Nacht der Versuchung

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Scheich Xavier Al Agier ist Mariellas erklärter Feind - bis sie mit ihm in einen Sandsturm gerät. In seine Arme geschmiegt, ist sie sicher. Und als sie Xaviers Lippen auf den ihren spürt, erwidert sie seinen Kuss voller Leidenschaft. Betrogen von ihrem eigenen Verlangen ...


  • Erscheinungstag 29.11.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513296
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Du wirst deine Mummy doch nicht vergessen, wenn ich jetzt wegen meiner Arbeit fort bin, meine Süße?“

Mitfühlend betrachtete Mariella Sutton ihre jüngere Halbschwester Tanya, die ihr widerstrebend ihre vier Monate alte Tochter in den Arm legte.

„Ich weiß, Fleur könnte es nirgendwo besser haben als bei dir, Mariella.“ Tanya lächelte mit Tränen in den Augen. „Schließlich bist du nach Mums und Dads Tod für mich nicht nur die große Schwester, sondern auch so etwas wie eine Mutter gewesen. Ich wünschte mir einfach nur, meine Arbeit würde mich nicht zwingen zu reisen, aber ich kann es mir wirklich nicht leisten, den Sechs-Wochen-Vertrag auf diesem Kreuzfahrtschiff abzulehnen! Ich weiß, du würdest für uns beide aufkommen“, fuhr sie fort, ehe Mariella etwas einwenden konnte, „aber ich will so unabhängig wie möglich sein. Und außerdem wäre es schließlich die Sache von Fleurs Vater, uns finanziell zu unterstützen! Ich weiß wirklich nicht, was ich an diesem Schwächling und Lügner gefunden habe. Mein wundervoller Traum von einem aufregenden Scheich hat sich leider als Albtraum erwiesen.“

Mariella verkniff sich jede Bemerkung dazu, weil sie wusste, wie tief verletzt und unglücklich ihre Halbschwester gewesen war, als ihr Geliebter sie sitzen gelassen hatte. „Aber du weißt genau, dass das wirklich nicht nötig ist“, sagte sie nur noch einmal sanft. „Ich verdiene genug, und das Haus ist auch groß genug für uns drei.“

„Das weiß ich doch, Mariella. Aber du hast schon viel zu viel für mich getan, seit Mum und Dad gestorben sind. Immerhin warst du damals erst achtzehn, also noch drei Jahre jünger, als ich es jetzt bin, und da Dad offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, dass ihm etwas zustoßen könnte, war nicht nur kein Geld da, sondern auch noch das Haus mit Hypotheken belastet.“

Die beiden Schwestern sahen sich an. Sie hatten beide das zarte, herzförmige Gesicht, den makellosen Pfirsichteint und das strohblonde Haar ihrer Mutter geerbt. Während Tanya allerdings so groß war wie ihr Vater und auch dessen braune Augen mitbekommen hatte, war Mariella eher klein und zierlich und hatte die auffallend blaugrünen Augen von ihrem Vater geerbt, dem Mann, der kein Jahr nach ihrer Geburt festgestellt hatte, dass Ehe und Vaterschaft nicht nach seinem Geschmack waren, und seine Frau mit dem Baby sitzen gelassen hatte.

Tanya hatte ihre ältere Halbschwester immer um ihre ungewöhnliche Augenfarbe beneidet, vor allem als sie sich, entgegen Mariellas Hoffnungen, gegen ein Studium und für eine Karriere als Sängerin und Tänzerin entschieden hatte. Mit Mariellas Augen, so behauptete sie immer, würde sie jede andere Bewerberin um eine Rolle ausstechen. Und Mariella bewunderte ihre eigenwillige und impulsive Halbschwester, die sich durch nichts von ihrem eingeschlagenen Weg abbringen ließ – auch wenn es ihr jetzt sicher sehr schwer fallen würde, ihre kleine Tochter sechs Wochen lang nicht zu sehen.

Denn bei allen Unterschieden und kleineren Meinungsverschiedenheiten, in einem waren sich die beiden Schwestern restlos einig: in ihrer bedingungslosen Liebe und Fürsorge für die kleine Fleur.

