Kein Duke ist auch keine Lösung

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Mit einem Fremden auf dem Ball tanzen? Allein die Vorstellung ist ein Alptraum für die schüchterne Viola Astley! Statt bei ihrem Debüt in London wie die anderen Ladys übers Parkett zu schweben und mit den Gentlemen zu flirten, versteckt sie sich lieber in der Bibliothek. Dort begegnet sie ausgerechnet Devin Elstan, Duke of Wynter. Der charismatische Adelige ist dringend auf der Suche nach einer passenden Duchess, und prompt erregt Viola sein Interesse. Obwohl ihr Herz Devin zufliegt, ist ihr doch eines schmerzhaft bewusst: Ein Duke braucht eine Frau, die es liebt, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Könnte Viola dieser Anforderung jemals gerecht werden?


  • Erscheinungstag 07.02.2023
  • Bandnummer 388
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516198
  • Seitenanzahl 264
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Dieses Buch ist Sharlene Martin Moore gewidmet, einer wunderbaren Freundin und Partnerin bei der Moderation der Facebook-Gruppe Lindow Castle. Die bezaubernde Atmosphäre dort und der Fluss witziger Ideen und Besucher haben wir größtenteils Sharlene zu verdanken.
Vielen Dank!

1. KAPITEL

Lindow Castle, Cheshire

Landsitz des Duke of Lindow

15. November 1781

Miss Viola Astley, die Stieftochter von Hugo Wilde, dem Duke of Lindow, hielt es für das größte Unglück ihres Lebens, dass sie das genaue Gegenteil der Wildes war.

Schon als Kind hatte sie begriffen, dass sie genauso viel Ähnlichkeit mit den Sprösslingen Seiner Gnaden hatte wie ein Esel mit einem Drachen. Sie war erst zwei Jahre alt gewesen, als ihre Mutter, Ophelia, den Duke geheiratet hatte. Und so waren ihre frühesten Erinnerungen davon geprägt, keine Wilde zu sein.

Ihre Halbschwester Artemisia zum Beispiel war schön, unerschrocken und keck.

Im Alter von drei Jahren!

Viola dagegen war befangen, brachte keinen Ton heraus und war allgemein ziemlich nutzlos.

Ihre ältere Stiefschwester Betsy war in der Familie dafür bekannt, dass sie vom Pferderücken aus Pfeile abschießen konnte. Viola dagegen fürchtete sich vor Pferden und interessierte sich auch nicht für das Bogenschießen. Allein ihre Angst bewies, dass sie keine echte Wilde war.

Mut kennzeichnete alle Kinder des Dukes aus. Alaric war ein Schriftsteller, der mit seiner Frau und seinen Kindern durch ferne Länder reiste und furchtlos mutige Dinge unternahm. Joan, die Viola von allen am meisten liebte, genoss es, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Das ging so weit, dass sie sogar von einer Karriere auf der Londoner Bühne träumte. Und Betsy hatte – nachdem sie Pfeil und Bogen beiseitegelegt hatte – in London ein triumphales Debüt gefeiert und neunzehn Bewerber abgewiesen, ehe sie einen zukünftigen Marquess geheiratet hatte.

Viola dagegen war mit fünfzehn Jahren auf ihrem ersten Ball gewesen. Sie hatte sich bis auf die Knochen blamiert, indem sie sich knapp außerhalb des Ballsaals erbrochen hatte. Danach hatte sie auch den letzten Rest Mut verloren. Heute konnte sie kaum neben einem fremden Gentleman sitzen, ohne dass sich ihr Magen zu einem harten Knoten verkrampfte.

Gleichgültig, wie oft ihre Familie ihr versicherte, dass es keinen Grund für sie gab, sich Sorgen zu machen – sie kam nicht über die Erinnerung an ihren ersten Ball, den Lindow Ball von 1778, hinweg.

Viola war nervös gewesen, während Joan mit einem breiten Lächeln die Treppe hinuntergeschwebt war. Sie war ganz aus dem Häuschen, weil sie endlich alt genug war, um an so einem Fest teilzunehmen.

„Mach dir keine Sorgen“, sagte sie mit dem unerschütterlichen Selbstvertrauen einer Wilde zu Viola. „Wir werden von Männern belagert werden, die alle mit uns tanzen wollen.“

Und tatsächlich, kaum hatten sie den Ballsaal betreten, verbeugte sich auch schon ein Freund von Alaric – Lord Poplar, auf Eton unter dem Namen Poppy bekannt – vor ihnen.

„Du wirst mit Viola tanzen, Poppy“, entschied Joan.

Lord Poplar lachte schallend. „Diesen Spitznamen habe ich schon seit Jahren nicht mehr gehört. Niemand wagt es noch, ihn zu benutzen.“

Joan verdrehte nur die Augen, und kurz darauf führte Poppy Viola auf die Tanzfläche. Viola konzentrierte sich darauf, die Schritte richtig zu setzen. Die Schrittfolge des Tanzes sorgte dafür, dass sie nicht mehr als fünf Worte mit Poppy wechselte, was ihr sehr gelegen kam.

Als die Musik verklang, lächelte Viola Seine Lordschaft an, stolz darauf, dass sie nicht einen verkehrten Schritt getan hatte. Sie tanzte mit einem ihrer Brüder und danach mit einem Onkel mütterlicherseits. Die Erfahrung war zwar nicht besonders angenehm, aber sie war auch nicht unerträglich.

Dann bekam einer ihrer Tanzpartner einen heftigen, unkontrollierbaren Schluckauf und stürzte zur Tür hinaus. Viola stand wie ausgesetzt ganz allein an der Wand des Ballsaals und suchte zwischen den sich wiegenden Tänzern nach ihrer Familie.

Wo waren sie nur alle abgeblieben?

Auntie Knowe tauchte an ihrer Seite auf. „Habe ich dich nicht gerade noch mit Finrope tanzen sehen?“ Lord Finrope war ein sechzig Jahre alter Nachbar, eine freundliche Seele.

„Er hat einen Schluckauf bekommen und musste sich zurückziehen.“

„Er trinkt zu viel“, sagte Auntie Knowe und rümpfte die Nase. „Mit dem ganzen Brandy tut er seinem Magen keinen Gefallen.“

Viola legte sich eine Hand auf den Bauch und flüsterte: „Mir ist schlecht.“ Sie hatte früher schon einmal vor einer Mathematikprüfung in der Schule erbrochen, und sie hatte schreckliche Angst, dass ihr so etwas noch einmal passieren könnte.

„Gib deinen Nerven ein wenig Zeit, sich zu beruhigen. O nein, Lady Prunner kommt gerade. Rühr dich nicht von der Stelle, Viola. Ich bin gleich wieder da.“

Viola hatte nicht vor, irgendwohin zu gehen. Ihre Hände in den Handschuhen waren unangenehm feucht. Sie atmete viel zu hektisch, und ihr Kleid machte es nur noch schlimmer, indem das Mieder sich ihr in den Bauch bohrte.

Der Tanz war zu Ende. Menschen schlenderten an ihr vorbei, sahen sie an und gleich wieder weg. Es war demütigend, ganz allein an der Seite zu stehen. Doch in der Menge der mehr als einhundert Leiber, von denen viele auch noch in breiten Hüftpolstern steckten, konnte sie niemanden entdecken, den sie kannte.

Verstohlen begann sie, sich an der Wand entlang nach rechts zu schieben.

Ganz in der Nähe befand sich hinter einem Vorhang verborgen ein Alkoven. Der Butler des Schlosses, Prism, verstaute dort überzählige Stühle, wenn der Ballsaal nicht in Benutzung war.

Eine ältere Dame blieb vor ihr stehen, und Viola zwang sich, sie anzulächeln. Die Frau runzelte leicht die Stirn. Wahrscheinlich dachte sie, dass sie Viola kennen müsste, dann ging sie weiter.

Noch etwas, das Viola von ihren Halbgeschwistern unterschied. Sie war klein und unscheinbar, und die Menschen vergaßen oft, wer sie war.

Einen Wilde dagegen vergaß man nie.

Violas Herz hatte angefangen, so kräftig zu pochen, dass sie es in ihren Ohren hören konnte. Irgendwie schaffte sie es, sich in den Alkoven zu flüchten, doch dort war es auch nicht besser.

In der kleinen Nische war es drückend heiß. Auf der anderen Seite des Samtvorhangs spielten die Musiker zu einem Kontertanz auf. Von den stampfenden Schritten der Tänzer begann der Boden des Ballsaals unter Violas Füßen zu beben.

Das mit dem Alkoven war eine ganz schlechte Idee gewesen. Es war heiß und stank nach Politur.

Und gleich wird es auch noch nach Erbrochenem riechen, dachte Viola verzweifelt. Sie musste hier raus, und zwar schnell, ehe es zum Schlimmsten kam.

Sie zog den Vorhang zurück und stürzte hinaus, streifte die Schulter eines Gentlemans und ignorierte seinen erschrockenen Aufschrei. Eine Violine traf nicht den richtigen Ton, und das schrille Lachen einer Frau hallte in ihren Ohren wider.

In ihrer Panik hatte sie sich vom Eingang zum Ballsaal abgewandt, doch zum Glück konnte sie durch eine Dienstbotentür ganz in der Nähe auf einen Korridor fliehen, der den hinteren Teil des Schlosses mit den öffentlichen Bereichen verband.

Sie hastete durch diese Tür, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass jemand auf der anderen Seite sein könnte.

Ganz zu schweigen von zwei Personen.

2. KAPITEL

Viola prallte gegen einen Gentleman, der mit dem Rücken zu ihr stand. Er stolperte nach vorn, fing ihren Stoß jedoch ab.

