Prickelnde Begegnung mit Folgen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Perdita kann ihr Glück kaum fassen: Als die Journalistin in Paris Leonid Falcon begegnet, bittet er sie spontan um ein Rendezvous. Nun kann sie heimlich Infos für ihre Enthüllungsstory über seine Familie sammeln! Doch während sie dem sexy Tycoon näherkommt, spürt sie Gewissensbisse …


  • Erscheinungstag 07.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756772
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Geh nicht! Bitte bleib bei mir!“, stieß Veruschka Tsareva verzweifelt hervor. Wild fuchtelte sie mit den Händen herum, um jemanden festzuhalten, der nicht da war. Der es schon seit vielen Jahren nicht war und nie mehr sein würde. „Wo bist du? Komm zurück! Lass mich nicht allein!“, schluchzte sie und verstummte, als jemand sie liebevoll umarmte.

„Ich bin hier, Mama“, sagte Leonid Tsarev warmherzig, aber die Mittfünfzigerin in dem Gartensessel schien ihn nicht zu hören. Sie hatte die Augen weiterhin geschlossen und war in ihrem Albtraum gefangen.

„Geh nicht weg. Bleib bei mir.“

„Mama, wach auf. Ich bin’s, Leonid, dein Sohn. Ich bin nicht … jemand anders. Bitte sieh mich an.“ Behutsam wischte er ihr die Tränen fort. „Bitte schau mich an.“ Er beobachtete, wie sie die Augen öffnete. Verwirrt blickte sie ihn zunächst starr an. Dann – endlich – erkannte sie ihn und lächelte matt.

„Entschuldige. Ich bin eingeschlafen, und in meinem Traum war er bei mir. Ich habe gefühlt, wie er mich umarmt hat …“

„Das war ich“, meinte Leonid zärtlich. „Ich bin in den Garten gekommen, um mich zu verabschieden. Du erinnerst dich doch, dass ich dir erzählt habe, ich würde heute zurück nach Moskau fliegen und morgen zu Marcels Hochzeit nach Paris?“

„Ja.“ Sie seufzte. „Natürlich.“

Sie wussten beide, dass sie nicht wegen seiner Abreise geweint hatte, sondern wegen der eines anderen vor einer Ewigkeit. Wegen eines Mannes, der versprochen hatte, zurückzukehren, dies aber nur sehr selten in den zurückliegenden dreißig Jahren getan hatte. Und immer bloß für kurze Zeit.

„Dein Vater wird sich schon auf euer Wiedersehen freuen.“

Wenn er sich überhaupt nach Paris bemüht, dachte Leonid. Bei anderen Vätern konnte man sicher sein, dass sie zu der Hochzeit des Sohnes erschienen. Nicht so bei Amos Falcon.

„Hast du meinen Brief?“, fragte seine Mutter. „Wirst du ihn deinem Vater geben?“

„Natürlich, Mama.“

„Und bringst du mir eine Antwort mit?“

„Ja, das mache ich. Versprochen.“ Selbst wenn er seinem Vater den Arm verrenken musste, damit er ein paar Zeilen schrieb.

„Möglicherweise kommt er ja mit dir zurück“, meinte seine Mutter leise. „Oh ja. Versprich mir, dass du mich mit ihm besuchst.“

„Das kann ich nicht. Er ist immer sehr eingespannt. Marcels Hochzeit hat sich ziemlich plötzlich ergeben. Weshalb er nichts planen konnte.“

„Aber du versuchst es? Sag ihm, dass ich mich danach sehne, ihn wiederzusehen. Dann entscheidet er sich bestimmt dafür.“

„Ich tue mein Bestes“, stieß Leonid hervor. „Vielleicht solltest du jetzt mit mir ins Haus gehen. Es wird kühl.“

„Ich bin so gern hier draußen und möchte noch etwas bleiben.“ Sie zeigte um sich. Der leicht abschüssige Rasen ermöglichte einen wunderschönen Blick auf den Don. „Hier waren wir zusammen und werden es eines Tages wieder sein. Ich weiß es und muss nur Geduld haben. Auf Wiedersehen, mein Junge. Bis bald.“

Leonid umarmte und küsste sie und wandte sich zum Haus. Dort traf er auf Nina, die sich um seine Mutter kümmerte.

