Schneeküsse für die Winterbraut

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Hell leuchtet der Mond, die kalte Luft verspricht Schnee: Der Ausritt mit dem mysteriösen Fremden ist für Gabriella ein Abschied von ihrem alten Leben. Unerwartet ist sie Kronprinzessin von Casavalle geworden, morgen wird sie den Dezemberball mit Cesar Asturias, berühmt-berüchtigter Playboy-Prinz des Nachbarlandes, eröffnen. Wie gern wäre sie stattdessen frei. Dann würde sie jetzt einfach ihren hochgewachsenen Begleiter küssen. Aber eine Kronprinzessin küsst keinen Fremden vor Palaststallungen! Es sei denn, es ist ein Prinz undercover …


  • Erscheinungstag 01.12.2020
  • Bandnummer 242020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714574
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Royal Palace, Aguilarez, November …

Seine königliche Hoheit Prinz Cesar Asturias aus Aguilarez blickte vom Helikopter auf die vertrauten Bäume, Felsen und Klippen hinunter, während der Pilot den Hubschrauberlandeplatz ansteuerte, der oberhalb des festungsartigen Palastes lag. Hier war er aufgewachsen. In einem Palast, den er in den letzten drei Jahren nur selten besucht hatte.

Außer, wenn er von höchster Stelle herzitiert wurde – wie jetzt.

Diesmal zu einem Familiengipfel. Vermutlich, um angesichts des Skandals, der das Königshaus bis in die Grundfesten erschüttert hatte, eine Strategie zu entwickeln, die den Schaden begrenzte oder im besten Fall abwandte. Zumal der Skandal auch das benachbarte Königshaus Valenti in Casavalle betraf.

Zwei Königreiche, die sich dieselbe Insel teilten – und damit auch eine Geschichte voller Fehden und Kriege. Ein unerbittlicher Schlagabtausch von Invasionsversuchen hatte beide Länder so geschwächt, dass die Regenten schließlich einen fragilen Frieden ausgehandelt hatten, der über zwei Jahrhunderte hielt. Und von dem beide Länder profitierten.

Ein bedrohter Frieden. Und das allein wegen Cesars Schwester Meribel.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wie alle fünf königlichen Geschwister wusste Meribel von Kindesbeinen an, dass Aguilarez immer an erster Stelle stand und damit auch Ehre, Verantwortungs- und Pflichtgefühl, während Emotionen nicht besonders hoch gehandelt wurden – sprich: gar keine Rolle spielten.

Daher war ihm Meribels Verhalten unbegreiflich. Nur wenige Tage vor ihrer Vermählung mit Kronprinz Luca Valenti ließ sie die Hochzeit platzen. Aber damit nicht genug: Sie war schwanger mit dem Kind eines anderen Mannes. Sie und Luca waren einander schon als Kinder versprochen worden, um eine Allianz zwischen beiden Königreichen zu schließen, die nun hinfällig war.

Diesem Skandal folgte ein zweiter auf dem Fuße, als sich herausstellte, dass der Kronprinz von Casavalle gar keiner war. Wie es aussah, würde an seiner Stelle Gabriella Ross den Thron besteigen. Gabriella war Lucas bisher verschollene ältere Schwester aus der ersten Ehe seines verstorbenen Vaters und in Kanada ohne Kenntnis ihres Erbes oder ihres königlichen Blutes aufgewachsen.

Das Ganze war ein heilloses Chaos. So wunderte es niemanden, dass in Casavalle und Aguilarez große Aufregung und Unsicherheit herrschten und beide Seiten schwere Vorwürfe wegen Betrugs und Gegenbetrugs gegen das Nachbarreich erhoben.

Daher auch der Befehl an Cesar, sich im elterlichen Palast einzufinden.

Obwohl es eigentlich eher eine Bitte gewesen war und er die Notwendigkeit eines Treffens absolut einsah, stieß ihm die knappe Aufforderung ohne ein Anzeichen familiärer Zuneigung unangenehm auf. Aber so war der Umgangston im Königshaus von jeher gewesen, und so würde es wohl auch für immer bleiben.

Egal. Jetzt war er hier und wappnete sich innerlich für die Tortur, die ihm unweigerlich bevorstand, während er gleichzeitig tief die frische, schneegeschwängerte Bergluft einatmete. Ungeachtet aller familiärer Differenzen war dies seine Heimat, die er liebte.