Sie wich einen Schritt zurück, mit einer Entschuldigung auf den Lippen.

Der Mann war riesig und hatte breite Schultern. Er trug eine Perücke und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Die andere hatte er um jemanden geschlungen, den Viola nicht sehen konnte. Ihr Blick huschte über seinen Rücken, und sie sah die gelben Schühchen, die unpassenderweise links und rechts neben seinen Beinen vorragten. Bevor Viola begriffen hatte, was das alles zu bedeuten hatte, verschwanden die Schuhe, gefolgt vom Rascheln von Röcken, die zu Boden fielen.

Der Mann schaute kurz über seine Schulter, dann wandte er sich wieder an seine … was war das richtige Wort? Geliebte?

„Hast du dafür gesorgt, dass es einen Zeugen gibt?“ Seine Stimme war rau und heiser – nicht ungläubig, sondern voll glühendem Zorn, der Viola am ganzen Körper erschütterte. Ihr zog sich der Magen noch fester zusammen.

„Aber nein!“, sagte die Frau atemlos. „Es ist nur eine Bedienstete.“

„Keineswegs. Allen Erwartungen zum Trotz hat eine Dame den Dienstbotengang betreten. Deine Zeugin scheint Angst gehabt zu haben, sie könnte zu spät kommen“, gab er zurück. Seine Stimme war scharf wie eine Messerklinge. „Sie keucht wie ein Blasebalg. Ich nehme an, du wolltest mich auf diese Weise zwingen, dich zu heiraten?“

Viola zitterte am ganzen Körper. Der Dienstbotengang war eng, und der Mann versperrte ihr den Weg.

Schluchzend holte sie Luft. „Bitte entschuldigen Sie mich.“

Der Mann drehte sich nicht einmal zu ihr um. „Was glaubst du, was für eine Ehe das werden wird?“

Die Frau murmelte etwas.

Viola presste sich an die Wand. Da ihre Hüftpolster fast so breit waren wie der Gang, konnte sie sich nicht an dem Mann vorbeidrängen.

„Bildest du dir ein, du würdest eine Duchess werden und mit einer hohen Perücke und dem Schmuck meiner Mutter durch die Stadt flanieren? Ich lebe auf dem Land, nehme niemals an Parlamentssitzungen teil und verabscheue die feine Gesellschaft. Meine Gattin wird natürlich stets an meiner Seite sein. Das solltest du bedenken, bevor du und deine verdammte Zeugin hinausposaunen, was passiert ist.“

„Entschuldigen Sie“, sagte Viola mit bebender Stimme, „ich muss …“

Sie sah die Zähne in einem kräftigen Kiefer aufblitzen und seinen verbitterten Blick, ehe er an ihr vorbei in den Ballsaal stürmte. Jetzt konnte sie die Frau in dem senfgelben Kleid erkennen. „Sie dumme Kuh, Sie blöde, dumme Kuh!“, schrie die Ertappte wenig damenhaft. „Wieso zum Teufel mussten Sie hier hereinplatzen?“

Entgeistert starrte Viola die Frau an und brachte kein Wort heraus.

„Sie haben alles ruiniert!“, fügte die Frau hinzu. Heftiger Zorn schwang in ihren Worten mit.

Die Tür hinter Viola öffnete sich, und eine weitere Woge der Panik erfasste sie am ganzen Körper.

Er war zurückgekommen.

Sie wirbelte herum und entdeckte eine ältere Dame, die sie befremdet ansah.

„Du kommst zu spät“, schnauzte die Frau in Gelb. „Diese Närrin hat uns gestört, und er ist wutentbrannt abgezogen.“

Viola beugte sich vor und entleerte ihren Magen, wobei auch die Frau in Gelb und ihre Zeugin ihren Teil abbekamen.

Sie floh vor den empörten Schreien, rannte in ihr Schlafzimmer, rief ihre Zofe und verkroch sich in ein heißes Bad. Dabei versuchte sie zu begreifen, was sie gerade gesehen hatte.

Der Akt hatte keinerlei Ähnlichkeit mit den beschaulichen ehelichen Szenen gehabt, welche die Direktorin ihres Mädchenpensionats mit leiser Stimme beschrieben hatte. So weit Viola sich erinnerte, hatte Miss Peters gesagt, dass die Dame dabei entspannt auf dem Rücken liegen und „den Verkehr“ im Dunkeln über sich ergehen lassen sollte. Das Ereignis, das sie geschildert hatte, schien zwar unangenehm, aber durchaus respektvoll vonstattenzugehen.

Die Einzelheiten dessen, was sie soeben gesehen hatte, bauschten sich in Violas Gedächtnis auf, auch wenn sie versuchte, sie zu vergessen. Die breiten Schultern des Mannes, sein keuchender Atem, die Art und Weise, wie der Körper der Frau an die Wand gedrückt wurde, als Viola gegen den Mann geprallt war. Seine schiere Kraft.

Am nächsten Morgen war nichts von einem Skandal zu merken. Viola begriff, dass der Mann gezwungen wäre, die Frau in Gelb zu heiraten – falls sie, Viola, preisgab, was sie gesehen hatte. Selbst wenn die Frau eine Witwe war, wäre ihr Ruf durch die Gerüchte ruiniert. Violas Stiefvater, der Duke of Lindow, wäre überaus ungehalten, wenn er wüsste, was seine Stieftochter hatte mit ansehen müssen. Es würde Schuldzuweisungen geben, und die Neuigkeit würde überall die Runde machen. In einem Schloss voller Menschen blieben Geheimnisse nicht lange geheim.

Ein Unrecht wäre die Folge. Viola verabscheute zwar den Mann, der den Preis bezahlen würde, doch sie beschloss, dass sie für diesen heilsamen Blick auf die dunkle Seite eines Gentlemans dankbar sein sollte. Üblicherweise gelang es ihnen, diese Seite mit ihren vorzüglichen Manieren und eleganten Kleidung geschickt zu verdecken.

Der Mann war ein Ungeheuer, ein Tier, aber er hatte es nicht verdient, durch eine List zur Heirat gezwungen zu werden.

Sie hatte gehört, wie ihre Stiefbrüder Witze darüber gemacht hatten, mit welchen Tricks man schon versucht hatte, sie in die Falle zu locken. Doch in ihren Stimmen hatte auch immer eine gewisse Schärfe gelegen. Sie wollten sich ihre Bräute selbst aussuchen.

Der Mann hatte wütend geklungen – als wäre er verraten worden.

Und so erzählte Viola niemals einer Menschenseele, was auf dem Ball geschehen war. Sie gab sich Mühe, die Angelegenheit zu vergessen, und versuchte nie, die Namen der Frau in Gelb oder des betreffenden Dukes in Erfahrung zu bringen.

Im folgenden Jahr ließ sie sich von ihrer Mutter überreden, zu einem Hauskonzert nach unten zu kommen. Dabei gelang es ihr mit knapper Not, sich nicht auf einen jungen Mann zu erbrechen. Stattdessen stürzte sie zu einem eingetopften Zitronenbäumchen. Ihre Brüder zogen sie damit auf, dass der arme Baum nie wieder Früchte tragen würde.

Seitdem hatte sie ihre Schüchternheit nicht mehr unter Kontrolle. Sie konnte nicht aufhören, daran zu denken, dass sie keine echte Wilde war. Allein der Gedanke an eheliche Intimitäten ließen sie vor Abscheu erschaudern. Sie hatte Angst, eines Tages mit einem Gentleman verheiratet zu sein, für den sie nur die zweite Wahl war und der sie möglicherweise auf dem Land oder gar auf dem Dachboden einsperren würde.

Gleichgültig, wie unwahrscheinlich dieses Szenario war – es setzte sich in ihrem Kopf fest, und sie schien es nicht wieder loszuwerden. Allein bei der Vorstellung, mit einem Mann zu kokettieren, wurde ihr übel, ganz zu schweigen bei dem Gedanken an eine Heirat.

Sie sollte heiraten? Undenkbar!

In den folgenden drei Jahren war sie bei gesellschaftlichen Anlässen stets nur Zaungast. Sie saß still in der Ecke, während die Duchess die Gäste begrüßte, oder in der letzten Reihe, wenn ein Opernsänger die Gäste des Duke of Lindow unterhielt. Sie nahm nur selten an den Abendmahlzeiten teil, aber irgendwie schaffte sie es immer, genug von den Gästen zu sehen, um die Familie mit ihren Beobachtungen zu erheitern – natürlich nur, wenn sie unter sich waren.

Leider waren solche Momente der Ungestörtheit auf Lindow Castle selten. Der mächtige Duke mied das House of Lords, so gut es ging, also kamen die Männer, die England regierten, zu ihm. Häufig platzte das Schloss aus allen Nähten mit all den Peers und Politikern.

Dann hatte der Duke das Familiendinner eingeführt. Einmal in der Woche speiste die Familie ganz für sich. Natürlich wusste jeder, dass Viola auf diese Weise die Gelegenheit bekam, mit der Familie zu essen. An den übrigen Abenden zog sie sich mit einem Tablett in ihr Schlafzimmer zurück, während alle anderen mit den Gästen plauderten. Viola genoss diese Abende. Oft sprang Joan vom Tisch auf und spielte spontan die Szenen nach, die Viola zuvor beobachtet hatte, bis die ganze Familie sich vor Lachen bog.

Sie war froh, auf dem Land zu leben. Sie half dem älteren Pfarrer, Father Duddleston, bei seinen Gemeindeaufgaben, und verbrachte viel Zeit mit den geliebten Tieren des Schlosses. Mit Fitzy, dem Pfau, ihrer zahmen Krähe Barty und ihren beiden Kühen Daisy und Cleopatra.