„Wie kommt sie zurecht?“

„Nicht gut. Sie hat mir einen Brief für meinen Vater mitgegeben. Es ist schlimm, dass sie nach all den Jahren immer noch glaubt, er würde sie lieben.“

„Und dabei hat Amos Falcon sie benutzt, sie im Stich gelassen und jedes Versprechen gebrochen, das er ihr gegenüber gemacht hat“, erwiderte Nina bissig. Sie war, streng genommen, Leonids Angestellte, konnte es sich aber trotzdem leisten, so über seinen Vater zu reden. Er schätzte sie und vertraute ihr. Nur weil sie seine Mutter umsorgte, konnte er das Haus in Rostow verlassen und seinen Geschäften in Moskau nachgehen.

„Nicht jedes Versprechen. Er hat sie immer finanziell unterstützt.“

„Aus weiter Ferne. Was leicht für ihn war. Wo war er, nachdem ihr Mann erfahren hatte, dass er nicht dein Vater war? Hat er außer Geld noch andere Hilfe angeboten?“

„Mir tut sie genauso leid wie dir, Nina.“

„Kannst du ihn vielleicht dazu bringen, sie zu besuchen? Du weißt, es ist ihr Herzenswunsch.“

„Ich werde es versuchen.“ Leonid stöhnte auf. „Sie ist in einer Fantasiewelt gefangen, in der er sie liebt und eines Tages zu ihr zurückkehren wird. Ist es wirklich besser, sie das glauben zu lassen und sie nicht mehr mit der Wahrheit zu konfrontieren?“

„Ja, denn so erträgt sie das Leben leichter.“

„Du hast wohl recht. Doch nun muss ich los.“ Fest drückte er Ninas Hand. „Was würde ich ohne dich tun?“

„Die Frage stellt sich nicht. Ich gehe zu ihr, damit sie jetzt nicht allein ist. Beeil dich, sonst verpasst du noch deine Maschine.“

Er eilte zur Auffahrt, wo bereits ein Wagen für ihn bereitstand. Bevor er einstieg, drehte er sich noch einmal zu seiner winkenden Mutter um und hob ebenfalls die Hand. Es lag nicht in seiner Macht, ihr das Glück zu verschaffen, nach dem sie sich sehnte. Er konnte nur dafür sorgen, dass ihr Leben so angenehm wie möglich war.

„Nina, es ist wunderbar“, sagte Veruschka Tsareva, während sie dem Auto nachblickte. „Er wird seinen Vater in Paris treffen und mich mit Amos hier besuchen.“

1. KAPITEL

Das muss Jim sein, dachte Perdita Davis, als jemand aufgeregt an ihre Tür klopfte. Er war ein netter Kerl, der sich als ihr Freund betrachtete.

„Das kannst du mir nicht antun.“ Jim stürmte in ihr Apartment, sobald sie geöffnet hatte, und ließ sich einen Moment später aufs Sofa fallen. „Was glaubst du, wie ich mich fühle? Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit, und dann machst du mit mir Schluss. Per SMS!“

„Ich habe nicht mit dir Schluss gemacht. Ich habe dir bloß gesimst, dass ich für unseren Kurztrip nächste Woche keine Zeit habe. Es tut mir leid.“ Sie lächelte ihn besänftigend an und strich die langen blonden Haare nach hinten. „Ich muss nämlich gleich los. Es geht um eine Story.“

Perdita arbeitete freiberuflich als Journalistin. Sie sah nicht nur super aus und besaß einen unglaublichen Charme, sondern hatte auch einen Spürsinn für Sensationen.

„Und wo wird sich diese sensationelle Geschichte abspielen?“

„In Paris. Ich habe vorhin ein Zimmer im ‚La Couronne‘ reservieren lassen.“

„Das ist das teuerste Hotel vor Ort.“

„Ich weiß, und ich hatte Glück, denn ich habe das letzte freie Zimmer bekommen.“ Der Schalk blitzte ihr aus den blauen Augen. „Seit das Gerücht in der Welt ist, wollen wohl viele dort absteigen.“

„Welches Gerücht?“

„Das von der Hochzeit. Marcel Falcon soll übermorgen heiraten.“

„Wer, zum Teufel, ist Marcel Falcon?“, fragte Jim.

