Lady Isabels skandalöses Begehren

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"Bringen Sie ihn in meine Kutsche!" Wagemutig rettet Lady Isabel Beckinhall den Schwerverletzten mit der Maske: Es ist der berüchtigte "Geist von St. Giles", ein Held, der für die Ärmsten der Armen kämpft! Als sie den muskulösen Fremden in ihrem Boudoir versorgt, spürt die adelige Witwe beim Blick aus seinen funkelnden Augen ein skandalöses Begehren. Aber noch bevor die Nacht vorüber ist, verschwindet der "Geist". Doch kurz darauf entflammt Isabels Verlangen erneut - allerdings in Gegenwart des ehrbaren Mr. Winter Makepeace, Leiter des Waisenhauses in St. Giles … Warum ist das Funkeln in seinen Augen bloß so verhängnisvoll vertraut?


  • Erscheinungstag 26.01.2018
  • Bandnummer 101
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779788
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

DANKSAGUNG

Wie immer muss ich mich bei meinem Team bedanken, das mir geholfen hat, eine schreckliche Rohfassung zu einem lesbaren Endprodukt zu überarbeiten: meiner cleveren Agentin Susannah Taylor, meiner geduldigen Redakteurin Amy Pierpont und meiner äußerst genauen Lektorin Carrie Andrews. Außerdem bei Lauren Plude, Amys Assistentin, die immer unerhört gut gelaunt ist, Diane Luger aus dem GCP Art Department, die sich mit dem Cover wieder einmal selbst übertroffen hat, und Nick Small und Brianne Beers aus der Werbeabteilung, die unermüdlich dafür gearbeitet haben, damit ihr überhaupt von diesem Buch erfahrt.

Ich danke euch allen.

1. KAPITEL

Oh, versammelt Euch, meine Lieben, und lasst die Kerzen hell brennen, denn heute Nacht erzähle ich Euch die Geschichte des Geisterharlekins von St. Giles …

Aus: Die Legende des Geisterharlekins von St. Giles

London, England

Mai 1738

Der Leichnam auf der Straße war die Krönung dieses furchtbaren Tages.

Isabel Beckinhall – Baroness Beckinhall – seufzte leise in sich hinein. Ihre Kutsche hatte im schlimmsten Teil Londons gehalten – in den schmutzigen Straßen von St. Giles. Und warum war sie bei Einbruch der Dunkelheit in St. Giles? Weil sie sich freiwillig gemeldet hatte, die Gesellschaft der Damen für das Wohlergehen der Waisen und Findelkinder bei der letzten Begutachtung des neuen Waisenhauses zu vertreten. Wie töricht von ihr.

Melde dich niemals freiwillig. Nicht einmal, wenn du dich wohlfühlst, weil du gerade warme Scones gegessen und heißen Tee getrunken hast. Warme Scones waren vermutlich das Werk des Teufels oder das von Lady Hero Reading, einer der engagiertesten Unterstützerinnen des Waisenhauses. Lady Hero hatte Isabels Tasse nachgefüllt, sie unschuldig angesehen und dann freundlich gefragt, ob Isabel sich mit Mr. Winter Makepeace, dem mürrischen Leiter des Waisenhauses, treffen würde, um sich das neue Gebäude anzusehen. Und Isabel hatte vertrauensselig eingewilligt, wie eine dumme Kuh, die sich den Magen mit Scones vollgeschlagen hatte.

Und der vermaledeite Mann war nicht einmal aufgetaucht!

„Muh“, murmelte Isabel, in dem Moment, als die Tür der Kutsche sich öffnete und Pinkney, ihre Zofe, einstieg.

„Mylady?“, fragte Pinkney mit großen, überraschten Augen. Natürlich waren Pinkneys blaue Augen immer groß und überrascht. Sie war eine der gefragtesten Zofen Londons und eine Expertin für die neueste Mode, obwohl sie kaum älter als einundzwanzig und ein wenig naiv war.

„Nichts“, erwiderte Isabel und winkte ab. „Hast du herausgefunden, warum es so lange dauert, den Toten aus dem Weg zu schaffen?“

„Oh ja, Mylady“, antwortete Pinkney. „Es liegt daran, dass er nicht tot ist.“ Ihre hübschen dunkelblonden Augenbrauen zogen sich zusammen. „Nun ja, jedenfalls noch nicht. Harold bringt es kaum zustande, ihn zur Seite zu ziehen. Und Sie werden es nicht glauben, Mylady, aber er ist ein Komödiant.“

Nun war es an Isabel, überrascht zu blinzeln. „Harold? Mein Diener?“

„Oh nein, Mylady!“ Pinkney kicherte, bis sie Isabels kühlen Blick bemerkte. „Ähm“, die Zofe räusperte sich, „der noch nicht tote Mann. Das heißt, er ist ein Komödiant. Er hat sich als Harlekin verkleidet, mit Maske und allem …“

Isabel hörte nicht mehr hin. Sie öffnete die Tür und verließ die Kutsche. Der graue Tag war noch düsterer geworden, da die Nacht hereinbrach. Im Westen flackerten Feuer, und sie konnte das Lärmen von Aufrührern aus dieser Richtung hören. Sie waren ganz in der Nähe. Isabel erschauerte und eilte zu Harold und dem anderen Diener, die sich über eine Gestalt am Boden beugten. Pinkney hatte das Kostüm des Mannes oder die Maske verwechselt oder …

Aber nein.

Isabel atmete scharf ein. Sie hatte den berüchtigten Geist von St. Giles noch nie persönlich gesehen, aber sie zweifelte nicht daran, dass er es war. Der auf dem Bauch liegende Mann trug ein schwarz-rotes Narrenkleid. Sein breitkrempiger Schlapphut war ihm vom Kopf gefallen, und sie konnte sehen, dass sein braunes Haar schlicht zusammengebunden war. Ein Kurzschwert befand sich in einem Futteral an seiner Seite, und ein Degen lag neben seiner großen Hand. Eine schwarze Halbmaske mit einer lächerlich langen Nase bedeckte die obere Hälfte seines Gesichts, offenbarte jedoch sein eckiges Kinn und seinen breiten Mund. Die Lippen waren leicht geöffnet, er hatte sehr gerade Zähne, und die Oberlippe war ein wenig größer als die Unterlippe.

Isabel wandte ihre Aufmerksamkeit dem Diener zu. „Lebt er?“

„Zumindest atmet er, Mylady.“ Harold schüttelte den Kopf. „Aber ich weiß nicht, wie lange noch.“

In der Nähe ertönten Rufe und das Geräusch von zerschlagenem Glas.

„Bringen Sie ihn in die Kutsche“, befahl Isabel. Sie bückte sich, um seinen Hut aufzuheben.

Will, der zweite Diener, runzelte die Stirn. „Aber Mylady …“

Sofort. Und vergessen Sie seinen Degen nicht.“

Sie konnte bereits eine Menge Leute sehen, die am Ende der Straße um die Ecke kamen. Die Diener sahen einander an, dann hoben sie den Geist hoch. Harold keuchte unter dem Gewicht, aber er beschwerte sich nicht.

Eine Menschenmenge sammelte sich am Ende der Straße, und jemand rief etwas.

Die Aufrührer hatten die Kutsche entdeckt.

Isabel raffte ihre Röcke und eilte hinter den Dienern her. Harold hievte den Geist mitsamt Degen in die Kutsche. Isabel kletterte recht unelegant hinterher. Pinkney starrte den Geist auf dem Kutschenboden mit großen Augen an, während Isabel ihn für den Moment ignorierte. Sie warf seinen Hut auf ihn, hob ihren Sitz an und zog zwei Pistolen aus dem verborgenen Fach darunter.

Pinkney quietschte ängstlich.

Isabel drehte sich um und reichte den Dienern an der Kutschentür die Pistolen. „Lassen Sie niemanden in die Kutsche herein.“

Harold biss die Zähne zusammen. „Ja, Mylady.“

Er nahm die Pistolen, gab Will eine und stellte sich auf das Trittbrett am Heck der Kutsche.

Isabel schloss die Kutschentür und klopfte gegen das Dach. „So schnell du kannst, John!“

Die Kutsche hatte sich gerade mit einem Ruck in Bewegung gesetzt, als etwas gegen das Gefährt geschleudert wurde.

„Mylady!“, rief Pinkney.

„Sch“, erwiderte Isabel.

Auf dem Sitz ihrer Zofe lag eine Reisedecke, und Isabel breitete sie über dem Geist aus. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und hielt sich am Fensterrahmen fest, als die Kutsche um eine Ecke fuhr. Plötzlich geriet die Kutsche kurz ins Schlingern. Das verzerrte Gesicht eines Mannes erschien am Fenster, und er leckte obszön an der Scheibe.

Pinkney schrie auf.

Isabel blickte den Mann an. Ihr Herz raste, aber ihr Blick war fest und unbeirrt, als sie ihm in die Augen schaute. Die waren blutunterlaufen und voller Wut. Die Kutsche ruckte, und der Mann fiel hinunter.

Eine der Pistolen wurde abgefeuert.

„Mylady“, flüsterte Pinkney, deren Gesicht weiß war, „der tote Mann …“

„Der nicht ganz tote Mann“, murmelte Isabel und beäugte die Decke. Hoffentlich würde jemand, der zufällig in die Kutsche blickte, eine achtlos auf den Boden geworfene Decke sehen und nicht den darunter versteckten Geist von St. Giles. Sie stützte sich ab, als die Kutsche wild um eine Ecke bog.