Als junges Mädchen war Viola zu Ohren gekommen, dass die beiden entzückenden Kälber im Kuhstall des Schlosses für das Osterfest gemästet wurden. Sie hatte ihren Stiefvater angebettelt, Cleo und Daisy nicht in erstklassige Steaks zu verwandeln. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kuhstall zu ihrer liebsten Zuflucht. Es war der einzige Ort, an den ihre geliebten, glanzvollen, strahlenden Wilde-Geschwister nur kamen, wenn sie nach Viola suchten. Sie verbrachte Stunden dort, saß auf einem Schemel, las ein Buch und lauschte dem leisen Muhen der Tiere, die niemals gezwungen wurden, Perücken und Korsetts zu tragen oder die Quadrille zu tanzen.

Als Father Duddleston im Schlaf seinen letzten Atemzug tat, musste Viola ihren geheimen Traum aufgeben. Sie hatte sich ausgemalt, der Pfarrer könnte den Duke anflehen, seiner Stieftochter zu gestatten, in Cheshire zu bleiben. Doch jetzt wurde es Zeit, dass sie sich mit der Wahrheit abfand.

Sie würde debütieren müssen.

Als Viola zaghaft vorschlug, dass sie vielleicht auf dem Schloss bleiben könnte, sprach Violas Mutter ein Machtwort. Auf lange Sicht spielten Ballsäle keine große Rolle, sagte Ophelia. Doch die Einführung einer jungen Dame in die Gesellschaft war keine Wahlentscheidung, sondern eine Notwendigkeit.

Lady Knowe, die Zwillingsschwester des Dukes, stimmte ihr zu. Viola könne ihre Furcht nur auf einen einzigen Weg überwinden: Sie müsse ihre Nerven auf die Probe stellen. Folglich beschloss man, die Ballsaison 1782 mit einem Ball zu Ehren von Viola und Joan zu eröffnen, abgehalten im Stadthaus des Duke of Lindow in Mayfair.

„Wenn du dich übergeben musst, Liebes, dann halte dich an die Topfpflanzen“, riet Auntie Knowe ihr. „Ich werde Prism sagen, dass er die Zitronenbäume umstellen soll, sie sind zu empfindlich.“

Allein bei dem Gedanken an diesen Ball wurde Viola schlecht. Dabei hatte man ihr Debüt bereits um ein Jahr verschoben, in der Hoffnung, dass ihr Magen sich bis dahin beruhigt haben würde. Mit dem Abstand von drei Jahren konnte sie sich nicht mehr an das Aussehen des Liebespaares erinnern, aber sie empfand immer noch eine Woge des Entsetzens, wenn sie an die zornige Stimme des Mannes und an seine brutale Stärke dachte.

„Das stehe ich nicht durch“, sagte Viola zu Cleo und streichelte ihre klebrige, weiche Nase. „Ich werde die Saison nicht überleben.“

Cleo machte sich nicht einmal die Mühe, zu muhen.

Wahrscheinlich wusste sie so gut wie Viola, dass ein Überleben recht wahrscheinlich, Erfolg hingegen so gut wie ausgeschlossen war.

Selbst Lady Knowe bekam einen leicht verkniffenen Blick, wenn das Thema zur Sprache kam. Nervösen Dienern verabreichte sie Löwenzahntee, um sicherzustellen, dass sie beim Dinner servieren konnten, ohne Geschirr zu zerschlagen. Doch als Viola von dem Tee probierte, verschlief sie den gesamten Nachmittag.

„Es sind nur noch ein paar Monate“, sagte Viola zu Daisy, die mit ihren langen Wimpern zwinkerte und gemächlich kaute. Viola rückte ihren Schemel ein wenig näher heran und lehnte ihre Wange gegen die borstige, warme Flanke des Tieres. In dessen Inneren hörte sie geheimnisvolle gurgelnde Geräusche. „Aber ich bin ein Feigling.“

Natürlich wusste sie, dass diese Tatsache nichts änderte.

Ihre zahme Krähe, Barty, hatte auf Daisys Rücken gedöst, doch jetzt wachte er auf und krächzte leise. Viola war dem Untergang geweiht, und selbst Barty stimmte ihr darin zu.

Beim Familiendinner an diesem Abend verkündete der Duke, dass er einen neuen Pfarrer gefunden habe.

„Sein Name ist Mr. Marlowe“, sagte Seine Gnaden. „Er wurde mir vom Bischof von London wärmstens empfohlen. Er wird probeweise für ein Jahr bleiben, und er ist sowohl unerfahren als auch unverheiratet.“

„Sieht er gut aus?“, fragte Joan und quiekte, als der zehnjährige Erik sie mit dem Ellenbogen anstupste.

„Kinder“, sagte Ophelia sanft.

„Das war nur eine Frage. Ich will doch keinen Pfarrer heiraten“, sagte Joan.

„Viola könnte ihn heiraten“, schlug Erik vor.

„Nein, danke“, sagte Viola. Ihr grober Lebensentwurf sah vor, dass sie irgendwie die Saison überstand und sich dann dankbar in einem Leben als unverheiratetes Fräulein einrichtete.

„Mr. Marlowe ist verlobt“, erklärte Lady Knowe.

„Er hat einen exzellenten Abschluss in Cambridge gemacht“, sagte der Duke. „Aber er ist noch recht jung. Er wird nur ein paar Jahre als Pfarrer bei uns bleiben.“

„Durch seine Verlobte stehen ihm alle Türen offen“, fügte Lady Knowe hinzu. Sie behielt die feine Gesellschaft sehr genau im Blick, indem sie eine umfangreiche Korrespondenz führte. „Miss Pettigrew ist die Enkeltochter eines Erzbischofs und die Tochter eines Bischofs. Wenn man zwischen den Zeilen liest, plant sie, ihren Mann zum Bischof zu machen, noch bevor er dreißig wird.“

Ein paar Tage später saßen Viola und Joan im Salon, als Lady Knowe hereineilte und verkündete, dass Mrs. Pettigrew, Miss Pettigrew und Mr. Marlowe unerwartet zu Besuch gekommen seien.

Viola und Joan sprangen auf. Sie hatten den Morgen damit verbracht, Papierblumen zu basteln, und überall auf dem Teppich lagen bunte Papierschnipsel herum. Barty hockte auf der Rückenlehne des Sofas und beobachtete sie bei der Arbeit, doch jetzt erschreckte er sich. Er versuchte, davonzufliegen, doch stattdessen kippte er von der Lehne auf das Sofakissen.

„Barty!“, rief Viola und spähte zu dem Vogel. Ihre Krähe schaffte es, auf den Füßen zu landen, und sah sie erzürnt an. Aus Erfahrung wusste sie, dass er jetzt eine bis zwei Stunden damit zubringen würde, seine Federn zu putzen, bis sie perfekt glänzten.

Barty war ein praktisch veranlagter Vogel, wie der Duke immer wieder betonte. Nachdem er festgestellt hatte, dass seine gestutzten Flügel nicht zum Fliegen taugten, konzentrierte er sich auf seine Schönheit.

„Gesell dich zu uns, wann immer du möchtest“, sagte Viola zu ihm und stand auf. Wenn Barty nicht beleidigt war – wie jetzt gerade –, war er ein recht umgänglicher Geselle, der sich mit freundlichem Krächzen an jeder Unterhaltung beteiligte.

Lady Knowe begrüßte die Gäste an der Tür zum Salon. Viola ging zu ihr und ließ Barty schmollend auf dem Sofa zurück.

Miss Pettigrew war hochgewachsen, und ihr üppiger Busen ragte vor wie der Bug eines Schiffes. Doch darüber hinaus hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mit diesen drallen Galionsfiguren, die in die Wellen eintauchten und mit ihren Brüsten den Weg wiesen.

Sie trug ein marineblaues Kleid, dessen einziger Schmuck eine Reihe funkelnder Knöpfe war. Der gesamte Stil verriet, dass das Kleid etwa drei bis vier Jahre alt sein musste. Viola hatte den deutlichen Eindruck, dass Miss Pettigrew den Oberflächlichkeiten der Mode nur wenig Aufmerksamkeit schenkte. Der gottesfürchtige Ausdruck in ihrem Gesicht verriet, dass sie meinte, über solcherlei irdischen Tändeleien zu stehen.

Ihre Mutter war eine ältere Ausgabe der Tochter. Ihr schwarzes Kleid verkündete ebenfalls, dass Mode für sie vollkommen belanglos war. Ihre Miene allerdings sagte etwas anderes.

„Er sieht sehr gut aus“, flüsterte Joan, während Viola knickste. „Ich wette, die Damen hier in der Gegend werden bald anfangen, die Gottesdienste zu besuchen.“

Viola vermied es stets, einen fremden Mann anzuschauen. Sie hatte die Kunst perfektioniert, in einen Knicks zu sinken und mit gesenktem Blick eine Begrüßung zu murmeln. Ihr war nur aufgefallen, dass Mr. Marlowe sie nicht überragte wie die Wildes es taten. Er war nicht sehr viel größer als sie, vielleicht sogar kleiner als Miss Pettigrew.

Erst als ihr neuer Pfarrer seine zukünftige Schwiegermutter zum Sofa begleitete, wagte Viola, einen Blick auf sein Gesicht zu werfen.

Joan hatte recht.

Die drei jungen Töchter von Squire Pretner würden ab jetzt in der vordersten Kirchenbank sitzen, um einen Blick auf Mr. Marlowes Profil erhaschen zu können. Er war verblüffend schön und erinnerte an einen Schauspieler auf einer Bühne in London. Eine honigfarbene Locke fiel ihm über die hellblauen Augen. Er trug keine Perücke, und er hatte sich auch nicht das Haar gepudert.