„Der Eigentümer des Hotels. Aber das ist unwichtig. Er ist Travis Falcons Halbbruder. Von ihm hast du bestimmt schon gehört.“

„Du meinst den TV-Star? Na klar.“

„Man hat in letzter Zeit oft über ihn berichtet. Wegen dieser neuen Frau in seinem Leben. Sie soll anders sein als seine üblichen Bettgespielinnen. Es heißt, sie sei gesellschaftsfähig. Jeder ist neugierig darauf, wie sich das Ganze entwickelt. Meine Kontaktperson in Paris hat mir erzählt, dass Travis mit ihr zur Hochzeit kommt. Ich muss die beiden unbedingt aus nächster Nähe beobachten. Die anderen natürlich auch.“

„Welche anderen?“

„Die restlichen Mitglieder der Familie Falcon“, antwortete Perdita. „Sein Vater Amos ist ein mächtiger Mann in der Finanzwelt. Vermutlich werden er und seine anderen Söhne auch in Paris sein.“

„Wie viele hat er denn?“

„Fünf, von vier verschiedenen Müttern: Darius ist Engländer und ebenfalls ein großes Tier in der Finanzwelt, Jackson dreht diese Fernsehdokumentationen. Marcel ist Franzose, Travis Amerikaner und Leonid Russe.“

„Wow. Dieser Amos ist offenbar ziemlich herumgekommen.“

„Ja, früher. Jetzt ist er über siebzig und lebt mit seiner derzeitigen Frau in Monaco. Er ist inzwischen offenbar seriös geworden. Ich würde jedoch wetten, dass der Schein trügt. Ein Kater lässt das Mausen nicht.“

„Doch warum willst du nach Paris? Es wird dort vor Reportern wimmeln. Du wirst eine unter vielen sein.“

Spöttisch blickte sie ihn an. Sie war nie einfach nur eine unter vielen. „Die Trauung findet in der hoteleigenen Kapelle statt. So kann die Familie kontrollieren, wer Zutritt hat, und die Presseleute auf Abstand halten. Deshalb muss ich als Gast im ‚La Couronne‘ sein. Wenn ich es geschickt anstelle, werde ich möglicherweise sogar zur Hochzeit eingeladen.“

Jim lachte. „Träum weiter. Du bringst es möglicherweise fertig, dich einzuschleichen. Doch selbst du kannst dir keine Einladung verschaffen.“

„Wetten, dass?“

„Okay. Ich schätze, wenn es jemandem gelingt, dann dir. Aber weißt du was? Eines Tages wirst du auf einen Typ treffen, der dich mit deinen eigenen Waffen schlägt. Dann wird es dir leidtun.“

„Vielleicht. Es könnte jedoch auch sein, dass ich den Kampf genieße. Je härter er ist, desto mehr Spaß macht das Gewinnen.“

Womit sie alles gesagt hat, dachte Jim. Wer immer Perdita mit ihren eigenen Waffen schlagen konnte, er würde es nicht sein. Das hatte sie ihm freundlich, aber klar zu verstehen gegeben.

„Wann geht dein Flug?“

„In drei Stunden. Ich wollte mir gerade ein Taxi rufen.“

„Ich fahre dich.“

„Oh, Jim, das ist lieb von dir. Wie kann ein Mann bloß so nett und verzeihend sein?“

Eine gute Frage. Obwohl es ihn kränkte, dass er ihr so wenig bedeutete, wollte er ihr trotzdem gern behilflich sein. Sie würde wohl bei vielen anderen Männern eine ähnliche Reaktion hervorrufen.

Als Perdita um kurz vor Mitternacht in Paris landete, wurde sie von ihrer Kontaktperson bereits erwartet. Die fünfzigjährige Hortense war eine französische Geschäftsfrau mit vielen Verbindungen. Sie beide mochten sich nicht nur, sondern arbeiteten in gewisser Weise auch zusammen, indem sie einander hin und wieder Gefälligkeiten erwiesen.

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, sagte Perdita, als sie neben Hortense im Wagen saß.

„Dazu besteht kein Grund. Ich war dir noch etwas schuldig. Das Ganze ist ein glücklicher Zufall, denn die Firma, bei der ich beschäftigt bin, organisiert die Hochzeit.“

„Warum haben die beiden es so eilig?“

„Es heißt, Marcel habe Angst, Cassie könne es sich noch einmal anders überlegen.“

„Ist seine Familie schon eingetroffen?“

„Sie soll bis morgen hier sein“, antwortete Hortense. „Auch Leonid hat sich ein Zimmer reservieren lassen. Allerdings ist niemand sicher, ob er tatsächlich kommen wird. Die Leute, die ihn kennen, behaupten, er sei hart wie Stahl.“

