Küss mich, verführ mich!

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Zwei Wochen mit dem texanischen Millionär D. J. Bradshaw auf seiner Ranch: eine verlockende Aussicht für Alaina Blackhawk. So kann sie sich nicht nur um ihr geliebtes Pferd Santana kümmern - sondern auch genießen, von dem beeindruckend attraktiven D. J. umworben zu werden. Einem ersten Kuss im Licht der aufgehenden Sonne folgen schon bald Nächte voller Leidenschaft in seinen Armen. Alaina ist verliebt wie noch nie. Bis sie zufällig etwas erfährt, das ihr Vertrauen in D. J. von Grund auf erschüttert. Wie eine Seifenblase scheint ihr Traum vom Glück wieder zu zerplatzen ...


  • Erscheinungstag 02.09.2007
  • Bandnummer 1475
  • ISBN / Artikelnummer 9783863490522
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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Barbara McCauley

1. KAPITEL

Alaina lag im Bett und hatte einen seltsamen Traum.

Ein Wolf schlich um sie herum, während sie wehrlos auf dem Rücken am Boden lag, denn ihre Handgelenke waren über dem Kopf gefesselt und an einen Pfahl gebunden. Ihr Blick folgte dem gefährlichen Tier, das sich auf großen schwarzen Pfoten geschmeidig und völlig lautlos über den mit Blättern gepolsterten Waldboden bewegte. Ein intensiver Geruch nach feuchter, fruchtbarer Erde lag in der Luft. Die Angst ließ sie schaudern und durchdrang sie mehr und mehr. Sie öffnete den Mund, wollte um Hilfe rufen, aber kein Schrei entrang sich ihrer Kehle.

Lauf weg, befahl ihr eine innere Stimme. Alaina versuchte verzweifelt, ihre Fesseln zu sprengen. Ihre Glieder waren jedoch wie gelähmt, und sie konnte sich kaum bewegen.

Als sie die funkelnden gelben Augen der Bestie sah, schlug ihr vor Grauen das Herz bis zum Hals hinauf. Jetzt blieb der Wolf stehen, hob den massigen Kopf und schnüffelte. Tief aus seiner Kehle drang ein bedrohliches Knurren.

Der Ältestenrat trat aus dem Schatten der Bäume, die in den nachtblauen Himmel ragten. Die düsteren Gestalten in ritueller Kleidung wandten ihre vernarbten altersmüden Gesichter dem Wolf zu und nickten zum Zeichen ihres Einverständnisses.

Feuer flammte auf, und im nächsten Augenblick war Alaina von Flammen eingeschlossen, während die Ältesten hinter der rotgoldenen Feuerwand verschwanden. Vergeblich bat sie um Hilfe, flehte sie an, zu bleiben und sie zu befreien.

Die Antwort war ein schauerliches Geheul.

Danach sah Alaina gebannt zu, wie der Wolf, nein, ein Mann, die Flammen durchdrang. Ihr stockte der Atem beim Anblick des mächtigen Kriegers, der bis auf einen Lendenschurz nackt war. Der Feuerschein ließ Glanzlichter in seinem langen schwarzen Haar tanzen und seine bronzefarbene Haut schimmerte seidig. Das Gesicht des Kriegers blieb jedoch unter der furchterregenden schwarz-roten Kriegsbemalung verborgen.

Zudem trübten Rauchschwaden Alainas Sicht, und der Rhythmus entfernter Trommeln hämmerte ihr im Kopf.

Als sie erkannte, dass der Krieger sich ihr näherte, überkam sie wilde Panik. Wieder kämpfte sie gegen ihre Fesseln an, aber die dicken Stricke gaben kein bisschen nach.

Schon stand der Krieger über ihr und schaute mit seinen kobaltblauen Augen auf sie herab.

„Unterwirf dich mir!“, forderte er.

Alaina schüttelte den Kopf.

Da kniete er sich neben sie. „Aber du gehörst mir.“

„Ich gehöre keinem Mann.“

Er verzog das Gesicht, und sie sah seine weißen Zähne durch den Rauch aufblitzen. Dann strich er über ihre Schultern bis hinunter auf ihre Arme. Seine Handflächen fühlten sich rau an auf Alainas zarter Haut.