Viola war so hingerissen, dass sie vergaß, den Blick abzuwenden, als er sich setzte. Als er sie anlächelte, spürte sie die Erschütterung bis in die Fingerspitzen. Sein Blick war warmherzig und fürsorglich. Man wusste sofort, dass er zu jedermann freundlich war, vom verschrobenen Alten bis zum schreienden Baby.

Joan, die stets wusste, was Viola dachte, stieß ihr den Ellenbogen in die Seite. „Er ist verlobt“, zischte sie Viola ins Ohr. „Und klein.“

„Genau wie ich“, sagte Viola tonlos.

„Bitte verzeihen Sie, dass es hier so unaufgeräumt ist“, sagte Lady Knowe. „Wir haben die letzten Stunden damit zugebracht, Sträuße aus Papierblumen herzustellen.“

„Dekoration für die Geburtstagsfeier unserer kleinen Schwester“, erklärte Joan.

Miss Pettigrew fegte einen Papierschnipsel auf den Boden, bevor sie gegenüber von Viola und Joan Platz nahm. „Ein entzückender Einfall.“ Ihre Miene verriet, dass sie von faulen Adligen nichts anderes erwartete.

„Ich könnte einen Strauß Papier-Pfingstrosen ins Pfarrhaus schicken lassen, wenn Sie mögen“, bot Lady Knowe an.

„Ich habe wenig übrig für Dekorationen, die lediglich Staubfänger darstellen“, verkündete Miss Pettigrew. Viola hatte den Verdacht, dass jede Bemerkung von ihr eine Verkündung war. „Ein reinlicher Strauß frischer Blumen ist Schmuck genug.“

„Ich verstehe“, sagte Lady Knowe.

Joan legte Viola einen Arm um die Hüfte und zwickte sie leicht, womit sie entweder Freude oder Entsetzen ausdrücken wollte. Wahrscheinlich beides, denn Miss Pettigrew schien eine eigenwillige Persönlichkeit zu sein, über die sich die Familie beim Dinner köstlich amüsieren würde. In ihrer Abwesenheit natürlich. Joan liebte es, die Marotten der ausgefallensten Besucher des Schlosses nachzuahmen.

Mrs. Pettigrew strich ihre Röcke glatt. „Wir sind gerade aus Mobberley gekommen. Das Pfarrhaus muss von Grund auf renoviert werden. Wie ich hörte, hat es dort vor zehn Jahren gebrannt?“

Lady Knowe nickte. „Ein unglückliches Missgeschick.“

„Wir haben erwogen, das Angebot Seiner Gnaden anzunehmen und im Schloss zu wohnen, bis das Gebäude nach meinen Vorstellungen hergerichtet ist.“

Lady Knowes Lider flatterten nicht bei dieser Neuigkeit. Sie war nicht umsonst als Aristokratin geboren und erzogen worden. Doch Viola ahnte, dass ihr Stiefvater sich später einiges würde anhören müssen.

„Doch die Renovierung wird einige Monate dauern. Unter diesen Umständen halte ich es für das Beste, wenn ich nach London zurückkehre, sobald ich mit den Entwürfen für den Umbau zufrieden bin“, fuhr Mrs. Pettigrew fort. „Bischof Pettigrew kommt nicht ohne mich zurecht. Und für meine Tochter wäre es selbstverständlich unziemlich, mit Mr. Marlowe auf dem Schloss zu wohnen, solange sie das Ehegelübde noch nicht abgelegt haben.“

„Natürlich“, sagte Lady Knowe.

„Mr. Marlowe kann hierbleiben“, gestattete Mrs. Pettigrew großzügig.

Mr. Marlowe beugte sich vor. „Ich werde Ihnen nicht zur Last fallen“, versicherte er Lady Knowe. „In der Gemeinde wartet viel Arbeit auf mich, da Father Duddleston bereits vor einigen Wochen verstorben ist.“

„Die Gemeinde ist in genauso schlechtem Zustand wie das Pfarrhaus“, warf Miss Pettigrew ein. „Mr. Marlowe wird das Vermögen der Gemeinde katalogisieren müssen.“

Violas Gedanken überschlugen sich.

Mr. Marlowe war … Er war der Mann, den sie sich niemals auszumalen gewagt hatte. In seiner Gegenwart empfand sie nicht den geringsten Anflug von Übelkeit. Sie verspürte nicht den Wunsch, in den Kuhstall zu flüchten. Stattdessen wollte sie nichts weiter tun, als ihm zuzuhören und an seinen Plänen mitzuwirken.

Aber … er war verlobt.

Ein wagemutiger und bislang vollkommen unentdeckter Teil ihres Verstandes wies sie darauf hin, dass eine Verlobung nicht dasselbe war wie eine Heirat.

Sie schaute wieder zu Mr. Marlowe. Seine Unterlippe war für einen Mann auf bemerkenswert anziehende Weise geschwungen. Er war schlank, und vermutlich war er ein ausgesprochen anmutiger Tänzer. Aber nein, Pfarrer tanzen nicht, ermahnte sie sich selbst.

Joan stieß sie mit dem Ellenbogen an. „Hör auf, ihn anzuschmachten“, zischte sie.

Viola schaute hinunter auf ihren Teller und stellte überrascht fest, dass sie ihren Butterkeks aufgegessen hatte. Sie aß niemals in Gegenwart von Fremden, und trotzdem …

Ihr Magen war vollkommen ruhig.

Das muss Liebe sein, dachte sie verblüfft.

Liebe.

Liebe war ein Wunder.

Wenn sie die Frau eines Pfarrers wäre, würde sie keine Ballsäle brauchen. Dabei fühlte sie sich im Moment fast kühn genug, um ein Menuett zu tanzen. Doch wenn sie Mr. Marlowe heiraten würde, würde sie vielleicht nie wieder einen Fuß in einen Ballsaal setzen müssen.

Freude und Erleichterung durchströmten sie, und sie konnte es sich kaum verkneifen, den Pfarrer erneut anzustarren und ihr Herz durch ihre Augen sprechen zu lassen.

Vielleicht würde er niemals ihr gehören – auch wenn etwas in ihr entschlossen war, dass er eines Tages der Ihre sein würde.

Aber sie konnte ihn immer noch vor dieser grässlichen Ehe retten.

Er war wie ihre geliebten Cleo und Daisy. Wie Barty, den sie gerettet hatte, nachdem er aus dem Nest gefallen war. Mr. Marlowe musste vor der tyrannischen Miss Pettigrew gerettet werden.

Sie hatte eine Mission.

Und sie war verliebt.

3. KAPITEL

Stadthaus des Duke of Wynter

Mayfair, London

Devin Lucas Augustus Elstan, Duke of Wynter, war kein Mann, der seine Zeit verschwendete. Oder besser, wie er es sagen würde, nicht so ein Duke. Er war mit dem Wissen aufgewachsen, dass ein Duke (oder ein zukünftiger Duke) sich von einem durchschnittlichen Mann so sehr unterschied wie ein Löwe von einem Stubentiger.

Doch er hatte auch keine Ähnlichkeit mit den anderen Löwen. Verständnislos beobachtete er, wie seine Standesgenossen sich trafen, um auf einem überfüllten Tanzboden ihre Kreise zu drehen, oder auf der Rennbahn bei fragwürdigen Wetten Geld zu verspielen. Er war Mathematiker. Als junger Mann war er einmal in ein Spielcasino gegangen, hatte exakt eine Stunde dort verbracht und war anschließend beträchtlich reicher wieder hinausmarschiert.

Aber auch gelangweilt.

Er war isoliert von anderen Jungen erzogen worden, unterrichtet von einer Reihe von Lehrern, wie es sich für den zukünftigen Duke of Wynter und einziges Kind ziemte. Normalerweise traf der Sohn eines Dukes auf Hausgesellschaften auf andere Kinder. Doch sein Vater hatte die unbesonnene Tendenz, sich zu duellieren, sodass solche Einladungen ausgeblieben waren, seit er vier Jahre alt war.

Seine einzigen Spielkameraden waren seine Cousinen und Cousins gewesen, vor allem die beiden, die ihm vom Alter her am nächsten waren, Otis und Hazel. Doch auch die hatte er nur selten gesehen, da sein Vater nur selten länger als einen oder zwei Monate im gleichen Haus verweilte.

Wie Königin Elisabeth im 16. Jahrhundert, war der Haushalt des Dukes von Anwesen zu Anwesen gezogen, ganz wie es dem Duke beliebte. Als die Duchess noch lebte – sie starb, als Devin vierzehn Jahre alt war – führte sie entweder offene Feldschlachten gegen ihren Gatten oder verschwand für Monate, um in einer angenehmeren Umgebung zu leben.

„Das einzig Gute, was man über die Ehe sagen kann“, erklärte sie gerne, „ist, dass nicht einmal ein Narr seine Frau zum Duell fordern darf.“

Oder, wie Devin hinzufügen könnte, seinen Sohn.

Im Alter von zehn Jahren begriff Devin, dass das Festhalten seines Vaters an diesem Grundsatz der Zivilisation das Einzige war, was zwischen ihm und dem Grab stand.

Als er mit sechzehn Jahren den Titel des Dukes mit allem Drum und Dran erbte, war es zu spät, um sich mit Eton oder Harrow herumzuärgern, und für Oxford hatte er keine Zeit. Es war zu spät, um Freundschaften zu schließen.

Die Menschen hielten ihn für kalt, arrogant und gefühllos.

Er akzeptierte dieses Urteil mit Desinteresse.

