Mein heißblütiger Gentleman

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Seine Nähe ist gefährlich! Vor unerträglichem Verlangen, das sie beim Anblick ihres neuen Nachbarn Lord Trevor Montgomery erfasst, schwinden Grace beinahe die Sinne. Doch sie muss der Verlockung des heißblütigen Adeligen um jeden Preis widerstehen. Zwar wecken seine Berührungen himmlische Empfindungen in der schönen Pfarrerstochter, aber sie weiß, dass die Liebe für Trevor nur ein sinnliches Spiel ist. Zu wahren Gefühlen jedoch scheint der geheimnisvolle Lord nicht fähig. Erst in höchster Not bemerkt Grace, dass das Herz eines wahren Gentlemans in seiner Brust schlägt - und dass manche Gefahren es wert sind, das eigene Herz zu riskieren …


  • Erscheinungstag 22.04.2016
  • Bandnummer 85
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765293
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

London, 1816

George war betrunken, aber das war vermutlich nicht überraschend, dachte Grace, als sich der leichtlebige junge Dandy am Rande des Ballsaals neben ihr auf die Bank fallen ließ und erklärte: „Ich bewundere Sie, Miss Kenwood.“

„Das ist aber nett von Ihnen, George.“

„Ich meine es ernst, ich bete Sie an!“

„Beten Sie zu Gott und setzen Sie Ihren Verstand ein, mein lieber Junge“, erwiderte sie und sah sich im Ballsaal um.

Er lachte, als hätte sie etwas Charmantes gesagt. „Das klingt doch ganz nach der Tochter des Pfarrers! Ich wage zu behaupten, dass Sie selbst meine Seele retten könnten, Miss Kenwood. Aber es ist wahr“, wiederholte er mit schwerer Zunge und hob sein Glas. „Sie sind in jeder Beziehung die ideale Frau für mich.“ Er musterte ihr Kleid beiläufig. „Was Ihnen am modischen Stil fehlt, machen Sie durch innere Werte wieder gut.“

Sie sah ihn verblüfft an. „Herzlichen Dank für das Kompliment, Mylord.“

Es war genau das, was sie befürchtet hatte. Der Sohn ihrer Gastgeber bestätigte ihr frei heraus, dass sie in dem großzügigen Stadtpalast des Marquess of Lievedon ebenso fehl am Platze wirkte, wie sie sich fühlte.

Miss Grace Kenwood, dank ihres fortgeschrittenen Alter von fünfundzwanzig Jahren schon eine alte Jungfer, war aristokratische Ballsäle nicht gewohnt.

Jeder schwärmte von Londons Lustbarkeiten, doch die wachsende Metropole brachte Grace nur dazu, ihren Garten zu vermissen. Die Luft in der übervölkerten Hauptstadt gab ihr ständig das Gefühl, schmutzig zu sein, vor allem, wenn sie an die frische Luft und den Sonnenschein auf dem Land dachte.

Und erst die Menschen, nun, sie wollte niemanden verurteilen, aber sie lebten doch in dekadenten Zeiten.

„Warum verstecken Sie sich überhaupt hier im Schatten wie ein Mauerblümchen?“, fragte ihr junger Freund kühn. Er stieß sie mit der Schulter an, wie ein übergroßer Schuljunge, der mit seiner Gouvernante flirtete.

Mit seinen einundzwanzig Jahren war George, Baron Brentford, deutlich jünger als sie, und es schien ihm Spaß zu machen, sie auf dieses lächerliche Podest zu stellen, weil er wusste, dass seine Bewunderung zu nichts führen würde. Eines Tages würde er den Titel der Lievedons erben, während sie nur die Tochter des Pfarrers war, den man regelmäßig herbeirief, um den jungen Tunichtgut vom Pfad der Selbstzerstörung abzubringen.

Aus unerklärlichen Gründen schien Reverend Richard Kenwood die einzige moralische Autorität auf Erden zu sein, die den jungen Burschen irgendwie beeinflussen konnte.

Lord Lievedons verschwenderischer Sohn wich zwar immer noch regelmäßig vom Pfad der Tugend ab, aber wenigstens hörte er sich den weisen Rat ihres Vaters hin und wieder aufmerksam an, während er die kühlen, knappen Kommandos seines vornehmen alten Marquess ignorierte.

Jedenfalls hatte der besänftigende Einfluss des Reverends auf den jungen Erben den Marquess dazu bewegt, Reverend Kenwood einzustellen. Unter der Bedingung natürlich, dass er der Familie seines Patrons zur Verfügung stand, wann immer er gebraucht wurde.

Kurzum, wenn der Marquess sie also in die Stadt beorderte, dann kamen die Kenwoods auch.

George kippte den Rest seines Brandys herunter und bedeutete dem nächst stehenden Diener, ihm noch einen zu bringen.

„Glauben Sie nicht, dass Sie genug haben?“, fragte Grace leise.

„Nur noch einen.“ George grinste sie breit an und wechselte dann rasch das Thema. „Also, meine Liebe, wie ergeht es den anderen drüben im Dorf?“

Mit dem Dorf meinte er Thistleton, das nur einen Steinwurf vom Familiensitz der Lievedons in Leicestershire lag.

Jeder Besuch eines Lievedons sorgte für große Aufregung im Dorf, vor allem wenn es sich dabei um George handelte. Und besonders beim letzten Mal.

„Empören sie sich immer noch über meinen kleinen Streich mit dem Mädchen aus der Taverne?“ Zwar brachte er den Anstand auf, zumindest ein wenig verlegen auszusehen, doch das übermütige Funkeln in seinen Augen verriet, dass er den Streich noch immer lustig fand.

Grace lächelte nicht. „Marianne erwartet kein Kind, wenn es das ist, was Sie wissen wollen“, erwiderte sie kühl.

„Ah! Welche Erleichterung.“

Entsetzt über seine Gleichgültigkeit biss sie sich auf die Zunge. Der verwöhnte junge Lord hatte keine Vorstellung davon, welch hartes Leben die arme Marianne in London zurückgelassen hatte, um mithilfe der Kenwoods einen Neuanfang in der friedlichen Umgebung des Dorfes zu versuchen.

George ahnte nicht einmal, welchen Schaden er angerichtet hatte, als er Marianne so viel Geld unter die Nase hielt, dass das einst gefallene Mädchen kaum widerstehen konnte.

„Und, ähm, was ist mit Miss Windlesham?“, fragte er zögernd. „Hasst sie mich immer noch? Wie Sie sehen, hat sie die Einladung zu unserem Ball heute Abend abgelehnt.“

„Können Sie ihr das verdenken?“, fragte Grace erstaunt.

Die honorable Miss Calpurnia Windlesham war eine ausgesprochene Schönheit und hatte George zu ihrem künftigen Gemahl erwählt.

Er runzelte die Stirn. „Ich gehöre ihr nicht, wissen Sie! Und auch nicht ihrer Mutter. Sagen Sie ihnen das ruhig, Grace, vor allem aber Lady Windlesham. Dieses verdammte Frauenzimmer hatte Lievedon Hall im Gedanken schon komplett neu eingerichtet für die Zeit, ab der ihre Tochter die Herrin im Hause sein wird.“

Grace lehnte sich kopfschüttelnd an die Wand. „Ich halte mich da heraus.“

Mit Lady Windlesham legte man sich nicht gefahrlos an.

„Aber Grace, Sie können mich doch nicht im Stich lassen! Sie wissen, ich bin ein hoffnungsloser Fall, wenn man mich mir selbst überlässt.“

„Warum sprechen Sie nicht mit Papa?“

„Ich soll mit einem Pfarrer darüber sprechen, dass ich mich mit einer Dame von fragwürdigem Ruf eingelassen habe?“, flüsterte George. „Wohl kaum. Was würde er von mir denken?“

„Einer Dame mit ehemals fragwürdigem Ruf“, korrigierte ihn Grace.

„Sie sind meine einzige Hoffnung, Grace. Sie sind mein Schutzengel!“

„Sind Sie betrunken?“, fragte sie, nur, um herauszufinden, wie ehrlich er es meinte.

Er ignorierte ihre Frage. „Sie müssen mir bei Calpurnia helfen. Sie lösen die Probleme anderer Leute, Grace! Kommen Sie, Sie wissen, dass das stimmt. Das ist anscheinend Ihre Aufgabe, und jeder weiß davon! Ohne Sie würde der Reverend niemals die Notizen für seine Predigt finden. Vermutlich würde sogar das Getreide vergessen zu wachsen, wenn Sie es nicht daran erinnern würden!“

„In diesem Jahr wächst es nicht, falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten“, erwiderte sie nüchtern. „Sie sollten meinen armseligen kleinen Garten sehen.“

Dank eines gewaltigen Vulkanausbruches am anderen Ende der Welt war dieser Sommer ausgesprochen kalt, und die Kälte sowie Hagelstürme vernichteten die Ernte. Zudem färbte sich der Himmel oft seltsam gelb.

Es gab Leute, die sich fragten, ob das Ende der Welt wohl bevorstand.

Das seltsame Wetter wirkte umso grausamer, weil der Krieg endlich vorbei war. Statt den Frieden genießen zu können, drohte den Menschen auf der Insel und anderswo eine schreckliche Hungersnot, jedenfalls was das einfache Volk betraf.

Man berichtete bereits von Aufständen überall in England und sogar in ganz Europa, weil die Nahrungsmittel knapp wurden. Solche Nöte schienen den Edlen hier in Lord Lievedons Ballsaal fremd, doch Grace war die Tochter des Pfarrers, dem im Dorf auch die Fürsorge für die Armen oblag. Sie und ihr Vater waren von diesen Sorgen persönlich betroffen

Grace wollte gar nicht daran denken, wie stark der Preis für Getreide im kommenden Winter noch steigen würde. Nicht bei all den Mündern, die es in der Grafschaft zu füttern gab.