„Ich werde jeden Tag anrufen“, versprach Tanya jetzt heiser. „Ach Mariella, ich habe so ein schlechtes Gewissen … Ich weiß doch, wie sehr du als kleines Kind gelitten hast, weil dein Vater nicht da war, sondern dich und Mum im Stich gelassen hat … und wie viel Glück ich hatte, dass Mum und Dad und du für mich da wart. Und jetzt lasse ich meine kleine Fleur hier bei dir …“

Mit dem Baby auf dem Arm drückte Mariella ihre Schwester beruhigend an sich. „Das Taxi ist da“, sagte sie und wischte Tanya liebevoll die Tränen aus dem Gesicht.

„Mariella, ich habe einen Wahnsinnsauftrag für dich!“

Mariella gab gerade Fleur die Flasche, als ihre Agentin Kate anrief und offenbar Feuer und Flamme war.

„Es geht um Dutzende von Rennpferden. Der Auftraggeber besitzt einen eigenen Rennstall unten in Zuran. Er ist ein Mitglied des Königshauses von Zuran und hat anscheinend über den Burschen aus Kentucky von dir erfahren – du weißt schon, dem der Sieger aus dem Derby vergangenes Jahr gehörte, den du dann gemalt hast. Wie auch immer, Prinz Sayid möchte, dass du nach Zuran fliegst, selbstverständlich auf seine Kosten, und das Projekt mit ihm besprichst … sozusagen die Biester vor Ort begutachtest.“

Mariella lachte. Sie wusste, dass Kate, stets in exklusive Designermode gekleidet und zu Hause ganz in Weiß eingerichtet, absolut nichts für Tiere übrig hatte. „Ich muss zugeben, das klingt viel versprechend. Aber eigentlich bin ich momentan mit Aufträgen eingedeckt, und außerdem habe ich Fleur für die nächsten sechs Wochen, so dass eine Reise nach Zuran sowieso nicht möglich wäre.“

„Das ist kein Problem!“, widersprach Kate eifrig. „Prinz Sayid hat bestimmt nichts dagegen, wenn du die Kleine mitnimmst. Mariella, einen solchen Auftrag kannst du unmöglich ablehnen! Allein bei dem Gedanken an die Kommission läuft mir das Wasser im Mund zusammen!“

„Ich verstehe“, meinte Mariella lachend. Sie hatte eigentlich durch Zufall angefangen, Tierporträts zu malen. Zuerst war es nur ein Hobby gewesen, und sie hatte die Haustiere ihrer Freunde porträtiert. Per Mundpropaganda war sie dann immer weiter empfohlen worden, bis schließlich so viele Aufträge eingegangen waren, dass sie sich entschlossen hatte, ihren Lebensunterhalt ganz auf diese Weise zu verdienen. Inzwischen war ihr Ruf so weit gediehen, dass sie sehr gut von ihrer Arbeit leben konnte, und normalerweise hätte sie auch nicht eine Sekunde gezögert, die Chance zu ergreifen, die Kate ihr nun bot. „Weißt du, Kate, ich würde es ja wirklich gern machen, aber augenblicklich muss ich zuerst an Fleur denken.“

„Überleg es dir gut, bevor du einen solchen Auftrag ausschlägst“, warnte Kate sie. „Wie ich schon sagte, es gibt keinen Grund, warum du Fleur nicht mitnehmen könntest. Du würdest bei deinem Aufenthalt in Zuran ja noch gar nicht arbeiten – das Treffen dient nur dem gegenseitigen Kennenlernen. Es würde sich auch nur um gut eine Woche handeln, und wegen des Babys brauchst du dir wirklich keine Sorgen zu machen. Die Hauptstadt von Zuran ist eine moderne, internationale Weltmetropole!“

Mariella stand an dem großen Nordfenster in ihrem Studio und blickte nachdenklich hinaus. Dieses Dachzimmer mit dem idealen Licht war einer der Gründe gewesen, warum sie das kleine, dreigeschossige Haus überhaupt gekauft hatte. Nun war Fleur satt und zufrieden auf ihrem Arm eingeschlafen. Draußen hatte es aufgehört zu regnen, und die ersten Sonnenstrahlen brachen bereits durch die Wolken. Ein Spaziergang im Park würde ihnen beiden gut tun.