In diesem Moment geschah etwas Seltsames. Die harten Stricke, die gerade noch in ihre Handgelenke geschnitten hatten, wurden weich wie Samt, und Alaina erschauerte unter der Berührung des Kriegers.

„Unterwirf dich mir!“, wiederholte er.

„Nein.“ Sie hielt den Atem an, als er begann, die Bänder ihres weißen Mieders zu lösen und es dann auseinanderschob, um ihre Brüste zu entblößen. Hitzewellen durchströmten ihren Körper, und tief in ihr pulsierte es heftig. Der Krieger ließ seine Fingerspitzen über ihren Hals gleiten.

Alaina rang nach Luft. Angst und Erwartung schnürten ihr die Kehle zu. Als er eine Faust machte und mit seinen Knöcheln über ihre Brüste strich, wurde ihr noch heißer. Dann senkte er den Kopf. Sie spürte seinen glühenden Atem auf ihrem Hals.

Zitternd erwachte Alaina und fuhr hoch. Mit vor Angst weit aufgerissenen Augen starrte sie in die Dunkelheit. Ihr Herz klopfte laut. Als sie eine Hand auf ihre Kehle legte, fühlte sie den rasenden Puls.

Ein Traum, sagte sie sich wieder und wieder, um sich zu beruhigen, es war nur ein Traum.

Aber dieser Traum hatte sie zutiefst beeindruckt. Es kam ihr vor, als läge der Geruch der feuchten Erde und des Rauchs tatsächlich noch in der Luft. Ihr war, als spürte sie noch immer die harten Stricke, die ihre Handgelenke einschnürten, und die rauen Hände des Kriegers, wie sie über ihre Arme strichen. Und da war auch noch dieses erregende Kribbeln. In ihrem Körper pochte unerfülltes Verlangen.

Alaina zog die Bettdecke bis zum Hals hoch. Was war nur mit ihr los?

Das Mondlicht warf fahle Schatten auf die Wände ihres Schlafzimmers. Sie versuchte tief durchzuatmen und strich sich mit zitternden Fingern durch das Haar.

Mehr und mehr hatte sie das Gefühl, etwas Bedrohendes schwebte über ihr, gleich einem Raubvogel, der seine Klauen ausstreckte, um sich auf seine Beute zu stürzen. Jetzt spürte sie sogar, wie kräftigen Schwingen ihr Luft zufächelten. Sie blickte angstvoll nach oben.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass da nur der kreisende Deckenventilator war, der ihre Fantasie angeregt hatte. Sie lachte trocken. Wie kann ich mich nur so vor einem Traum fürchten? Ich sollte mich lieber darüber amüsieren, trotz dieses Unterwirf-dich-mir-Blödsinns. Das Einzige, dem ich mich unterwerfen werde, ist meine Sehnsucht nach ein paar Stunden Schlaf.

Doch als sie mit geschlossenen Augen dalag und darauf wartete, dass sich ihr erhitzter Körper langsam abkühlte, hörte sie in der Ferne den dumpfen Rhythmus von Trommeln und das Heulen eines einsamen Wolfes.

Der Pick-up, der auf dem Highway 96 Richtung Osten fuhr, war nichts Besonderes. In Texas sind täglich Tausende davon unterwegs. Der Wagen fiel weder durch eine schrille Lackierung noch durch Zierleisten oder Aufkleber mit lokalpatriotischen Parolen auf.

Dennoch war der Fahrer nicht irgendwer, sondern D. J. Bradshaw höchstpersönlich. Die guten Leute aus Stone Ridge und anderen Städtchen, die der Wagen passierte, ahnten nichts davon. Hätten sie gewusst, dass der legendäre D. J. Bradshaw gerade an ihnen vorbeifuhr, wäre so manchem vor Staunen der Unterkiefer heruntergeklappt. Es kam nicht alle Tage vor, dass der reichste Rancher von Texas sich in der Öffentlichkeit zeigte. Dabei konnte der Mann sich durchaus sehen lassen.