„Der nicht ganz tote Mann“, wiederholte Pinkney gehorsam. „Wer ist er?“

„Der Geist von St. Giles.“

Pinkneys türkisblaue Augen weiteten sich. „Wer?“

Isabel sah ihre Zofe gereizt an. „Der Geist von St. Giles? Der berüchtigtste Straßenräuber Londons? Läuft in einem Harlekinskostüm herum und raubt und mordet oder rettet und verteidigt, je nachdem, wessen Geschichten man glaubt.“

Wenn Pinkney die Augen noch weiter aufriss, würden sie ihr aus dem Kopf fallen.

„Hast du noch nie von ihm gehört?“ Isabel deutete mit der Hand zum Fenster, hinter dem Geschrei zu vernehmen war, und sagte mit süßlicher Stimme: „Von dem Mann, den die Horde tot sehen will?“

Entsetzt sah Pinkney auf die Decke. „Aber … warum, Mylady?“

Die zweite Pistole wurde mit einem ohrenbetäubenden Knall abgefeuert. Pinkney erschrak und spähte aus dem Fenster.

Gütiger Gott, sie hatten keine Munition mehr. Isabel betete, dass die Diener sich die Aufrührer ohne Pistolen vom Leibe halten konnten. Sie war eine Adelige, aber erst letztes Jahr war ein Viscount in St. Giles aus seiner Kutsche gezerrt, zusammengeschlagen und beraubt worden.

Isabel holte tief Luft und tastete unter der Decke, bis sie den Griff vom Degen des Geistes fand. Sie zog ihn hervor, während Pinkney sie misstrauisch musterte, dann legte sie sich das schwere Ding auf den Schoß. Zumindest könnte sie jemanden damit auf den Kopf schlagen. „Sie wollen ihn umbringen. Weil er heute Morgen Charming Mickey O’Connor vom Galgen geschnitten hat.“

Als sie das hörte, strahlte Pinkney. „Oh, Charming Mickey, der Pirat. Von ihm habe ich schon gehört. Man sagt, er sei so schön wie die Sünde und besser gekleidet als der König.“

Natürlich hatte ihre Zofe von einem gut gekleideten Piraten gehört.

„Genau.“ Isabel zuckte zusammen, als etwas das Fenster traf und die Scheibe zerbrach. „Sie haben ihn vermutlich von dem Galgen in Tyburn bis hierher gejagt, den armen Mann.“

„Oh.“ Pinkney biss sich auf die Unterlippe. „Verzeihen Sie, Mylady, aber warum haben wir ihn mitgenommen?“

„Nun, es wäre schade, wenn jemand von einer wütenden Meute in Stücke gerissen würde“, meinte Isabel gedehnt. Auf keinen Fall wollte sie dem Mädchen die Angst zeigen, die sie angesichts der bedrohlichen Lage empfand, mochte ihr das Herz auch noch so heftig in der Brust schlagen. „Besonders einen jungen, gut aussehenden Mann.“

Pinkney sah Isabel ängstlich an. „Aber Mylady, wenn die Menge ihn will, und er sich in unserer Kutsche befindet … äh …“

Isabel nahm all ihre Kraft zusammen und lächelte zuversichtlich. Ihre Hand umschloss den Griff des Degens fester. „Darum werden wir sie nicht wissen lassen, dass wir den Geist haben, nicht wahr?“

Pinkney blinzelte mehrere Male – offenbar brauchte sie einen Moment, um zu begreifen, was ihre Herrin meinte –, dann lächelte sie. Das Mädchen war wirklich sehr hübsch. „Oh ja, Mylady.“

Die Zofe lehnte sich zurück, als wären sie nun außer Gefahr, jetzt, da ihr alles erklärt worden war.

Isabel zog die Vorhänge beiseite, um durch das gesprungene Glas hinauszusehen. Sie war bei Weitem nicht so zuversichtlich, wie sie tat. Die Straßen in St. Giles waren eng und gewunden – darum war ihre Kutsche vorhin so langsam gefahren. Zu Fuß war man hier deutlich schneller unterwegs als mit einer Kutsche. Aber als sie den Blick die Straße hinauf und hinunter schweifen ließ, sah Isabel, dass die Meute langsam zurück fiel. Die Strecke verlief an dieser Stelle auch recht gerade, sodass John, der Kutscher, die Pferde zu einem schnelleren Tempo antrieb. Mit einem erleichterten Seufzer, der von Herzen kam, ließ Isabel die Vorhänge fallen.

Gott sei Dank.

Die Kutsche blieb abrupt stehen.

Pinkney kreischte.

„Immer mit der Ruhe.“ Isabel warf ihrer Zofe einen strengen Blick zu. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war, dass Pinkney in Ohnmacht fiel, falls sie angegriffen wurden.

Isabel linste aus dem Fenster und schob dann rasch den Degen unter die Decke.

Und gerade noch rechtzeitig. Die Kutschentür öffnete sich, und dort stand ein ernst aussehender Dragoneroffizier in scharlachroter Uniform.

Isabel lächelte freundlich. „Captain Trevillion. Wie schön, Sie zu sehen – nachdem wir der Meute entkommen sind.“

Die markanten Wangenknochen des Captains verdunkelten sich, während er das Innere der Kutsche musterte. Einen Augenblick lang ließ er den Blick auf der Decke verweilen.

Isabel sah ihm weiter ins Gesicht und lächelte unbeirrt. Beiläufig hob sie die Füße und legte sie auf die Decke.

Der Dragoner sah sie erneut an. „Mylady. Ich bin froh, dass Sie und Ihre Dienstboten in Sicherheit sind. St. Giles ist heute kein Ort, an dem man sich länger aufhalten sollte.“

„Nun, das wussten wir nicht, als wir heute Morgen losgefahren sind.“ Höflich fragte Isabel: „Haben Sie den Piraten schon gefasst?“

Die schmalen Lippen des Captains wurden noch dünner. „Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir werden ihn und den Geist von St. Giles fangen. Sie fliehen beide vor der Meute. Einen guten Tag, Mylady.“

Sie nickte, wagte aber nicht zu atmen, bevor der Dragoner die Tür zugeworfen und John gestattet hatte, weiterzufahren.

Pinkney rümpfte verächtlich die Nase. „Soldaten. Ihre Perücken sind immer so schrecklich altmodisch.“

Isabel ließ sich zurück in die Polster fallen und grinste ihre Zofe kurz an.

Eine halbe Stunde später hielt die Kutsche vor Isabels eleganten Stadthaus.

„Bringen Sie ihn hinein“, befahl sie Harold, als er die Tür öffnete.

Er nickte müde. „Ja, Mylady.“

„Und Harold?“ Isabel stieg aus der Kutsche, den Degen immer noch in der Hand.

„Mylady?“

„Gut gemacht, alle beide. Sie und Will.“ Isabel nickte Will zu.

Ein schüchternes Lächeln zeigte sich auf Harolds breitem, hässlichem Gesicht. „Danke, Mylady.“

Isabel erlaubte sich ein kleines Lächeln, bevor sie das Haus betrat. Edmund, ihr lieber, verstorbener Gemahl, hatte kurz bevor er das Zeitliche segnete, Fairmont House für sie gekauft und es ihr zum achtundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Er hatte gewusst, dass sein Titel und seine Ländereien an einen entfernten Cousin fallen würden und dafür gesorgt, dass sie selbst Eigentum besaß, das nicht Teil des Fideikommisses war.

Isabel hatte das Haus sofort umgestaltet, als sie vor vier Jahren eingezogen war. Nun war die Eingangshalle mit warmem, goldenem Eichenholz getäfelt. Unter ihren Füßen befand sich Parkettboden, und hier und dort standen Dinge, die ihr am Herzen lagen: ein zierlicher Tisch mit einer rosafarbenen Marmorplatte und vergoldeten Beinen, ein lachender junger Faun aus schwarzem Marmor, der einen Hasen hielt, und ein kleiner, ovaler Spiegel, der mit Perlmutt eingefasst war. All diese Dinge liebte sie eher wegen ihrer jeweiligen Besonderheiten, nicht wegen ihres Wertes.

„Danke, Butterman“, sagte Isabel, als sie den Degen unter den Arm klemmte und Handschuhe und Hut ablegte, die sie dem Butler reichte. „Es muss sofort ein Schlafzimmer bereitgemacht werden.“

Wie all ihre Dienstboten war Butterman perfekt ausgebildet. Er zuckte angesichts der überraschenden Anweisung nicht mit der Wimper – und auch nicht wegen des Degens, den Ihre Ladyschaft so unvorsichtig hielt. „Sehr wohl, Mylady. Ist das blaue Zimmer genehm?“

„Ja.“

Butterman schnippte mit den Fingern, und ein Dienstmädchen eilte die Treppe hinauf.

Isabel drehte sich um und sah zu, wie Harold und Will den Geist hereintrugen. Der breitkrempige Hut des Geists lag auf seiner Brust.

Butterman hob die Brauen ein winziges Stückchen, als er den bewusstlosen Mann sah, sagte jedoch nur: „In das blaue Zimmer bitte, Harold.“

„Ja, Sir“, keuchte Harold.

„Falls es Ihnen nichts ausmacht, Mylady“, bemerkte Butterman, „ich glaube, Mrs. Butterman könnte behilflich sein.“

„Ja, danke, Butterman. Bitte schicken Sie Mrs. Butterman so schnell wie möglich.“ Isabel folgte den Dienern die Treppe hinauf.

Die Dienstmädchen schlugen noch die Tagesdecke auf dem Bett im blauen Zimmer zurück, als die Diener mit ihrer Last eintrafen, aber das Feuer im Kamin brannte bereits.