Mariella legte Fleur ins Bettchen und ging, um den Kinderwagen bereit zu machen. Als sie die Decke zurückschlug, stieß sie mit den Fingern an ein zusammengeknülltes Stück Papier. Da sich Fleurs zarte Babyhaut daran hätte verletzen können, nahm sie es heraus und wollte es schon wegwerfen, als einige Worte in der Handschrift ihrer Schwester ihre Aufmerksamkeit erregten. Das Blatt Papier war ein Brief, und Name und Adresse standen deutlich lesbar oben drüber:

Scheich Xavier Al Agir, Nr. 24, Quaffire Beach Road, Zuran City

Mariellas Herz pochte. Etwas schuldbewusst glättete sie das Blatt und las die erste Zeile:

ich werde den Mann, der mein Leben und das von Fleur zerstört hat, immer dafür hassen …

Offensichtlich handelte es sich um einen Brief, den Tanya an Fleurs Vater geschrieben, aber nie abgeschickt hatte. Tanya hatte sich immer geweigert, über ihre Beziehung mit ihm zu sprechen. Mariella wusste lediglich, dass es sich um einen sehr reichen Mann aus dem Nahen Osten handelte, den ihre Schwester kennen gelernt hatte, während sie als Sängerin und Tänzerin in einem Nachtclub gearbeitet hatte. Insgeheim war Mariella immer der Auffassung gewesen, dass er sich seiner Verantwortung für Tanya und Fleur zu leicht entzogen hatte.

Und nun hatte sie also entdeckt, dass er in Zuran lebte! Nachdenklich faltete sie den Brief zusammen. Natürlich hatte sie kein Recht, sich einzumischen. Aber war es denn Einmischung oder nicht vielmehr Schicksal? Wie oft hatte sie sich im Lauf der Jahre die Chance gewünscht, ihren eigenen Vater zur Rede stellen und ihm sagen zu können, was sie davon hielt, wie er ihrer Mutter das Herz gebrochen und damit fast auch ihr Leben zerstört hatte? Ihr Vater war wie ihre Mutter inzwischen gestorben und konnte sein Handeln nie wieder gutmachen. Tanyas Liebhaber aber war noch höchst lebendig, und es würde ihr, Mariella, eine große Genugtuung bereiten, ihm zu sagen, was sie von ihm hielt!

Kurz entschlossen eilte sie erneut zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Agentin. „Kate? Ich habe noch einmal über diese Reise nach Zuran nachgedacht …“

„Du hast deine Meinung geändert? Wie wundervoll! Ich verspreche dir, Mariella, du wirst es ganz bestimmt nicht bereuen. Dieser Typ ist wirklich megareich, und was er dir dafür zahlen will, dass du seine vierbeinigen Freunde in Öl unsterblich machst …“

Mariella seufzte resigniert. Kate maß den materiellen Dingen des Lebens zweifellos einen viel zu hohen Wert bei. Aber sie war eine ausgezeichnete Agentin!

1. KAPITEL

Kate hatte nicht übertrieben, dass Prinz Sayid keine Kosten und Mühen scheute, um sie, Mariella, nach Zuran zu holen. Dank der Beziehungen des Prinzen war es kein Problem, die nötigen Reisepapiere für Fleur, einschließlich einer Einwilligungserklärung von Tanya, in kürzester Zeit zu besorgen. Und während des Fluges in der ersten Klasse wurde Fleur dann wie eine kleine Prinzessin umsorgt. Nach der Ankunft, so hatte man Mariella informiert, würden sie von einem Wagen abgeholt und zum Beach Club Resort gefahren, wo für die Dauer ihres Aufenthalts ein Luxusbungalow für sie reserviert worden war.

Mit Fleur auf dem Arm blickte Mariella sich also in der modernen, hellen Ankunftshalle des Flughafens von Zuran City um, ob sie vielleicht jemand entdecken würde, der ein Schild mit ihrem Namen hochhielt. Plötzlich merkte sie, dass hinter ihr irgendetwas Ungewöhnliches im Gange war, und so etwas wie ein sechster Sinn veranlasste sie, sich umzudrehen. Wie von Zauberhand befohlen, wichen die Leute auseinander und machten Platz für eine kleine Gruppe von weiß gewandeten Männern. Wie traditionelle Vorreiter schufen sie eine breite Gasse für den Mann, der mit energischen Schritten hinter ihnen kam und sie alle überragte. Da er weder nach rechts noch nach links sah, konnte Mariella den Blick ihres Künstlerauges ausgiebig über das markante Profil dieses Mannes schweifen lassen, der es zweifellos gewohnt war, Befehle zu erteilen.