„Nun, wenigstens kann mir dieser verdammte Vulkanausbruch nicht zur Last gelegt werden“, murmelte George.

„Bitte, George, achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise.“

„Entschuldigung.“

Grace musterte ihn streng, gab dann aber nach. „Also gut. Ich werde Calpurnia ausrichten, dass Sie nach ihr gefragt haben.“

Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Sehen Sie? Sie sind ein Engel!“ Leider wusste er nicht, wann es an der Zeit war, zu schweigen, deshalb fuhr er fort: „Wenn Sie meine Meinung hören wollen, so sollte Calpurnia lernen, ihren Zorn zu zügeln.“

„Ist das so?“

„Es lohnt sich doch nicht, sich wegen so eines kleinen Spaßes mit einem Schankmädchen so aufzuregen. Ihre Eitelkeit ist ihr Problem. Sie ist zu stolz! Calpurnia Windlesham glaubt, sie wäre Gottes Geschenk an die Männer, aber sie ist nicht ganz bei Trost, wenn sie glaubt, mir sagen zu können, was ich zu tun oder zu lassen habe. Bisher sind wir noch nicht einmal verlobt!“

Grace sah ihn schweigend an.

„Sie ist sehr hübsch, das stimmt, aber das Mädchen ist geradezu lächerlich verwöhnt, und ja, ich erkenne die Ironie, die in meinen Worten liegt, Sie müssen mich nicht darauf hinweisen.“

„Daran würde ich nicht einmal denken, mein lieber Junge.“

„Sie dürfen ihr ausrichten, dass sie ihre Chance vertut, wenn sie weiter so mit mir grollt und versucht, mir mit lauter Kleinigkeiten wehzutun“, knurrte er. „Ich brauche nur mit den Fingern zu schnipsen, und schon habe ich zehn Frauen an der Hand, die allesamt besser sind als sie.“

„Und doch sitzen Sie hier und vergeuden Ihre Zeit mit mir altmodischer Person“, neckte ihn Grace. „Was ist überhaupt mit Ihren üblichen Verehrerinnen?“

„Sie haben ein neues Idol gefunden.“

„Ach, Sie Ärmster!“

„Nicht im Geringsten. Sehen Sie ihn sich nur an, den armen Kerl.“ George neigte den Kopf zur anderen Seite des Ballsaals. Grace folgte seinem Blick und entdeckte eine Gruppe Frauen, die einen Mann umringte. „Gefangen zwischen kuppelnden Müttern und gelangweilten Damen der Gesellschaft, die ein bisschen Leidenschaft suchen, wollen wir wetten?“

„George! So etwas dürfen Sie in meiner Gegenwart nicht sagen!“

Er lachte. „Das ist die Wahrheit.“

Nur das dichte dunkle Haar des Mannes war über den mit Federn geschmückten kunstvollen Frisuren der Damen zu erkennen. „Wen haben sie denn da in die Ecke gedrängt?“

„Lord Trevor Montgomery“, erwiderte George. Er zog vielsagend die Augenbrauen hoch. „Ja, wir haben hier in unserem bescheidenen Heim niemand Geringeren als einen der berühmtesten Agenten des Ordens. Sind Sie beeindruckt?“

Grace sah ihn fragend an.

Er begriff, dass sie mit seinen Worten nichts anzufangen wusste. „Ach du meine Güte! Lesen Sie denn keine Zeitungen?“

„Nein, es deprimiert mich zu sehr. Also, klären Sie mich auf!“

„Gerne. Vergangenen Monat stellte sich heraus, dass jene Männer, die wir für degenerierte Mitglieder des Inferno Clubs hielten, tatsächlich Spione, Krieger oder sogar Assassinen oder so etwas waren.“

„Assassinen?“, wiederholte sie. Grace war fest davon überzeugt, dass er sie wieder nur neckte.

„Ich meine es absolut ernst, Grace! Offenbar gehören sie zu dem geheimen angestammten Orden der Kavaliere, der Orden des Erzengels Michael heißt.“

„Sie und Ihre Abenteuergeschichten!“

„Es ist die Wahrheit“, sagte er. Er lachte herzlich. „Sie sollten wirklich ab und zu in die Zeitung schauen. Sie sind so etwas wie ein Überbleibsel der Tempelritter oder so ähnlich, ich schwöre es. Sie wurden schon als Kinder auserwählt und dann jahrelang ausgebildet, bis sie zur tödlichen Waffe werden. Erst dann lässt man sie auf die Welt los, um für England zu kämpfen. Sie sind noch immer nicht beeindruckt?“

Sie zuckte mit den Schultern.

Selbst wenn er sich nicht über ihre ländliche Naivität lustig machte, lehnte sie jede Form von Gewalt ab. Grace bezweifelte, dass sie sich im selben Raum wie ein Attentäter der Regierung aufhalten wollte.

„Offenbar gibt es den Orden schon seit den Kreuzzügen“, sagte George. „Sie haben während des Krieges für die Krone gekämpft, es ist eine ganze Bande verdammter Helden.“

„George, Ihre Ausdrücke“, seufzte sie.

„Entschuldigung. Während des Krieges waren sie in ganz Europa tätig, und erst im vergangenen Monat konnten sie hier in London einen Plan zur Ermordung des Premierministers vereiteln.“

„Davon habe ich etwas gehört.“

„Das hoffe ich doch!“ George deutete erneut mit dem Kopf auf den Gentleman, der hinter der Gruppe bewundernder Damen verborgen blieb. „Der Bursche da hinten war persönlich daran beteiligt, das Attentat zu verhindern. Als die Presse Wind davon bekam und der Orden enttarnt wurde, hielt es der Premier für nötig, dessen Mitglieder in der Westminster Abbey zu ehren. Seitdem lassen die Ladies den armen Lord Montgomery nicht mehr in Ruhe. Er ist einer der letzten Junggesellen, der in dieser Gruppe übrig blieb. Aber geben Sie sich nicht die Mühe, ihn nach seinen Aufgaben zu fragen. Er schweigt sich darüber aus, auch wenn ich überzeugt bin, dass er einige wilde Geschichten zu erzählen hätte.“

„Spion, sagten Sie?“ Die Vorstellung faszinierte Grace, auch wenn sie immer noch fürchtete, dass sich George einen Scherz mit ihr erlaubte.

„Nun, jetzt sind es ehemalige Spione. Sie können diese Aufgabe kaum noch wahrnehmen, jetzt, wo alle Welt von ihnen weiß. Der Ruhm hat ihnen ihre Aufgaben geraubt.“

Grace blickte noch einmal fragend in die Richtung des enttarnten Agenten, doch er blieb weiterhin versteckt. Unsicher wandte sie sich wieder an George. „Wenn es stimmt, was Sie sagen, wie können Sie dann wissen, ob sie nicht immer noch gefährlich sind?“

„Natürlich sind sie immer noch gefährlich, aber doch nicht für uns, Sie kleiner Dummkopf!“ George lachte auf. „Es ist wichtig, dass die Krone solche Männer bei sich weiß, oder nicht? Nach allem, was ich gehört habe, sind sie in allen Formen des Kampfes ausgebildet, sie können Nachrichten verschlüsseln und entschlüsseln, und sogar Brandsätze bauen.“ George amüsierte sich über Grace’ Unbehagen und stupste sie mit der Schulter an. „Soll ich Sie ihm vorstellen?“

„Nein!“

„Kommen Sie schon. Ich wette, er kennt neun verschiedene Methoden, Sie mit bloßen Händen zu ermorden.“ George grinste, als sie erschrak.

„Dann sollten die Damen vielleicht ein bisschen vorsichtiger sein, und ihn nicht so bedrängen“, erwiderte Grace. Sie errötete.

George gab nach. „Ach, ich persönlich bin froh, dass sie jetzt jemand anderen gefunden haben, den sie belästigen können.“

In diesem Augenblick löste sich die Gruppe auf, die Lord Trevor Montgomery umlagert hatte, und Grace erhaschte einen ersten Blick auf den Agenten des Ordens.

Sie erschrak. Himmel. Nie zuvor hatte sie einen so wahrhaftigen Helden gesehen, denn genau so sah Lord Trevor Montgomery aus. Er wirkte dunkel, geheimnisvoll und schneidig.

Er war weit über einen Meter achtzig groß und muskulös, und seine Schultern waren so breit, dass sie jeden Ärger einfach abzuschütteln schienen. Er strahlte ein männliches Selbstvertrauen aus, als gäbe es nur wenig auf der Welt, was er nicht wagen würde.

Sein Gesicht war wettergegerbt, seine Züge hart und sein Blick wirkte selbst dann zynisch, wenn er den Damen ein gefährliches Lächeln schenkte.

Er schien alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und obwohl er bei Weitem nicht so hübsch wie einige der Londoner Dandys war, die hier umherschlenderten, sah er stark aus.

Stolz, dachte sie. Und voller körperlicher Kraft.

Sie dachte an Georges Worte über die modernen Tempelritter und dachte, dass zu diesem Mann ein Kettenhemd ebenso selbstverständlich passen würde, wie der tadellos geschnittenen Abendanzug in Schwarz und Weiß, den er trug.

Im Gegensatz zu seiner eleganten Kleidung war sein dunkles Haar so lang wie das eines Piraten. Er hatte es zu einem Zopf zurückgebunden, was seine harten Züge, das kantige Kinn und die gebräunte Haut noch mehr betonte.