Rein äußerlich war er der Inbegriff eines Texaners. Mit seiner kräftigen Statur und den großen Händen schien er den Männern wie gemacht, um das von seinem Vater ererbte Land zu bearbeiten. Die Frauen konnten sich beim Anblick dieser Hände und des muskulösen Körpers freilich auch etwas anderes vorstellen, zu dem der junge Mann taugen würde. Das wäre privater und viel interessanter.

D.J. Bradshaw hatte dichtes rabenschwarzes Haar und kobaltblaue Augen. Sein Gesicht wirkte durch die dunkle Haut, das kräftige Kinn und den entschlossenen Zug um den Mund sehr maskulin. Bei seinem Anblick war jede Frau, vom verwöhnten Luxusweibchen bis zur spröden alten Jungfer, nur zu gern bereit, einen Cowboyhut aufzusetzen und mit ihm auszureiten.

Und die Glücklichen, die das Privileg schon einmal genossen hatten, lächelten immer noch selig, wenn sein Name irgendwo genannt wurde.

Als D.J. die Stadtgrenze von Stone Ridge hinter sich gelassen hatte, schob er eine CD von Bob Seger ein. Zu den Klängen von „Against the Wind“ gab er Gas und fuhr durch die Hitze dieses Augusttages auf dem aufweichenden Asphalt davon. Es gibt nichts Besseres als einsame Landstraßen, ging es ihm durch den Kopf. Endlich konnte er den Motor einmal voll aufdrehen. Die breiten Reifen ließen Splittsteinchen aufspritzen, und auf der Fahrbahndecke blieb reichlich Gummiabrieb zurück. Aber das kümmerte D.J. ebenso wenig wie die riesige Staubwolke, die er hinter sich herzog.

Bob Seger sang gerade von den guten alten Zeiten des Rock ’n’ Roll, als zwanzig Meilen vor der Grenze zu Louisiana das Hinweisschild auftauchte, nach dem er Ausschau gehalten hatte. D.J. nahm den Fuß vom Gas und bog in eine von Zedern gesäumte Zufahrt ein. Die Stone Ridge Ranch lag zwei Meilen entfernt. Es ging durch flaches grünes Weideland mit Tupfen gelber Wildblumen darin, ein scharfer Kontrast zu der eher felsigen Landschaft, in der er vor sechs Stunden aufgebrochen war.

Nach einer Weile passierte er einen schmiedeeisernen Torbogen mit den Insignien SRR darin. Rechts der Straße weideten vor einem Kiefernwäldchen Rinder und Pferde.

Von der Ranch sah D.J. als Erstes die Stallungen aus roten Ziegeln mit ihren grauen Schindeldächern. Er parkte direkt davor.

Er hatte einen ausführlichen Bericht über die Stone Ridge Ranch gelesen. Sie umfasste 5000 Morgen bestes Weideland und Wälder, die zur Holzwirtschaft geeignet waren. Es gab nur eine relativ kleine Herde Rinder, aber dafür war der Pferdestall voller hochkarätiger Rennpferde. An Personal arbeiteten ein Vormann, vier Gehilfen und ein Koch auf der Ranch. Die Eigentümerin war Helena Blackhawk, aber ihr Sohn Trey und ihre Tochter Alaina leiteten den Betrieb. Mrs. Blackhawk hatte noch zwei weitere Töchter, Alexis, die in New York lebte, und Kiera, die Jüngste. Sie war eine vielversprechende Köchin und lebte zurzeit in Wolf River.

D.J. wollte immer genau wissen, mit welchen Leute er Geschäfte machte, deshalb hatte er sich auch die letzten Bilanzen der Stone Ridge Ranch beschafft, hatte Bankauskünfte eingeholt und sich die umfangreiche Liste der Kunden und Geschäftspartner angesehen. Das waren ausgesprochen wichtige Informationen, wenn er den Blackhawks ein Angebot machen wollte, ihre Ranch zu übernehmen.

Als er aus seinem Wagen stieg, fiel sein Blick auf das Haupthaus im Südstaaten-Stil. An den weißen Säulen der umlaufenden Veranda zogen sich kräftige Geißblattranken hoch. Der gepflegte Rasen vor dem Haus schimmerte tiefgrün. Westlich des Hauses war im Schatten von Pappeln ein Garten angelegt.