Unwillkürlich begehrte irgendetwas in Mariella gegen ihn auf. Dieser Mann wirkte derart arrogant und besaß eine so überwältigend männliche Ausstrahlung, dass sie es fast schon wie eine körperliche Bedrohung empfand. Fleur mochte ihre Verunsicherung gespürt haben, auf jeden Fall fing sie leise an zu weinen, als der Fremde gerade an ihnen vorbeikam. Sofort drehte er sich in ihre Richtung, und der Blick seiner dunklen Augen bohrte sich förmlich in Mariellas. Sie erschauerte nervös.

Der Blick dieses dunkelhaarigen Unbekannten schien sie nicht nur auszuziehen, sondern ihr buchstäblich bis auf den Grund ihrer Seele zu dringen! Am längsten verweilte er auf ihren Augen, und Mariella glaubte, ein fast verächtliches Aufleuchten in seinen zu bemerken. In diesem Moment weinte Fleur erneut, und sofort richtete sich sein Blick auf das Baby und dann wieder auf sie.

Mariella spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen stieg. Mochte dieser Unbekannte sein, wer er wollte, wie konnte er es wagen, sie derartig überheblich und abschätzig anzusehen? Sie hatte sich oft vorgestellt, dass so ihr Vater ihre Mutter angesehen haben musste, bevor er sie sitzen gelassen hatte … in ihrer Verzweiflung und Abhängigkeit, die den größten Teil von Mariellas Kindheit bestimmt hatten, bis ihr Stiefvater sie beide mit seiner Liebe und Fürsorge aus dieser Trostlosigkeit gerettet hatte.

Genauso unvermittelt, wie sie aufgetaucht war, hatte die kleine Gruppe die Eingangshalle durchquert und wieder verlassen. Was für ein übertrieben theatralischer Auftritt, dachte Mariella und entdeckte im selben Moment den Chauffeur, der sie und Fleur in einer klimatisierten Limousine zur Hotelanlage fahren sollte.

Das Beach Club Resort erfüllte wirklich sämtliche Erwartungen, die man an eine Fünf-Sterne-Ferienanlage haben konnte, wie Mariella einige Stunden später zugeben musste, nachdem sie sich schon ein wenig eingerichtet und umgesehen hatte. Ihr Bungalow hatte zwei große Schlafzimmer, jeweils mit eigenem Bad, eine kleine Küche, ein Wohnzimmer, eine Terrasse samt Whirlpool, und Mariella stellte ebenso überrascht wie beeindruckt fest, dass er für die Versorgung eines Kleinkindes bestens ausgestattet war. Kinderbettchen, Wickeltisch, Babywanne, Pflegeartikel … es fehlte wirklich an nichts, und der Kühlschrank war reichlich mit erstklassiger Babynahrung bestückt. Außerdem fand Mariella ein Informationsschreiben vor, dass der Küchenchef auf Anfrage jederzeit biologisch angebaute Babynahrung für Fleur zubereiten würde.

In dieser Hinsicht also restlos beruhigt, versorgte Mariella erst einmal das Baby. Und Fleur schlief in ihrem Bettchen so schnell und zufrieden ein, als wäre sie zu Hause. Der Zeitpunkt war günstig zu versuchen, Tanya auf ihrem Handy zu erreichen. Der Luxusliner, auf dem Mariellas Schwester engagiert war, befand sich auf einer großen Kreuzfahrt durch die Karibik und den Golf von Mexiko.

„Was macht meine kleine Fleur?“, fragte Tanya natürlich sofort.