Grace wunderte sich über ihre Gedanken. Normalerweise dachte sie nie so über einen Mann nach.

Noch seltsamer waren das Kribbeln in ihrem Bauch und ihr anschwellender Puls. Sie senkte verstohlen den Blick und ärgerte sich über ihre Reaktion.

Dennoch konnte sie nicht anders, sie musste noch einmal zu ihm hinsehen, und in diesem Augenblick erkannte sie seinen wachsamen Blick und das Unbehagen, das in seinen Augen funkelte.

Hinter seinem geübten Lächeln verbarg sich Bitterkeit.

Und sie begriff, dass er all den Frauen, die ihn umringten, nicht die geringste Aufmerksamkeit entgegenbrachte.

Nicht wirklich.

Tatsächlich wich er ihren Bemühungen, ihn zu berühren, möglichst unauffällig aus. Grace folgte seinem Blick und bemerkte, dass er die Tür nicht aus den Augen ließ.

Als wartete er auf jemanden.

Je länger sie ihn betrachtete, desto sicherer wurde sie, dass der ‚berühmte Held‘ ebenso wenig hier sein wollte wie sie selbst.

Natürlich konnte sie sich täuschen, aber dieses Lächeln schien lodernde Gefühle in ihm zu verdecken, von denen die meisten eher dunkel waren.

Das steht kein glücklicher Mann, dachte sie, während sie ihn ansah. Eher eine verlorene Seele in der Menge.

George unterbrach ihre faszinierte Betrachtung des Fremden. „Nun, meine liebe Grace, es ist immer ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern, aber wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich darf die anderen Gäste nicht vernachlässigen. Ich glaube, ich werde einmal einen Blick ins Kartenzimmer werfen.“

„Oh bitte, George, das ist keine gute Idee“, widersprach sie leise. Sie nahm sofort seine Hand, als könnte sie ihn so aufhalten.

„Nicht, um zu spielen! Ich will nur zusehen“, versicherte er ihr lächelnd.

Grace sah ihn an. „Versprochen?“

„Wenn Sie mir versprechen, danach mit mir zu tanzen“, gab er zurück. Er entzog ihr seine Hand, verschränkte seine Arme vor seiner Brust und sah Grace herausfordernd an.

Eigensinniger Bursche.

„Ach, kommen Sie, nur ein Tanz! Tun Sie mir den Gefallen!“

„Also gut!“ Grace seufzte, doch innerlich erschreckte sie die Vorstellung, sich auf der Tanzfläche als alternde Jungfer in einem einfachen, provinziellen Kleid zur Schau zu stellen.

Außer George und ihrem Vater sowie den Marquess kannte sie niemanden hier. Es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie all diese strahlenden Aristokraten die Nase rümpften, sobald sie die Tanzfläche betrat, um einander zu fragen: „Wer ist das und was will sie hier?“

Aber wenn das nötig war, um George auf dem rechten Pfad zu halten, dann sollte es wohl so sein. Sie würde ihre Würde vor der Gesellschaft opfern, und vor diesem beunruhigenden vornehmen Auftragsmörder auf der anderen Seite des Saals.

Nicht, dass ein Mann wie er sie jemals bemerken würde.

Keine Frage, offenbar erwartete er die Ankunft einer ganz bestimmten Lady, so, wie er die Tür im Auge behielt.

„Ausgezeichnet.“ George riss sie aus ihren Gedanken. „Dann komme ich gleich zurück, um den Tanz einzufordern.“

Grace nickte. Sei stark, George, betete sie im Stillen, als er sich vor ihr verneigte und dann davonging. Trotzdem kam sie nicht umhin sich zu wünschen, Calpurnia wäre hier.

Diese lebhafte junge Schöne mit ihrer beständigen Forderung nach Aufmerksamkeit würde ihren Verehrer vielleicht vom Spieltisch weglocken können. Dann hätte Grace bequem in ihre übliche Rolle als respektierte Anstandsdame zurückfallen können, indem sie ruhig hinter der strahlenden Schönheit stehen blieb und die beiden jungen Leute bewachte.

Vermutlich sollte sie besser gehen, ihr Äußeres überprüfen und tun, was immer möglich war, bevor George zurückkam. Vorausgesetzt, seine Dämonen zogen ihn nicht hinunter in die vertraute Höhle.

Sie erhob sich von der Bank und verließ den Ballsaal, ohne dass es jemand bemerkte.

Lautlos schritt sie die marmornen Gänge entlang, vorbei an dem lauten Musikzimmer, aus dem lautes Gelächter und Gesang erklang. Alle hier schienen dicke Freunde zu sein.

Grace wandte sich ab und suchte nach einem ruhigen Zimmer weitab von der Menge, wo es einen Spiegel gab.

Die Geräusche des Balls verklangen allmählich, als sie endlich in einen leeren Salon am Ende des Ganges blickte.

Das würde gehen. Sie betrat den schwach beleuchteten Raum und zog seufzend die Tür hinter sich ins Schloss. Erst dann legte sich ihre Anspannung ein wenig.

Nichts verlieh einem ein so entsetzliches Gefühl der Einsamkeit, als ganz allein und fremd auf einem lauten, lebhaften Fest zu sein.

Lord Trevor Montgomery ließ die Tür zum Ballsaal nicht aus den Augen, aber mit jedem Augenblick, der verging, fühlte er sich rastloser. Er begann zu glauben, dass es überflüssig gewesen war, sich an diesem Abend hierherzuschleppen.

Noch immer keine Spur von Laura.

Dieses treulose Frauenzimmer.

Vielleicht versteckte sie sich ja vor ihm, oder sie fürchtete, er würde einen Streit mit ihrem neuen Verlobten vom Zaun brechen.

Als ob er einen Dummkopf wie diesen nicht mit geschlossenen Augen töten könnte.

Nun, sie hätte sich nicht so einschmeicheln müssen.

Er hatte Laura Bayne schon lang überwunden.

Mehr mussten weder sie noch sonst wer in London wissen.

Verdammt, hatte er nicht all die Jahre darauf gewartet, diese treulose Schöne zu heiraten oder eine ähnliche Dummheit zu begehen? Hatte er ihr etwa kein wahres Traumhaus gebaut, in dem sie beide hätten leben sollen, sobald er seinen Dienst für sein verdammtes Vaterland quittierte?

Aber was machte das schon. Vermutlich wäre mir die Ehe mit ihr unerträglich geworden, sagte er sich. Immerhin kannte er sie kaum. Er hatte es nicht anders gewollt und sie absichtlich auf Abstand gehalten.

Trotzdem erschien es ihm unerträglich demütigend, so abgewiesen zu werden. Nur deshalb war er heute hier, auch wenn er eigentlich gar nicht hier sein wollte.

Der letzte Rest von seinem Stolz schrie förmlich danach. Er musste der Welt zeigen, dass er sich kein bisschen um Lauras Verlobung scherte, und dass seine Zukunft nicht in Trümmern lag.

Der ganze ton wusste, dass man ihn nur auf Betreiben seiner großartigen Verlobten während des Krieges für tot erklärt hatte. Er selbst war der Meinung, dass er sitzen gelassen worden war.

Es war alles nur eine Frage des männlichen Stolzes. Wenn Laura wirklich an ihn geglaubt hätte, hätte sie wissen müssen, dass er immer lebend zurückkehrte.

Oder wenigstens abwarten müssen, bis offizielle Stellen seinen Tod bestätigten. Doch das tat sie nicht. Sie hatte ihn einfach abgelegt und weitergelebt.

Er konnte es ihr nicht einmal vorwerfen. Aber er war zu wütend darüber, dass ihm ausgerechnet am Ende des langen treuen Dienstes, als der lang ersehnte Sieg zum Greifen nah war, die erhoffte Belohnung durch die Finger glitt.

Für ihn fühlte es sich so an, als habe jemand einen Scherz auf seine Kosten gemacht. Nur konnte er nicht darüber lachen.

Er wusste nur, dass er kein Mitleid wollte. Nur deshalb war er in den Abendanzug geschlüpft, hatte ein, wie er hoffte, nicht allzu zynisches Lächeln aufgesetzt und war hierhergekommen, um der Welt zu zeigen, wie ausgezeichnet es ihm ging.

Wie gewonnen, so zerronnen.

Er wollte eigentlich nur noch seine Ruhe, doch angesichts seiner gerade erst erworbenen Berühmtheit schien das unmöglich. Deshalb tat er das, was anständige Briten in solchen Fällen taten, und wahrte den Schein.

Vor allem war er an diesem Abend hierhergekommen, um Laura zu zeigen, wie gut er ohne sie weiterleben konnte.

Und tatsächlich war er jetzt von viel zu vielen Frauen umringt, die es kaum erwarten konnten, sein angeblich gebrochenes Herz zu trösten.

Dafür hasste Trevor sie gerade alle.

Es war nichts Persönliches, doch Frauen waren in seinen Augen derzeit allesamt Satanstöcher, jede einzelne von ihnen.

Er lächelte die blutgierigen Harpyien gleichgültig an, lauschte ihrem dummen Geplapper nur mit einem Ohr und fragte sich, welche von ihnen wohl gut im Bett war.

Was für hübsche Dummköpfe.

Die drei zu seiner Linken wollten ihn dazu bringen, irgendein kindisches Salonspiel zu spielen, um mit ihm zu flirten.

„Wenn Lord Trevor Montgomery ein Tier wäre, welches würde er dann wohl sein?“, scherzten sie.

„Ein Bär, denke ich“, meinte die Brünette.