„Das klingt interessant.“

„Eher gefährlich. Sei vorsichtig, wenn du ihm begegnest.“

„Warum? Wo ist da der Spaß.“

„Muss denn alles im Leben Vergnügen sein?“

„Natürlich“, erwiderte Perdita. „Wenn man Spaß hat, hat man die Kontrolle und kann andere überrumpeln.“

„Und das ist wichtig?“

„Oh, ja.“ Perdita lächelte. „Sehr wichtig.“

Hortense schwieg, während sie den Wagen durch das teuerste Viertel von Paris lenkte. Manchmal fand sie es schwierig, abzuschätzen, ob Perdita alles, was sie sagte, auch tatsächlich meinte.

„Dort ist das ‚La Couronne‘.“

„Wow. Das sieht ja toll aus.“

„Einst war es das Zuhause einer aristokratischen Familie, die während der Französischen Revolution umgekommen ist. Danach ging es mit dem Gebäude bergab, bis Marcel es gekauft hat. Er ist auf Luxushotels in Metropolen spezialisiert, und das ‚La Couronne‘ ist von allen, die er besitzt, das beste.“

Hortense parkte das Auto, während Perdita eincheckte und sich zu ihrem Zimmer bringen ließ.

„Hier zu wohnen könnte deinen Geldbeutel etwas strapazieren“, meinte sie, als sie sich schließlich wieder zu Perdita gesellte. „Aber dafür logierst du sogar auf demselben Flur wie die Falcons.“

„Nur das ist wichtig.“

Sie bestellten sich beim Zimmerservice etwas zum Essen und ließen es sich wenig später schmecken.

„War es schwierig, so kurzfristig herzukommen?“

„Einer war nicht sehr glücklich darüber“, antwortete Perdita und erzählte Hortense von Jim. „In anderer Hinsicht war es von Vorteil“, fuhr sie fort. „Ich hätte morgen zu meinen Eltern fahren sollen, um die Verlobung meiner Cousine Sally zu feiern. Es ist vermutlich besser, dass ich nicht da bin.“

„Deine Eltern sind namhafte Gelehrte, wie ich gehört habe.“

„Ja.“ Auch ihre Geschwister waren angesehene Akademiker. „Sie haben mich immer als schwarzes Schaf betrachtet. Als leichtfertig, dumm und ignorant.“

„Warum ist es besser, dass du nicht dort bist?“

„Weil ich vor ein paar Jahren mit Sallys Partner liiert war. Es lief gut zwischen uns, bis sich mir die Gelegenheit zu einer sensationellen Story bot. Jemand hat mir gegenüber etwas geäußert, dem ich nachgegangen bin … Was mir beruflich sehr weitergeholfen hat.“

„Ja, ich erinnere mich. Die Geschichte hat dir deinen Ruf als hervorragende Journalistin eingetragen.“

„Aber Thomas war entsetzt. Er fand es schrecklich ordinär, was ich machte, und wollte, dass ich meine Karriere aufgab. Als ich es nicht tat …“ Perdita zuckte die Schultern.

„Hätte er dich geliebt, hätte er dir deshalb nicht das Herz gebrochen.“

„Wer sagt denn, dass er Letzteres getan hat?“, fragte Perdita empört. „Bei all den Möglichkeiten, die sich mir eröffnet haben, musste ich über andere Dinge nachdenken. Außerdem ist mir klar geworden, dass er mich nicht geliebt hat. Er ist Akademiker und wollte mich nur heiraten, weil er sich von dem guten Ruf meiner Familie etwas versprochen hat.“

„Also hat er sich deiner Cousine zugewandt. Ja, es ist wohl wirklich besser, dass du nicht auf der Verlobungsfeier bist.“

Perdita lächelte gequält. „Das einzig Intellektuelle an mir ist mein lateinischer Spitzname. Mein Vater wollte nicht unbedingt noch ein Kind, und als er von der erneuten Schwangerschaft meiner Mutter erfahren hat, soll er aufstöhnend gesagt haben: ‚Jetzt bin ich endgültig verloren.‘“

„‚Perdita‘ bedeutet übersetzt ‚die Verlorene‘, oder?“ Hortense lachte.