Nur Minuten später betrat Cesar den Thronsaal, wo ihn seine Eltern mit ernsten Mienen erwarteten. Auf einem Podest im Hintergrund stand der imposante, mit Juwelen verzierte Thron, eine Kriegsbeute aus ferner Vergangenheit. Die Wände ringsum zierten riesige Ölgemälde, die vergangene Schlachten heroisierten, und über dem massiven Marmorkamin prunkte ein stolzes Paar gekreuzter Schwerter.

„Das wurde auch höchste Zeit, Cesar“, empfing ihn sein Vater, König Jorge. „In wenigen Stunden werden wir in Casavalle erwartet und haben bis dahin noch eine Menge zu besprechen.“

Während er sich zuerst vor seinem Vater und dann vor seiner Mutter verneigte, wechselte Cesar geschmeidig in den Diplomatenmodus, eine Rolle, auf die er von Kindesbeinen an getrimmt worden war. „Verzeih, Vater.“

Auf keinen Fall durfte er Gründe für eine Verspätung oder ein Versäumnis angeben, da dies nur als Ausrede gewertet würde.

„Zuerst müssen wir über Lady Amelia sprechen“, übernahm seine Mutter das Gespräch.

„Müssen wir?“ Cesar konnte sich nicht vorstellen, wozu das dienen sollte.

Lady Amelia Scott-Browne war seine derzeitige Liebschaft. Wie lange noch, stand allerdings in den Sternen. Einer Ehe war er bisher aus Überzeugung erfolgreich ausgewichen, da er nicht unter dem Druck stand, Thronerben liefern zu müssen. Seine beiden Brüder waren zum Altar marschiert und hatten inzwischen die erforderlichen Erben gezeugt.

„Ja, Cesar, das ist sogar eminent wichtig. Du musst diese … Liaison beenden.“

Seine Mutter machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber Lady Amelia.

„Und warum, wenn ich fragen darf?“ Bisher hatten sich seine Eltern nie in seine amourösen Verbindungen eingemischt, sondern so getan, als existierten sie nicht.

Sein Vater beugte sich vor. „Weil wir einen Plan haben.“

Cesar verspürte ein übles Kribbeln im Nacken. „Was für einen Plan?“

„Der beste Schachzug, ein Bündnis zu schließen und der Welt zu zeigen, dass Aguilarez und Casavalle immer noch Verbündete sind, ist eine Ehe. Also wirst du die neue Kronprinzessin von Casavalle heiraten, Gabriella Ross.“

Königspalast von Casavalle, Dezember…

Gabi fand einfach keinen Schlaf.

Zweitausendsiebenhundertfünf Schafe hatte sie bereits gezählt. Sie hatte es mit Yoga-Tiefenatmung versucht und sich erfolglos vorgehalten, dass es geradezu eine Sünde war, umgeben von all dem Komfort, der einer Königin nun einmal zustand, nicht wie ein Baby zu schlummern. In ihrem Kopf schwirrten einfach zu viele wirre Gedanken herum.

Aber wie sollte sie auch mit der surrealen Vision zurechtkommen, demnächst auf einem Thron sitzen und regieren zu müssen?

Einunddreißigeinhalb Jahre ihres Lebens hatte sie geglaubt, ein gewöhnlicher Mensch zu sein. Gabriella war von einer ältlichen Tante und deren Mann in einer kleinen Stadt in den kanadischen Bergen großgezogen worden, hatte nach deren Tod ihre Buchhandlung geerbt und sie in einen florierenden Laden verwandelt, was ihr viel Freude bereitet hatte.

Und jetzt saß sie in diesem Palast fest.

Nur, weil sie vor acht Monaten zwei Briefe von ihrer Mutter gefunden hatte, die gestorben war, als Gabriella drei gewesen war. Ein Brief war an König Vincenzo von Casavalle gerichtet, der andere an sie. Beide Briefe enthüllten ihre wahre Identität: König Vincenzo Valenti war ihr Vater. Ein Vater, den sie nie kennenlernen würde, der nichts von ihrer Existenz gewusst hatte.

Was für eine Ironie! Von allen Wunschträumen, die Gabi in ihrer kindlichen Sehnsucht durchgespielt hatte, war der unwahrscheinlichste Realität geworden.

Ich bin eine Prinzessin. Eine echte!

Mit einem unwilligen Seufzer gab sie den Versuch auf, doch noch einzuschlafen. Sie stopfte sich eines der weichen Daunenkissen in den Rücken und schaute sich in ihrem prächtigen Schlafgemach um, das in Rot- und Goldtönen gehalten war.