„Vielen Dank“, gab er zurück.

„Ein Wolf.“

„Nein, ein Jagdhund.“

Er lupfte gelangweilt eine Braue.

Inzwischen planten die drei in der Mitte seinen Terminkalender für ihn. Es ermüdete ihn schon, nur all den Aktivitäten zuzuhören, die sie für ihn auflisteten. Auf gar keinen Fall würde er irgendeine dumme Blumenausstellung besuchen, geschweige denn in die Oper gehen. Nein. Er hatte während seiner Zeit mit Nick in den Vororten von Rom genug Geschrei auf Italienisch gehört und genug Abscheulichkeiten erlebt, vielen Dank auch.

Er blickte starr geradeaus und nickte höflich.

Die beiden Abenteurerinnen zu seiner Rechten waren etwas direkter in ihren Vorhaben.

Verdammt, ihre Augen sprachen eine eindeutige Sprache, die sie ihm für gewöhnlich zugunsten seiner besser aussehenden Kameraden vorenthielten.

Aber der Viscount Beauchamp war verheiratet, und Nick saß im Gefängnis, daher mussten sie sich mit dem langweiligen, netten, zuverlässigen Trevor Montgomery begnügen.

Er musterte die zwei voller Misstrauen. Sollte er sich Sorgen machen? Eine leckte über ihre Lippen, während sie ihn ansah. Die andere lächelte aufreizend.

In früheren Zeiten, und viele Meilen von Laura entfernt, wäre er diesen Aufforderungen lächelnd gefolgt.

Jetzt konnten sie alle zur Hölle fahren.

Als neuerlicher Misanthrop wandte er sich schließlich ab. Ihm fröstelte. Die Uhr schlug elf, und er war plötzlich fertig mit dieser Nacht und allem hier. Es führte zu nichts.

Laura und ihr Major würden nicht kommen.

Ihm hatte die Vorstellung gefallen, dass sie hier eintrat und ihn umringt von Dutzenden verliebter Frauen sah, aber nach zwei Stunden elender Warterei war es ihm egal.

Laura war den Aufwand nicht wert.

Es war besser, er ging jetzt nach Hause.

Es bedurfte einigen Geschickes, sich aus dem Knäuel der lebhaften Schönheiten zu lösen. Die leichten Berührungen, mit denen sie ihn zu halten versuchten, schüttelte er ab. Die Fragen, die ihn aufhalten sollten, beachtete er nicht. Ungeduldig log er, dass er natürlich gleich zurückkommen und mit ihnen allen tanzen werde. Dabei zog er sich zurück und ergriff die Flucht.

Als er davonging, hörte er, wie sich die Ladies zuflüsterten, dass man ihm seine Unhöflichkeit verzeihen müsse. Ihm sei doch gerade erst das Herz gebrochen worden.

Trevor knirschte mit den Zähnen und ging hinaus in die Halle, wo noch mehr Gäste warteten. Aus reiner Gewohnheit blickte er in den Spiegel an der Wand, um zu sehen, ob ihm jemand folgte. Beinahe wäre er erstarrt.

Die beiden Weibsbilder in Seide und Diamanten wollten ihn offenbar nicht so ohne Weiteres entwischen lassen. Er stöhnte leise und ging schneller, fest entschlossen, ihnen zu entkommen. Als er seinen Schritt beschleunigte, wurde aus dem Geflüster hinter ihm ein Kichern. Auch die Damen beschleunigten ihren Schritt.

Dachten sie etwa, es sei ein Spiel?

Offenbar hatten sie noch nicht gehört, dass der berüchtigte Inferno Club nur eine Fassade für den Orden war. Und dass dessen Mitglieder nicht einmal annähernd so verrucht waren, wie sie die Welt glauben ließen.

Vor allem nicht er.

Trevor fühlte sich sehr wohl damit, ein Langweiler zu sein. Er war verantwortungsbewusst. Verlässlich. Das war unumgänglich, wenn man der skandalumwitterten Familie eines Dukes entstammte und verpflichtet worden war, für das nächste Jahrzehnt zusammen mit dem strahlenden Viscount Beauchamp und Nick Forrester, dem Bastard, in einem dreiköpfigen Team des Ordens zu dienen.

Einer musste der Erwachsene sein.

Die schwärmerischen Damen hinter ihm glaubten offenbar, dass er mit ihnen zu spielen gedachte. Er unterdrückte den Wunsch, sich zu ihnen umzudrehen und sie zusammenzustauchen.

Aber das konnte er nicht, selbst wenn er es ernsthaft gewollt hätte. Seine tadellosen Manieren und sein anerzogener Sinn für Höflichkeit lagen wie ein Fluch über ihm. Er hatte ja sogar Laura gesagt, dass er sie verstand und ihr Glück gewünscht.

Was für ein Narr er doch war.

Diese Frauenzimmer folgten ihm immer noch. Es war nicht schwer zu erraten, was sie damit bezweckten. Vielleicht sollte ich darauf eingehen, dachte er. Dann hätte er zumindest die Befriedigung, dass der Klatsch bald auch Laura erreichen würde.

Sie liebte ihn nicht, aber sie war eitel genug, um eifersüchtig zu sein. Es war eine Möglichkeit, wenn auch nur eine sehr bescheidene, die Frau zu verletzen, die ihn öffentlich so gedemütigt hatte.

Aber nein. Die Vorstellung, diese Frauen für sein zweifelhaftes Vergnügen zu benutzen, rief in ihm Übelkeit hervor. Nein, er wollte keinen Sex mehr aus Berechnung. Es war schlimm genug, dass es in seiner Zeit als Spion für England zu seinen Pflichten gehörte. Er wollte keine männliche Dirne mehr sein.

Er war schließlich nicht Nick.

Es war an der Zeit zu verschwinden. Er wanderte kreuz und quer durch das elegante Haus des Marquess, um die Frauen abzuschütteln. Er war so etwas wie ein Amateurarchitekt, widerstand aber der Versuchung, stehen zu bleiben und die gewundene Treppe zu betrachten, während er daran vorbeiging. Zweifellos war es eine von Adams Arbeiten.

Er schlüpfte in das Musikzimmer, nur um dort einer Countess und ihrer Tochter im heiratsfähigen Alter zu begegnen, die ihn über das Pianoforte hinweg entschlossen anstarrte. Ihren Klauen war er erst in der vergangenen Woche mit knapper Not entronnen.

Möglichst gelassen machte Trevor auf der Stelle kehrt und ging zur nächsten Tür.

Ein letzter Blick über die Schulter zurück bedeutete ihm, dass sich die Damen den Weg durch die Menge auf ihn zubahnten.

Verdammt, jetzt kreisten sie ihn aus beiden Richtungen ein.

Während seiner ganzen, von Schüchternheit und Pickeln geprägten Jugend, die er im Schatten seiner besser aussehenden und lauter prahlenden Freunde verbrachte, hatte er sich niemals vorstellen können, jemals in eine solche Lage zu geraten.

Er wollte die Dienstbotentür öffnen, aber im selben Moment kam eine Gruppe Lakaien heraus, die ihm so den Weg abschnitt. Er saß in der Falle und blickte sich um. Auf der Suche nach einem anderen Fluchtweg, bog er um die Ecke und lief den Gang hinunter. Er konnte die Damen hinter sich hören.

„Oh, Lord Trevor, Darling, wo sind Sie?“

„Wir möchten Sie etwas fragen, mein Schöner!“

Er runzelte die Stirn.

„Huhu? Wo verstecken Sie sich nur, Mylord?“

„Wir haben eine wunderbare Idee, wie wir Sie aufheitern könnten!“

Die Damen kicherten lauter.

„Verdammt“, flüsterte er. Er öffnete lautlos die nächste Tür und schlüpfte in einen spärlich beleuchteten Salon. Lautlos schob er die Tür hinter sich zu und schloss ab. Dann befeuchtete er seine Finger und löschte die Flamme des Kerzenleuchters, der neben ihm stand.

Lord Trevor Montgomery verharrte reglos in der Dunkelheit und wartete darauf, dass seine Verfolgerinnen vorbeigingen.

Als die Damen am Türknauf rüttelten, hielt er den Atem an.

„Nein, Cecily, die Tür hier ist verschlossen.“

„Komm, wir suchen oben weiter.“

„Oh ja, wie raffiniert! Vielleicht hat er für uns schon ein Bett gefunden!“

Er verdrehte die Augen. Als er schließlich hörte, wie sich die Damen entfernten, atmete er erleichtert auf und lehnte die Stirn gegen die Tür. Das war knapp.

„Entschuldigen Sie“, räusperte sich eine Frau in der Dunkelheit.

Trevor erschrak beinahe zu Tode. Nicht noch eine! Er fuhr herum, wesentlich überraschter, als es ein früherer Spion jemals sein sollte, und gerade deswegen war er ausgesprochen missgestimmt.

Das zeigte nur, wie durcheinander er in diesen Tagen war.

Aber als er die Gestalt genauer betrachtete, deren Umriss sich vor dem Mondlicht abzeichnete, das durch die Flügeltüren an dem kleinen Balkon hereinfiel, wollte er seinen Augen nicht trauen.

Das muss ein Scherz sein, dachte er. Warum wartete hier noch ein verdammtes Frauenzimmer auf ihn?

Er kniff die Augen zusammen. Ist es das, was diese Weiber von mir denken? Dass sie mit mir machen können, was sie wollen? Mich ausnutzen? Mich benutzen?

Also gut. Vielleicht hatte Nick ja recht. Er hatte Trevor stets davor gewarnt, zu nett zu sein. Denn sonst geschah das, was mit ehrenwerten Gentleman so geschah: Sie wurden einfach überrollt.