„Ja.“

„Warum veröffentlichst du deine Storys eigentlich unter dem Pseudonym Perdita Davis und nicht unter Erica Hanson, wie du richtig heißt?“

„Den Namen benutze ich bloß für offizielle Zwecke. Erica Hanson hält ihr Bankkonto in Ordnung, zahlt pünktlich ihre Steuern und benimmt sich für gewöhnlich anständig. Perdita Davis hingegen ist so dumm und leichtfertig, wie ein Mitglied einer Familie von Gelehrten nur sein kann“, erklärte sie vergnügt und mit leisem Stolz.

„Woher stammt der Name ‚Davis‘?“

„Er ist frei erfunden. Meine Leute haben mir nämlich mehr oder minder befohlen, den Namen ‚Hanson‘ nicht zu verwenden. Sie haben Angst, dass jemand mich mit ihnen in Verbindung bringen könnte, und wollen sich meinetwegen nicht schämen müssen“, antwortete Perdita ironisch.

„Wie gemein!“

„Man kann es ihnen nicht verdenken. Sie müssen schließlich auf ihren Ruf achten.“

„Wieso denn? Du bist wahnsinnig erfolgreich, und sie behandeln dich wie eine Aussätzige.“

„Ich finde es nicht weiter dramatisch. Es ist nicht wirklich wichtig.“ Perdita ließ sich nicht anmerken, dass Hortense einen Nerv bei ihr getroffen hatte. Die Haltung ihrer Familie beschäftigte sie mehr, als sie zugeben wollte.

„Womöglich sind sie neidisch, weil du ein Vermögen mit deinen Storys verdienst. Manche sind allerdings, offen gestanden, schon hart an der Grenze.“

„Stimmt, doch in letzter Zeit bin ich etwas weniger … draufgängerisch. Ich verletze jetzt nicht mehr so viele Regeln, sondern werde sogar ein bisschen seriöser.“

„Du? Wie kommt’s?“

„Vielleicht macht sich endlich meine Herkunft aus einem akademischen Elternhaus bemerkbar.“ Perdita zuckte die Schultern. „Vielleicht hast du von dem berühmt-berüchtigten Journalisten gehört, der eine Frau mit einem Trick dazu gebracht hat, mit ihm zu sprechen, und dass das Ganze später tragisch endete?“

„Ja, habe ich. Hatte das etwas mit dir zu tun?“

„Nein. Ich habe den Typ allerdings vor einigen Jahren einmal kennengelernt und ihn ein wenig wegen seiner raffinierten Methoden bewundert. Inzwischen tue ich das nicht mehr. Sagen wir einfach, dass ich reifer geworden bin und aufgrund dieser Sache meine eigene Vorgehensweise überdacht habe.“

„Heißt das, die tugendhafte Erica führt jetzt allein Regie und die freche Perdita gibt es nicht mehr?“

„Oh, nein. Perdita ist noch sehr aktiv. Sie achtet nur etwas besser auf die Folgen, die ihr Tun für andere haben könnte.“

Hortense lachte. „Es würde dir recht geschehen, wenn du deinen Traummann kennenlernen würdest und dich zwischen deinen beiden Ichs entscheiden müsstest.“

„Ich habe keine Träume. Mir wurde das Herz bislang noch nicht gebrochen, und das wird es auch nie werden. Ich bin viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.“

„Hast du etwa keinen Sinn für Romantik?“, fragte Hortense entrüstet. „Du bist in Paris, der Stadt der Liebe, und nicht wie jede andere Frau von der Atmosphäre hier entzückt?“

„Wenn ich meine Story geschrieben habe, werde ich entzückt sein.“

„Ich werde mich hüten, mit dir darüber zu diskutieren. Außerdem sollte ich jetzt auf mein Zimmer gehen, denn der morgige Tag wird anstrengend. Wir sehen uns dann zum Frühstück. Gute Nacht.“

Als sie allein war, ging Perdita zum Fenster und blickte hinüber zum Eiffelturm in der Ferne. Sie hatte Hortense erzählt, dass ihr das Herz noch nie gebrochen worden sei, was so gut wie wahr war.

Nach dem Ende ihrer Beziehung mit Thomas hatte sie einen Erfolg nach dem anderen eingefahren. Doch dann hatte sie den Fotografen Frank kennengelernt und sich in ihn verliebt, was sie mittlerweile allerdings nicht mehr wahrhaben wollte. Er hatte sie betrogen, indem er sie benutzt hatte, um an heiße Storys zu kommen, und seine Bilder an einen anderen Journalisten verkauft, der seiner Karriere förderlicher gewesen war.