In einer Ecke stand ein Weihnachtsbaum, bestückt mit funkelnden Lichtern und wunderschön bemalten Glaskugeln. Plötzlich befiel sie Heimweh nach ihrem winzigen Schlafzimmer in Crystal Lake. Ein kuscheliger Raum mit schlichten Kiefernmöbeln und dem Poster eines Hockeyspielers, für den sie als Teenager geschwärmt hatte, das immer noch in den Tiefen ihres Kleiderschrankes existierte.

Stopp! rief sie sich energisch zur Ordnung.

Es gab so viel, wofür sie dankbar sein musste. Nach dem Tod ihrer Tante und ihres Onkels war sie ganz ohne Familie gewesen, und jetzt hatte sie zwei Brüder, zu denen sie vom ersten Moment an eine Verbindung gespürt hatte.

Als zusätzlichen Bonus hatte sich Luca, der ältere der beiden, in ihre beste Freundin Imogen verliebt. Ihr zweiter Bruder Antonio würde bald Tia heiraten, die Gabi bereits liebte wie eine Schwester. Außerdem hatte Königin Maria, die Mutter der beiden Prinzen, sie voller Wärme und Herzlichkeit aufgenommen, wie eigentlich alle hier.

Trotzdem lastete ein erdrückendes Schuldgefühl auf ihr.

Luca war in dem Glauben erzogen worden, der nächste Thronerbe von Casavalle zu sein, und musste diesen Platz jetzt für sie räumen. Die Auswirkungen dieses drastischen Einschnitts auf die gesamte königliche Familie ängstigten sie ebenso wie das Gefühl, der verantwortungsvollen Position nicht gewachsen zu sein.

Sie wusste ja nicht einmal, wie sich eine Königin zu benehmen hatte. Und das wenige Stunden vor ihrem Präsentationsball, auf dem sie am heutigen Abend der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte!

Kein Wunder, dass sie nicht schlafen konnte!

Zum Wohle von Casavalle und Aguilarez musste Gabi die Menschen für sich und ihre Sache gewinnen, um die Nachwirkungen der Skandale einzudämmen, die das Land in Unruhe versetzt hatten. Das hieß aber gleichzeitig, unter den Augen all dieser Würdenträger zu agieren und hinzunehmen, dass jede Äußerung von ihr im In- und Ausland beobachtet und hinterfragt wurde. Nicht zu vergessen, dass sie sich außerdem der königlichen Familie von Aguilarez stellen musste, einschließlich des berühmt-berüchtigten Prinzen Cesar, der nicht gerade erfreut gewesen sein sollte, von seinen Aufgaben als Botschafter abberufen zu werden, um auf ihrem Ball zu erscheinen.

Gabi seufzte schwer. Für beide Königshäuser wäre es sicher einfacher gewesen, wenn sie nie die Wahrheit über ihre Herkunft herausgefunden hätte.

Was für eine traurige Parallele zu ihrer Kindheit. Denn auch damals hatte sie gespürt, dass Tante Bea und Onkel Peter – ein älteres kinderloses Ehepaar – es leichter gehabt hätten, wenn sie nicht mit der dreijährigen Gabi belastet worden wären.

Es hatte keinen Sinn, sich noch länger zu quälen. Sie würde ohnehin kein Auge mehr zubekommen.

Gabi schwang die Beine über die Bettkante und vergrub die nackten Zehen in dem dicken flauschigen Teppich. Sie zog Jeans und ein lässiges Sweatshirt über ihren Flanell-Pyjama und schlüpfte in ihre Laufschuhe. In dieser nicht sehr königlichen Aufmachung schlich sie auf Zehenspitzen in Richtung Küche, um sich einen Kamillentee zu machen und vielleicht noch einen kleinen Snack. Vor lauter Nervosität wegen des Balls hatte sie das Abendessen ausfallen lassen.

Unterwegs rief sie sich selbst zur Ordnung, weil sie sich wie eine Diebin durch den Palast bewegte, obwohl er ihr als zukünftiger Königin faktisch gehörte. Doch dieses Wissen hemmte sie eher, da sie angesichts der unzähligen Traditionen, Regeln und Vorschriften ständig befürchtete, dem stolzen Namen Valenti niemals gerecht werden zu können.