Der süße Duft der Geißblattblüten lag in der Luft, und der heiße feuchte Wind ließ die Schindeln der Kamine klappern. Von einer nahe gelegenen Pferdekoppel waren Stimmen zu hören. D.J. warf einen Blick auf seine Uhr und beobachtete dann mit Sorge die schwarzen geballten Wolken am Horizont. Noch vor Ausbruch des Sturms wollte er wieder zurück auf dem Highway sein.

Er hatte schon die Richtung zum Haus eingeschlagen, da hörte er eine Frau im Pferdestall singen und blieb lauschend stehen. Die Worte waren unverständlich, aber die Melodie kam ihm vertraut vor, und es zog ihn dorthin.

Nachdem er an mehreren Pferden in ihren geschlossenen Boxen vorbeigegangen war, stieß er am Ende des Ganges auf eine offene Box.

Darin stand eine schlanke junge Frau, die ihm den Rücken zuwandte. Während sie sang, striegelte sie einen rassigen schwarzen Hengst. Ihr lockiges kastanienbraunes Haar war in einem Pferdeschwanz gebändigt. Sie trug eine ärmellose weiße Bluse, die langen Beine steckten in abgewetzten Lederstiefeln. Aus der Gesäßtasche ihrer engen Jeans schaute der Zipfel eines knallroten Halstuchs heraus.

Jetzt erkannte D.J. die Melodie ebenfalls. Es war „Blue Bayou“.

Ihm war schon klar, dass er etwas sagen sollte, um auf sich aufmerksam zu machen. Zumindest hätte er sich räuspern oder sich auf andere Art bemerkbar machen können. Aber diese Stimme nahm ihn seltsam gefangen, und er beobachtete fasziniert, wie die Frau mit ihren schlanken Fingern den Nacken des Hengstes massierte. Das Tier schien davon ebenfalls fasziniert zu sein, fiel D.J. auf. Abgesehen von einem leichten Zucken in der linken Schulter stand es völlig still.

Als die Frau zurücktrat und nach einer Decke griff, gestattete D.J. sich einen letzten unverhohlenen Blick auf ihre sanften Rundungen, bevor er sich räusperte, wobei er einen Schritt auf sie zu machte.

Das war ein großer Fehler.

Der Hengst scheute erschreckt und drängte rückwärts aus der Box. D.J. wich geistesgegenwärtig aus. Es gelang ihm auch noch, den Halfterstrick zu fassen, als das Pferd auf den Gang stürmte. Er konnte jedoch nicht mehr verhindern, dass ein Huf ihn am Oberarm traf.

Der Hengst wieherte nervös und wollte sich aufbäumen, doch D.J. hielt ihn fest.

Mit geblähten Nüstern und angstvoll aufgerissenen Augen stand das Tier für Sekunden still, um dann umso heftiger den Kopf in den Nacken zu werfen. Die Frau nutzte die Gelegenheit und griff nach dem Halfter.

„Ruhig“, sagte sie bestimmt. „Ganz ruhig, mein Junge.“ Sie tätschelte seinen Hals, der Hengst scharrte jedoch immer noch unruhig mit den Hufen und warf den Kopf von einer Seite auf die andere. Die Frau ergriff jetzt den Halfterstrick und trat zwischen D.J. und das Pferd.

„Ich habe ihn.“

Darauf ließ D.J. den Strick los und trat zurück, um das Gesicht der Frau zu studieren, während sie den Hengst zurück in die Box führte. Ihre Züge hatten etwas Exotisches und wirkten ausgesprochen zart. Vielleicht lag es an ihren hellblauen Augen, die an die Farbe des Himmels an einem sehr frühen Morgen erinnerten, überlegte er. Ihre fast schwarzen Brauen und Wimpern bildeten einen lebhaften Kontrast dazu. Der sanfte goldbraune Ton ihrer Haut und die hohen Wangenknochen wirkten sehr edel.

Und was für einen wundervollen Mund diese Frau hat, ging es ihm durch den Kopf. Sein Blick verweilte auf ihren vollen Lippen mit dem perfekten Venusbogen. In diesem Moment ahnte er, dass seine Geschäfte auf dieser Ranch wesentlich interessanter als erwartet werden würden.