Harold zögerte, denn der Geist war recht schmutzig und blutete, aber Isabel deutete auf das Bett. Der Geist stöhnte, als die Diener ihn auf die makellose Decke legten.

Isabel lehnte seinen Degen in eine Ecke des Zimmers und eilte an seine Seite. Sie waren außer Gefahr, aber ihr Puls raste immer noch. Die seltsamen Ereignisse dieses Tages erregten sie. Sie hatte den Geist von St. Giles gerettet. Was als normaler, beinahe langweiliger Tag begonnen hatte, war zu einem seltsamen Abenteuer geworden.

Die Augen des Geists waren geschlossen. Er trug immer noch seine Maske, obwohl sie verrutscht war. Isabel nahm sie ihm vorsichtig ab und war überrascht, dass sich darunter ein dünner schwarzer Seidenschal befand, der den oberen Teil seines Gesichts vom Rücken seiner markanten Nase bis zu seiner Stirn bedeckte. Zwei Löcher für die Augen waren in den Stoff geschnitten worden. Sie untersuchte die Harlekinmaske in ihrer Hand. Sie war aus Leder und schwarz gefärbt. Hohe gewölbte Augenbrauen und die gebogene, groteske Nase verliehen der Maske ein anzügliches Grinsen, ähnlich dem eines Satyrs. Isabel legte die Maske auf ein Tischchen neben dem Bett und sah wieder den Geist an. Er lag schlaff und schwer auf dem Bett. Blut befleckte seine Hose über seinen schwarzen Schaftstiefeln. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ein Teil des Blutes sah recht frisch aus.

„Butterman meinte, ein Mann sei verletzt“, sagte Mrs. Butterman, als sie geschäftig in den Raum eilte. Sie ging zum Bett und blickte den Geist einen Moment an, die Hände in die Hüften gestemmt, dann nickte sie entschlossen. „Nun, es geht nicht anders. Wir müssen ihn ausziehen, Mylady, und herausfinden, woher das Blut kommt.“

„Oh, natürlich“, erwiderte Isabel. Sie streckte die Hand zum Hosenlatz des Geistes, während Mrs. Butterman begann, seine Weste aufzuknöpfen.

Isabel hörte, wie hinter ihr jemand nach Luft schnappte. „Oh, Mylady!“

„Was gibt es, Pinkney?“, fragte Isabel, während sie sich mit einem widerspenstigen Knopf abmühte. Blut war auf dem Stoff getrocknet und hatte ihn hart werden lassen.

„Es ist ungehörig, dass Sie das tun.“ Pinkney klang, als hätte Isabel vorgeschlagen, nackt durch Westminster Cathedral zu laufen. „Er ist ein Mann.“

„Ich versichere dir, ich habe schon einen nackten Mann gesehen“, entgegnete Isabel milde, als sie das Beinkleid des Mannes herunterzog.

Seine Unterwäsche darunter war mit Blut vollgesogen. Gütiger Gott. Konnte ein Mann so viel Blut verlieren und überleben? Sie runzelte besorgt die Stirn, als sie begann, die Bänder an der Unterwäsche zu lösen.

„Er hat blaue Flecke an der Schulter und den Rippen und ein paar Kratzer, aber nichts, das diese starke Blutung verursachen könnte“, berichtete Mrs. Butterman, als sie die Weste öffnete und das Hemd des Geistes bis zu den Achseln hochschob.

Isabel sah für einen Moment auf und erstarrte. Auf seiner Brust zeichneten sich Muskeln ab, seine Brustwarzen kontrastierten braun mit seiner hellen Haut und schwarzes, gekräuseltes Haar wuchs zwischen ihnen. Sein Bauch war flach und muskulös, sein Bauchnabel wurde völlig von dem dunklen, sich kräuselnden Haar verdeckt. Isabel blinzelte. Sie hatte schon einen Mann – tatsächlich mehrere Männer – nackt gesehen, aber Edmund war schon über fünfzig gewesen, als er gestorben war, und hatte mit Sicherheit niemals so ausgesehen. Und die wenigen, verschwiegenen Liebhaber, die sie sich seit Edmunds Tod genommen hatte, waren Aristokraten gewesen – Männer, die für ihren Lebensunterhalt nicht arbeiten mussten. Sie hatten kaum mehr Muskeln gehabt als sie selbst. Ihr Blick verfing sich in der Linie des Haars, die von seinem Nabel abwärts verlief. Und in seiner Unterwäsche verschwand.

Dort, wo ihre Hände sich befanden.

Isabel schluckte, löste die Schnürung des Kleidungsstücks und zog es ihm die Beine hinunter. Das Zittern ihrer Finger überraschte sie ein wenig. Sie enthüllte seine Männlichkeit.

„Nun“, meinte Mrs. Butterman, „dort scheint er jedenfalls gesund zu sein.“

„Liebe Güte, ja“, hauchte Pinkney.

Isabel sah sich verärgert um. Sie hatte nicht bemerkt, dass die Zofe nahe genug herangetreten war, um den Geist zu sehen. Isabel zog die Ecke der Decke über die Lenden des Geistes. Sie wollte den bewusstlosen Mann beschützen.

„Helfen Sie mir, seine Stiefel auszuziehen, damit wir ihn ganz entkleiden können“, sagte Isabel zu Mrs. Butterman. „Wenn wir die Wunde dort nicht finden können, müssen wir ihn umdrehen.“

Aber als sie seine Breeches weiter seine Beine hinunterzogen, enthüllten sie eine lange Schnittwunde an seinem muskulösen rechten Schenkel. Frisches Blut sickerte heraus und rann ihm übers Bein, als sie den nassen Stoff beiseiteschoben.

„Da ist sie“, meinte Mrs. Butterman. „Wir können nach dem Arzt schicken lassen, Mylady, aber ich bin recht geschickt mit Nadel und Faden.“

Isabel nickte. Sie betrachtete erneut die Wunde, erleichtert, dass die Verletzung nicht so schlimm zu sein schien, wie sie befürchtet hatte. „Holen Sie, was Sie brauchen, Mrs. Butterman, und nehmen Sie Pinkney mit, damit sie Ihnen hilft. Ich habe das Gefühl, er wäre nicht sehr erfreut, einen Arzt zu sehen.“

Mrs. Butterman eilte, dicht gefolgt von Pinkney, hinaus.

Isabel wartete im Zimmer. Mit Ausnahme des Geistes von St. Giles war sie allein. Warum hatte sie ihn gerettet? Sie hatte es beinahe ohne nachzudenken getan – einen wehrlosen Mann allein zurückzulassen, damit er von einer wütenden Meute in Stücke gerissen wurde, war ein Gedanke, der sie anwiderte. Aber jetzt, da er sich in ihrem Haus befand, war sie neugierig auf den Mann selbst. Was für ein Mann riskierte als Harlekin verkleidet sein Leben? War er ein Straßenräuber oder ein gedungener Attentäter? Oder einfach nur ein Wahnsinniger? Isabel musterte ihn. Er war bewusstlos, aber immer noch eindrucksvoll, wie er dort imposant auf dem zierlichen Bett ausgestreckt lag. Er war ein Mann in der Blüte seines Lebens, stark und athletisch und ihrem Blick beinahe vollkommen entblößt ausgeliefert.

Alles konnte sie von ihm sehen, außer seinem Gesicht.

Sie streckte die Hand nach der seidenen Maske aus, die immer noch den oberen Teil seines Gesichts bedeckte. War er gut aussehend? Hässlich? Sah er ganz normal aus?

Ihre Hand senkte sich zu der Maske.

Seine hob sich blitzschnell und packte ihr Handgelenk.

Er öffnete die Augen, die eindeutig braun waren, und musterte Isabel. „Nicht.“

Dieser Tag verlief nicht so wie geplant.

Winter Makepeace sah hinauf in Lady Beckinhalls intelligente blaue Augen und fragte sich, wie genau er sich aus dieser Situation befreien sollte, ohne seine Identität preiszugeben.

„Nicht“, flüsterte er erneut. Ihr Handgelenk war warm und zierlich, aber er konnte unter seinen Fingern spüren, dass die Frau dennoch recht kräftig war, und er selbst fühlte sich im Moment entsetzlich schwach.

„Nun gut“, sagte sie leise. „Wie lange sind Sie schon wach?“

Sie machte keinerlei Anstalten, ihr Handgelenk aus seinem Griff zu befreien.

„Ich bin aufgewacht, als Sie mir meine Hose ausgezogen haben.“ Das war jedenfalls eine interessante Art gewesen, das Bewusstsein wiederzuerlangen.

„Dann geht es Ihnen nicht so schlecht, wie wir dachten“, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme.

Er gab einen undefinierbaren Laut von sich und drehte den Kopf, um sich im Zimmer umzusehen. Eine Welle der Übelkeit und des Schwindels ließen ihn beinahe erneut das Bewusstsein verlieren. „Wo bin ich?“

Seine Worte glichen einem leisen, kaum hörbaren Krächzen. Er hoffte, wenn er weiterhin flüsterte, würde sie ihn vielleicht nicht erkennen.

„In meinem Heim.“ Sie neigte den Kopf. „Ich werde Ihre Maske nicht anrühren, wenn Sie es nicht wollen.“

Er sah sie an, wägte ab. Er war nackt, in einem fremden Haus und verwundet. Seine Chancen standen nicht zum Besten.