Vermutlich ähnlich, wie auch ihre Mutter es vor gut dreißig Jahren erlebt hatte, als Sophia Valenti quasi bei Nacht und Nebel ohne Erklärung aus ihrer Ehe mit König Vincenzo geflohen war. Sobald der Skandal nicht mehr in aller Munde war, endete sie als die kürzeste Fußnote in der Chronik des Königshauses von Casavalle.

Als Gabi sich der Küche näherte und trotz der späten Stunde hörte, wie das Personal offenbar noch eifrig dabei war, die bevorstehenden Feierlichkeiten vorzubereiten, verließ sie der Mut. Wie es aussah, war der Palast ein lebender Organismus, der nie schlief. Aber dann kam ihr ein Geistesblitz …

Die Reitställe! Dort würde sie Ruhe und Frieden finden, weil es diese großartigen Tiere nicht interessierte, ob sie eine Prinzessin war oder nicht. Besonders freute sie sich auf zwei Prachtexemplare, die erst heute als Willkommensgeschenk für sie aus dem Königshaus Aguilarez dem hiesigen Bestand hinzugefügt worden waren.

Selbst wenn es lächerlich war, hatte Gabi sich schon den ganzen Tag über gefragt, ob die edlen Tiere möglicherweise Heimweh hatten. Der unvermeidliche Pressefototermin mit ihren Geschenken hatte ihre Besorgnis eher verstärkt als beschwichtigt.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, schlich sie an der Küchentür vorbei und durch einen Seitenausgang in den gepflasterten Innenhof. Ein eisiger Hauch raubte ihr zunächst den Atem, doch dann sog sie geradezu begierig die schneeschwangere Nachtluft ein. Es war ein vertrauter Geruch und doch so anders als der in ihrer kanadischen Heimat.

Im Stall war es behaglich warm. Und sobald Gabi die beiden Neuankömmlinge gefunden hatte, die sie leise wiehernd begrüßten, fühlte sie sich regelrecht belebt. Sanft strich sie über die seidigen Nüstern der Tiere.

„Wenn ihr doch nur morgen zum Ball kommen könntet anstatt der asturischen Königsfamilie, die …“

Ein seltsames Geräusch ließ sie innehalten. Es hörte sich an wie Schritte und das Rascheln eines sperrigen Kleidungsstückes. Gabis Irritation verwandelte sich in Sekundenschnelle in echte Panik. Wer immer das sein mochte … zu dieser Zeit in diesem Aufzug im Stall erwischt zu werden brachte sie in jedem Fall in Erklärungsnot.

Instinktiv nutzte sie die nächstbeste Fluchtmöglichkeit, hechtete förmlich in eine der Boxen, landete bäuchlings im Stroh und blieb mit angehaltenem Atem lauschend liegen, während ihr Herz ganz oben im Hals schlug.

Cesar Asturias fluchte lautlos in sich hinein, während er mit ausholenden Schritten den Innenhof des Casavalle-Palastes überquerte. Nach einem weiteren Treffen von Vertretern beider Königshäuser hier vor Ort gestaltete sich die Sachlage immer verworrener und komplizierter. Wie es aussah, saß er in der Falle und sollte nun das ultimative Opfer bringen: eine politisch motivierte Ehe!

Der Diplomat in ihm akzeptierte das als Notwendigkeit, um das filigrane Bündnis zwischen Casavalle und Aguilarez zu festigen und nach außen zu demonstrieren, dass beide Königshäuser Gabriella Ross als rechtmäßige Königin akzeptierten.

Zumal die Heirat mit ihr quasi als Zweitnutzen auch Meribels unsägliches Verhalten ausbügeln und hoffentlich vergessen machen würde. Eine von beiden Königshäusern bereits im Kindesalter arrangierte Hochzeit in letzter Sekunde platzen zu lassen! Und das auch noch schwanger von einem anderen Mann und mit der Begründung, nur eine echte Liebesheirat eingehen zu wollen!

Nun war es an ihm, den Scherbenhaufen wieder zu einem Glanzstück der Diplomatie zusammenzufügen …

Also hatte er sich schließlich zähneknirschend bereit erklärt, dem für Gabriella Ross geplanten Ball am nächsten Tag beizuwohnen.

Operation königliche Vernunftehe zum Wohle aller! So hieß die aktuelle Devise.