Damit ist Schluss, gelobte er sich, dieser Spiele überdrüssig.

Wie diese kleine Raubkatze wissen konnte, dass sie ihn hier antreffen würde, fragte er sich nicht. Dazu war er viel zu wütend.

Er war über alle Höflichkeiten hinaus, deshalb entschied er, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Er würde diesen Jägerinnen eine Lektion erteilen, die sie nicht vergessen würden. Er wusste nicht, welche von ihnen ihm in die Falle gegangen war, aber sie würde mehr bekommen, als sie haben wollte.

„Nun, meine Liebe“, sagte er in verführerischem Tonfall und ging langsam auf die Gestalt im Dunklen zu. „Also jetzt“, sagte er kühl. „Endlich allein.“

„Wie bitte? Oh – ich – es tut mir leid …“

„Jetzt nur keine Angst, Chérie“, schmeichelte er ihr mit leiser Stimme. „Sie haben mich ganz für sich allein. Ich stehe Ihnen zu Diensten, das verspreche ich. So viel Beharrlichkeit muss doch belohnt werden.“ Er trat näher. „Ich bin hier, um Ihnen zu geben, was Sie verlangen. Fangen wir also an, ja?“

Grace stand sprachlos da, als Lord Trevor Montgomery aus der Dunkelheit trat. Er ging auf sie zu wie ein gefallener Engel, die Augen funkelten vor gnadenlosem Hass. Ihr blieb nicht einmal die Zeit zu schreien, als er sie grob in seine Arme zog, an seine harte Brust presste und sie gierig und wütend küsste.

2. KAPITEL

So etwas also passierte in London. Grace fürchtete, unter Schock zu stehen. Glücklicherweise neigte sie nicht zu Ohnmachtsanfällen. Wer wusste schon, zu was ein solcher Geheim-Agent in der Lage war, sobald eine Dame das Bewusstsein verlor?

Sie wusste kaum, wie ihr geschah. Eben noch überprüfte sie den Sitz ihrer Kleider und ihre Zähne im Spiegel und strich ihr Haar glatt, damit George sie auf die Tanzfläche zerren konnte, da störte dieser Mann ihre Einsamkeit und schlich voller List und hinterhältiger Verführungsabsicht in dieses Zimmer.

Lautlos wie ein streunender Wolf.

Wenigstens wusste sie jetzt, dass sie ihn vorhin im Ballsaal richtig eingeschätzt hatte.

Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Mann. Zunächst einmal hatte er ein übergroßes Ego, das gepaart war mit einem Mangel an Moral. Ein Gentleman ergriff nicht wahllos irgendeine Frau und rammte ihr seine Zunge in den Mund.

Andererseits musste Grace in fast schwärmerischer Art zugeben, dass er darin ziemlich gut war.

Er strich ein wenig fester als nötig über ihren Körper, bevor er sie an sich drückte. Offenbar wollte er sie mit seiner Grobheit einschüchtern.

Doch er kannte sie nicht. Grace war sehr stolz darauf, dass sie sich nicht so leicht einschüchtern ließ, sah man einmal von Lady Windlesham ab.

Tatsächlich machte sie dieser harsche Kuss nach dem ersten Schreck vor allem neugierig.

Was vermutlich eine schlechte Eigenschaft ist, überlegte sie. Aber schließlich war es ihr erster Kuss.

Da konnte sie ihn genauso gut genießen.

Trevor mochte ihren Geschmack. Was ihn noch mehr ärgerte, immerhin war er ja nur deshalb so grob, um dieses kleine Flittchen in seine Schranken zu weisen.

Er hielt sie fester, erforschte ihren Mund, schob ihre Lippen weiter auseinander, während er ihren zarten Nacken streichelte. Die Art, wie sie sich unter ihm bewegte, und ihr süßer Geschmack, entfachten ein Feuer in ihm, das er lang erloschen geglaubt hatte.

Stöhnend vor Verlangen packte er ihre Taille noch fester. Er strich mit einer Hand über ihren Körper und umfasste mit der anderen Hand ihr Kinn. Sein Herz schlug bis zum Hals. Trevor erschrak über sich selbst. Für gewöhnlich war er der perfekte Gentleman.

Doch zu seiner Überraschung fühlte es sich in diesem Augenblick herrlich an, einfach der Lust nachzugeben. Er hatte so lange darauf verzichten müssen.

Er hatte seit Monaten keine Frau mehr gehabt. Erst hatte er sich wie ein Mönch für Laura aufgespart, dann war er in Geiselhaft geraten. Was für ein Narr er doch gewesen war!

Es war höchste Zeit, seine Enthaltsamkeit zu unterbrechen. Gewöhnlich war er nicht so spontan, aber für gewöhnlich begann auch nicht Mitte Juni schon der Herbst.

Die ganze Welt war durcheinandergeraten, er selbst eingeschlossen. Nichts ergab mehr einen Sinn, warum also sollte er sich an die üblichen Regeln halten?

Sehnsüchtig umfasste er die Brüste dieser verführerischen Fremden. Sie fühlten sich so weich, üppig und rund an. Ja, vielleicht war alles, was er in dieser Nacht brauchte, etwas warmer, menschlicher Kontakt. Eine Art erotische Verbindung.

Wer immer sie auch war, er würde die Erleichterung annehmen, die sie ihm bot. Sobald er wieder bei Verstand war, konnte er vielleicht seinen Zorn überwinden und sein Leben weiterführen. Obwohl Zorn manchmal das Einzige zu sein schien, was ihm noch geblieben war.

Grace wusste wirklich nicht, was mit ihr los war.

Doch ihr Körper ignorierte alle Anweisungen, die ihr Verstand ihm gab. Dieser Mann war einfach zu anziehend.

Stoß ihn weg! Das genügt jetzt, schrie ihre gewöhnlich prüde Seite. Wofür hielt er sich überhaupt? Dieser Mann hatte kein Recht, sie so zu packen und zu küssen. Sie war kein Spielzeug, das nur seiner Unterhaltung diente. Sie nicht!

Sie war die Tochter eines Pfarrers! Eine Sonntagsschullehrerin.“

Aber ihr ausgehungerter Körper schien andere Pläne mit ihr zu haben.

Vielleicht unterschied sie sich irgendwo in einem dunklen Winkel ihres Herzens gar nicht so sehr von Marianne, dem ehemaligen gefallenen Mädchen.

Nun, sie war vielleicht ein Ausbund an Ehrbarkeit, aber in den Armen dieses geheimnisvollen Spions erfuhr sie gerade, dass sie alles andere als ein Engel war, auch wenn George und viele andere gern das Gegenteil glauben wollten.

Seltsamerweise war sie froh, dass dieser Fremde eine andere, wildere Seite in ihr weckte, die ihr bislang unbekannt war. Sie reagierte auf seine fieberhaften Berührungen. Ihre Haut brannte, ihre Lippen schwollen unter seinen Küssen an wie sich öffnende Knospen, und sie war bereit, sich ihm ganz zu unterwerfen.

Doch währen der Fremde ihre Nerven bis aufs Äußerste erregte, schickte ihr Gewissen scheinbar ratlose Warnungen.

Das hier musste einfach aufhören.

Sie war kein Flittchen, wie einige dieser Frauen im Ballsaal. Sie war eine Dame. Sie übte einen guten Einfluss auf andere aus, und ganz gewiss war sie nicht die Frau, die heimlich nachts in dunklen Zimmern hochgewachsene, faszinierende Spione küsste.

Also gut, das reicht, großer Mann. Schweratmend presste sie eine Hand an seine Brust. Doch als sie seine festen Muskeln unter ihren Fingern spürte, vergaß sie wieder zu protestieren. Zum Glück schien er ihre Botschaft trotzdem zu verstehen. Er löste sich von ihr, damit sie durchatmen konnte, und lachte leise.

„Du weißt wohl nicht, was du willst, Süße! Das solltest du besser schnell herausfinden, sonst treffe ich die Entscheidung für dich.“ Er beugte sich vor, um sie noch einmal zu küssen.

„Nein, das dürfen wir nicht tun“, stieß sie verzweifelt hervor.

„Wir tun es aber gerade.“

„Aber ich kenne Sie nicht einmal!“, flüsterte sie, während sich ihre Brust heftig hob und senkte.

„So? Ich mag deine Augen“, erwiderte er. Er musterte sie frech lächelnd, was ihr Herz zum Schmelzen brachte.

„Das ist äußerst unschicklich, Mylord!“

„Das stimmt“, erwiderte er leise.

„Sie dürfen nicht …“

Doch bevor sie weitersprechen konnte, spürte sie schon wieder seine warme, geschickte Zunge in ihrem Mund.

Grace fürchtete, vor unerträglichem Verlangen ohnmächtig zu werden.

Doch als er mit seinen Fingerspitzen über ihren Ausschnitt strich, wurde sie aus der Verzauberung geweckt.

Was machte sie da? Das alles hier war Wahnsinn.

Er küsste sie noch, als sie entsetzt die Augen aufriss.

„Fußboden oder Couch, Chérie?“

Was für eine Frage! Sie sah ihn entgeistert an.

„Du hast recht“, stöhnte er. „Wen interessiert das? Liebe mich einfach.“

Sie erzitterte.

Und gerade als sie daran dachte, ihm wohl das Knie zwischen die Beine rammen zu müssen, sie hatte nur gehört, dass dies gut funktionieren sollte, ohne es selbst je zu erproben, schob er eine Hand unter ihre Hüfte. Er hob Grace hoch und setzte sie behutsam auf die gepolsterte Lehne des Sofas.