Elegant hob sie eine Braue. „Würden Sie mich bitte loslassen?“

Er öffnete seine Hand. „Verzeihung.“

Sie rieb sich die Hand und blickte sittsam zu Boden. „Ich habe vorhin Ihr Leben gerettet, und jetzt sind Sie mir ausgeliefert.“ Sie ließ den Blick über seinen nackten Körper wandern. „Aber dennoch glaube ich nicht, dass Sie wirklich meine Verzeihung erbitten.“

Sie sah ihm in die Augen, intelligent, humorvoll und sehr verführerisch.

Er konnte die Gefahr spüren.

Winters Lippen zuckten. „Vielleicht bin ich nur ein ungehobelter Kerl.“

„Ungehobelt zweifellos.“ Sie schnippte mit dem Finger über das kleine bisschen Stoff, das seine Lenden bedeckte. Darunter regte sich etwas. „Aber auch undankbar?“ Traurig schüttelte sie den Kopf.

Er zog die Brauen hoch. „Ich vertraue darauf, Madam, dass Sie mir meine Nacktheit nicht vorwerfen. Ich schwöre, ich bin so aufgewacht und weiß nicht, wen ich dafür verantwortlich machen soll, wenn nicht Sie.“

Ihre Augen weiteten sich ein klein wenig, und sie biss sich auf die Unterlippe, als wollte sie ein Lachen unterdrücken. „Ich versichere Ihnen, dass meine, äh, Neugier nur darauf beruhte, herauszufinden, wo Sie verletzt sind, Sir.“

„Dann ehrt mich Ihre Neugier.“ Winter fühlte sich, als wäre er gestürzt und kopfüber gelandet. Er hatte noch nie so freimütig mit Frauen gescherzt, und Lady Beckinhall hatte bei früheren Treffen – als er nur Mr. Makepeace, der Leiter des Heims für Waisen und Findelkinder war – sehr deutlich gemacht, dass sie ihn nicht besonders schätzte.

Vielleicht lag es an der Maske und der Vertraulichkeit des ruhigen Zimmers.

Oder vielleicht lag es an dem Schlag auf den Kopf, den er vorhin erhalten hatte. „Haben Sie gefunden, was Sie suchen?“

Ihr üppiger roter Mund verzog sich zu einem geheimnisvollen wissenden Lächeln. „Oh ja, ich habe alles gefunden, was ich mir gewünscht habe.“

Er holte tief Luft. Sein Puls ging zu schnell, sein Kopf war zu leicht und sein bestes Stück benahm sich ungesittet, aber in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Zimmers. Sofort schloss Winter die Augen. Unwillkürlich wusste er, dass es das Beste war, zu verheimlichen, dass er wach und bei Bewusstsein war. Er konnte diesen Impuls nicht erklären, aber da diese Art von innerer Eingebung ihm schon unzählige Male das Leben gerettet hatte, machte er sich nicht länger die Mühe, dieses Phänomen zu hinterfragen.

Vorsichtig lugte er unter seinen Wimpern hervor.

Sein Blickfeld war begrenzt, aber mindestens zwei Frauen betraten den Raum.

„Wer ist er?“, fragte eine der Frauen – ihrer Art zu reden nach eine Dienstbotin.

„Er hat sich nicht gerührt“, erwiderte Lady Beckinhall.

Sie erwähnte nicht, dass sie nur Sekunden zuvor mit ihm gesprochen hatte. Aber er hatte schon immer gewusst, dass Lady Beckinhall geistesgegenwärtig war.

„Sollten wir ihm die Maske nicht abnehmen?“, fragte eine andere, jüngere Stimme erwartungsvoll.

„Hältst du das für klug?“, entgegnete Lady Beckinhall. „Er könnte glauben, er müsse uns umbringen, wenn wir herausfinden, wer er ist.“

Winter hätte beinahe eine Braue gehoben, als er diese ungeheuerliche Bemerkung hörte. Die jüngere Dienstbotin schrie leise auf. Offensichtlich war ihr nicht aufgefallen, wie unglaublich ernst Lady Beckinhall klang – die Dame verbarg ihre Belustigung.

Die erste Dienstbotin seufzte. „Ich werde rasch die Wunde nähen, und dann können wir es ihm gemütlich machen.“

In diesem Moment begriff Winter, dass die nächsten paar Minuten sehr unangenehm werden würden.

Da ihm der gesamte Körper wehtat, hatte er bis zu diesem Augenblick den pulsierenden Schmerz in seinem rechten Schenkel nicht bemerkt. Offensichtlich war dies die Wunde, die Lady Beckinhall gefunden hatte.

Also hielt er die Augen geschlossen und wartete. Er atmete langsam ein und aus und ließ seine Arme und Beine bleischwer auf dem Bett liegen.

Es ist der Schreck, der es schwermacht, den Schmerz zu ertragen, hatte ihm sein Mentor vor langer Zeit erklärt. Erwarte ihn, heiße ihn willkommen, und der Schmerz wird nur eine weitere Empfindung, die man einfach beiseiteschieben kann.

Er dachte an das Waisenhaus und was es an Vorbereitung benötigte, mit achtundzwanzig Kindern in ein neues Gebäude zu ziehen. Finger berührten seine Wunde und drückten die Ränder zusammen. Er verspürte einen starken Schmerz, als frisches, warmes Blut sein Bein entlanglief. Winter war sich des Schmerzes bewusst, aber er verdrängte ihn, ließ ihn durch sich hindurch und aus sich hinaus fließen, während er an jedes einzelne Kind im Waisenhaus dachte und wie er oder sie auf den Umzug reagieren würde.

Die neuen Schlafsäle waren geräumig, und durch sorgfältig vergitterte Fenster fiel das Licht hell in die Räume. Er spürte das schmerzhafte Stechen der Nadel, als sie sein Fleisch durchbohrte. Die meisten der Kinder würden glücklich über ihr neues Zuhause sein. Joseph Tinbox, zum Beispiel, würde Spaß daran haben, die langen Gänge entlangzurennen, obwohl er bereits elf Jahre alt war. Das Ziehen und der Ruck, als der Faden durch seine Haut gezogen wurde. Aber auf ein Kind wie Henry Putnam, der erst vor Kurzem ins Heim gekommen war und sich gewiss gut daran erinnern konnte, wie es sich anfühlte, verlassen worden zu sein, könnte der Umzug verstörend wirken. Ein weiterer Stich der Nadel. Er musste besonders auf Henry Putnam und andere wie ihn aufpassen. Sein Bein brannte wie Feuer, als eine Flüssigkeit auf die Wunde gespritzt wurde. Nur Winters viele Übungsstunden hielten ihn davon ab, angesichts des brennenden Schmerzes zusammenzuzucken. Er atmete ein. Atmete aus. Ließ seine Gedanken wandern, als die Nadel erneut zustach …

Einige Zeit später bemerkte Winter, dass das Stechen der Nadel aufgehört hatte. Er tauchte aus seinen gedankenverlorenen Grübeleien auf und spürte eine kühle Hand auf der Stirn. Ohne die Augen zu öffnen, wusste er, dass Lady Beckinhall ihn berührte.

„Er fühlt sich nicht fiebrig an“, murmelte Lady Beckinhall. Ihre Stimme war tief und kehlig für eine Frau. Winter meinte zu spüren, wie ihr Atem über seinen immer noch nackten Körper strich, aber das war Einbildung. Vielleicht war der Schlag auf den Kopf schlimmer gewesen, als er gedacht hatte.

„Ich habe Wasser gebracht, um ihn zu waschen“, erklärte die ältere Dienstbotin.

„Danke, Mrs. Butterman, aber Sie haben für heute genug getan“, antwortete Lady Beckinhall. „Ich werde mich selbst darum kümmern.“

„Aber Mylady“, protestierte die jüngere Frau.

„Wirklich, ihr beide wart eine große Hilfe“, sagte Lady Beckinhall. „Bitte. Lasst das Wasser hier, und nehmt die restlichen Sachen mit.“

Es raschelte, etwas Metallisches fiel in eine Zinnschale und dann öffnete und schloss sich die Tür erneut.

„Sind Sie noch bei Bewusstsein?“, fragte Lady Beckinhall.

Winter öffnete die Augen und sah, dass sie ihn anblickte. Sie hielt ein feuchtes Tuch in den Händen.

Beim Gedanken an ihre Hände auf seinem Körper spannte er sich an. „Das ist nicht nötig.“

Sie schürzte die Lippen und warf einen Blick auf sein Bein. „Die Wunde ist noch blutverschmiert. Ich denke, es ist das Beste. Das heißt …“ Sie funkelte ihn herausfordernd an. „… falls Sie den Schmerz nicht fürchten?“

„Ich fürchte weder den Schmerz noch etwas anderes, das Sie mir antun könnten, Mylady.“ Sein Flüstern war heiser.

Isabel holte tief Luft, als sie den heftigen Widerstand in den braunen Augen des Geistes aufblitzen sah.