Nach dieser Erfahrung hatte sie beschlossen, wieder allein zu arbeiten und auch ihre eigenen Fotos zu schießen. Sie hatte viel von Frank gelernt. Wozu brauchte sie noch Fotografen oder Männer überhaupt? Das Leben als Freiberuflerin war genau das Richtige für sie, denn so konnte sie selber entscheiden, was sie tat.

„Vielleicht stimmt etwas nicht mit mir, wenn ich den Job immer an erste Stelle setze“, überlegte sie jetzt laut. „Aber so bin ich nun mal. Es ist nicht mein Fehler, wenn ich gern Spaß habe.“

„Ich weiß praktisch nichts über Leonid“, sagte Perdita, als sie mit Hortense in ihrem Zimmer frühstückte. „Über ihn etwas herauszufinden ist nicht so leicht wie über die anderen.“

„Merkwürdigerweise nennt er sich mit Nachnamen auch nicht Falcon, sondern Tsarev. Nur wenn er mit seinen Brüdern zusammen ist, wird er mit ‚Falcon‘ angeredet. Er muss ein wahnsinnig erfolgreicher Geschäftsmann sein. Laut meinen Freunden in Moskau hat er wohl kein aufregendes Privatleben. Er arbeitet wie verrückt und scheint keine Zeit für oberflächliche Vergnügungen zu haben. Außerdem soll er schroff und grimmig sein.“

„Auch solche Menschen können interessant sein“, erwiderte Perdita nachdenklich und stand auf, um den Kleiderschrank zu öffnen. „Was, meinst du, soll ich heute anziehen?“

Hortense trat zu ihr und warf einen Blick auf Perditas Garderobe. „Was für tolle Klamotten du hast. Du musst ein Vermögen verdienen.“

„Ja, das tue ich. Im Allgemeinen trage ich aber ganz normale Sachen. Dennoch muss ich für alle möglichen Eventualitäten gerüstet sein, um zum Beispiel bei einem Aufenthalt wie in diesem Luxushotel nicht unangenehm aufzufallen.“

„Was du mit Sicherheit nicht wirst.“ Hortense nahm eine eng geschnittene Edeljeans aus dem Schrank und hielt sie sich kurz an. „Ich beneide dich um deine Figur.“ Sie seufzte und hängte die Hose an die Tür. „Zieh die an.“

„Meinst du wirklich? Ich würde mit meinem Outfit lieber einen dezenten, tugendhaften und vielleicht sogar etwas langweiligen Eindruck machen.“

„Träum weiter! Du solltest dich glücklich schätzen, weil das Schicksal dir einen Körper geschenkt hat, der in diese Jeans passt.“ Sie seufzte. „Ich muss jetzt los. Und vergiss nicht, sollten wir zufällig aufeinandertreffen …“

„… dann kennen wir uns nicht“, beendete Perdita den Satz.

„Wenn mein Arbeitgeber erfährt, dass ich Kontakt zu einer Journalistin hatte, würde ich Schwierigkeiten kriegen. Diesbezüglich ist man sehr streng. Also dann bis irgendwann.“

Am späteren Vormittag verließ Perdita ihr Zimmer, um sich im Hotel umzusehen und umzuhören. Sie war einen Kompromiss eingegangen und hatte zu der Jeans eine weite weiße Seidenbluse gewählt, die ihr bis zu den Schenkeln reichte.

Als sie zu einer breiten Treppe kam, blieb sie unvermittelt stehen. War das dort unten nicht Travis Falcon? Den dunklen Haaren, der Größe und der Statur nach musste er es sein. Einzelheiten konnte sie auf die Entfernung nicht erkennen, aber das Gefühl sagte ihr, dass er es war.

Jetzt musste sie es nur noch schaffen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, um dann vielleicht kurz mit ihm zu plaudern. Ein kleiner Trick, den sie für solche Gelegenheiten eingeübt hatte, würde ihr sicher helfen.

Langsam nahm sie eine Stufe nach der anderen, doch auf der drittletzten glitt sie gekonnt aus und ließ sich die restliche Treppe hinunterfallen. Doch leider ging dabei etwas schief. Sie landete nicht, wie geplant, sanft auf dem Boden, sondern verdrehte sich den Fuß und spürte einen stechenden Schmerz im Knöchel. Unwillkürlich schrie sie, nur wenige Zentimeter von Travis entfernt, leise auf.

Autor

Lucy Gordon
Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Falcon-Brüder