„Hier ist es bequemer“, raunte er. Er schob ihr das Kleid über die Knie und trat zwischen ihre Beine.

Liebe Güte! Jetzt geriet sie ernsthaft in Panik. Jetzt war alles vollkommen außer Kontrolle.

Nun, da sie ihn nicht treten konnte, fiel ihr nur noch eine Waffe ein: die Nadel mit der Perle, die sie in ihrem Haarknoten trug.

Sie atmete tief durch, hob den Arm und zog die Nadel heraus. Während ihr das lange Haar offen um die Schultern fiel, machte sie sich bereit.

Und sie tat, was sie tun musste.

Sie stach ihm damit voller Kraft in den Arm.

„Au!“ Der berühmte Held ließ sie abrupt los und trat zurück, während er sich mit der anderen Hand den Arm hielt.

„Was um alles …?“ Er starrte sie verblüfft an.

Grace saß ganz still da. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen, während sich ihr Herz scheinbar überschlug. Sie hoffte inständig, dass er nicht zu den gewissenlosen Übeltätern gehörte, aber immerhin arbeitete er für die Krone. Er musste die Gesetze befolgen, so wie jeder andere auch.

Oder etwa nicht?

Noch immer hielt sie die zwölf Zentimeter lange Haarnadel wie ein winziges Schwert in der Hand, während er überprüfte, ob sein Arm blutete.

„Warum haben Sie das getan?“, rief er erbost.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen aufhören.“

„Das haben Sie nicht.“

„Nun, dann habe ich es aber gedacht.“

Er sah sie empört an. „Nun, dann entschuldige ich mich, dass ich leider nicht in der Lage war, Ihre Gedanken zu lesen, Mylady.“ Er schüttelte den Kopf. „Verzeihen Sie, aber ich dachte, Sie wollten es. Immerhin haben Sie hier auf mich gewartet.“

Sie starrte ihn fassungslos an. „Das habe ich nicht!“ Sie rang nach Luft, ihr Gesicht wurde hochrot. „Wie kommen Sie nur darauf?“

„Stimmt es nicht?“

Egoistischer Flegel! „Natürlich nicht“, rief sie. „Ich habe mich hier nur um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert. Ich, ich musste meine Frisur richten!“

Er dachte darüber nach, dann lächelte er wissend. „Stimmt.“

Und dann verlor sie die Beherrschung. Das war etwas, was jeder in Thistleton für schier unmöglich hielt. „Oh, wie kann man nur so überheblich sein?“, stieß sie so von oben herab hervor, als wäre sie Lady Windlesham höchstpersönlich. „Wofür halten Sie mich, Mylord?“

„Ich bin nicht ganz sicher“, erwiderte er. Er musterte sie von Kopf bis Fuß, doch seine Augen funkelten dabei verführerisch.

Grace bemerkte, dass sie grau und gescheit waren.

„Pah!“ Sie war nicht bereit, auf seine freche Antwort einzugehen. Sie sprang von der Sofalehne und nahm erleichtert wahr, dass er sie gewähren ließ.

Erhobenen Hauptes ging sie ein paar Schritte, bis sie einen sicheren Abstand zwischen ihn und sich aufgebaut hatte, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie hob den Kopf und bedachte ihn mit dem strengen Blick der missbilligenden Sonntagsschullehrerin.

Bei Neunjährigen klappte das für gewöhnlich.

„Ich habe Sie nicht gebeten, die Tür zu schließen und das Licht zu löschen“, sagte sie bestimmt. „Das haben Sie ganz allein getan. Aber von Männern wie Ihnen erwarte ich nichts anderes, als dass sie herumlaufen und unschuldige Damen packen und küssen, wann immer ihnen der Sinn danach steht.“

Er lupfte eine Augenbraue. „Seltsam, und ich dachte, Sie hätten es ebenso genossen wie ich.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Bitte gehen Sie. Jetzt.“

Er warf einen Blick zur Tür. „Ich fürchte, das kann ich nicht.“

„Wie bitte?“

„Bitte schicken Sie mich nicht da hinaus. Draußen lauern Raubtiere auf mich. Sie verfolgen mich.“

„Nun, hier können Sie jedenfalls nicht bleiben“, erwiderte sie, obwohl es einen Moment dauerte, bis sie begriff, was er meinte. Dann endlich erkannte sie trotz ihres immer noch vernebelten Verstandes, was hier vorging. „Du liebe Güte“, flüsterte sie.

Er hatte sie für eines dieser schamlosen Frauenzimmer gehalten, die ihn im Ballsaal belagert hatten.

Auch er runzelte die Stirn, als habe er endlich seinen Irrtum erkannt. „Nun“, räusperte er sich. Er wandte sich ab und rieb sich die Wange. „Das alles ist etwas unangenehm.“

„Das können Sie laut sagen!“

„Ich entschuldige mich, Miss, äh, darf ich fragen, wer Sie sind?“

„Sie wollen noch wissen, wer ich bin?“

„Besser spät als nie“, sagte er achselzuckend.

„Das glaube ich nicht.“ Sie schüttelte abwehrend den Kopf, obwohl es ihr widerstrebte, so unhöflich zu sein. „Ich fürchte, es ist am besten, wenn sich unsere Wege ohne weitere Vorstellungen trennen. Dann können wir vielleicht beide vergessen, dass dieses Debakel überhaupt stattgefunden hat.“

„Meinen Sie?“, murmelte er. Grace versuchte, einen Anflug von Schuldbewusstsein zu ignorieren, weil sie sich einer Notlüge bediente. Denn tatsächlich wusste sie ja schon, wer er war.

Doch es war besser, wenn er ihren Namen niemals erfuhr. Sonst wäre es um ihren guten Ruf geschehen.

„Also gut.“ Lord Trevor Montgomery gab sich geschlagen, auch wenn ihn der Kontrast zwischen ihrer jetzt kühlen Art und dem leidenschaftlichen Kuss zuvor doch zu verwirren schien. Er verbeugte sich knapp. „Wie Sie wünschen. Ich entschuldige mich aus tiefstem Herzen für diesen bedauerlichen Irrtum.“ Er zögerte, als wollte er noch etwas sagen, doch dann überlegte er es sich anders. „Nun, das ist alles.“ Er machte kehrt und ging zur Tür.

Grace beobachtete ihn wachsam und mit wild klopfendem Herzen. Doch als sie im Gang draußen Stimmen hörte, erschrak sie. Sie ging ihm nach und hielt ihn am Arm fest. „Warten Sie!“, flüsterte sie.

Er sah sie an und lachte schelmisch. „Haben Sie es sich anders überlegt?“

Aufgeregt bedeutete sie ihm zu schweigen. „Hören Sie! Da sind Leute im Gang“, flüsterte sie und hob einen Finger an ihre Lippen.

„So?“

„Wenn Sie dort hinausgehen und mich anschließend jemand hier allein sieht, ist mein Ruf für immer ruiniert. Nicht zu reden von dem meiner Familie. Das erlaube ich Ihnen nicht“, zischte sie.

„Nun, so zieht der ganze Sinn meines Lebens dahin“, seufzte er. „Also gut. Schauen Sie mich nicht so entsetzt an. Ich finde schon noch einen anderen Weg hier heraus.“

Er sah sie ein wenig spöttisch an, dann wandte er sich ab, ging zu den Flügeltüren, öffnete sie und trat auf den kleinen Balkon, der zur Gartenseite führte.

Grace folgte ihm zögernd.

Er blickte über die Balustrade, um die Entfernung zum Boden abzuschätzen. Dann schwang er lässig ein Bein darüber.

„Seien Sie vorsichtig!“, flüsterte Grace bittend. Er bedachte sie mit einem weiteren leidgeprüften Blick. „Vielen Dank für die Besorgnis, Miss …?“

Grace schüttelte den Kopf.

„Eigensinnig“, neckte er sie. Er stieg über die Balustrade, machte einen großen Schritt zur Seite und hangelte sich zum schmiedeeisernen Rankgitter, das an der Außenwand des Hauses befestigt war.

An dieser Behelfsleiter stieg er so gelassen hinunter, als machte er so etwas jeden Tag.

Vermutlich stimmte es sogar.

Abgesehen von einer kleinen Schwierigkeit.

„Au!“, hörte sie ihn rufen, als sie sich über das Geländer beugte und seinen Bewegungen widerstrebend mit bewundernden Blicken folgte.

„Was ist?“, flüsterte sie so laut sie konnte.

„Ein Dorn! Nicht, dass Sie das interessieren würde. Sie wollen mir ja nicht einmal Ihren Namen verraten. Ich werde es überleben“, versicherte er ihr grollend.

Grace unterdrückte ein Lächeln.

Als Lord Trevor das Blumenbeet unten erreicht hatte, schob er kurz den Finger in den Mund, um die kleine Blutung zu stillen.

Grace konnte nicht leugnen, dass es sie amüsierte.

„Auf Wiedersehen!“, rief sie ihm nach, so laut, wie sie es wagte.

„Selber auf Wiedersehen“, grummelte er zurück.

Sie runzelte die Stirn. Nun, mir war es auch ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, dachte sie. Und dann sah sie zu, wie er in der Dunkelheit verschwand.

Sie war froh, dass er endlich fort war. Sie würde ihn niemals wiedersehen. Nachdem er solche Mühen auf sich genommen hatte, um den Raubtieren im Saal zu entkommen, würde er niemals in den Ballsaal zurückkehren.

