Verführerisch heiße Winterträume

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Natürlich glaubt Hochzeitsplanerin Aerin an die große Liebe, leider ist sie immer noch Single. Um nicht solo auf ihrem Klassentreffen in Schottland zu erscheinen, bittet sie Drake Cawthorn, sie zu begleiten. Als Scheidungsanwalt, der Liebe schon aus Berufsgründen für eine Illusion hält, steht er allerdings auf ihrer Kandidatenliste ganz weit unten. Doch dann werden sie in ihrem Cottage von einem Schneesturm überrascht. Und plötzlich fühlt Aerin, wie sehr ihr Herz sich nach Drakes Berührungen sehnt …


  • Erscheinungstag 14.11.2023
  • Bandnummer 2622
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518918
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Aerin sah ihn, bevor er sie sah.

Drake Cawthorn stand auf der anderen Straßenseite der belebten Londoner Kreuzung und schaute auf sein Telefon, während er auf Grün wartete. Sie nahm sich einen Moment Zeit, ihn heimlich zu beobachten, und ein kleiner Schauer lief über ihren Rücken.

Drake überragte alle anderen in der Menge, mit Haaren so schwarz und glatt wie die Flügel eines Raben und einer Nase, die aussah, als wäre sie einmal gebrochen.

Er trug einen dunkelblauen Anzug und ein strahlend weißes Hemd, das seine olivfarbene Haut betonte. Seine Krawatte war blau kariert, saß aber am Hals locker, als hätte er irgendwann im Laufe des Tages ungeduldig daran gezogen und sich nicht die Mühe gemacht, sie wieder zu richten.

Ohne diese Nase und die gezackte Narbe in seiner linken Augenbraue stünde er auf ihrer Checkliste für Mr. Perfect auf Nummer eins beim Punkt „groß, dunkelhaarig und gutaussehend“.

Das Fußgängersignal piepte. Drake sah von seinem Telefon auf, und sein Blick traf Aerins. Obwohl sie mehrere Meter entfernt stand, durchfuhr sie sein bodenloser Blick aus tiefbraunen Augen wie ein Blitz.

Jedes. Einzelne. Mal.

Weshalb sie ihm aus dem Weg ging, es sei denn, sie hatte absolut keine andere Wahl. Er war der prominente Anwalt, spezialisiert auf bombensichere Eheverträge, den sie und ihre Geschäftspartnerinnen ihren Kunden im Rahmen der Hochzeitsplanung von Zeit zu Zeit empfahlen.

Aber Aerin war nicht wegen einer geschäftlichen Angelegenheit hier – sie schickte ihm lieber eine E-Mail oder SMS, um ihn über den Wunsch eines Kunden zu informieren.

Dieser Besuch war persönlich. Peinlich und zutiefst persönlich. Aerin hatte Drake seit Monaten nicht mehr getroffen, und normalerweise war ihr das auch ganz recht so. Sie beherrschte die Fähigkeit perfekt, Abstand zu ihm zu halten.

Sie fand seine unglaubliche Männlichkeit ein bisschen zu … beunruhigend und sein süffisantes Lächeln und diese dunklen Schokoladenaugen ein bisschen zu spöttisch. Außerdem passte sein Zynismus nicht zu einer hoffnungslosen Romantikerin, wie sie eine war.

Jetzt überquerte Drake mit langen geschmeidigen Schritten die Kreuzung und bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge, bis er ihre Straßenseite erreichte.

Ihre Füße klebten plötzlich am Boden. Ihr Herz veranstaltete eine komplizierte Gymnastikübung in ihrer Brust, und ihre Wangen fühlten sich heiß genug an, um den Asphalt zu schmelzen.

„Hallo, Goldlöckchen. Bist du auf dem Weg zu mir?“ Sein Ton war so sanft und neckend wie sein Lächeln.

Aerin hätte gerne Nein gesagt. Aber da sie vor seinem Bürogebäude stand, konnte sie kaum leugnen, dass sie gekommen war, um ihn zu sehen. Ein- oder zweimal war sie schon vorbeigelaufen, weil sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie reingehen oder in der Menge untertauchen sollte, bevor sie sich vollständig zum Narren machte. Und dann noch ein weiteres Mal, um ihren ganzen Mut zu sammeln, ihm zu begegnen.

Aber ihr blieben nur noch fünf Tage Zeit, eine Begleitung für ihr Klassentreffen zu finden. Wenn sie ohne Date dort erschien, musste sie die Peinlichkeit ertragen, die Letzte ihrer Schulfreundinnen zu sein, die noch Single war.

Mit jedem Jahr, das verging, wurde sie für ihre Schulfreundinnen immer mehr zu einer Ausgestoßenen. Die einzige Alleinstehende. Die einzige Jungfrau. Die mitleidigen Blicke wurden von Jahr zu Jahr schlimmer.