„Sie fürchten weder mich noch das, was ich Ihnen antun könnte“, flüsterte sie, als sie sich dem Bett näherte. Er hatte so still gelegen, als Mrs. Butterman seine Wunde genäht hatte, dass Isabel befürchtet hatte, er hätte wieder das Bewusstsein verloren, aber jetzt war wieder etwas Farbe in seine Wangen zurückgekehrt. Das beruhigte sie. „Sie fürchten weder den Zorn der Soldaten noch eine mörderische Meute. Sagen Sie mir, Herr Geist, was fürchten Sie dann?“

Er erwiderte ihren Blick und antwortete: „Gott, vermute ich. Fürchtet nicht jeder Mensch seinen Schöpfer?“

„Nicht jeder.“ Wie seltsam, mit einem nackten, maskierten Mann über philosophische Fragen zu diskutieren. Vorsichtig wischte sie mit dem Lappen über das getrocknete Blut an seinem Bein. Der Muskel unter ihrer Hand spannte sich bei ihrer Berührung an. „Manche scheren sich nicht um Gott oder Religion.“

„Das stimmt.“ Er beobachtete jede ihrer Bewegungen mit seinen dunklen Augen. „Aber die meisten Menschen fürchten ihre eigene Sterblichkeit – den Tod, der sie schließlich aus diesem Leben reißen wird – und den Gott, der im Jenseits über sie richtet.“

„Und Sie?“, flüsterte sie, während sie das Tuch auswrang und es erneut benetzte. „Fürchten Sie den Tod?“

„Nein.“ Seine Antwort kam knapp und kühl.

Sie hob die Brauen und beugte sich über die Wunde, um sie genauer zu betrachten. Sie war gezackt, aber Mrs. Butterman hatte sie sehr gut genäht. Wenn sie verheilte, würde es eine lange Narbe geben, aber sie würde nicht zu breit oder zu hässlich sein. Es wäre eine große Schande gewesen, ein solch schönes männliches Bein zu verunzieren. „Ich glaube Ihnen nicht.“

„Warum nicht? Warum sollte ich lügen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Angeberei? Sie laufen in einer Maske und einem Harlekinskostüm herum.“

„Genau“, flüsterte er. „Ich jage mit meinem Degen in den Straßen von St. Giles. Würde ich das tun, wenn ich den Tod fürchtete?“

„Vielleicht. Manche, die den Tod fürchten, machen sich ein Spiel daraus, ihn zu verspotten.“ Sie strich seinen Schenkel hinauf und geriet gefährlich nahe an die Decke, die über seiner Männlichkeit lag.

Er rührte sich nicht, aber sie wusste, seine gesamte Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. „Nur Narren verspotten den Tod.“

„Wirklich?“ Sie schob das Tuch einen Zoll unter die Decke. Dort formte sich ein Zelt. Sie richtete sich auf und ließ das Tuch in die Waschschüssel fallen, dann spülte sie es aus. „Aber Spott kann so ein amüsantes Spiel sein.“

Sie legte ihm das Tuch weit unten auf den Bauch.

Er umfasste ihr Handgelenk. „Ich glaube, Ihr Spiel will nicht verspotten, sondern reizen.“ Sein Flüstern hatte einen heiseren Unterton.

Isabel betrachtete die wachsende Erhöhung unter der gebündelten Decke. „Vielleicht haben Sie recht.“ Sie hatte die Brauen gehoben und sah ihn an. „Gefällt Ihnen das Spiel?“

„Ist das wichtig?“ Er verzog zynisch den Mund.

Sie zog die Augenbrauen höher. „Natürlich. Warum sollte man einen unwilligen Mann reizen?“

„Nur zum Spaß?“

Sie blinzelte. Es hatte ihr einen Stich versetzt. „Sie kränken mich.“

Er packte Isabel am Handgelenk und zog sie ohne sichtbare Anstrengung näher, bis sie gezwungen war, sich über ihn zu beugen und ihr Mieder beinahe seine nackte Brust berührte. Aus dieser Nähe konnte sie einen bernsteinfarbenen Ring um seine dunkle Iris sehen – und seine Pupillen waren vor Schmerz geweitet.

„Wenn ich Sie gekränkt habe, so tut es mir leid“, meinte er mit rauer Stimme. „Aber haltet mich nicht für dumm. Ich bin keine Puppe, mit der man spielt.“

Sie neigte den Kopf und wünschte, er würde die Maske abnehmen, damit sie ihn richtig sehen könnte, diesen Mann, der ihr Interesse geweckt hatte wie seit langer Zeit kein anderer.

Er erwiderte ihre Koketterie mit bestürzend direkten Antworten. Sie war eine solche Freimütigkeit nicht gewohnt. Alle Gentlemen, die sie kannte, sprachen in eleganten Rätseln, die letztendlich nichts bedeuteten. War er also unter der Maske ein einfacher Mann? Aber er sprach nicht mit ihr, als wäre er von geringerer gesellschaftlicher Position.

Nein, er redete recht vertraulich. Als wäre er ihr gleichgestellt oder höher.

Sie holte tief Luft und ließ den Blick über seinen Körper gleiten. „Nein, Sie sind ganz sicher keine weiche Puppe, Sir, und ich bitte Sie um Verzeihung.“

Seine Augen weiteten sich, als wäre er überrascht, dann ließ er sie plötzlich los. „Ich sollte Sie um Verzeihung bitten. Sie haben mir das Leben gerettet – glauben Sie nicht, dass ich das nicht weiß. Danke.“

Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Gütiger Gott, sie war nicht mehr rot geworden, seit sie ein junges Mädchen gewesen war. Sie hatte mit Dukes gescherzt, mit Earls kokettiert. Warum also brachten seine schlichten Worte sie jetzt in Verlegenheit?

„Es war selbstverständlich“, sagte sie, weniger freundlich, als sie sich für gewöhnlich benahm. Sie warf das schmutzige Tuch in die Schüssel. „Sie haben viel Blut verloren. Ruhen sie sich hier aus – morgen früh bringen wir Sie nach Hause.“

„Sie sind sehr freundlich.“

Sie schüttelte den Kopf. „Wir haben bereits festgestellt, dass ich keine nette Frau bin.“

Er lächelte und schloss die Augen. „Ich denke, wir haben das genaue Gegenteil festgestellt. Sie sind die Güte in Person, Lady Beckinhall.“

Einen Moment lang betrachtete sie ihn und wartete, ob er noch etwas hinzuzufügen hatte, aber stattdessen wurde seine Atmung tiefer.

Der Geist von St. Giles war eingeschlafen.

Das grau-rosafarbene Licht des Morgenrots schien durch das Fenster, als Isabel wieder die Augen öffnete. Einen Augenblick lang blinzelte sie und fragte sich verwirrt, warum ihr der Rücken schmerzte und sie nicht in ihrem Bett lag. Dann fiel ihr Blick auf das Bett neben ihr.

Leer.

Steif stand sie auf und sah auf die Decke hinab. Das Bett war gemacht, aber überall waren Blutspuren. Sie legte die Hand auf die Decke, aber der Stoff war kühl. Er musste schon vor einer Weile verschwunden sein.

Isabel ging zur Tür und rief nach einem Dienstmädchen. Ihr Bauchgefühl verriet ihr bereits, dass er fort war und außer den Blutflecken keine Spur hinterlassen hatte.

Sie ging zurück und starrte missmutig auf das Bett, während sie auf das Dienstmädchen wartete, und in diesem Augenblick erinnerte sie sich an etwas, das letzte Nacht an ihrem übermüdeten Verstand genagt hatte: Lady Beckinhall. Er hatte ihren Namen genannt, obwohl ihn niemand in seinem Beisein ausgesprochen hatte.

Sie hielt den Atem an. Der Geist von St. Giles kannte sie.

2. KAPITEL

Nun, ihr werdet es nicht glauben, aber der Geist von St. Giles war nur ein sterblicher Harlekindarsteller. Er spielte bei einem Wandertheater, das von Stadt zu Stadt zog.

Der Harlekin trug ein zerlumptes rot-schwarzes Narrenkostüm, und wenn er mit seinem Holzschwert auf den Bösewicht des Stücks einschlug, klapperte es: Klipp! Klapp! Und die Kinder schrien vor Freude …

Aus: Die Legende vom Geisterharlekin von St. Giles

Winter Makepeace, der sanftmütige Lehrer und Leiter des Heims für Waisen und Findelkinder, kauerte sich auf die Dachziegel, als die Sonne über London aufging. Vor ihm ging es tief hinab. Er hielt sich mit beiden Händen am Dachvorsprung fest, bevor er nach vorne trat und sich über die Kante fallen ließ. Einen Moment lang baumelte er drei Stockwerke hoch, sein gesamtes Gewicht wurde nur von seinen Fingerspitzen gehalten und dann schwang er sich durch das Dachbodenfenster, das neben ihn ins Mauerwerk eingelassen war. Er zuckte zusammen, als er landete, nicht nur wegen der Schmerzen, die ihm sein verletztes Bein bereitete, sondern auch wegen des leisen, dumpfen Aufpralls, als er auf dem Boden aufkam.

Normalerweise betrat er sein Zimmer lautlos durch das Fenster.

Er zuckte erneut zusammen, als er sich aufs Bett setzte und seine Hose betrachtete. Sie war schmutzig, und ein großer Riss zog sich von der Hüfte bis beinahe zum Knie des rechten Beins. Sein Schädel hämmerte, als er den schmutzigen Stoff von seiner Wunde zog. Er bündelte die zerrissene Hose mit seinen Schaftstiefeln, seinen Waffen, der Maske und dem Rest seines Kostüms zusammen und schob alles unter das Bett. Nur die Vorsehung wusste, ob er den Schaden reparieren konnte – er konnte ein wenig nähen, aber er war keinesfalls ein Meister. Hoffentlich brauchte er kein neues Kostüm – denn er konnte sich keines leisten.

Er drehte sich um und humpelte nackt zu dem Krug mit Wasser auf seinem Waschtisch und goss ein wenig in die Schüssel. Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, und zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte er, dass er keinen Spiegel besaß. Hatte er blaue Flecken im Gesicht? Verräterische Kratzer? Er spürte seine Bartstoppeln, als er sich mit der Hand übers Kinn strich.