Um zurückzukommen zu dem Bild von Löwen und Stubentigern: Devins Ansicht nach schliefen fremde Katzen in der Sonne miteinander, während ein Löwe sich nur in Gesellschaft seiner Blutsverwandten wohlfühlte.

Mit seinem Rudel.

Selbst mit denjenigen, die ihn am meisten enttäuschten. Was in diesem Moment auf seinen Cousin Otis zutraf.

„Du willst mir doch nicht allen Ernstes weismachen, dass du dein Leben aufgeben wirst, Otis! Ich habe St. Wilfrid’s zwei Jahre für dich frei gehalten, bis du endlich deinen Abschluss in Cambridge hast!“

Vollkommen unbeeindruckt lümmelte Otis ihm gegenüber auf dem Sessel. „Du kannst es dir leisten, so herablassend zu sein. Als zweiter Sohn wird von mir erwartet, eine vornehme Beschäftigung zu finden. Jura ist viel zu verworren, und das Militär erschreckend gewalttätig. Damit blieb nur noch die Kirche. Ich habe mich an diesen Plan gehalten, solange ich konnte. Mein neuer Plan lautet, dass ich auf den Kontinent ziehe und um eine Erbin werbe.“

„Du bist erst seit zwei Wochen Pfarrer. Was hast du gegen St. Wilfrid’s?“

„Es liegt nicht an St. Wilfrid’s“, sagte Otis. „Ich bin fertig mit dem geistlichen Leben, lieber Cousin.“

Devin warf Otis einen ähnlichen Blick zu, wie jenen, der den gegenwärtigen Bürgermeister von London in ein Entschuldigungen stammelndes Häufchen Elend verwandelt hatte.

„Du brauchst mich gar nicht so anzusehen“, sagte sein Cousin grinsend. „Du kennst mich von klein auf, und du weißt genau, dass du mich damit nicht kleinkriegen kannst. Es funktioniert nicht. Wenn ich dich auf das Offensichtliche hinweisen darf, hätte das von Anfang an ein Zeichen sein müssen, dass eine Laufbahn in der Kirche nichts für mich ist.“

„Sieben Jahre Theologiestudium in Cambridge, und zwei Wochen nach deiner Ordination zum Pfarrer wirfst du hin. Ohne zu versuchen, in diesem Beruf Fuß zu fassen. Das ist selbst für dich bemerkenswert.“

Otis drohte ihm mit einem Finger. „Vorsicht, Devin. Du bist von Natur aus gefühllos, und wenn du nicht aufpasst, wirst du noch genauso stachelig und gemein wie dein Vater.“

„St. Wilfrid’s ist eine ausgezeichnete Stellung. Mit zwei Hilfspfarrern an deiner Seite wirst du kaum etwas anderes zu tun haben, als hin und wieder ein Gemeindemitglied zu trauen und gelegentlich ein Baby zu taufen. Du kannst es gar nicht richtig versucht haben.“

Otis verzog das Gesicht. „Doch, das habe ich! Ich ging fröhlich meines Weges, bereit, meinen weisen Rat jedem zuteilwerden zu lassen, der darum bittet, als Gerdsby – das ist der Hilfspfarrer, der aussieht wie ein Ziegenbock – mich gestern Morgen zu jemandem ins Haus schleifte. Ich hatte am Abend zuvor zu viel Ale getrunken und habe nicht weiter darauf geachtet. Aber als wir ankamen, stellte sich heraus, dass ich die Sterbesakramente spenden sollte.“

„Hat man dir nicht beigebracht, wie das geht?“

„Es gab eine Belehrung, in der von der Wahl des richtigen Gebets die Rede war. Mein Lehrer hat es mich zweimal durchlesen lassen. Aber das ist nicht dasselbe, als wenn ein Mann dich ängstlich ansieht und seine Frau weinend danebensitzt. Selbst die Küchenmagd weinte. Ich hätte mich ihnen fast angeschlossen.“

„Du wirst dich daran gewöhnen“, sagte Devin.

„Ein Duke kann das leicht dahinsagen“, gab sein Cousin zurück. „Du brauchst nichts weiter zu tun, als in Seide gekleidet herumzustehen und eine Schnupftabakdose zu halten. Aber wenn ein Mann dabeisteht, der wie ein Pfarrer aussieht, erwarten die Leute von ihm, dass er ihre Seelen rettet!“

Otis hatte nicht ganz unrecht.

Selbst wenn Otis keinen kanariengelben Wams getragen hätte, wäre Devins Cousin in dieser Rolle unglaubwürdig gewesen.

„Ich kann es nicht. Ich werde nicht selbst Schande über mich bringen, indem ich es noch einmal versuche. Nachgeborene Söhne sollten nicht in die Kirche abgeschoben werden. Als wäre das eine passende Beschäftigung für einen Gentleman! Ich weiß nicht, wie die anderen das mit dem Seelenretten hinbekommen, aber ich bin für diese Rolle ungeeignet. Ende der Diskussion.“

Devin konnte ihm nichts entgegensetzen.

„Dein Vater wird sehr enttäuscht sein“, stellte er fest. Sein Onkel, Sir Reginald Murgatroyd, hatte sein Herz daran gehängt, dass sein jüngerer Sohn eine Laufbahn in der Kirche einschlug.

„Darauf hat er gestern Abend wiederholt hingewiesen. Ich sagte ihm, dass von ihm schließlich niemand erwartet, dass er den Menschen den Weg zur Himmelspforte freiräumt.“ Otis sah sich in Devins Studierzimmer um. „Wie hältst du es hier drin bloß aus? Ich war schon seit Jahren nicht mehr in diesem Raum. Er sieht noch grauenhafter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte.“

Das Zimmer war ein düsterer, höhlenartiger Raum, vollgestellt mit griechischen Göttern. Das hatte Devin der Manie seines Vaters zu verdanken, alte Statuen zu sammeln – neben Schubkarren, italienischen Keramiken, Korbstühlen und anderen Dingen.

Als Devin den gesamten Besitz geerbt hatte, hatte er befohlen, die Sammlungen seines Vaters auf einzelne Räume zu beschränken und sie zwischen dem Stadthaus und den Landsitzen aufzuteilen. Das Pantheon drängte sich im Stadthaus, doch Devin beherrschte längst den Trick, die Götter zu ignorieren. In einem extrem lauten Schlafzimmer in Wales standen vierundvierzig Kaminuhren, während die Schubkarren in einem eigenen Nebengebäude in Northhamptonshire untergebracht waren.

„All diese leeren Augen“, sagte Otis schaudernd. „Sieh dir nur diese dort an.“

Devin warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Perseus, der den Kopf der Medusa hochhält. Der Triumph des Guten über dem Bösen. Danach solltest du auch streben.“

„Es ist abstoßend“, erklärte Otis. „Wenn ich ganz offen sein darf – dein Vater hatte einen Sprung in der Schüssel. Du hättest das alles wegwerfen sollen. Oder an ein Museum verschenken. Ist diese Kammer oben immer noch mit toten Vögeln vollgestellt?“

Devin zuckte mit den Schultern. „Solange sie nicht weggeflogen sind. Ich habe die Tür seit Jahren nicht mehr aufgemacht, aber Binsey hat mir kürzlich erzählt, dass die Hausmädchen sich über den vielen Staub beschweren. Er will ein paar Glasvitrinen anschaffen.“

„Hazel und ich haben uns früher zu Weihnachten immer gegenseitig dazu angestachelt, uns in den Raum zu schleichen“, sagte Otis.

„Was hast du als Nächstes vor?“, fragte Devin, der sich nicht für Haushaltsangelegenheiten interessierte.

„Wie ich bereits sagte, ich will eine Erbin heiraten“, antwortete Otis.

„Denkst du da an jemand Bestimmtes?“

„Noch nicht. Ich dachte, ich könnte irgendwo in Europa eine Frau finden. Dein Anwalt hat mir das Gehalt für ein Jahr im Voraus ausbezahlt – was du dir bei deinem nächsten Pfarrer übrigens gut überlegen solltest. Ich habe also genügend Geld für die Überfahrt.“

Devin runzelte die Stirn. „Wo in Europa?“

„Vielleicht Spanien“, sagte Otis. „Eigentlich überall außer hier. Vater hat mich letzte Nacht angeschrien und so getan, als würde er mich brauchen, damit ich seine Seele rette. Was einfach lächerlich ist. Offensichtlich glaubt er, dass eine Soutane mir Zauberkräfte verleiht, aber verdammt, er kennt mich doch schon mein ganzes Leben. Genauso gut könnte man von dir erwarten, dass du die Kohlenschütte ausleerst. Es wird einfach nicht passieren.“

Nie im Leben. Zumindest, was die Kohlenschütte anging.

„Aber ich werde England vermissen. Ich werde sogar unsere herzerwärmenden Gespräche vermissen, Devin.“

Im Großen und Ganzen hielt Devin es nicht für nötig, seine Gefühle zu zeigen. Im Alter von sieben Jahren hatte er gelernt, dass eine hochgezogene Braue eine ganze Reihe von Gefühlen ausdrücken konnte. Normalerweise war es besser, wenn die Menschen ihre eigenen Schlüsse daraus zogen.

Doch Otis war nervig, fröhlich, unbekümmert … und seine Familie. Devin hatte die Pfarrerstelle in St. Wilfrid’s für ihn frei gehalten, weil er seinen Cousin in der Nähe haben wollte, vorzugsweise im Pfarrhaus in derselben Straße. Wenn man ihn gezwungen hätte, es auszusprechen, hätte Devin zugeben müssen, dass sein Leben zwar befriedigend, aber irgendwie auch kalt war.

Otis und Hazel kamen wie Glühwürmchen in sein Haus getanzt und verströmten Wärme und Heiterkeit, und das wusste er zu schätzen.