Sie wusste, dass sie sich das nicht einbildete. Das heimliche Geflüster, die Spekulationen über ihren Singlestatus, die gezielten Fragen und die Blicke auf ihre ringlose linke Hand, während bei jeder ihrer Freundinnen so prachtvolle Diamanten an den Ringfingern blitzten, dass man sie garantiert aus dem Weltraum sehen konnte.

Manchmal fragte sie sich, ob ihr Traum, ihren eigenen Mr. Perfect zu finden, vielleicht ein bisschen … nun ja, realitätsfern war. Es war heutzutage ziemlich schwierig, jemanden kennenzulernen, und sie würde keine dieser Social-Media-Apps herunterladen, es sei denn, die Situation würde unerträglich werden.

Na ja, noch unerträglicher, als sie ohnehin schon war. Sie war fast dreißig und noch nie geküsst worden.

Aber sie glaubte an die wahre Liebe.

Sie war ihr Ziel, ihre Hoffnung.

Ganz bestimmt gab es irgendwo auf der Welt ihren perfekten Seelenpartner. Sie musste ihn nur finden.

Aerin warf Drake einen gespielt finsteren Blick zu. „Ich wünschte, du würdest aufhören, mich so zu nennen.“

Sein breites Grinsen ließ seine Augen funkeln und feine Linien in den Augenwinkeln aufblitzen. „Ich nenne dich so, seit du eine Zahnspange und Pickel am Kinn hattest. Ich muss sagen, du hast dich mit dem Alter sehr verbessert.“

Als Freund ihres älteren Bruders war Drake ein regelmäßiger Gast in ihrem Elternhaus gewesen. Jahrelang war er einfach nur Toms Freund Drake Cawthorn gewesen, den sie kaum beachtet hatte. Aber als sie die Pubertät erreichte, wurde sie sich seiner zunehmend bewusst, so wie es jeder jungen Frau bei einem gutaussehenden und charmanten Mann geschah.

Glücklicherweise hatte sie sich nie blamiert, indem sie Interesse an ihm gezeigt hätte. Nicht, dass ein Playboy wie er sich jemals für jemanden interessieren würde, der so bodenständig und konservativ war wie sie.

„Bitte erinnere mich nicht daran, dass ich im Januar dreißig werde.“

Drakes Augen weiteten sich, als wäre er überrascht. „Auf keinen Fall. Hast du etwas geplant? Eine große Party?“

Aerin konnte spüren, wie Röte in ihre Wangen stieg, heiß genug, um zur globalen Erwärmung beizutragen. Was gab es zu feiern, wenn sie mit dreißig keinen Partner hatte, noch nie einen Partner gehabt hatte und noch nicht einmal geküsst worden war?

Ihr Traum, Mr. Perfect vor ihrem dreißigsten Geburtstag zu finden, wurde langsam zu einem Albtraum. Ihre biologische Uhr tickte laut genug, um einen ganzen Friedhof voller Leichen aufzuwecken. Sie wandte ihren Blick von ihm ab und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht. Vielleicht.“

Er deutete mit dem Kopf in Richtung seines Büros. „Wolltest du mich wegen eines Kunden sprechen? Ich habe eine Stunde Zeit, dann muss ich bei einem Gerichtstermin sein.“

Aerin verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und richtete den Riemen ihrer Handtasche über ihrer linken Schulter neu aus. Während der ganzen Zeit spürte sie seinen festen Blick. „Äh … ich will dich nicht stören, wenn du beschäftigt bist …“

„Für dich habe ich immer Zeit. Außerdem schickst du mir eine Menge Klienten.“ Seine Augen funkelten wieder, und er fügte hinzu: „Ich habe gehört, eine deiner Geschäftspartnerinnen hat sich mit Jack Livingstone verlobt. Werden sie auch wegen eines Ehevertrags zu mir kommen?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

Oje. Bei Jacks Vermögen könnte das eine chaotische Scheidung werden.“

Um ihren Ärger über seinen Zynismus zu verbergen, lächelte Aerin steif. „Ich glaube nicht, dass Harper und Jack sich jemals scheiden lassen werden. Sie sind zu verliebt, und außerdem müssen sie an Baby Marli denken.“

Drake zuckte mit einer unglaublich breiten Schulter. „Jeder ist verliebt, bis er es nicht mehr ist.“

„Warst du jemals verliebt?“ Die Frage war heraus, bevor sie die Notbremse ziehen konnte.

„Nein. Und du?“

Ihre Wangen wurden wieder heiß, und sie konnte seinem Blick nicht standhalten. Ein Beziehungszyniker wie Drake würde sich über ihre Suche nach der Liebe ihres Lebens nur lustig machen. Aber es war kein Geheimnis, dass sie nicht nur auf den Richtigen, sondern auf Mr. Perfect wartete. „Nein, aber eines Tages würde ich mich gerne verlieben.“

Es gab eine kurze, aber bedeutsame Stille. Sogar die Geräusche von Fußgängern und lebhaftem Verkehr schienen in den Hintergrund zu treten.