Er seufzte, stützte sich einen Moment mit ausgestreckten Armen auf den schäbigen kleinen Waschtisch und ließ das Wasser von seinem Gesicht tropfen. Ihm tat alles weh. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte, und sein Kopf drehte sich in einem stetigen, Übelkeit verursachenden Rhythmus. Er musste sich anziehen, musste einen möglichst normalen Eindruck machen, wenn er seinen Schutzbefohlenen gleich gegenübertreten würde. Er musste kleine, aufmüpfige Jungen in der Schule unterrichten, musste die Kinder im Waisenhaus auf den Umzug in das neue Gebäude vorbereiten und herausfinden, ob sich Silence, seine jüngste Schwester, in Sicherheit befand.

So viel zu tun.

So viele Menschen, die sich auf ihn verließen.

So müde.

Winter brach auf seinem schmalen Bett zusammen. Nur einen Augenblick ausruhen. Als er die Augen schloss, schien er die Berührung einer weichen, aber starken weiblichen Hand zu spüren.

Ein verführerisches, heiseres Lachen ertönte wie aus weiter Ferne in seinem Kopf …

Bumm! Bumm! Bumm!

Winter sprang auf und ächzte, als die plötzliche Bewegung einen stechenden Schmerz in seinem rechten Schenkel verursachte. Die Sonne schien nun durchs Fenster, beleuchtete jeden Riss in der Wand, jedes tanzende Staubkörnchen in seiner Dachbodenkammer. Er kniff die Augen zusammen. Dem Winkel der Sonne nach zu urteilen, musste es spät am Morgen sein. Er hatte verschlafen.

Das hartnäckige Klopfen an seiner Tür begann erneut, diesmal begleitet von einer weiblichen Stimme. „Winter! Bist du da, Bruder?“

„Einen Moment.“ Er zog sein Nachthemd unter dem Kopfkissen hervor und warf es sich rasch über. Seine Breeches waren nirgends zu sehen, und er konnte sich nicht daran erinnern, wo er sie gestern Abend gelassen hatte.

„Winter!“

Seufzend legte er sich die Decke um die Schultern wie einen Morgenmantel und stand auf, um die Tür seiner Schlafkammer zu öffnen.

Besorgte, sherrybraune Augen blickten in seine. „Wo warst du?“

Temperance Huntingdon, Baroness Caire, seine ältere Schwester, kam in sein Zimmer gerauscht. Gefolgt von einem dreizehnjährigen Mädchen mit schwarzem Haar und rosigen Wangen. Mary Whitsun war das älteste Mädchen im Waisenhaus und somit für vieles verantwortlich.

Temperance nickte dem Mädchen zu. „Du sagst den anderen am besten, dass wir ihn gefunden haben.“

„Ja, Mylady.“ Mary zögerte gerade lange genug, um „Ich bin so froh, dass es Ihnen gut geht, Sir“ zu Winter zu sagen. Dann war sie auch schon verschwunden.

Temperance sah sich in der Kammer um, als erwartete sie, ein gesamtes Bordell in der Ecke versteckt zu sehen, dann sah sie ihn stirnrunzelnd an. „Gütiger Gott, Winter, wir haben die halbe Nacht und den ganzen Morgen damit verbracht, nach dir zu suchen! Als du gestern nicht zurückgekommen bist und der Aufstand auf St. Giles übergegriffen hat, habe ich das Schlimmste befürchtet. Und dann haben wir erfahren, dass du es nie bis zum neuen Waisenhaus geschafft hast.“

Temperance ließ sich auf das Bett fallen. Winter schlang sich die Decke fester um die Schultern. Er öffnete den Mund …

Aber Temperance war offensichtlich noch nicht fertig. „Und dann hat Silence uns eine Nachricht geschickt, dass sie Mickey O’Connor geheiratet hat und mit ihm durchgebrannt ist. Wir mussten das Kind, Mary Darling, von zwei von O’Connors Männern zu ihr bringen lassen. Sie sahen beängstigend aus.“ Widerwillig fügte sie hinzu: „Obwohl sie Mary Darling sehr gernzuhaben schienen, und sie die beiden auch.“

Sie holte Luft, und Winter nutzte die Pause. „Dann ist unsere Schwester in Sicherheit?“

Temperance warf die Hände in die Luft. „Vermutlich. Die Soldaten waren gestern in ganz London unterwegs – und sind es ganz nebenbei immer noch – und suchen nach Mickey O’Connor. Kannst du dir das vorstellen? Man sagt, er hing bereits am Seil, als der Geist von St. Giles ihn heruntergeschnitten hat. Das ist natürlich übertrieben. Du weißt, wie sich diese Gerüchte verbreiten.“

Winter verzog keine Miene. Tatsächlich war es keine Übertreibung – er war beinahe zu spät gekommen, um O’Connor vor dem Galgen zu retten. Aber natürlich konnte er das Temperance nicht erzählen.

„Und Mr. O’Connors elender Palast ist letzte Nacht niedergebrannt“, fuhr Temperance mit leiserer Stimme fort. „Man sagt, heute Morgen wurde eine Leiche in der schwelenden Asche gefunden, und alle vermuten, es ist O’Connors, aber Silences Nachricht traf nach dem Brand ein, also muss er noch am Leben sein, oder nicht? Oh, Winter! Wird Silence bei ihm in Sicherheit sein, was glaubst du?“

Diese Frage konnte er ohne zu zögern beantworten.

„Ja.“ Winter sah Temperance in die Augen, sodass sie die Gewissheit in seinen Augen sehen konnte. Mickey O’Connor mochte ein gefährlicher Flusspirat und momentan der berüchtigtste Mann in ganz London sein – und Winter mochte ihn sehr verabscheuen –, aber eines wusste er: „Er liebt Silence, und Silence liebt ihn. Ich habe sein Gesicht gesehen, als er Silence zu uns bringen musste, weil er sie nicht länger beschützen konnte. Sie ist O’Connor sehr wichtig. Was auch sonst geschieht, er wird sie mit seinem Leben verteidigen.“

„Bei Gott, das hoffe ich.“

Einen Augenblick lang schloss Temperance die Augen und verlor ihre aufrechte Haltung, als sie sich in sein Kissen zurücklehnte. Sie war erst neunundzwanzig – nur drei Jahre älter als Winter –, aber der war überrascht, als er bemerkte, dass sich feine Linien um ihre Augen gebildet hatten. Waren sie schon immer dort gewesen, und er hatte es nie bemerkt? Oder waren sie neu, hervorgerufen worden von der Aufregung der letzten Wochen?

Während er sie beobachtete, öffnete Temperance die Augen, die so wachsam wie immer waren. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wo bist du seit gestern Nachmittag gewesen?“

„Ich wurde vom Aufruhr überrascht.“ Winter zuckte zusammen und machte es sich, Schulter an Schulter mit seiner Schwester, auf dem Bett gemütlich. „Ich befürchte, ich war bereits zu spät für das Treffen mit Lady Beckinhall. Ich beeilte mich, dorthin zu gelangen, als die Menge mich überwältigt hat. Es war, wie in einer Herde Kühe, die zum Markt getrieben wird, gefangen zu sein. Nur dass diese Leute lauter, schmutziger und gemeiner waren als jede Kuhherde.“

„Oh Winter“, rief sie und legte ihm die Hand auf den Arm. „Was ist passiert?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich war zu langsam. Ich bin gefallen und wurde getreten und wurde am Bein verletzt.“ Er deutete auf sein rechtes Bein. „Es ist nichts gebrochen“, fügte er rasch hinzu, „aber es hat mich aufgehalten. Ich habe mich schließlich in einer Taverne verkrochen, um abzuwarten, bis das Schlimmste vorüber war. Ich vermute, ich bin gestern Nacht sehr spät nach Hause gekommen.“

Temperance runzelte die Stirn. „Niemand hat dich hereinkommen sehen.“

„Wie ich schon sagte, es war sehr spät.“

Seltsam, wie leicht es ihm inzwischen fiel zu lügen – sogar wenn es sich um die Menschen, die ihm am nächsten standen, handelte. Es war eine Schwäche, mit der er sich später befassen musste, denn sie sprach nicht für seinen Charakter.

Er sah zum Fenster. „Und jetzt ist es beinahe Mittag, denke ich, und ich muss aufstehen und mich um meine Pflichten kümmern.“

„Unsinn!“ Über Temperances Nasenwurzel bildete sich eine Falte. „Du bist verwundet, Bruder. Ein Tag im Bett wird nicht alles zusammenbrechen lassen.“

„Vielleicht hast du recht …“, setzte er an und war überrascht, als seine Schwester sich zu ihm beugte und ihm ins Gesicht sah. „Was stimmt nicht?“

„Du widersprichst mir nicht“, meinte sie besorgt. „Dir muss es wirklich nicht gut gehen.“

Er wollte es schon leugnen, da stieß sie leider gegen sein Bein und verwandelte seinen Protest in ein schmerzerfülltes Keuchen.

„Winter!“ Temperance starrte das Bein unter der Decke an, als könnte sie durch den Stoff sehen. „Wie übel genau steht es um dein Bein?“

„Es ist nur eine Beule.“ Er schluckte. „Nichts, um das du dir Sorgen machen musst.“

Sie kniff die Augen zusammen und zweifelte offensichtlich an seiner Behauptung.

„Aber ich werde deinen Rat annehmen und heute im Bett bleiben“, sprach er rasch weiter, um sie zu beschwichtigen. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht, wie lange er sich überhaupt würde auf den Beinen halten können.