Sie wiederum sollte sich schnellstens auf den Weg dorthin machen, bevor jemandem auffiel, dass sie fort war. Du träumst, dachte sie. Sie erinnerte sich daran, dass sie für die anderen unten im Saal unsichtbar gewesen war.

Aber seltsamerweise fühlte sie sich jetzt nicht mehr so einsam. Die Aussicht, wieder in den Ballsaal zu gehen, erschien ihr jetzt noch langweiliger. Sie wusste, dass Lord Trevor nicht dort war.

Sie dachte an George, der sie vielleicht jetzt gerade suchte, um seinen Tanz einzufordern. Ich sollte meine Frisur richten. Noch immer glaubte sie Lord Trevors geschickten Finger in ihrem Haar zu spüren, und auf ihrer Haut.

Peinlich berührt von ihren eigenen Gedanken, suchte sie im Zimmer nach einer Kerze und Zündhölzern. Als sie beides endlich gefunden hatte, entzündete sie mit immer noch zitternden Händen erst ein Streichholz und anschließend die Kerze.

Dann band sie sich das Haar zu einem Chignon. Sie flocht einen Zopf, wickelte ihn um ihre Hand, schob die Enden hinein und befestigte alles mit der langen Haarnadel.

Jetzt sah sie wieder aus wie Reverend Kenwoods tugendhafte Tochter.

Im Spiegel jedoch leuchteten ihre Wangen noch immer korallenrot. Nervös zog sie den Saum ihres Ausschnittes höher. Sie betrachtete stirnrunzelnd ihr Spiegelbild.

Was war das für ein Barbar, der sie einfach so gepackt und geküsst hatte? Niemand hatte sie je zuvor so berührt.

Noch immer fühlte sie sich albern und überhitzt, schuldbewusst und unsicher. Es war nicht mein Fehler, versicherte sie sich und schob eine letzte Haarsträhne zurück. Er hatte schließlich angefangen.

Jedenfalls hatte er das auch nicht gewollt. Das verstand sie jetzt. Er hatte sie für eine dieser schrecklichen Frauen gehalten und sich entsprechen benommen.

Er hatte sie nur geküsst, weil er grob sein wollte. Dafür hatte er sich entschuldigt. Wie auch immer, es ergab keinen Sinn, darüber nachzudenken. Der Mann hatte einen Fehler begangen.

Einen sehr erschreckenden Fehler, den sie beide genossen hatten.

Tatsächlich sollte jede Frau wenigstens einmal in ihrem Leben so geküsst werden. Sie seufzte. Schade nur, dass ihr das kein zweites Mal widerfuhr.

Ihre Stimmung sank. Sie war wieder nur eine alte Jungfer.

Aber sie vergeudete keine Zeit mit trüben Gedanken und schlich aus dem dunklen Salon. Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, sah nach rechts und links. Als die Luft rein war, eilte sie zurück zum Ballsaal.

Peinlich. Es war so schrecklich peinlich.

Aber auch komisch. Wenn auch auf seine Kosten.

Trevor konnte nicht glauben, dass er einen so peinlichen Fehler begangen hatte. Doch das zeigte nur, wie verwirrt er war. Aber immerhin hatte er seinen Fehler gründlich genossen.

Und der Fehler hatte ihm gezeigt, dass es an der Zeit war, sich wieder um sein eigenes Leben zu kümmern. Er musste nach vorn schauen und die dunkle Wolke von Zorn und Kummer zurücklassen.

Wer immer sie sein mochte, dieses kleine Frauenzimmer hatte ihn aus seiner Trauer befreit.

Halb belustigt, tief enttäuscht und noch immer voller lodernder Lust ging er zu seiner Kutsche.

Doch eine Frage ließ ihm keine Ruhe. Wer war diese Frau?

Eine kleine Unruhestifterin, das war klar. Er konnte es nicht fassen, dass sie ihn mit einer Haarnadel gestochen hatte, um sich aus seinem Kuss zu befreien. Dabei war er davon ausgegangen, ihr einen Gefallen zu tun.

Diese Ironie amüsierte ihn, auch wenn er der Sündenbock war. Trevor blieb stehen. Er blickte über die Schulter zurück nach Lievedon House mit all seinen hell erleuchteten Fenstern.

Er war hin- und hergerissen. Sollte er nun nach Hause fahren oder zurückgehen, um herauszufinden, wer sie war …

Er wunderte sich über sich selbst. Er wusste, dass seine Entschuldigung nicht ausreichend war. Was sollte sie nur von ihm denken?

Er wusste auch, wie ein Gentleman das schöne Geschlecht behandeln sollte, denn anders als seine Teamkameraden im Orden hatte er Schwestern. Er war nie ein solch aufreizender Verführer gewesen wie Sebastian, Viscount Beauchamp, und er hatte auch nie dasselbe seltsame Vergnügen an stürmischen, heißkalten Affären mit gefährlichen Frauen gefunden, die Nicks Schwäche waren.

Dennoch kam er sich jetzt wie ein Schurke vor. Denn er hatte die Dame wie ein betrunkener Lüstling gepackt, obwohl sie tatsächlich ein nettes Mädchen war.

Ein nettes Mädchen! Man stelle sich das nur vor. Dabei hatte er doch den Glauben daran verloren, dass es so etwas noch gab. Umso mehr gefiel es ihm. Und umso weniger war er bereit, ihre Weigerung, ihm ihren Namen zu verraten, einfach hinzunehmen.

Natürlich konnte er ihn, wenn er wollte, ganz leicht erfahren. Es gehörte zu seinen Aufgaben, selbst geheimste Informationen in Erfahrung zu bringen.

Aber vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war es besser, alles auf sich beruhen zu lassen, sogar einen heimlichen Kuss mit einer betörenden Fremden. Gott allein wusste, dass er davon genug gehabt hatte. Trevor seufzte.

Doch irgendwie fühlte sich das alles hier anders an. Wieder sah er zum Haus. Er erinnerte sich, wie sie sich mit unschuldiger Leidenschaft an ihn geklammert hatte. Und er spürte, wie seine Lust pulsierte. Plötzlich stand sein Entschluss fest.

So ging das nicht. Seine Ehre erwartete etwas anderes von ihm. Er hatte einer Dame großes Unrecht angetan, und das durfte er nicht auf sich beruhen lassen. Er musste zurückgehen und ihr noch einmal anständig und ohne Spott sagen, wie leid ihm alles tat und dass sie sich nicht um ihren guten Namen sorgen musste.

Den wollte er unbedingt erfahren.

Er war es sich schuldig herauszufinden, wer sie war. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte er so etwas wie Hoffnung. Wer immer sie auch sein mochte, sie war ein Zeichen für irgendetwas.

Auch wenn er nicht wusste, für was. Aber er hatte erfahren, dass es noch immer gute Frauen in der Welt da draußen gab.

Während ihn die einen unangenehm umschwärmten, war es dieser anderen gelungen, mit nur einer kleinen Haarnadel die dunkle Blase zu zerstören, in der er sich eingeigelt hatte.

Ja, sie hat mir einen Gefallen getan. Er war dem Mädchen zu Dank verpflichtet.

Er hatte in dieser Nacht nichts weiter vor.

Und er hatte auch nichts zu verlieren.

Laura und ihr neuer Beau würden offenbar nicht mehr auf dem Ball erscheinen, also konnte er sich endlich entspannen. Er konnte wieder zurückgehen, noch etwas trinken, und sich endlich wieder wie ein menschliches Wesen amüsieren.

Noch immer schmeckte Trevor den unschuldigen Kuss dieses bezaubernden Mädchens auf den Lippen. Er gab seiner Neugier nach und ging wieder auf die Lichter zu.

Der schmiedeeiserne Leuchter, der von dem hohen, halbrunden Portikus hinunterhing, strahlte hell. Er ging darunter hindurch und betrat erneut Lievedon House.

Er mischte sich unter die Gäste und nahm sich vor, sich von den Damen fernzuhalten und sich den Männern anzuschließen, um seine Erkundigungen einzuholen.

In jedem Fall war er entschlossen herauszufinden, wen zum Teufel er da gerade geküsst hatte.

3. KAPITEL

Oh nein! Grace erschrak. Sie passierte auf dem Weg zum Ballsaal das Kartenzimmer und sah durch die geöffnete Tür, dass George den versprochenen Tanz vergessen oder erfolgreich verdrängt hatte.

Stattdessen saß der Sohn des Marquess am Spieltisch und gab sich seiner fatalen Leidenschaft hin. Die Männer spielten offenbar Whist, und wenn es die lange Spielweise war, dann würde sie ihn für den Rest der Nacht nicht wiedersehen.

Es sei denn, sie verriet es ihrem Vater.

Das war vielleicht die beste Lösung. George saß noch nicht lang genug am Tisch, um tief in sein Verderben gesunken zu sein. Wenn ihn jemand vom Abgrund zurückreißen konnte, dann war das der freundliche und unerschütterliche Reverend Kenwood.

Grace war sich nicht sicher, ob es ihrem Vater wirklich gelang, aber der Himmel allein wusste, was geschehen würde, sollte der Marquess seinen Sohn am Spieltisch erwischen. Lord Lievedon hatte seinem Sohn diese gefährliche Zerstreuung verboten. Doch George setzte sich darüber hinweg. Vielleicht war es auch nur ein Versuch, die Aufmerksamkeit seines Vaters zu erregen.

Grace schüttelte unbehaglich den Kopf. Dann ging sie von der Tür weg, um ihren Vater zu suchen. Unterwegs nahm sie ein Glas Wein vom Tablett eines Dieners und trank einen großen Schluck, um ihre Nerven zu beruhigen. Das herrlich verbotene Rendezvous verwirrte sie noch immer.