„Sie schläft tief und fest“, antwortete Mariella beruhigend. „Und auch den Flug hat sie bestens überstanden. Alle haben sie unglaublich verwöhnt. Und wie geht es dir?“

„Ach … ganz gut. Du weißt schon … viel zu tun, zwei Shows jeden Abend … aber die Bezahlung ist einfach zu gut. Mariella, ich muss jetzt leider Schluss machen … Gib Fleur einen dicken Kuss von mir.“

Nach Beendigung des Gesprächs blickte Mariella ein wenig schuldbewusst auf das Handy in ihrer Hand. Sie hatte ihrer Schwester nichts von ihrer Absicht gesagt, Tanyas treulosen Exliebhaber zur Rede zu stellen und ihm unmissverständlich zu sagen, was sie, Mariella, von ihm hielt. Mochte Tanya vielleicht auch etwas zu bereitwillig mit ihm ins Bett gestiegen sein, so zweifelte Mariella nicht einen Moment, dass ihre Schwester fest daran geglaubt hatte, dass dieser Mann sie lieben und es für sie eine gemeinsame Zukunft geben würde.

Verzweifelt versuchte Mariella, sich aus den Nebeln eines beunruhigenden Traums zu befreien, in dem zwei Wächter sie herbeischleiften und vor den Füßen ihres neuen Herrn und Meisters zu Boden stießen, wo sie zitternd liegen blieb. Wie sehr sie diesen Mann hasste, der sich vor ihr aufgebaut hatte und mit glühendem Blick auf sie herabsah! Das klare, eisige Grau seiner ungewöhnlichen Augen erinnerte sie seltsamerweise an die Farbe des sturmgepeitschten Himmels und Meeres ihrer englischen Heimat.

„Du wagst es, mich herauszufordern?“, fragte er leise, wobei er langsam näher kam.

Mariella spürte die drohende Gegenwart der Wachen hinter sich. Von ganzem Herzen hasste sie diesen Mann, der sich nun zu ihr herabbeugte. Als er jedoch eine Hand ausstreckte und ihr Kinn umfasste, wandte Mariella den Kopf und biss ihm kräftig in den Daumen.

Sie spürte, wie hinter ihr die Wachen die Säbel zogen, und machte sich bereit für den tödlichen Hieb. Doch stattdessen schickte ihr Peiniger die Wachen mit einer kleinen Geste fort und wich einen Schritt zurück. Auf dem kunstvollen Mosaikboden schimmerte ein Tropfen Blut.

„Du bist wie eine Wildkatze und musst gezähmt werden …“ Ihr Peiniger trat hinter sie, fasste in ihr langes Haar, wickelte es sich fest um die Hand und zog sie gewaltsam zurück, so dass sich die Spitzen ihrer nur halb bedeckten Brüste unter dem dünnen Stoff ihres Oberteils abzeichneten. Sie bebte am ganzen Körper vor Abscheu und Empörung, als er mit der anderen Hand nach der Schließe griff, die das Top zusammenhielt. Doch dann ließ er sie unvermittelt los und drehte sie zu sich herum, so dass sie seinem verächtlichen Blick begegnete.

Noch halb gefangen in dem nebelhaften Geschehen ihres Traumes, wurde Mariella bewusst, dass sie diese grauen Augen kannte und den zynischen Ausdruck darin schon einmal gesehen hatte. Und im Moment des Aufwachens begriff sie, wieso. Der Mann in ihrem Traum war der arrogante Araber gewesen, der auf dem Flughafen an ihr vorbeigerauscht war!

Benommen stand Mariella auf, ging ins Bad und stellte die Dusche auf kalt, um die gefährlich sinnlichen Nachwehen ihres Traums abzuwaschen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Als der eisige Wasserstrahl brutal ihren erhitzten Körper traf, stockte ihr buchstäblich der Atem. Sie beeilte sich mit dem Waschen, stieg aus der Dusche und wickelte sich in ein herrlich weiches weißes Badetuch. Unverwandt betrachtete sie ihr Spiegelbild, das zarte Gesicht, den hell schimmernden Teint, und wusste, dass sie nur die Augen zu schließen brauchte, um ihren arroganten Peiniger wieder vor sich zu sehen, wie er ihr mit einem spöttischen Ausdruck das Handtuch wegziehen und sie nehmen würde.

Mariella und Fleur hatten gerade ihr gemütliches Frühstück auf der Terrasse beendet, als ein Fax eintraf. Wie es aussah, war der Prinz durch unerwartete Geschäfte fortgerufen worden und würde sie in den nächsten Tagen nicht empfangen können. Er entschuldigte sich bei Mariella für die leider notwendige Änderung ihrer Pläne und bat sie, bis zu seiner Rückkehr die Annehmlichkeiten des Beach Club zu genießen.