„Sie bluten ja.“

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute hoch und bemerkte die Besorgnis in ihrem Blick. „Wie bitte?“

„Ihr Arm. Es blutet ziemlich stark.“

Erst jetzt sah sich D.J. seine Verletzung an. Er war so abgelenkt gewesen, dass er weder die klaffende Wunde noch das am Arm heruntertropfende Blut wahrgenommen hatte. Verdammt, fluchte er im Stillen.

Im nächsten Moment war die Frau bei ihm. „Lassen Sie mal sehen.“

„Nicht nötig.“

Dennoch fasste sie seinen Arm und ließ auch nicht los, als er ihre Hand abschütteln wollte. „Ganz ruhig“, sagte sie im gleichen Ton, wie sie mit dem Hengst gesprochen hatte. „Die Wunde scheint mir ziemlich tief zu sein.“

D.J. sah mit gerunzelter Stirn zu, wie sie das rote Tuch aus ihrer Hosentasche zog und es um seinen Arm wickelte.

Als sie den Verband festzog, fühlte er eine wohltuende Wärme auf seiner Haut, die von der Hand ausging, mit der sie ihn hielt. So etwas hatte er noch nie erlebt. Auch das eigenartige Kribbeln, das er in seinem Arm spürte, war ihm völlig fremd.

Was, zum Teufel, ist das?

Alaina Blackhawk hob den Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke. Der Fremde starrte sie genauso verwirrt an wie sie ihn. Ihr Herz begann heftig zu klopfen, und sie zog hastig ihre Hand zurück.

„Ich hole schnell etwas zum Verbinden.“ Sie wunderte sich, wie weich ihre Knie auf einmal waren. „Ich habe was zum Desinfizieren und Verbandszeug in der Sattelkammer.“

„Nicht nötig.“ Kopfschüttelnd nahm er das Halstuch wieder ab. „Es ist kaum mehr als ein Kratzer. Überzeugen Sie sich selbst.“

Ein einziger Blick auf die gerade noch blutende Wunde genügte Alaina. Erstaunt stellte sie fest, dass dort jetzt tatsächlich nur noch ein harmloser Kratzer zu sehen war. Wie konnte das sein?

Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Obwohl ihr einerseits heiß war, lief ihr jetzt ein kalter Schauer über den Rücken. „Sie haben recht“, musste sie zugeben. „Es ist nur ein Kratzer.“

Alaina hörte, dass der Mann vor ihr etwas sagte, aber sie war zu mitgenommen, um den Sinn seiner Worte zu erfassen.

Er hatte seinen schwarzen Stetson nach hinten geschoben, und ihr fiel sein pechschwarzes Haar auf. Seine kobaltblauen Augen musterten die Welt mit festem Blick. Über der linken buschigen Braue verlief eine gezackte Narbe, die sein markantes Gesicht noch verwegener erscheinen ließ.

Erst jetzt wurde Alaina klar, dass er sie etwas gefragt hatte. „Wie bitte?“

„Ich sagte …“, er betrachtete sie mit schräg gelegtem Kopf, „… sind Sie okay?“

Ihr Gehirn kam ihr immer noch seltsam umnebelt vor, und sie musste sich zusammenreißen, um ihm antworten zu können. „Natürlich bin ich okay. Sie haben mich nur erschreckt.“

„Das tut mir leid.“ Sein Blick ging zu dem Hengst, der offensichtlich immer noch nervös war, dann zurück zu ihr. „Ich wollte Trey Blackhawk sprechen.“

Alaina war durchaus bewusst, dass sie den Fremden besser nicht so anstarren, sondern ein Gespräch beginnen oder sich zumindest vorstellen sollte. Auch wenn sie sozusagen im Pferdestall aufgewachsen war, hatte sie eine gute Erziehung genossen. Ihre Mutter pflegte früher immer zu sagen, Blackhawk-Kinder seien keine Heiden und wüssten, was sich gehört.

Nun wurde ihr bewusst, dass sie nicht die Einzige war, die ihre Neugier kaum zügeln konnte. Der Fremde musterte sie ebenfalls sehr intensiv. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, und auch andere Männer hatten sie angesehen, sogar ziemlich viele. Sie war Männerblicke schon deshalb gewohnt, weil sie vorwiegend mit Männern arbeitete. So machte es ihr eigentlich auch nichts mehr aus, wenn einer sie mal anstarrte.