Sie eilte geschickt durch die Menschenmenge und erschrak über sich selbst, weil sie sich plötzlich ein wenig erhaben fühlte, während sie an den elegant gekleideten Damen vorbeiging, die den Helden des Ordens so umschwärmt hatten. Es war falsch von ihr, Schadenfreude zu empfinden, nur weil sie diejenige war, die er heimlich geküsst hatte. Und ein Geheimnis sollte das auch besser bleiben. Sie hatte hart daran gearbeitet, sich einen Ruf als Ausbund an Tugend zu erwerben, und diesen Ruf wollte sie bewahren.

Sie schüttelte die Erinnerung an das flüchtige Vergnügen ab und schob den Gedanken an den geheimnisvollen Agenten energisch beiseite.

Da ist ja Vater. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und erspähte ihren Vater in der Nähe eines der Tische mit Erfrischungen, bevor ihn die Menge wieder verschluckte.

Sie bahnte sich einen Weg zu ihm und nippte dabei an ihrem Wein, um zu verhindern, dass sie sich oder andere im Gedränge bekleckerte.

Als sie endlich zu der Gruppe Gentleman vorstieß, in der der liebenswürdige Geistliche in ein Gespräch vertieft war, seufzte sie. Sie beneidete ihren Vater um die Fähigkeit, Freundschaften zu schließen, wo immer er war.

Grace war viel zu schüchtern dafür.

Sie hörte seine Stimme. Reverend Kenwood war ein ausgezeichnet gut informierter Gesprächspartner.

„Wenn Sie ein Geschick in diesen Dingen haben, Mylord, dann kann ich das ideale Anwesen für sie empfehlen“, sagte er. „In unserem Heimatdorf in Leicestershire, ganz in der Nähe von Lord Lievedons Landsitz, gibt es ein sehr schönes altes Farmhaus namens ‚The Grange‘. Seit dem Tod des Vorbesitzers verfällt es, aber ein paar geschickte Hände könnten es bald wieder zu neuem Leben erwecken. Ich war selbst dort“, fuhr ihr Vater fort. „Das Mauerwerk rund um den Kamin kann bis zu den Tudors zurückverfolgt werden, wenn es gelingt, es zu bewahren.“

„Und wie heißt Ihr Dorf, Reverend?“, fragte ein anderer Mann.

„Thistleton. Zum Grange gehören einige der fruchtbarsten Äcker, die in den Midlands noch zu haben sind.“ Er trank einen Schluck und fuhr fort. „Das Haus steht sehr angenehm auf einem Hügel. Die Felder liegen schon lange brach, was in den nächsten Jahren eine reiche Ernte verspricht. Die Wiesen eignen sich sowohl für Rinder als auch für Pferde oder Schafe. Zum Land gehören ein gut bestückter Obstgarten und ein kleiner Bach voller Fische. Der alte Colonel war sehr stolz darauf.“

„Das hört sich beinahe so an, als wollten Sie The Grange am liebsten selber kaufen.“

Der Reverend lachte leise und winkte ab. „Ich bin nur ein bescheidener Hüter meiner Herde, Gentleman. Außerdem klingt die viele Arbeit in meinem Alter eher ermüdend. Aber Sie, Montgomery, könnten genau der Richtige dafür sein.“

Grace stockte der Atem, als ihr Vater den Kreis der etwa ein Dutzend Männer durchschritt, in dem er stand, und niemand anderem als Lord Trevor Montgomery ein kleines Stück Papier überreichte.

Gerade noch konnte sie sich hinter einem stämmigen Gentleman, der eine Prise Schnupftabak nahm, außer Sichtweite ducken.

Liebe Güte, was macht er denn hier? Ich dachte, er ist gegangen?

„Das Essen im Gaggle Goose Inn ist übrigens nicht schlecht, es ist Thistletons einziges Gasthaus“, erläuterte ihr Vater. „Sollten Sie sich entschließen, The Grange zu besichtigen, müssen Sie uns unbedingt im Pfarrhaus besuchen. Meine Tochter und ich würden Sie mit Vergnügen zum Essen einladen.“

„Sie sind sehr freundlich, Sir, vielen Dank.“ Trevor Montgomery steckte die Karte in seine Brusttasche.

„Ah“, sagte ihr Vater, als er sich umdrehte und Grace entdeckte, ohne ihre panische Miene zu bemerken. „Da ist ja meine Tochter.“

Grace erstarrte, als er sie lächelnd zu sich winkte.

Bei ihrem Anblick lupfte Lord Trevor Montgomery eine Augenbraue.

„Grace, meine Liebe, wo bist du gewesen? Ich habe dich vermisst“, sagte ihr Vater liebevoll.

Sie errötete, aber zum Glück wartete ihr Vater nicht auf die Antwort.

„Ich habe mich mit einem höchst sympathischen Herrn unterhalten“, fuhr der Reverend gewohnt höflich fort. Er deutete mit seinem Brandyglas auf den ehemaligen Agenten. „Er interessiert sich für Colonel Averys alte Farm.“

„Wirklich?“, stieß sie hervor.

Verflixt, diese Farm, die als „The Grange“ bekannt war, lag nur einen kurzen Spaziergang über zwei Wiesen und durch ein kleines Wäldchen von ihrem Zuhause in der schönen Pfarrei entfernt.

Sie kam wieder zu Atem, und es gelang ihr zu lächeln. „Aber Vater, The Grange ist doch nur noch eine Ruine. Man kann kaum darin leben“, versicherte sie Lord Trevor Montgomery.

„Unsinn!“, widersprach ihr Vater. „Es braucht nur ein paar geschickte Reparaturen, und mein junger Freund hier hat uns gerade berichtet, dass er neben zahlreichen anderen Talenten, die er besitzt, die Architektur als Hobby betreibt.“

„Da kannst du sicher sein“, flüsterte Grace schuldbewusst, während ihr Vater das Glas huldvoll auf den Agenten des Ordens erhob.

Einen Teil seiner anderen Talente hatte sie selbst kennenlernen dürfen.

Dann setzte ihr Vater die Vorstellung offiziell fort. „Grace, erlaube mir, dir Lord Trevor Montgomery vorzustellen“, sagte der Reverend. „Und dies, Lord Trevor Montgomery, ist mein größer Schatz auf dieser Welt, und meine unerlässliche Stütze, seit ihre Mutter verstorben ist. Meine Tochter, Grace.“

Lord Trevor Montgomery verneigte sich vor ihr, ohne die leiseste Andeutung auf ihre gemeinsame Missetat. Er ist schließlich ein ausgebildeter Lügner, dachte sie. „Es ist mir eine Ehre, Miss Kenwood.“

So viel zu ihrer Anonymität.

Ihr Herz klopfte wild, als sie den Kopf neigte und einen Knicks andeutete. Grace betete, dass ihr Vater sich nicht über ihre roten Wangen wunderte. Die meisten Damen erröteten, sobald sie einem solchen Mann begegneten.

„Kann ich dich bitte für einen Moment sprechen, Vater?“, flüsterte sie und zog ihren Vater zu sich herum.

„Natürlich, meine Liebe. Was gibt es?“

Grace bemerkte, wie Lord Trevor Montgomery sie über die Schulter ihres Vaters beobachtete. Er schien amüsiert, so als wollte er sie fragen, ob sie wirklich glaube, dass sie ihm entkommen könne.

Sie zog ihren Vater zwei Schritte weiter weg. „George ist im Kartenzimmer und spielt Whist“, flüsterte sie.

Der Reverend zog die grauen Augenbrauen hoch. „Oh weh. Ich bin schon unterwegs.“

„Soll ich dich begleiten?“

„Nein, ich habe bessere Chancen, wenn ich mit ihm von Mann zu Mann spreche. Warum bleibst du nicht hier und plauderst ein wenig mit diesem freundlichen Lord? Er scheint sich für dich zu interessieren.“

„Was? Sei nicht albern“, erwiderte sie leidenschaftlicher, als nötig.

Ihr Vater sah sie neugierig an, zuckte dann aber mit den Schultern. „Vielleicht, weil du die einzige Frau hier auf dem Ball bist, die sich ihm nicht an den Hals wirft.“ Dann stupste er sie unauffällig mit dem Ellenbogen an. „Erzähl ihm mehr über The Grange. Wir sollten versuchen, ihn dorthin zu locken. Er beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Architektur und sagte gerade, dass er nach einem neuen Projekt sucht. Er hat gerade ein Haus fertiggestellt und verkauft, und der Himmel weiß, dass der Grange einen neuen Eigentümer braucht.“

„Ich bin mir sicher, dass er sich in unserem kleinen, langweiligen Dorf niemals wohlfühlen würde, Vater. Nach dem, was ich hörte, ist der Lord ein Mann der Tat, ein Abenteurer und Krieger. Er wird sich draußen bei uns zu Tode langweilen.“

„Ob er sich langweilt oder nicht, spielt keine Rolle“, flüsterte ihr Vater. „Wir brauchen ihn, um dem Dorf zu helfen. Wenn er die Farm wieder bewirtschaftet, können wir es uns besser leisten, all die Streuner durchzufüttern, die du ständig in die Pfarrei schleppst.“

Autor

Gaelen Foley
Gaelen Foley studierte Englische Literatur und Philosophie. Herrlich unverfroren, spritzig, süchtig machend – so beschreiben Literaturkritiker ihre mittlerweile vierzehn Regency-Liebesromane, die es alle auf die New York Times-Bestsellerliste schafften. Die preisgekrönte Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Hund "Mr. Bingley" bei Pittsburgh. Nach dem College ging sie durch die...
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