Tatsächlich war es ein Feldzug, der sorgfältig geplant und vorbereitet werden musste. Und da Braut und Bräutigam heutzutage laut seinem Vater bedauerlicherweise nicht mehr zur Ehe gezwungen werden konnten, hatte dieser sich bemüßigt gefühlt, ihm noch einen weisen Rat mit auf den Weg zu geben. Umso mehr, als Gabriella Ross keine königliche Erziehung genossen hatte, auf die man zurückgreifen könne.

„Du musst vorsichtig und mit Bedacht vorgehen, Cesar. Am besten bringst du sie dazu, sich in dich zu verlieben.“

Seine Reaktion hatte keine Sekunde auf sich warten lassen und war eindeutig gewesen. „Das werde ich sicher nicht tun, sondern mich bemühen, sie mit Argumenten zu überzeugen. Aber ich muss alle Anwesenden bitten, sich diesbezüglich absolut herauszuhalten …“ Sein vielsagender Blick galt in erster Linie seinen Eltern sowie Königin Maria.

„Ich möchte nicht, dass Gabriella in irgendeiner Form unterwiesen, gezwungen oder überredet wird. Meribel hat uns allen gerade höchst wirkungsvoll vorgeführt, wie schief so etwas laufen kann. Ich werde alles Notwendige auf meine Weise tun.“

So lautete die allgemeine Vereinbarung schlussendlich, dass Königin Maria die geplante Verbindung weder ihren Söhnen noch Gabriella gegenüber erwähnen sollte.

Mit finsterer Miene und ebensolchen Gedanken strebte Cesar seinem Wagen zu, um so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Er stoppte aber ad hoc, als helles Wiehern aus Richtung der Stallungen ertönte.

Das war noch ein Punkt, der ihn maßlos ärgerte und tief getroffen hatte. In einer weiteren Geste guten Willens hatte man sich dahin verstiegen, Gabriella zwei Vollblutpferde zu schenken, von denen ihm eines besonders am Herzen lag. Doch seine Einwände waren fruchtlos verhallt.

„Wenn alles wie geplant läuft, gehen die Pferde ja ohnehin wieder in deinen Besitz über“, hatte sein Vater emotionslos angeführt.

Und seine Mutter hatte das, sichtlich verärgert, noch getoppt. „Sei nicht albern, Cesar. Du warst in den letzten Jahren kaum in Aguilarez und hast diese Pferde doch so gut wie nie zu Gesicht bekommen. Dann von Zuneigung zu sprechen …“

Da war es wieder, das unausgesprochene Motto derer von Aguilarez: Emotionen sind sinnlos und eher kontraproduktiv. Also gilt es, sie zu vermeiden oder zumindest nicht zu zeigen.

Das beste Beispiel war die Ehe seiner Eltern: eine kalte Vereinigung, aus der dennoch fünf Kinder hervorgegangen waren. Das Königspaar hatte einander die Treue gehalten. Aber Anzeichen von Intimität oder auch nur einfacher Zuneigung hatte Cesar nie feststellen können.

War es da ein Wunder, dass er sich schon in jungen Jahren gegen die Ehe und für ein problemloseres und weitaus vergnüglicheres Junggesellenleben entschieden hatte? Doch jetzt lag ein Schicksal vor ihm, das dem seiner Eltern ähnelte. Besonders frustrierend war, dass er die Notwendigkeit dieses Manövers sogar einsah.

Ein leises Wiehern durchbrach seine düsteren Gedanken. Zur Hölle! Das musste ein Zeichen sein. Er würde zu Ferron gehen und ihn begrüßen. Unsinnig oder nicht, er mochte diesen Satansbraten.

Als er den Pferdestall betrat, überfiel ihn das untrügliche Gefühl, dass er nicht allein war. Eine hastige Bewegung, ein scharfer Atemzug, das Rascheln von Stoff.

Cesar beeilte sich, Ferrons Box zu inspizieren, aber mit dem Hengst schien alles in Ordnung zu sein. Geräuschlos bewegte er sich in Richtung der benachbarten Box und stieß in höchster Alarmbereitschaft die Tür auf. Ein Pferdedieb oder Saboteur?

Auf jeden Fall versuchte er, sich im Stroh zu verbergen.

Cesar zog sein Handy aus der Tasche, richtete den Strahl der Taschenlampe auf die Gestalt am Boden – und blinzelte betroffen.