Aber diesmal war es anders. Als sein Blick etwas länger auf ihren Brüsten verweilte, verschlug es ihr den Atem.

Ihr Körper reagierte spontan. Ihr Puls beschleunigte sich, ihre Wangen glühten, und ihre Brüste schienen sich zu spannen.

Sie registrierte, dass seine blauen Augen plötzlich einen Ton dunkler wurden. Wieder begegneten sich ihre Blicke. Sie stand wie gebannt da. Schließlich zog er fragend die linke Braue hoch.

„Alaina!“

In diesem Moment war der Bann gebrochen. Erleichtert sah Alaina ihren Bruder Trey auf sich zukommen. Er war ein hübscher junger Mann mit schwarzen Locken und schmalem Gesicht. Wie üblich zeigte sich eine skeptische Falte auf seiner Stirn. Sie atmete auf, alles schien wieder in Ordnung zu sein.

Trey schaute den Mann an der Seite seiner Schwester fragend an. „Mr. Bradshaw?“

„Nennen Sie mich D.J.“ Er ergriff Treys ausgestreckte Hand. „Sie müssen Trey sein.“

Bradshaw, ging es Alaina durch den Kopf, während die Männer sich zur Begrüßung die Hände schüttelten. Sie war noch immer so benommen, dass ihr das Denken schwerfiel. Aber dann begriff sie. D.J. Bradshaw. Er war der reichste und begehrteste Junggeselle in ganz Texas.

„Meine Schwester haben Sie ja schon kennengelernt“, hörte sie ihren Bruder sagen. D.J. richtete seinen Blick wieder auf sie.

„Ja, aber wir sind noch nicht einmal dazu gekommen, uns vorzustellen. Sie heißen Alaina, nicht wahr?“

Sie nickte, wollte es im Moment aber nicht riskieren, ihn zu berühren, und schob ihre Hände in die Hosentaschen. „Und Sie sind Mr. Bradshaw.“

„D.J.“, verbesserte er sie und lüftete leicht seinen Hut.

„D.J. ist hier, um sich Santana anzusehen“, sagte Trey.

„Santana?“ Alaina schaute ihren Bruder scharf an. „Warum?“

„Es wird eine Menge über den Hengst geredet, seit Sie ihn letzten Monat von Charley Cooper gekauft haben“, warf D.J. ein. „Es heißt, zwei Tierärzte hätten bei ihm das Kahnbein-Syndrom diagnostiziert und er könnte nicht trainieren.“

„So?“ Alaina verzog verächtlich das Gesicht. „Es ist doch bekannt, dass die Erkrankung der Kahnbeinmuskulatur bei Rennpferden oft falsch diagnostiziert wird. Cooper hätte eine dritte Meinung einholen sollen.“

„Da stimme ich Ihnen zu“, erwiderte D.J. „Deswegen war ja mein Veterinär vorgestern auch hier.“

Alaina legte die Stirn in Falten. „Wie bitte?“

„D.J. hat uns ein Angebot für Santana gemacht, nachdem sein Veterinär keine Bedenken hatte“, erklärte Trey schnell. „Du musst gerade in der Stadt gewesen sein.“

„So war es wohl.“ Aber das war kein Zufall, fügte sie in Gedanken hinzu. Vor zwei Tagen hatte ihr Bruder sie mit einem Rezept für ihre Mutter in die Stadt geschickt. „Trey, könnte ich dich mal unter vier Augen sprechen“, sagte sie sehr beherrscht.

Er schüttelte den Kopf. „Später, Alaina.“

„Mir wäre es aber jetzt gleich lieber.“

„Alaina, bitte …“

„Besprechen Sie sich nur.“ D.J. hakte die Daumen hinter seinen Gürtel und zuckte kurz mit den Schultern. „Das macht mir nichts aus. Ich kann warten.“

„Danke.“ Alaina drehte sich auf dem Absatz um und verließ mit schnellen Schritten den Pferdestall, während Trey ihr nur zögernd folgte. Auf dem Hof blies ihr ein heißer, sehr schwüler Nordostwind ins Gesicht.