Nachdenklich rieb Mariella die übermütig strampelnde Fleur mit Sonnenmilch ein und drückte ihr einen Kuss auf den kleinen Bauch. Dabei kam ihr in den Sinn, dass dies der ideale Zeitpunkt war, um Fleurs Vater aufzusuchen. Schließlich hatte sie ja seine Adresse! Sie brauchte sich also nur ein Taxi zu rufen und dorthin fahren zu lassen.

Eine halbe Stunde später trat sie mit Fleur auf dem Arm in die strahlende Sonne hinaus, bestens geschützt durch einen breitkrempigen Hut, eine weiße Leinenhose und ein leichtes, langärmeliges Top.

Der Taxifahrer nickte lächelnd, als sie ihm den Zettel mit der Adresse des Scheichs zeigte. „Das dauert ungefähr eine Dreiviertelstunde. Haben Sie Geschäftliches mit dem Scheich zu erledigen?“, erkundigte er sich leutselig.

„Man könnte es so ausdrücken“, antwortete Mariella ausweichend.

„Er ist ein bekannter Mann. Hochverehrt von seinem Stamm. Sie bewundern ihn vor allem, weil er sich für ihr Recht eingesetzt hat, ihr traditionelles Leben weiterzuführen. Und obwohl er ein außerordentlich erfolgreicher Geschäftsmann ist, heißt es, dass er das einfache Leben in der Wüste, wie es sein Volk von alters her gewohnt ist, immer noch allem anderen vorzieht. Er ist ein sehr guter Mann.“

Mariella überlegte insgeheim, dass dieses Bild, das der Taxifahrer gerade von dem Scheich gezeichnet hatte, so gar nicht zu dem passte, was sie von ihrer Halbschwester über deren Exliebhaber wusste. Immerhin hatte Tanya den Mann in einem Nachtclub kennen gelernt! Mariella hatte es nie gefallen, dass Tanya dort gearbeitet hatte … auch wenn es „nur“ als Sängerin gewesen war. Und während der zwölf Monate, die diese Beziehung gedauert hatte, hatte Tanya Mariella gegenüber nie etwas von einer Vorliebe des Scheichs für das einfache Wüstenleben erwähnt! Ohne ihn persönlich kennen gelernt zu haben, hatte Mariella im Gegenteil eher den Eindruck gewonnen, dass er ein Playboy sei.

Knapp vierzig Minuten später hielt der Taxifahrer vor hohen, schmiedeeisernen Toren, hinter denen sich eine eindrucksvolle weiße Villa erhob. Aus einem der beiden Pförtnerhäuschen zu beiden Seiten der Tore trat ein Wächter heraus und näherte sich dem Wagen. In möglichst entschlossenem Ton erläuterte Mariella ihren Wunsch, den Scheich zu sehen.

„Es tut mir Leid, aber das ist nicht möglich“, erwiderte der Torwächter. „Der Scheich ist augenblicklich in der Oase und wird so bald nicht zurückerwartet.“

Diese Möglichkeit hatte Mariella nicht bedacht. Fleur, die auf der Fahrt eingeschlafen war, wachte nun auf und begann zu quengeln.

„Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?“, bot der Torwächter höflich an.

Doch Mariella war klar, dass sie jegliche Nachricht, die sie dem Scheich mitzuteilen hatte, besser persönlich überbringen würde. Sie bedankte sich also bei dem Mann und bat den Taxifahrer, sie zum Hotel zurückzufahren.

„Wenn Sie es wünschen, finde ich jemand, der Sie zu der Oase fährt“, bot der Taxifahrer unerwartet an.

„Sie wissen, wo das ist?“, fragte Mariella erstaunt.

Er zuckte die Schultern. „Natürlich! Aber man braucht einen Geländewagen, weil die Straße vom Sand verweht sein kann.“

Mariella kam ein Gedanke. „Könnte ich selber dorthin fahren?“

„Ja, durchaus. Sie würden zwei, drei Stunden brauchen. Soll ich Ihnen eine Wegbeschreibung geben?“

„Ja, bitte“, bat Mariella kurz entschlossen.