Vor ihm im Stroh lag eine der schönsten Frauen, die ihm je unter die Augen gekommen waren. Langes kastanienbraunes Haar, eine gerade, klassische Nase, hohe Wangenknochen. Und dazu diese schlanke und zugleich aufregend kurvige Figur, die selbst lässige Jeans und ein Oversized-Pullover nicht kaschieren konnten, aus dessen weiten Ärmeln auch noch die karierten Manschetten eines Flanellpyjamas hervorlugten.

Jetzt galt es allein eine Frage zu klären: Warum versteckte sich Gabriella Ross, Kronprinzessin von Casavalle und, wie es aussah, seine zukünftige Braut, vor ihm in einem Strohbett?

2. KAPITEL

Gabi beschattete ihre Augen mit der Hand vor dem aufdringlichen Lichtstrahl, und sofort lenkte der Eindringling ihn gen Boden.

Wie dumm von mir und wie demütigend! Was, um alles in der Welt, hat mich geritten, in einer Pferdebox Zuflucht zu suchen?

Auch wenn es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein schien, musste sie jetzt wenigstens versuchen, einen Rest Würde zu wahren beziehungsweise wiederzuerlangen! Als sie zu dem Mann aufsah, beugte er sich zu ihr und streckte eine Hand aus.

„Darf ich Ihnen aufhelfen, Königliche Hoheit?“

Na super! Er hatte sie erkannt. Damit war jede Hoffnung, sich als übermüdetes Stallpersonal auszugeben, dahin.

„Danke …“, murmelte sie und akzeptierte lieber die angebotene Hilfe, als womöglich noch ungeschickt auf die Füße zu kommen. Seine Hand umfasste ihre. Der Griff war kühl und fest, und sobald sie sicher stand, gab er sie frei.

Neugierig musterte sie sein im Schatten liegendes Gesicht. Selbst im schwachen Schein der Handylampe bemerkte sie die ausdrucksvollen Gesichtszüge und das amüsierte Lächeln. Dunkles, kurzes Haar, ein markantes Kinn und eine beeindruckende Körpergröße. Der elegante graue Wollmantel betonte die breiten Schultern. Gabis Interesse war geweckt … wider Willen!

Etwas verspätet fragte sie sich, ob sie Angst haben müsste, da sie den Mann noch nie in den Stallungen gesehen hatte. Aber vielleicht gehörte er ebenfalls zu dem ausgefallenen Geschenk und sollte sich um die beiden kostbaren Pferde Ferron und Arya kümmern. Nur seltsam, dass er ihr auf den zweiten Blick vage vertraut vorkam …

Lieber Himmel! Müsste sie ihn kennen und erinnerte sich nur nicht? Sie war in den letzten Wochen so vielen Menschen vorgestellt worden, dass es fast unmöglich war, sich an alle zu erinnern, obwohl sie es wirklich versuchte.

Aber wenn sie es recht bedachte, wirkte er nicht wie ein Pferdepfleger.

„Noch einmal danke. Ehrlich gesagt ist mir die Situation ziemlich unangenehm …“ Sie wies mit dem Kinn in Richtung des Strohhaufens. „Es mag albern klingen, aber ich dachte, die Pferde könnten sich hier fremd fühlen, weshalb ich kurz nach ihnen sehen wollte.“

Er lächelte und nickte. „Das ergibt Sinn oder ist zumindest eine sympathische Geste, aber …“ Jetzt wies er mit seinem markanten Kinn in dieselbe Richtung wie sie gerade. „Aber warum das Strohlager?“

„Ich … Sie haben mich erschreckt. Ich bin nur in Deckung gegangen“, erklärte Gabi und versuchte, einigermaßen hoheitsvoll zu klingen. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass um diese Zeit jemand nach den Pferden schaut, und wollte Sie nicht bei Ihrer Arbeit stören. Lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten.“

Ein Ausdruck, den Gabi nicht deuten konnte, huschte über sein Gesicht. Dann trat er einen Schritt zurück und verbeugte sich leicht. „Ma’am, Sie müssen sich weder erklären noch entschuldigen. Ferron und Arya wissen Ihre Fürsorge sicher zu schätzen.“

„Und ich bin sicher, dass die beiden Ihnen ebenso am Herzen gelegen haben“, erwiderte sie spontan. „Waren Sie …“

„Ja, ich war für sie verantwortlich und bin nur hier, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht und sie kein Heimweh haben, wie Sie es ebenfalls befürchteten. Aber bevor ich nach Aguilarez zurückkehre …“ Cesar zögerte. „Wir könnten einen Mondscheinausritt unternehmen, damit Sie die beiden besser kennenlernen.“

Jetzt sollte sie vermutlich zögern. Für Gabi hörte sich der Vorschlag himmlisch an, aber durften Prinzessinnen derart ungewöhnliche Ausflüge überhaupt unternehmen? Wenn sie doch nur besser mit der Hofetikette vertraut wäre!