Kein geeignetes Wetter, um einen Mord zu begehen, dachte sie mit Galgenhumor, viel zu anstrengend, um die Leiche wegzuschaffen.

Als sie außer Hörweite des Pferdestalls waren, drehte sie sich zu ihrem Bruder um. „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

„Über Bradshaw oder über Santana?“

„Verdammt noch mal, Trey, verkauf mich bitte nicht für dumm!“, zischte sie ihn an. „Du wusstest doch, wie ich reagieren würde.“

„Richtig, deswegen habe ich dir auch noch nichts davon gesagt.“ Er hatte die Hände über der Brust verschränkt und schaute seine Schwester ärgerlich an. „Wir betreiben eine Pferderanch, Alaina. Ich habe auch so genug zu tun.“

Alaina hatte die Hände in die Hüften gestemmt und ließ sich nicht einschüchtern. „Du weißt genau, dass ich mich noch persönlich um Santana kümmere.“

„Sagtest du nicht, sein Bein sei geheilt?“

Trey wurde von einem der Cowboys gerufen, aber er winkte ab. „Wenn Bradshaws Tierarzt tatsächlich grünes Licht gibt, haben wir den Hengst so gut wie verkauft. Und das ist der Zweck unserer Ranch, Pferde zu verkaufen. Vergiss das bitte nicht, Alaina.“

Wie hätte sie das vergessen können! Sie war wütend. „Aber ich bin diejenige, die bestimmt, wann unsere Pferde am besten verkauft werden. Ja, Santanas Bein ist geheilt. Dennoch sage ich dir, er ist noch nicht optimal vorbereitet. Er ist einfach noch nicht reif, um verkauft zu werden.“

„Noch nicht reif?“, fragte Trey misstrauisch. „Oder bist du noch nicht bereit dazu?“

Alaina ging nicht darauf ein, weil sie es für Zeitverschwendung hielt. „Das ist unfair, Trey!“, rief sie entrüstet.

„Hier geht es auch nicht um Fairness, sondern ums Geschäft. Wenn Bradshaw das Pferd schon jetzt haben will, dann bekommt er es auch jetzt.“

„Aber ich brauche doch nur noch ein paar Wochen, damit …“

„Wenn er ein gutes Angebot macht, werde ich zuschlagen.“ Plötzlich war entferntes Donnergrollen zu hören, und Treys Gesicht verfinsterte sich noch mehr. „Sei doch vernünftig, Alaina. Wie lange sollen wir hier noch herumstehen und unsere Zeit verschwenden? Finde dich damit ab und mach einfach weiter. Wir haben genug andere Pferde, mit denen zu arbeiten kannst.“

„Ja, ja, einfach weitermachen. Das ist wieder einmal typisch für dich, Trey.“

„Einer in der Familie muss ja realistisch bleiben“, gab er zurück. „Wir haben eine Ranch zu führen, Alaina. Unsere Rechnungen werden nicht dadurch bezahlt, dass wir mit dem Kopf in den Wolken schweben.“

Sie atmete heftig. „Das hältst du also von mir. Du hast das Gefühl, dass ich in den Wolken schwebe.“

Trey bekam einen harten Zug um den Mund, doch bevor er Alaina antworten konnte, donnerte es wieder, diesmal jedoch lauter. Das Gewitter kam näher. Sie hatten während ihrer Diskussion gar nicht gemerkt, dass sich bedrohliche dunkle Wolken über ihnen zusammenballten.

Trey nahm seinen Hut ab und strich sich durchs Haar. „Keiner auf der Ranch arbeitet härter als du, Schwester“, gab er zu. „Und ich weiß auch, warum dir Santana so viel bedeutet. Aber manchmal muss man etwas hergeben, auch wenn es einem viel bedeutet.“

Nach diesen Worten setzte er seinen Hut wieder auf und ging davon. Alaina wollte ihn schon bitten, zurückzukommen, da sah sie D.J. vor dem Pferdestall stehen. Er beobachtete zwei ihrer Cowboys, die eine fuchsrote Stute zuritten.