Systematisch überprüfte Mariella noch einmal alles, was sie für ihren Ausflug in die Wüste in den Geländewagen gepackt hatte, bevor sie sich hinters Steuer setzte. An der Rezeption im Beach Club hatte man sie beruhigt, dass die geplante Fahrt völlig sicher sei, und sich dann um alles Weitere gekümmert, einschließlich eines Kindersitzes für Fleur. Alles in allem würde sie, Mariella, ungefähr drei Stunden unterwegs sein – vier, wenn sie, wie man ihr im Beach Club empfohlen hatte, in der beliebten Oasen-Ferienanlage zum Mittagessen einkehren würde. Sicherheitshalber hatte man ihr vom Hotel jedoch ein üppiges Lunchpaket in einem Picknickkorb mitgegeben.

Wenn der Anlass für ihren Ausflug nicht eher ernst und unerfreulich gewesen wäre, hätte Mariella es wie ein kleines Abenteuer betrachten und sich sogar darauf freuen können. Wie alles, wofür der Beach Club Sorge trug, war der große Jeep luxuriös und blitzsauber und sogar mit einem eigenen Mobilfunkgerät ausgestattet. Die Straße in die Wüste war so deutlich markiert und gut ausgebaut, dass Mariella rasch alle Besorgnis vergaß.

Die einsame Oase, in der sich der Scheich offensichtlich gegenwärtig aufhielt, lag im Agir-Gebirge. Eine Stunde nach Mariellas Abfahrt aus dem Beach Club hatte der Wind aufgefrischt und wirbelte den Sand in Staubwolken über die Straße. Und obwohl Mariella Fenster und Türen des Jeeps fest geschlossen hielt, waren die Sandkörner so fein, dass sie sogar den Weg ins Innere des Wagens fanden. Inzwischen hatte Mariella die Hauptstraße verlassen und war auf einen gut markierten Weg abgebogen, der direkt in die Wüste hineinführte. Sie war froh, als sie tatsächlich das Beduinendorf erreichte, das auf ihrer Karte markiert war. Es war Markttag, und sie fuhr geduldig hinter einer Kamelkarawane her, bis sie ausgangs des Dorfes wieder beschleunigen konnte. In einer halben Stunde wollte sie zum Mittagessen anhalten. Wenn sie bis dahin nicht die zweite auf ihrer Karte eingezeichnete Oase erreicht hatte, würden sie und Fleur eben ein Picknick einlegen.

Die hohen Sanddünen zu beiden Seiten der Piste erfüllten sie mit ehrfürchtigem Erstaunen. Als Fleur aufwachte, schaltete Mariella das Radio aus, legte stattdessen eine Kassette mit Kinderliedern ein und sang fröhlich mit, um ihre kleine Nichte zu unterhalten.

Wie es sich zeigte, dauerte es doch länger, als sie geschätzt hatte, die Touristenanlage in der Oase zu erreichen, wo sie mit Fleur hatte zu Mittag einkehren wollen. Es war jetzt fast zwei Uhr, und Mariella hatte erwartet, bereits um ein Uhr dort zu sein. Feiner Sandstaub verlieh dem Himmel eine rotgoldene Farbe, und Mariella geriet leicht in Panik, als sie auf der Höhe der nächsten Sanddüne immer noch nichts von der Oase erkennen konnte. Widerstrebend sah sie ein, dass es wohl ratsam war, Hilfe zu suchen, und griff nach dem Mobilfunkgerät des Jeeps. Als sie jedoch versuchte, die einprogrammierte Nummer anzuwählen, erhielt sie keine Verbindung. Sie stoppte den Wagen und versuchte es mit ihrem eigenen Handy … genauso erfolglos.

Inzwischen verdunkelte der Sandsturm den Himmel immer mehr, und die Windböen trafen den Jeep mit beängstigender Wucht. Fleur schien Mariellas Unruhe zu spüren und begann zu weinen. Die Kleine war hungrig und musste gewickelt werden. Während Mariella das Baby versorgte, überlegte sie, was sie tun sollte. Da der Geländewagen mit einem Kompass ausgestattet und sie sehr gründlich und detailliert eingewiesen worden war, verwarf sie den Gedanken, dass sie sich verirrt haben könnte. Warum also hatte sie die Touristenoase noch nicht erreicht?

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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