Andererseits … was für ein Abenteuer! Und genau die Art von Abwechslung und Entspannung, nach der sie sich sehnte.

Außerdem gehörte dieser Mann zum Palastpersonal des Königshauses Aguilarez, liebte offensichtlich die Pferde und hoffte wahrscheinlich auf die Chance zu einem letzten Ausritt. So gesehen wäre es ein Akt der Freundlichkeit und Kulanz von ihrer Seite. Außerdem ritten Könige doch öfter mit Gefolge aus, und auf diese Weise erfuhr sie möglicherweise noch vor dem Ball etwas mehr über die Königsfamilie Asturias im Allgemeinen und Prinz Cesar im Besonderen.

„Danke für das Angebot. Ein Ausritt würde mir sicher guttun, wenn Sie nicht gleich zurückmüssen?“

„Nein, aber die Nachtluft ist ziemlich kalt. Wenn es nicht zu anmaßend ist, würde ich Ihnen gern meinen Mantel anbieten.“

„Und was ist mit Ihnen?“

„Ich bin hier aufgewachsen und diese Temperaturen gewohnt, Ma’am. Mein Pullover hält mich warm genug.“ Er zog seinen Mantel aus und reichte ihn ihr mit einem Lächeln, das ihr Herz plötzlich ganz oben im Hals schlagen ließ.

„Danke, obwohl ich bestimmt lächerlich …“ Sie brach ab, als ihr einfiel, dass kaum etwas noch lächerlicher wirken konnte als die Pyjama-Ärmel und – Hosenbeine, die unter ihrer Jeans und dem Sweatshirt hervorlugten.

„Dann sattle ich die beiden.“

„Das machen wir zusammen“, entschied Gabi. „Wen möchten Sie reiten? Ferron, nehme ich an?“ Schließlich war er zuerst zu dem Hengst gegangen.

„Wenn es Ihnen recht ist, gern.“

Gabi nickte und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er den Hengst sattelte. Seine Bewegungen waren flüssig und sicher. Die gutturalen, fast zärtlichen Laute und sanften Berührungen, die er dabei benutzte, ließen auf eine große Vertrautheit mit dem Tier schließen.

Kurz darauf führten sie die Pferde aus dem Stall und saßen auf.

„Wohin?“, fragte er.

„Durch die Wälder?“

„Gern“, kam es zurück, während er den Hengst mit Schenkeldruck in die angegebene Richtung lenkte.

Erst hier, im hellen Mondschein, fielen ihr seine gepflegten Hände und die definitiv kostspielige Kleidung auf.

„Arbeiten Sie schon lange für die Königsfamilie?“, erkundigte sie sich.

„Mein ganzes Leben. Man könnte sagen, es ist eine Familientradition.“

Gabi glaubte, einen Hauch von Ironie zu hören. Aber vielleicht irrte sie sich auch. „Bedauern Sie das?“

„Überhaupt nicht, es ist nur manchmal schwierig, ein bereits vorherbestimmtes Leben zu führen.“

„Mir hat das gefallen“, gestand sie spontan. „Ich meine mein altes Leben.“

„Sie haben in einem Buchladen in Kanada gearbeitet?“

Ihr Lachen war leise und wehmütig. „Oh, es war viel mehr als das! Meinem Onkel und meiner Tante gehörte dieser Buchladen, und ich habe ihn nach ihrem Tod geerbt.“

Sie war Peter und Bea, die innerhalb weniger Monate gestorben waren, so dankbar dafür gewesen, dass sie ihren eigenen Traum geopfert und sie an Kindesstelle angenommen hatten. Ohne die beiden hätte sie ganz allein auf der Welt gestanden.

Autor

Nina Milne
<p>Nina Milne hat schon immer davon geträumt, für Harlequin zu schreiben – seit sie als Kind Bibliothekarin spielte mit den Stapeln von Harlequin-Liebesromanen, die ihrer Mutter gehörten. Auf dem Weg zu diesem Traumziel erlangte Nina einen Abschluss im Studium der englischen Sprache und Literatur, einen Helden ganz für sich allein,...
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