„Gut“, erwiderte sie und stand vorsichtig auf. „Ich schicke eines der Dienstmädchen mit Suppe herauf. Und ich sollte auch einen Arzt rufen.“

„Nicht nötig“, erwiderte er ein bisschen zu scharf. Ein Arzt würde sofort feststellen, dass seine Wunde von einem Messer herrührte. Außerdem hatte Lady Beckinhalls Dienstmädchen sie bereits genäht. „Nein, wirklich“, sagte er gelassener. „Ich möchte nur ein bisschen schlafen.“

„Hmpf.“ Temperance schien trotz seines Widerspruchs nicht überzeugt zu sein. „Wenn ich nicht heute Abend abreisen würde, würde ich bleiben und dafür sorgen, dass ein Arzt dich anschaut.“

„Wohin fährst du?“, fragte er in der Hoffnung, das Gesprächsthema zu wechseln.

„Eine mehrtägige Einladung auf dem Land. Caire besteht darauf, dass wir hingehen.“ Temperances Gesicht verdüsterte sich „Es wird alle möglichen Adeligen dort geben, vermute ich, und alle werden auf mich herabsehen.“

Er lächelte – angesichts ihrer Beschreibung konnte er nicht anders –, aber seine Worte waren sanft, als er entgegnete: „Ich bezweifle, dass jemand dich verachten wird. Caire würde ihnen die Nasen abschneiden, wenn sie es wagen.“

Als sie das hörte, hob sich einer ihrer Mundwinkel. „Das würde er, nicht wahr?“

Und Winter war nicht zum ersten Mal froh, dass seine ältere Schwester einen Mann gefunden hatte, der sie über alles liebte – auch wenn er ein Adeliger war.

Einen Augenblick lang verspürte er einen Stich. Sowohl Temperance als auch Silence – die beiden Menschen, die ihm am meisten bedeuteten – waren nun verheiratet. Sie hatten Ehemänner und würden vermutlich bald ihre eigenen Familien gründen. Sie würden immer seine Schwestern bleiben, aber nun kein Teil seines Lebens mehr sein.

Es war ein trauriger Gedanke.

Aber er ließ sich nichts anmerken. „Du wirst es gut machen“, versicherte er Temperance liebevoll. „Du bist intelligent und besitzt Anstand und Würde. Ich vermute, dass nur wenige dieser Aristokraten diese Eigenschaften vorzuweisen haben.“

Sie seufzte, als sie die Tür öffnete. „Vielleicht, aber ich bin nicht sicher, ob Intelligenz, Anstand und Würde in adeligen Kreisen hoch angesehen sind.“

„Mylady?“ May Whitsun, die inzwischen zurückgekehrt war und vor der Tür Position bezogen hatte, spähte um den Türpfosten herum. „Lord Caire lässt Ihnen ausrichten, dass er in der Kutsche auf Sie wartet.“

„Danke, Mary.“ Temperance berührte die Wange des Mädchens. Es sah traurig aus. „Es tut mir leid, dass ich so bald schon wieder gehen muss. Wir haben diesmal zu wenig Zeit zusammen verbracht, nicht wahr?“

Einen Augenblick lang verzog sich Marys stoische Miene. Bis zu ihrer Hochzeit hatte Temperance im Waisenhaus gelebt und Mary Whitsun war ihr besonders ans Herz gewachsen.

„Nein, Mylady“, antwortete das Mädchen. „Aber Sie werden bald wiederkommen, nicht wahr?“

Temperance biss sich auf die Unterlippe. „Ich befürchte, es wird einen Monat oder länger dauern. Ich bin zu einer länger dauernden Festivität eingeladen.“

Mary nickte schicksalsergeben. „Ich vermute, es gibt viele Dinge, die Sie tun müssen, jetzt, da Sie eine Lady sind und nicht mehr wie wir.“

Temperance zuckte bei den Worten des Mädchens zusammen, und Winter überlief ein Frösteln. Mary hatte recht. Die Welt des Adels gehörte nicht der Welt an, in der er und Mary lebten. Die beiden Welten miteinander zu vermischen, würde niemals gut gehen – etwas, das er bedenken sollte, wenn er Lady Beckinhall das nächste Mal sah.

Momentan sind opulente Möbel in Mode, sinnierte Isabel einige Tage später, aber sogar gemessen an modernen Maßstäben war das Londoner Stadthaus des Earl of Brightmore so verschwenderisch üppig ausgestattet, dass es an Lächerlichkeit grenzte. Rosafarbene Marmorsäulen, gekrönt von vergoldetem korinthischen Gebälk, säumten die Wände von Brightmores Salon. Und das Gebälk der Säulen war nicht das Einzige, das vergoldet war. Wände, Zierrat, Möbel und sogar Lady Penelope Chadwick, die Tochter des Earls, glänzten golden. Isabel war der Meinung, dass Goldstickerei – von der Lady Penelopes Rock und Mieder übersät waren – für den Nachmittag eher unpassend war, andererseits, vermutete sie, ergab es einen Sinn.

Was sonst sollte die Tochter des Midas tragen, wenn nicht Gold?

„Mr. Makepeace mag intelligent sein“, sagte Lady Penelope gerade und sprach gerade langsam genug, um ihre Worte mit Zweifel an den geistigen Fähigkeiten des Heimleiters zu erfüllen. „Aber er ist nicht geeignet, um allein eine Einrichtung für Kinder und Kleinkinder zu leiten. Ich denke, wir stimmen zumindest in diesem Punkt alle überein.“

Isabel steckte sich ein Stück Scone in den Mund und hob im Geiste eine Augenbraue. Die Gesellschaft der Damen für das Wohlergehen der Waisen und Findelkinder hielt ein Notfalltreffen ab, an dem die Mitglieder, die sich momentan in der Stadt befanden, teilnahmen: sie selbst, Lady Phoebe Batten, Lady Margaret Reading, Lady Penelope und Lady Penelopes Gesellschafterin Miss Artemis Greaves, die, so vermutete Isabel, als Ehrenmitglied gezählt werden musste, einfach, weil sie Lady Penelope immer begleitete. Es fehlten Temperance Huntington, die neue Lady Caire, ihre Schwiegermutter Lady Amelia Caire und Lady Hero, die alle nicht in der Stadt waren.

Den Gesichtern der anderen Mitglieder der Gesellschaft nach zu urteilen, stimmten nicht alle Lady Penelope Mr. Makepeace betreffend zu. Aber da Lady Penelope nicht nur für ihre Schönheit – veilchenblaue Augen, rabenschwarzes Haar, etcetera, etcetera –, sondern auch für ihr legendär großes Erbe bekannt war, hatten nur wenige Damen den Mut, ihren Zorn auf sich zu ziehen.

Oder vielleicht hatte Isabel den Mut der anwesenden Damen unterschätzt.

„Ähem.“ Lady Margaret räusperte sich dezent, aber hörbar. Sie war eine junge Dame mit dunklem, lockigen Haar und einem hübschen Gesicht und eines der jüngsten Mitglieder der Gesellschaft. Nur Lady Phoebe, die noch nicht in die Gesellschaft eingeführt worden war, war jünger, aber Lady Margaret schien dennoch eine starke Persönlichkeit zu haben. „Es ist schade, dass Mr. Makepeace nicht länger die Hilfe seiner Schwestern hat, um das Waisenhaus zu leiten, aber er ist nun seit einigen Jahren der Leiter. Ich glaube, er wird auch allein gut zurechtkommen.“

„Pfft!“ Der Laut, den Lady Penelope von sich gab, kam einem Schnauben gefährlich nahe. Ihre veilchenblauen Augen weiteten sich so ungläubig, dass sie ihr beinahe aus dem Kopf zu fallen schienen. Es war kein vorteilhafter Gesichtsausdruck. „Es ist nicht nur der Mangel an weiblicher Autorität im Waisenhaus, der mir Sorge bereitet. Ihr könnt nicht allen Ernstes glauben, dass Mr. Makepeace auf den gesellschaftlichen Anlässen das Waisenhaus repräsentieren kann, an denen er jetzt teilnehmen muss, nachdem wir Damen nun das Waisenhaus unterstützen?“

Lady Margaret sah beunruhigt aus. „Nun …“

„Das Waisenhaus hat wegen der Gesellschaft der Damen für das Wohlergehen der Waisen und Findelkinder nun einen neuen gesellschaftlichen Status. Er wird zu allen möglichen gesellschaftlichen Ereignissen eingeladen werden – und sein Verhalten wird auf uns als Unterstützerinnen zurückfallen. Es wird Einladungen zu Teegesellschaften, Bällen und möglicherweise sogar Hauskonzerten geben!“

Lady Penelope winkte dramatisch mit der Hand und schlug Miss Greaves, die neben ihr saß, beinahe auf die Nase. Miss Greaves, eine eher unscheinbare junge Frau, die selten etwas sagte, schrak auf. Isabel vermutete insgeheim, dass sie gedöst hatte, während sie Lady Penelopes dummen, kleinen, weißen Hund auf dem Schoß hielt.

„Nein“, fuhr Lady Penelope fort. „Dieser Mann hat keinerlei Umgangsformen. Vor drei Tagen erst ist er nicht zu einem verabredeten Treffen mit Lady Beckinhall erschienen und hat nicht einmal eine Entschuldigung geschickt. Könnt ihr euch das vorstellen?“

Isabel schluckte. Die Dramatik von Lady Penelope amüsierte sie. „Um fair zu sein, es gab zu dem Zeitpunkt einen Aufstand in St. Giles.“ Und sie war damit beschäftigt gewesen, einen mysteriösen, maskierten Mann zu retten, dessen gestählter Körper sie nachts in ihren Träumen verfolgte. Isabel trank hastig einen Schluck Tee.