„Mir wäre es lieber, wenn du nicht auf den Kontinent gingest“, sagte er. „Ich werde deine Hilfe brauchen, um einen neuen Pfarrer in der Gemeinde einzuführen.“

„Wobei sollte ich ihm da helfen?“, fragte Otis. „Bis vor zwei Tagen habe ich immer noch die Namen der Hilfspfarrer verwechselt, bis ich eine Eselsbrücke fand, wie ich sie auseinanderhalten kann. Gerdsby, der Geißbock, wegen seines komischen Bartes. Habblety, der Hund, wegen seines Hundeblicks. Ich könnte dem Neuen eine Notiz hinterlassen, in der ich ihm diesen Trick verrate. Es ist nicht nötig, es ihm persönlich zu erklären.“

„Ich wäre dir dankbar, wenn du einstweilen noch in England bleiben würdest“, sagte Devin und fügte hinzu: „Wenn ich gewusst hätte, dass du gegen die Kirche eingestellt bist, hätte ich deinen Vater niemals ermutigt, als er dich in diese Richtung gelenkt hat.“

„Bis gestern Abend hatte ich nichts gegen die Kirche“, entgegnete Otis. „Und ich werde auch nicht sofort aufbrechen. Erstens muss ich noch mit dem Bischof reden. Solche Dinge regeln sich nicht über Nacht. Ich schätze, es wird mindestens noch drei Monate dauern, bis meiner Bitte um Entlassung stattgegeben wird. Aber ich werde nie wieder eine Soutane anziehen. Ein Kleid zu tragen entspricht nicht dem Bild, das ich von mir habe.“

„Ich verstehe.“

„Allerdings freue ich mich nicht gerade darauf, wieder nach Hause zu ziehen. Meine Schwester debütiert nächstes Frühjahr, und alles steht Kopf. Es ist das reinste Irrenhaus! Unser Vater hat das Relikt einer Tante vom Land herbeigeschafft, damit sie die Anstandsdame geben kann, und Hazel beschwert sich die ganze Zeit darüber, dass Tante Eleanors Ansichten so altmodisch sind. Natürlich sind sie das. Die arme Frau wurde vor tausend Jahren geboren.“

„Du kannst hierbleiben. Oder du wohnst vorerst weiter im Pfarrhaus“, schlug Devin vor. „Immerhin haben wir es nach deinem Geschmack herrichten lassen. Es besteht die Chance, dass der nächste Pfarrer keinen Gefallen an dem blauen Samt haben wird. Also kannst du dich gerne noch ein wenig daran erfreuen.“

„Selber schuld!“, sagte Otis. „Blauer Samt ist au courant. Ich nehme an, ich kann im Pfarrhaus wohnen bleiben, bis ich vom Dienst entbunden bin. Dann hätte ich auch die Gelegenheit, ein paar der Neuerungen umzusetzen, die ich für die Gemeinde geplant hatte. Solange jemand anders die wichtigen Dinge übernimmt.“

„Ich verstehe“, sagte Devin noch einmal. „Ich werde einen der Hilfspfarrer bitten, die Sterbesakramente zu spenden.“

„Die restlichen Aufgaben machen mir nichts aus“, sprach Otis weiter. „Die Gemeinde braucht ein wenig frischen Schwung. Ich habe angefangen, nach dem Gottesdienst Sherry anzubieten, was sehr gut ankommt. Natürlich musste ich dafür den Weinkeller wieder auffüllen. Oder besser gesagt, du musstest es.“

„Ich nehme nicht an, dass du es solange im Dienst der Kirche aushältst, bis du meine Trauzeremonie abgehalten hast?“

Otis schnaubte. „Du wirst dein Ehegelübde in Westminster Abbey sprechen, mit einer ganzen Schar Bischöfe, die herumstolzieren wie französische Gockel mit Weihnachtshüten. Ich muss sagen, mein Vater ist ganz aus dem Häuschen bei der Vorstellung, dass du den Bund fürs Leben schließen willst. Er hat genauso wenig daran geglaubt, dass du eines Tages ein verheirateter Mann sein könntest, wie daran, dass aus mir einmal ein Bischof werden würde.“

„Ich kenne meine Pflicht“, sagte Devin. „Vor zwei Jahren hatte ich überlegt, eine der Töchter des Duke of Lindow zu heiraten, aber ich hatte zu viel um die Ohren und nie die Zeit gefunden, ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Diese Sache mit Pi?“

Devin nickte.

„Ich habe nie begriffen, warum du deine Zeit damit verschwendest, ein System zu entwickeln, um etwas zu berechnen, das bereits berechnet ist.“

Devin hatte eine Möglichkeit gefunden, die Zahl Pi bis auf 123 Stellen nach dem Komma zu berechnen. Aus keinem anderen Grund, als dass Zahlen ihn glücklich machten.

Zum Glück wartete Otis nicht auf eine Antwort. Niemand in der Familie interessierte sich im Geringsten für Mathematik. „In diesem Jahr kommen zwei weitere Wilde-Töchter auf den Heiratsmarkt. Du könntest die verlorene Zeit wettmachen.“

„Weißt du irgendetwas über sie?“, fragte Devin.

„Natürlich. Hazel ist mit ihnen zur Schule gegangen. Um das Kind beim Namen zu nennen – sie sind die schärfsten Konkurrentinnen meiner Schwester. Wenn ich mich recht entsinne, ist die eine von ihnen ausgesprochen schön, lebhaft und klug.“

„Lady Joan“, sagte Devin. „Das habe ich auch schon gehört.“

„Sie ist illegitim“, sagte Otis. „Ihr Vater ist ein preußischer Graf. Die zweite Duchess ist mit ihm durchgebrannt und hat das Baby zurückgelassen. Das Mädchen hat die blonden Haare des Grafen, dabei sind alle Wildes dunkelhaarig. Die zweite ist die Tochter der dritten Duchess aus erster Ehe. Astley, glaube ich.“

„Ich nehme die Wilde“, sagte Devin.

Otis lachte. „Du ‚nimmst‘ sie? Es muss nett sein, ein Duke zu sein. Vielleicht sollte ich in diesem Wettkampf gegen dich antreten. Immerhin ist sie eine Erbin.“

„Wenn ich mich recht entsinne, hat Onkel Reggie dir etwas Grundbesitz überschrieben.“

Otis winkte ab. „Wenn ich nach meinen Vorstellungen leben will, brauche ich ein Vermögen. Ein großes Vermögen. Wahrscheinlich werde ich Jahre brauchen, um die richtige Frau zu finden. Vater wird das einfach akzeptieren müssen.“

Kurz, die Suche nach einer Erbin war eine vorzügliche Ausrede, um die Heirat noch mindestens zehn Jahre hinauszuzögern. Devin konnte seinem Cousin keine Vorwürfe machen. Er war selbst nicht besonders erpicht darauf, zu heiraten. Aber vor zwei Jahren hatte er sich selbst versprochen, dass er die Sache hinter sich bringen würde, sobald die nächste Tochter eines Dukes auf dem Heiratsmarkt war.

„Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn ich hier einziehe“, meinte Otis. „In ein paar Wochen, sobald ich die Angelegenheit mit dem Bischof geregelt habe.“

„Wird der Bischof nicht überrascht sein?“

„Ich rechne damit, dass er genauso versessen darauf ist, mich hinauszuwerfen, wie ich versessen darauf bin, zu gehen. Hoffentlich bin ich rechtzeitig aus dem Pfarrhaus draußen, um deine Brautwerbung zu überwachen“, sagte Otis. „Ich hätte da bereits ein paar Ratschläge, was deine Heiratsabsichten angeht.“

„Wie bitte?“

„Bei dem Wilde-Mädchen wirst du einige Konkurrenten haben.“

Wynter bezweifelte das sehr. Er war seit Jahren nicht mehr auf einem Ball gewesen. Der letzte, den er besucht hatte, hatte ihn an einen schottischen Fluss erinnert, wenn die Forellen wandern. Junge Damen hatten die Rolle der glänzenden, zappelnden Fische übernommen.

„Ich habe einen Titel, und ich habe Geld, ich bin weder lahm noch durch Narben verunstaltet, und ich trinke auch nicht im Übermaß.“

„Viscount Greywick sucht eine Frau“, sagte Otis. „Er wird eines Tages ebenfalls ein Duke sein. Wie man hört, hätte er sich beinahe die älteste Wilde geangelt. Vermutlich ist er immer noch auf der Suche. Er ist jünger als du, und um ganz ehrlich zu sein – er sieht verdammt gut aus.“

Soweit Devin wusste, gab es unzählige Sprösslinge in der Familie der Wildes. Greywick konnte noch ein oder zwei Jahre warten, wenn es sein musste. Er zuckte mit den Schultern.

„Du könntest versuchen, weniger … herzoglich zu wirken“, schlug Otis vor.

Devin wusste genau, was sein Cousin meinte, aber seine ausdruckslose, steife Haltung hatte ihm in seiner Jugend unzählige Male das Leben gerettet, wenn er den Zorn des Vaters auf sich gelenkt hatte. Jetzt war es zu spät, um zu versuchen, Otis’ heiteres Lächeln nachzuahmen.

„Lady Joan wird mich nicht um meinetwillen heiraten“, erklärte er. „Sie wird mich heiraten, weil der Stammbaum der Wynters älter und die Familie wohlhabender ist als die Greywicks.“

Otis lachte. „Vielleicht hat Hazel eine Chance bei Greywick.“

„Ich wünsche ihr viel Glück“, sagte Devin höflich.