Die Pferdezüchter von Texas bildeten einen kleinen geschlossenen Kreis, und Neuigkeiten verbreiteten sich in Windesweile. Wenn bekannt wurde, dass die Stone Ridge Ranch einen Hengst an Bradshaw verkauft hatte, würde das ihren Ruf steigern und weitere Kunden anlocken. Das war Alaina sehr wohl bewusst, denn D.J. Bradshaw war ein mächtiger, reicher Mann mit Prestige.

Ihr war das Image der Stone Ridge Pferderanch nicht so wichtig, aber sie wusste, dass Trey größten Wert darauf legte. Und ihr Bruder ging ihr über alles. Egal, wie heftig sie sich manchmal auch stritten, weil sie unterschiedlicher Meinung waren, Alaina liebte ihren Bruder.

Manchmal muss man etwas hergeben, auch wenn es einem viel bedeutet. Sie dachte über Treys Worte nach.

Soll ich mir das wirklich abverlangen, fragte sie sich, während sie beobachtete, wie Trey mit D.J. zurück in den Stall ging. Sie schloss die Augen und versuchte tief durchzuatmen. Im Grunde war ihr längst klar, dass sie den Verkauf des Hengstes nicht so ohne Weiteres stoppen konnte. Das wäre so, als wollte sie versuchen, den Regen aufzuhalten, der gerade eingesetzt hatte.

2. KAPITEL

Der Sturm brach plötzlich los. Donnerschläge krachten, und immer wieder durchschnitten grelle Blitze die schwarzen Regenwolken. Es goss wie aus Kübeln. Der ausgetrocknete Boden konnte die Wassermassen nicht aufnehmen, sodass sich vor der Scheune teichgroße Pfützen bildeten.

Während die Rancharbeiter alle Hände voll zu tun hatten, die nervös gewordenen Pferde zu beruhigen und Gerätschaften zu sichern, folgte D.J. Trey die hölzernen Stufen auf die Veranda des Haupthauses hinauf.

„Santana lässt sich nicht so leicht auf einen Anhänger verfrachten, und wieder runter kommt er erst recht nicht so einfach“, erklärte Trey, während er seine Stiefel auf der dicken Fußmatte säuberte. „Wenn Sie sich für ihn entscheiden, werden besser wir den Transport auf Ihre Ranch übernehmen.“ Er musste fast schreien, um das Unwetter zu übertönen.

D.J. schüttelte sich die Regentropfen ab und versuchte ebenfalls, den Lehm von seinen Stiefeln zu kratzen. Danach folgte er Trey mit dem Hut in der Hand ins Haus.

Sie kamen zunächst in eine geräumige Diele. Auf dem polierten Hartholzboden lag ein klassisch rot-grün gemusterter Orientläufer. An den hellen Wänden hing eine Sammlung gerahmter Familienfotos, die sich bis ins Treppenhaus fortsetzte.

Am Fuß der breiten Eichentreppe stand eine mächtige antike Standuhr. Sie erinnerte D.J. daran, dass er eigentlich schon längst wieder auf dem Heimweg sein wollte. So ein verdammtes Unwetter! Gerade als er insgeheim fluchte, donnerte und blitzte es so gewaltig, dass das ganze Haus erbebte.

„Sie sollten doch lieber zum Dinner bleiben“, bemerkte Trey und warf seinen Hut auf einen Garderobenhaken. „Zumindest sollten Sie den schlimmsten Sturm bei uns abwarten.“

„Danke, aber ich möchte lieber so bald wie möglich zurückfahren.“

„Bei diesem Wetter werden Sie sowieso nicht weit kommen. Der Boden kann die Wassermassen nicht aufnehmen, sodass es überall Überflutungen geben wird.“

In diesem Moment tauchte ein schmächtiger Mann auf, der sich die Hände an einem karierten Küchentuch abtrocknete. Augenbrauen und Schnäuzer waren ebenso grau wie sein langes Haar, das im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. In seinem wettergegerbten Gesicht funkelten zwei lebhafte dunkle Augen.

„D.J., das ist Cookie“, stellte Trey ihn vor. „Cookie, das ist D.J. Bradshaw.“

„Hab schon gehört, dass Sie hier sind.“ Der ältere Mann musterte D.J. nicht unfreundlich. „Sie sehen wie Ihr Vater aus.“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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