„Einer Dame keine Nachricht zu schicken ist der Gipfel der Unhöflichkeit. Aufstand oder nicht!“

Isabel zuckte mit den Schultern und nahm sich einen weiteren Scone. Insgeheim hielt sie den Aufstand für eine ausreichende Entschuldigung – Mr. Makepeace hatte ihr am nächsten Tag eine Entschuldigung zukommen lassen –, aber sie wollte sich nicht mit Lady Penelope streiten. Mr. Makepeace mochte einen ausgezeichneten Leiter für das Waisenhaus abgeben, aber sie befürchtete ebenfalls, dass er bei gesellschaftlichen Anlässen eine Katastrophe sein würde.

„Und auch wegen der großen Neueröffnung des Waisenhauses brauchen wir einen kultivierteren Heimleiter“, fuhr Lady Penelope fort. „Jemanden, der sich mit einer Dame unterhalten kann, ohne sie zu beleidigen. Jemanden, der in der Lage ist, mit Dukes und Earls zu verkehren. Jemanden, der nicht der Sohn eines Bierbrauers ist.“

Sie verzog bei den letzten Worten den Mund, als stünde ein Bierbrauer eine Stufe unter einem Hurenbock.

Der Geist von St. Giles hätte vermutlich kein Problem, sich mit Dukes und Earls zu unterhalten – welchem Stand der Mann hinter der Maske auch immer angehören mochte. Isabel verdrängte den Gedanken, um sich auf das Gespräch konzentrieren zu können. „Temperance Huntington ist Mr. Makepeaces Schwester und somit ebenfalls das Kind eines Brauers.“

„Ja.“ Lady Penelope erschauderte. „Aber zumindest ist sie eine gute Ehe eingegangen.“

Lady Margaret schürzte die Lippen. „Nun, auch wenn Mr. Makepeace seine zufällige Herkunft nicht ändern kann, verstehe ich nicht, wie wir ihm das Waisenhaus wegnehmen können. Es wurde von seinem Vater gegründet – eben jenem Bierbrauer.“

„Er ist jetzt der Leiter eines großen, wohlfinanzierten Waisenhauses. Eines Waisenhauses, das sich in Zukunft sowohl vergrößern als auch in seinem Ansehen steigen wird. Ein Waisenhaus, das mit unseren Namen verbunden sein wird. In weniger als vierzehn Tagen muss er am großen Ball der Duchess of Arlington teilnehmen. Könnt Ihr Euch vorstellen, was passiert, sobald die Duchess of Arlington Mr. Makepeace nach den Kindern in seinem Waisenhaus fragt?“ Lady Penelope ließ eine Braue in die Höhe schnellen. „Er wird sie vermutlich beschimpfen.“

„Nun, nicht beschimpfen“, widersprach Lady Isabel. Vielleicht würde er ihr das Wort abschneiden …

Leider hatte Lady Penelope nicht unrecht. Da sie alle Geld für das Waisenhaus gespendet hatten, würde Mr. Makepeace als Leiter des Waisenhauses nun eine wichtige Person der Londoner Gesellschaft werden. Er musste in der Lage sein, sich in der guten Gesellschaft adäquat zu verhalten, was nicht immer einfach war. Er musste das Gesicht des Waisenhauses sein, um vielleicht mehr Einfluss und Ansehen zu gewinnen, wenn das Waisenhaus sich vergrößerte. Und dann würde es mehr Geld brauchen und die entsprechenden Gönner. Auf all das war Mr. Makepeace momentan gänzlich unvorbereitet.

„Ich kann ihn unterrichten“, platzte Lady Phoebe heraus.

Alle drehten die Köpfe zu dem jungen Mädchen um. Sie war ein rundliches Kind von siebzehn oder achtzehn Jahren, mit hellbraunem Haar und einem süßen Gesicht. Sie sollte eigentlich mitten in den Vorbereitungen für ihre erste Saison stecken – doch Isabel vermutete, es würde keine Saison für das arme Mädchen geben. Sie trug zwar eine runde Brille, kniff die Augen dahinter aber dennoch angestrengt zusammen. Lady Phoebe war beinahe blind.

Nun reckte sie das Kinn und nickte nachdrücklich. „Ich kann Mr. Makepeace helfen. Ich weiß, dass ich es kann.“

„Ich bin sicher, dass du das könntest, Liebes“, meinte Isabel. „Aber es wäre sehr unangemessen, wenn ein Junggeselle wie Mr. Makepeace von einem unverheirateten Mädchen unterrichtet würde.“

Lady Margaret hatte den Mund geöffnet, aber sie schloss ihn abrupt, als sie Isabels Worte vernahm. Auch Lady Margaret war nicht verheiratet.

„Aber die Idee ist gut“, warf Lady Margaret ein, nachdem sie sich gesammelt hatte. „Mr. Makepeace ist ein intelligenter Mann. Wenn ihn jemand auf die Vorzüge hinweist, die es mit sich bringt, die Regeln der Gesellschaft zu erlernen, bin ich sicher, er würde sich Mühe geben, sich mit den Gepflogenheiten vertraut zu machen.“

Sie sah Lady Penelope an. Die hob nur die Brauen und lehnte sich mit einem vor Abscheu verzogenen Schmollmund in ihrem Sessel zurück. Miss Greaves starrte unverwandt auf den kleinen Hund auf ihrem Schoß. Da sie Lady Penelopes Gesellschafterin war, wäre es Selbstmord gewesen, hätte sie eine andere Meinung geäußert.

Lady Margaret blickte zu Isabel. Auf einmal nahm Lady Margarets Gesicht einen listigen Ausdruck an. „Wir brauchen also eine Dame, die nicht mehr unverheiratet ist. Eine Dame, die die gute Gesellschaft und ihre Feinheiten versteht. Eine Dame mit genug Selbstbeherrschung, um Mr. Makepeace zu dem Diamanten zu schleifen, von dem wir alle wissen, dass er in ihm steckt.“

Oje.

Drei Tage später stieg Winter Makepeace vorsichtig die Stufen der breiten Marmortreppe des Heims für Waisen und Findelkinder hinab. Die Treppe unterschied sich sehr von den wackeligen nackten Holzstufen ihres alten Waisenhauses, aber der glatte Marmor war auch gefährlich für einen Mann, der einen Stock benutzte, weil er eine Verletzung an seinem rechten Bein davongetragen hatte.

„Hallo! Ich wette auf diesem Geländer kann man gut rutschen“, meinte Joseph Tinbox etwas unvorsichtig. Er schien seinen Fehler zu bemerken, sobald er die Worte ausgesprochen hatte. Der Junge sah Winter mit seinem unschuldig-ernsten, sommersprossigen Gesicht an. „Natürlich würde ich das nie tun.“

„Nein, das wäre sehr unklug.“ Winter machte sich im Kopf eine Notiz, die Kinder in seiner nächsten Ansprache davor zu warnen, das Geländer herunterzurutschen.

„Hier sind Sie, Sir.“ Nell Jones, die hier im Waisenhaus Winters rechte Hand war, erschien am Fuß der Treppe und wirkte ganz aufgeregt. „Sie haben Besuch im Salon und ich glaube nicht, dass wir noch Muffins übrighaben. Es sind noch ein paar Kuchen von vorgestern da, aber ich befürchte, die könnten altbacken sein, und Alice kann den Zucker für den Tee nicht finden.“

„Kekse werden reichen, Nell“, erwiderte Winter beruhigend. „Und ich nehme sowieso keinen Zucker in meinen Tee.“

„Ja, aber Lady Beckinhall vielleicht“, meinte Nell besorgt, während sie sich eine blonde Locke aus dem Gesicht blies.

Winter hielt am Treppenabsatz inne. Er war sich bewusst, dass sein Herz schneller schlug. „Lady Beckinhall?“

„Sie ist mit ihrer Zofe da“, flüsterte Nell, als könnte die Dame sie den Gang entlang und durch die Wände hören. „Und sie trägt juwelenbesetzte Schließen an den Schuhen – die Zofe, nicht die Lady!“

Nell klang ehrfürchtig.

Winter unterdrückte ein Seufzen und auch einen Anflug von Erregung. Sein Körper mochte Lady Beckinhall unbedingt wiedersehen wollen, aber die Reaktion war ungewollt. Er konnte Lady Beckinhall und ihre Wissbegier heute nicht brauchen.

„Lass den Tee und was du an Keksen dahast, bringen“, wies er Nell an.

„Aber der Zucker …“

„Darum kümmere ich mich“, sagte er streng, als er Nells hektischen Blick sah. „Mach dir keine Sorgen. Es ist nur normaler Besuch.“

„Eine Frau mit einer edlen Zofe“, murmelte Nell und wandte sich in Richtung der Küche.

„Und Nell“, rief Winter, der sich daran erinnerte, weswegen er überhaupt hinuntergekommen war, „sind die neuen Mädchen schon angekommen?“

Autor

Elizabeth Hoyt
Elizabeth Hoyt zählt zu den US-amerikanischen Bestseller-Autoren der New York Times für historische Romane. Ihren ersten Roman der Princess-Trilogie „Die Schöne mit der Maske“ veröffentlichte sie im Jahr 2006, seitdem folgten zwölf weitere Romane. Gern versetzt die erfolgreiche Schriftstellerin ihre Romanfiguren in das georgianische Zeitalter. Nachdem ihre beiden Kinder zum...
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