4. KAPITEL

Der nächste Tag

Viola schlief in dieser Nacht nicht mehr als ein paar Stunden. Bis zum Frühstück hatte sie einen Plan ersonnen, um in drei Schritten Mr. Marlowes Hand und sein Herz zu gewinnen. Sie musste seine Aufmerksamkeit erringen, ihn dazu bringen, mit nach London zu kommen, wenn die Familie für die Saison dorthin umzog, und ihre Schüchternheit besiegen.

Zur Teezeit machten die Pettigrews und Mr. Marlowe der Duchess ihre Aufwartung, die sie am Vortag nicht angetroffen hatten.

Viola überlegte gerade, wie sie beweisen sollte, dass sie des Pfarrers würdig war, als Barty von seiner Stange herunterflatterte, vor ihren Füßen landete und freundlich krächzte. Kurze Strecken konnte er durchaus fliegen, solange er seine Flügel nicht überforderte.

„Ach du lieber Himmel!“, quiekte Miss Pettigrew.

„Das ist Barty“, sagte Viola, schob eine Hand unter den runden Bauch der Krähe und setzte sich den Vogel aufs Knie. „Er ist als Küken aus dem Nest gefallen, und jetzt lebt er bei uns.“

Barty legte den Kopf schräg und sah Miss Pettigrew an. Er breitete die Flügel aus und krächzte erneut.

„Er wünscht Ihnen einen guten Tag“, übersetzte Viola.

Miss Pettigrew war sichtlich entsetzt. „Ich glaube nicht, dass man Tiere in menschlichen Behausungen halten sollte.“

„Das ist ungesund“, bestätigte ihre Mutter und beäugte Barty misstrauisch.

Barty flatterte auf den Boden, pickte ein Stück rotes Papier auf, das dem scharfen Blick des Hausmädchens entgangen war, und hüpfte auf Miss Pettigrew zu. Er breitete erneut die Flügel aus, beugte den Kopf und legte das Papier neben ihrem Schuh ab.

„Das ist ein Geschenk“, erklärte Viola.

„Eher eine Bezahlung“, sagte Joan. „Er bietet einem gerne Geschenke an, bevor er an den Knöpfen pickt. Ihre glänzen so schön.“ In ihrer Stimme schwang ein wenig Neid mit.

„Nehmen Sie dieses Getier von mir weg!“, schrie Miss Pettigrew, wich zurück und legte sich die Hände auf den Busen, um ihre Messingknöpfe zu schützen. Ihre Mutter schnappte sich ihre Untertasse und hielt sie wie einen Schild vor sich.

Prism stand an der Seite und beaufsichtigte das Aufschneiden des Zitronenkuchens. Er trat vor. „Ich werde Master Barty mitnehmen“, sagte er. Der Butler war einer der Lieblingsmenschen der Krähe, da Prism ihn als Küken oft gefüttert hatte. Glücklich hüpfte Barty auf den ausgestreckten Arm.

„Vielen Dank“, sagte Viola, als Prism sich entfernte, den Arm im rechten Winkel von sich gestreckt, als würde er ein Menuett tanzen.

„Nein, so etwas!“, sagte Miss Pettigrew und ließ die Hände wieder sinken.

Lady Knowe schritt ein, ehe Miss Pettigrew ihre Meinung zum Besten geben konnte, die wahrscheinlich allgemein unbeliebt sein würde.

„Wie kommen Ihre Pläne für die Gemeinde voran?“, fragte sie Mr. Marlowe.

„Ich habe einige Vorschläge, wie Sie vielleicht die Gemeindemitglieder ermutigen könnten, den Gottesdienst zu besuchen“, erwiderte Viola strahlend.

Mrs. Pettigrew warf ihr aus schmalen Augen einen Blick zu. „Solche Dinge überlässt man am besten dem Pfarrer.“

Doch Mr. Marlowe war höflicher, und in den nächsten fünf Minuten tauschten sie sich lebhaft darüber aus, wie man die Menschen in die Kirche locken könnte. Die Ideen reichten von einem Erntedinner – „Teuer und unnötig“, sagte Mrs. Pettigrew naserümpfend – bis zu einer Sonntagsschule.

Mr. Marlowe war bei näherer Bekanntschaft genauso hinreißend, wie er schon am Vortag gewirkt hatte. Er war ausgesprochen liebenswürdig, und ihm lag das Wohlergehen aller Gemeindemitglieder am Herzen. Respektvoll hörte er sich Violas Vorschläge an, was eine erfrischende Abwechslung war. Father Duddleston hatte sich ausnahmslos geweigert, auch nur eine Neuerung in Betracht zu ziehen.

„Unsere Freundin Lady Caitlin Paget hat in der Gemeinde von St. Wilfrid’s in London eine Sonntagsschule eingerichtet“, erzählte Viola ihm. „Anfangs war es schwer, die Mütter zu überzeugen, ihre Kinder hinzuschicken. Inzwischen hat sie auch für die Nachmittage einen Schulmeister eingestellt.“

„Ich kenne Lady Caitlin, denn ich war Hilfspfarrer in St. Wilfrid’s“, sagte Marlowe. Ein Lächeln hellte sein Gesicht auf. „Sie ist eine bemerkenswerte junge Dame.“

Als Mrs. Pettigrew zu einem Monolog ansetzte, dass die Armen sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen müssten, begann Viola über ihr zweites Problem nachzudenken. Sie konnte Mr. Marlowe nicht in Cheshire zurücklassen, während sie selbst nach London ging. Die Saison begann im April, doch die Familie würde bereits Anfang Februar aufbrechen. Es würde mindestens zwei Monate dauern, bis Lavinia eine angemessene Garderobe für Violas und Joans Debüt zusammengestellt hätte.

Mr. Marlowe wollte Miss Pettigrew in nur acht Monaten heiraten. Wie sollte er jemals Viola den Vorzug vor Miss Pettigrew geben, wenn sie nicht mehr als Bekannte waren? Er musste mit nach London kommen, damit er genügend Gelegenheit hatte, Vergleiche anzustellen.

Ihre Schüchternheit war ebenfalls ein Problem. Sie könnte Mr. Marlowe keine richtige Gefährtin sein, wenn sie jedes Mal zitterte, sobald sie ein männliches Gemeindemitglied traf.

An diesem Abend bat sie Joan, ihr bei der Schüchternheit zu helfen, wobei sie ihr bevorstehendes Debüt als Ausrede benutzte.

„Auntie Knowe sagt, dass du nur genügend junge Gentlemen kennenlernen musst. Dann wirst du schon bald erkennen, dass die meisten von ihnen hoffnungslose Trottel sind, vor denen du keine Angst zu haben brauchst“, erinnerte Joan sie.

Viola hatte diese Worte schon oft gehört. „Was geht dir durch den Kopf, wenn du jemandem zum ersten Mal gegenüberstehst?“

„Du meinst, einem jungen heiratswilligen Mann?“

„Ja.“

„Ich überlege, ob ich ihn anziehend finde“, antwortete Joan, ohne nachzudenken. „Mir gefallen ein festes Kinn und dunkle Brauen. Sandfarbene Brauen kann ich nicht ausstehen. Aber das Aussehen ist nicht alles. Hat er auch nur das leiseste Interesse daran, was ich zu sagen habe? Oder hält er mir nur Vorträge über seine Steckenpferde? Sieht er aus wie ein Spieler, wirkt er verdorben oder wie ein Mitgiftjäger?“

„Wie kann man herausfinden, ob jemand nur dein Geld will?“, fragte Viola. Sie würde vermutlich erkennen, ob ein Mann verdorben war, Titel hin oder her. Aber woran sollte sie einen Mitgiftjäger erkennen?

„Sie haben einen verschlagenen Blick“, sagte Joan und machte die Augen schmal. „Im Gegensatz zu einem lüsternen.“ Sie stierte Viola an. „So in etwa. Was denkst du, wenn du jemanden kennenlernst?“

„Ich …“

Joan wartete mit hochgezogenen Brauen.

„Ich frage mich, ob sie finden, dass ich nicht zu den Wildes gehöre“, platzte es aus Viola heraus.

Joan wirkte verblüfft. „Wie kommst du denn darauf?“

„Ich bin keine echte Wilde.“

„Nicht mehr als ich“, stellte Joan klar. Ihre Mutter war mit einem strohblonden preußischen Grafen aus dem Land geflohen und hatte ihr neugeborenes (strohblondes) Baby zurückgelassen. Jeder in der Familie außer dem Duke nahm es als gegeben hin, dass Joan keinen Tropfen herzoglichen Blutes im Leib hatte.

„Aber du … du bist du.“

„Die Antwort liegt doch wohl auf der Hand“, sagte Joan und sah plötzlich aus wie Auntie Knowe. „Du bist genauso eine Wilde wie ich. Und wie Parth, der adoptiert ist. Genau wie die anderen Kinder deiner Mutter, Erik, Artemisia und Spartacus. Wir sind alle Wildes, und damit hat es sich.“

„So einfach ist das nicht“, widersprach Viola.

„Warum nicht?“

„Erstens bist du schön.“

„Genau wie du“, entgegnete Joan.

Viola seufzte. Sie hatte langweiliges braunes Haar, ein spitzes Kinn, Augen von ganz gewöhnlicher Form und unauffälliger Farbe und eine kleine Nase. Im Grunde war alles an ihr klein, bis auf ihren Busen.

Ihre Stiefgeschwister waren das Ergebnis Jahrhunderte alter Stammbäume, und wie bei den besten Rennpferden sah man es ihnen auch an. Jeder Einzelne von ihnen entsprach perfekt dem Bild eines Aristokraten, mit mandelförmigen Augen, geschwungenen Augenbrauen und einem alabasterfarbenen Teint.

