und schaute nicht weiter.

„Ich würde jetzt sehr gerne die Kinder kennen lernen“, meinte sie. Wenn das hier ein Jobinterview war, dann war sie diejenige, die es führte, aber sie wollte wirklich so bald wie möglich die beiden Kleinen treffen.

„Ich werde Sie zu ihnen bringen und Sie vorstellen.“ Sie hörte Stolz aus seiner Stimme, und in seinen Augen lag ein zärtlicher Ausdruck.

Fariq stand auf, umrundete den Schreibtisch und bedeutete dann mit einer Geste, dass sie vorgehen solle. Sie hielt an der schweren Holztür, und während sie beide nach der Klinke griffen, berührten sich ihre Hände.

„Erlauben Sie mir“, sagte er mit seiner samtweichen, tiefen Stimme, die ihr Schauer über den Rücken jagte.

„Danke schön.“

In der Halle vor seinem Büro schaute sie sich neugierig um. Ihre flachen Schuhe versanken förmlich in dem dicken, teuren Teppich. Die holzgetäfelten Wände waren mit Fotos von El Zafir in verschiedenen Phasen seiner Entwicklung behängt.

In ihrem ganzen Leben hatte Crystal noch nie einen solchen Luxus gesehen wie seit ihrer Ankunft im Palast. Marmorböden, elegante Treppenhäuser, ein Springbrunnen im Foyer, üppige Gärten. Die Räume waren mit sündhaft teuren, teils antiken Möbeln ausgestattet, und überall sah man Gold und Dekor im Überfluss – unschätzbare Kunstwerke, Gemälde, Vasen und Tapisserien. Verdammt beeindruckend.

Es gab vier Büros. Das des Königs war das erste, dann folgte das des Kronprinzen und schließlich Fariqs, vor dem sie gerade standen. Ein letztes Büro befand sich am Ende der Halle auf der rechten Seite, und sie vermutete, dass es Rafiq, dem jüngsten Bruder gehörte. Sie glaubte, daraus Kinderstimmen herauszuhören, begeistertes Gekicher und Gelächter.

Sie blickte zu ihrem Arbeitgeber auf und deutete mit dem Daumen in Richtung des Lärms. „Sie sind in diese Richtung entkommen.“

„Eine Zeile aus einem der B-Western Ihres Landes?“, fragte er.

„Sie kennen die Filme?“

„Ich habe in Amerika studiert.“

„Oh ja, natürlich.“

Sie gingen in das letzte Büro, und dort auf dem Ledersofa an der Wand saßen zwei Kinder und ein Mann, der nur Fariqs Bruder sein konnte. Ein kleines Mädchen hockte auf seinem Knie und verwuschelte seine Haare, während er gleichzeitig den Jungen auf seinem anderen Knie kitzelte. Der Kleine lachte aus vollem Hals und bettelte gleichzeitig darum, dass er doch aufhören möge. Zweifellos waren dies die beiden fünfjährigen Zwillinge, die in ihre Obhut übergehen würden.

„Papa!“, riefen beide Kinder wie aus einem Munde.

Sie sprangen von der Couch und rannten zu ihm, wobei beide ihre kleinen Arme um einen seiner Oberschenkel legten. Er bückte sich und umarmte die zwei.

„Hallo, meine Süße“, sagte er und strich seiner Tochter liebevoll über die Wange, die ihn anbetend ansah. „Und du?“ Fariq grinste seinen Sohn an und verwuschelte ihm das Haar. „Hier ist jemand, der euch gerne kennen lernen möchte.“ Plötzlich richteten sich zwei dunkle, neugierige und auch ein bisschen schüchtern wirkende Augenpaare auf Crystal. „Das ist Miss Rawlins. Was sagt man?“

„Hi.“ Der Junge blickte zu seinem Vater auf. „Ich meine, wie geht es Ihnen?“

Fariq nickte zustimmend.

Das kleine Mädchen krallte sich an seinem Hosenbein fest. „Wie geht es Ihnen?“, ahmte sie ihren Bruder nach.

Der Prinz schaute zärtlich auf seine Tochter herab, dann deutete er mit einer Kinnbewegung auf den anderen Mann im Raum. „Dieser lahme Ersatz für ein Kindermädchen ist mein Bruder Rafiq.“

„Euer Hoheit“, grüßte sie und wandte sich damit zuerst an den Erwachsenen.

Der Prinz stand auf und fuhr sich durchs Haar, das seine Nichte mit so viel Freude in Unordnung gebracht hatte. Jeder Mann, der gerne mit Kindern spielte und dabei nicht auf seine Erscheinung achtete, war in ihren Augen mehr als in Ordnung.

„Es ist eine Freude, Sie kennen zu lernen, Miss Rawlins“, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.

„Für mich ebenso, Euer …“

„Nennen Sie mich Rafiq. Ich bestehe darauf“, erwiderte er, bevor sie protestieren konnte.

„Vielen Dank.“ Sie sah zuerst zu dem Jungen, dann zu seiner kleinen Schwester hinüber. „Und ihr könnt nur Hana und Nuri sein.“

„Woher kennen Sie unsere Namen?“, fragte das Mädchen beeindruckt. Sie blinzelte mit ihren großen schwarzen Augen und den unglaublich langen Wimpern.

In fünfzehn Jahren, wahrscheinlich auch schon weniger, würde sich die männliche Bevölkerung von El Zafir warm anziehen müssen, dachte Crystal. „Eure Tante Farrah hat sie mir genannt. Als ich sie in New York getroffen habe, hat sie mir auch Fotos von euch beiden gezeigt.“

„Ihre Brille ist sehr groß“, meinte Nuri. „Und sehr hässlich.“ Er war genauso hübsch wie seine Schwester und hatte sich zweifellos von seinem Vater schon eine Spur Arroganz abgeguckt.

„Du hast eine gute Beobachtungsgabe“, entgegnete sie trocken. Crystal schaute rasch von einem Mann zum nächsten und richtete den Blick dann auf den Vater der Kinder. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Euer …“

„Fariq“, unterbrach er sie. „Mein Bruder hat recht. Es gibt keinen Grund, so förmlich zu sein. Und ich werde Sie Crystal nennen.“

Autor

Teresa Southwick
Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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