Abgesehen von Joans goldenem Schopf hatten alle älteren Kinder die dunklen Haare des Dukes geerbt. Die jüngeren Kinder hatten Ophelias rotes Haar. Aber alle, einschließlich Joan, hatten die fein gewirkten Gesichtszüge, die Generationen adliger Vorfahren verrieten.

Doch es ging nicht nur um die äußere Erscheinung. Bei ihren jahrelangen Beobachtungen hatte Viola festgestellt, dass jeder Wilde sich automatisch die Angewohnheiten zu eigen machte, durch die der Adel sich definierte. Selbst Erik mit seinen zehn Jahren beherrschte die Kunst, spöttisch eine Braue zu heben.

Viola hatte einen ganzen Sommer damit verbracht, in den Spiegel zu blinzeln, bevor sie sich damit abgefunden hatte, dass ihre Brauen sich einfach nicht getrennt voneinander bewegen ließen.

„Wenn ich jemanden kennenlerne, stelle ich mir vor, was er oder sie wohl über mich denkt“, gab sie zu. „Manchmal kann ich fast hören, wie sie über mich lachen, weil ich nicht zu den Kindern des Dukes gehöre. So laut, dass mir ganz elend wird.“

Joan runzelte die Stirn. „Du darfst nichts auf diesen Unsinn geben. Wenn du das nächste Mal jemanden kennenlernst, reckst du das Kinn in die Höhe und sagst dir im Stillen immer wieder vor: ‚Ich bin eine Wilde. Ich bin eine Wilde!‘ Wir sind deine Familie, Viola, und wir lieben dich. Du bist als kleines Kind zu uns gekommen, weißt du noch? Du bist genauso eine Wilde wie ich.“

„Das ist albern“, meinte Viola lachend.

„Nein, das ist es nicht. Was, wenn ich solchen Gedanken nachgeben würde? Wenn ich das Schlimmste glauben würde, das man sich über mich erzählt, würde ich es nicht wagen, überhaupt zu debütieren. Aber jetzt werden wir beide zusammen unser Debüt geben, also Kopf hoch!“

Ich bin eine Wilde“, murmelte Viola. „Ich komme mir vor wie eine Närrin.“

„Bitte versuche es!“, bat Joan. Sie sah ihre Stiefschwester so hoffnungsvoll an, dass Viola nicht Nein sagen konnte. Außerdem war sie verzweifelt. Sie musste ihre Schüchternheit überwinden, um Mr. Marlowe eine richtige Gefährtin sein zu können.

In den nächsten Wochen übte sie, Ich bin eine Wilde zu denken, während sie mit der Hauswirtschafterin sprach. Sie übte es, als sie mit der Ponykutsche nach Mobberley fuhr, um bei Mr. Marlowe vorbeizuschauen und zu sehen, welche Fortschritte die Renovierung des Pfarrhauses machte. Sie übte sogar, wenn sie mit ihrem ältesten Stiefbruder North sprach.

Joan stand ihr bei, und jedes Mal, wenn Viola wankte und ein Anflug von Schüchternheit sie überkam, flüsterte Joan: „Wildes Kind!“. Das war so absurd, dass es Viola zum Lächeln brachte – und ihr erlaubte, den Moment zu überleben.

Es half.

So absurd, unwahrscheinlich und lächerlich dieser Begriff auch war, aber er half.

Anfang Januar waren zwei Mitglieder des House of Lords und ein französischer Botschaftsangehöriger beim Dinner anwesend. Normalerweise hätte Viola in ihrem Schlafzimmer gegessen, doch an diesem Abend betrat sie den Speisesaal. Sie umklammerte Joans Hand, während sie sich im Stillen immer wieder Wildes Kind vorsagte.

Einer der Lords musste mindestens sechzig sein, und Viola fand sich in einer Unterhaltung über die Nistgewohnheiten von Graureihern mit ihm wieder. Ehe sie es merkte, redete sie auch mit dem anderen Lord, obwohl er ein junger Mann war und dazu noch unverheiratet. Sie verspürte nicht den geringsten Anflug von Übelkeit. Warum auch? Sie hatte schließlich eine Mission.

Am nächsten Morgen vertraute sie Mr. Marlowe an, dass sie schreckliche Angst vor der bevorstehenden Ballsaison hatte. Sie hoffte, dass er von sich aus anbieten würde, die Familie nach London zu begleiten. Stattdessen tätschelte er ihr die Hand, schaute ihr tief in die Augen und versicherte ihr, dass die Vorsehung es schon richten werde.

Das war nicht besonders hilfreich.

Beim nächsten Familiendinner drehte sich die Unterhaltung über den in Kürze stattfindenden Umzug des Haushalts nach London. Lady Knowe hatte beschlossen, dass man bereits im Januar anstatt im Februar umsiedeln würde.

Bei dieser Vorstellung spürte Viola Entsetzen in sich aufsteigen, aber sie sagte sich „Ich bin eine Wilde“, und es half.

„Ich werde frühestens nach meiner dritten Saison heiraten“, verkündete Joan. Sie wackelte mit den Brauen, als sie den Duke ansah. „Falls irgendein Verehrer sich bei dir meldet … schick ihn bitte gleich wieder fort. Sie brauchen gar nicht erst persönlich um meine Hand anzuhalten. Das würde meine Meinung nicht ändern.“

„Das gilt auch für mich“, warf Viola rasch ein.

„Du kannst immer bei mir leben, Viola, wenn du niemanden heiraten willst“, sagte Erik. Mit eulenhaftem Blick sah er sie an. „In letzter Zeit bist du irgendwie anders. Es ist mir bisher gar nicht aufgefallen, aber du bist hübsch. Ich könnte dich heiraten, wenn es dir nichts ausmacht, zu warten.“

„Das ist sehr nett von dir“, erwiderte Viola und lächelte ihm zu.

„Erik hat recht“, sagte Lady Knowe. „In den letzten Wochen bist du weniger scheu gewesen.“

Violas Lächeln wurde zu einem Grinsen.

„Was ist geschehen?“, fragte ihre Tante. Die ganze Tischrunde schaute Viola an, und sie erstarrte. In Gegenwart des Dukes konnte sie nicht zugeben, dass sie sich selbst nicht für eine richtige Wilde hielt. Er empfand wie ein Vater für sie. Er wäre tief verletzt, und ihre Mutter wäre schrecklich traurig.

„Es ist Mr. Marlowe“, sagte Joan und rettete sie. „Er hat eine sehr beruhigende Wirkung auf sie. Mit ihm ist alles anders, nicht wahr, Viola?“

Ein heftiger Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite ließ Viola aufschrecken, und sie nickte. „Ja, so ist es. Ja, mit ihm ist alles anders, genau.“

„Vielleicht sollten wir ihn mit nach London nehmen“, sagte Lady Knowe nachdenklich. „Ich glaube, es würde ihm guttun, sich mit älteren Geistlichen zu beraten. Er hat mir seinen Plan verraten, eine Reihe von Mysterienspiele einzustudieren, die biblische Szenen darstellen. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Aber das soll er sich lieber von einem erfahrenen Geistlichen anhören als von mir.“

Viola zuckte zusammen. Die Mysterienspiele auf Grundlage der Bibel waren ihre Idee gewesen, aber dies war gewiss nicht der Moment, um das mitzuteilen. Nicht, wenn der zweite Teil ihres Plans wie durch ein Wunder in Erfüllung zu gehen schien.

Lady Knowe nickte entschieden. „Mr. Marlowe muss mit uns kommen. Immerhin ist seine Verlobte ebenfalls in London.“

„Ich kann diese Frau nicht ausstehen“, erklärte der Duke leidenschaftslos. „Vielleicht entlasse ich ihn am Ende des Jahres, allein wegen seiner zukünftigen Gattin.“

„Bei dieser zukünftigen Schwiegermutter hat er mein vollstes Mitgefühl“, sagte Ophelia und erschauderte. „Vermutlich ist es eine gute Idee, ihn nach London mitzunehmen. Vielleicht wird Mr. Marlowe seine Heiratspläne noch einmal überdenken.“

Viola musste sich zurückhalten, um nicht vor Freude laut aufzujubeln.

Die Vorsehung wachte in der Tat über das Schicksal eines jeden Spatzen. Mr. Marlowe hatte recht gehabt! Jetzt würde er nach London mitkommen, sodass sie nur noch dafür sorgen musste, dass er sich in sie verliebte.

Das konnte doch nicht so schwer sein!

Sie hatte beobachtet, wie sich ihre Stiefbrüder in den letzten Jahren verliebt hatten. Ihrer Ansicht nach leugneten Männer ihre Gefühle so lange, bis sie durchdrehten und ihrer zukünftigen Gemahlin mit aufrichtiger Hartnäckigkeit nachstellten.

Sie konnte sich schon lebhaft ausmalen, wie Mr. Marlowe sie aus seinen blauen Augen bewundernd ansah.

5. KAPITEL

Das Stadthaus des Duke of Lindow

Ein Ball zu Ehren von Lady Joan Wilde und Miss Viola Astley

2. April 1782

Mit dem Ball des Duke of Lindow zu Ehren von Lady Joan Wilde und Miss Viola Astley wurde die Ballsaison 1782 eröffnet. Binnen einer Stunde wurde er zu einem erklärten Triumph.

Autor

Eloisa James
New-York-Times-Bestseller-Autorin Eloisa James schreibt nicht nur packende historische Liebesromane, sie ist auch Professorin für Englische Literatur. Eloisa lebt mit ihrer Familie in New York, hält sich aber auch oft in Paris oder Italien auf. Sie hat zwei Kinder und ist mit einem waschechten italienischen Ritter verheiratet.
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