„Warum wolltest du mich sprechen?“, fragte Drake und blickte mit einem kleinen Stirnrunzeln zwischen den Augenbrauen auf sie herunter.

Aerin kaute an einer Seite ihrer Unterlippe. „Es war nicht wichtig.“ Sie wollte einen Schritt zurücktreten, aber er streckte die Hand aus und legte ihr seine starke gebräunte Hand auf den Unterarm. Ihr Kaschmirmantel reichte nicht aus, um die Wärme seiner Berührung abzuhalten.

Sie konnte sich nicht erinnern, dass er sie jemals berührt hatte – jedenfalls nicht, seit er ihr als Kind neckend die Haare zerzaust hatte. Ihr Blick traf auf seinen, und ein weiterer Blitz durchfuhr sie.

Hastig nahm er die Hand von ihrem Arm, als hätte er den gleichen Energiestrom gespürt. Das Stirnrunzeln über seinen dunkelbraunen Augen vertiefte sich.

„Ist alles in Ordnung?“ Seine Stimme war leise, ein tiefer, rauer Klang, der einen weiteren Schauer über ihren Rücken sandte.

Aerin schluckte schwer und schenkte ihm ein angestrengtes Lächeln. „Können wir vielleicht irgendwo etwas privater reden?“

„Natürlich.“

Er ging voran zum Eingang seines Bürogebäudes. Während Aerin ihm folgte, fragte sie sich, ob sie den Verstand verloren hatte. Wie konnte sie auch nur in Erwägung ziehen, ihn zu fragen, ob er als Begleitung mit zu ihrem Klassentreffen kommen würde?

Doch wen konnte sie sonst fragen? Sie brauchte jemanden, der am nächsten Wochenende bei dem Klassentreffen in Schottland überzeugend ihren Partner spielte, und sie wollte keinen Fremden mitnehmen oder jemanden von einer Dating-App.

Drake war der erfahrenste Mann, der ihr einfiel, und noch besser, er kannte sie seit Jahren. Er war perfekt … na ja, laut ihrer Seelenverwandten-Checkliste nicht hundertprozentig perfekt, aber gut genug, um sie über die Ziellinie zu bringen.

Sie konnte nicht noch einmal die Peinlichkeit ertragen, die einzige alleinstehende Person bei ihrem Treffen zu sein – dem letzten Wiedersehen, bevor eins der Mädchen mit ihrem Ehemann nach Australien auswanderte.

Wenn Aerin nicht auftauchte, würden alle annehmen, dass sie sich schämte, immer noch Single zu sein. Sie musste hingehen, und sie musste einen Partner mitnehmen. Das war der Plan.

„Mein Büro ist im obersten Stockwerk“, erklärte Drake und ging durch das mit Marmor ausgelegte Foyer zielstrebig an den vier Aufzügen vorbei.

Sie warf ihm einen entsetzten Seitenblick zu. „Du erwartest doch nicht, dass ich fünfzig Treppen zu Fuß hochgehe?“

Er verzog den Mund zu seinem typischen Lächeln, leicht arrogant und abschätzig, das jedes Mal ihren Magen zum Stolpern brachte. „Ich habe hier hinten meinen eigenen Fahrstuhl.“

Mit der Schulter öffnete er eine Tür und bedeutete ihr einzutreten, während er sie aufhielt. Als sie an seiner großen und schlanken, athletischen Gestalt vorbeiging, fing sie einen verführerischen Hauch seines Aftershaves nach Zitronen und Limetten auf.

Mit einem lauten Knall schloss sich hinter ihm die Tür, und Drake führte sie zu einem Fahrstuhl mit der Aufschrift Privat. Er nahm eine Karte aus seiner Hosentasche und hielt sie gegen den Sensor. Als sich die Türen ruckartig öffneten, legte er seinen muskulösen Arm gegen die Fahrstuhltür und sagte: „Nach dir.“

Aerin betrat den Aufzug, und er folgte ihr hinein. Leise schlossen sich hinter ihm die Türen. Das Gefühl, alleine mit Drake Cawthorn auf engstem Raum eingeschlossen zu sein, ließ ihren Herzschlag in die Höhe schnellen.

Der Aufzug war an drei Seiten verspiegelt. Als ihr Blick auf ihr gerötetes Gesicht fiel, zuckte sie innerlich zusammen. Warum musste sie sich in seiner Nähe immer wie ein unbeholfener Teenager verhalten?

Lag es daran, dass er der Inbegriff des kultivierten Stadtmenschen war? Ein Selfmademilliardär und Playboy, dem Frauen aus aller Welt nachjagten? Aber sie war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, kein unbeholfener Teenager.

Nun … eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die Single war und es hasste. Sie liebte den Erfolg, nicht das Singledasein.

Als der Aufzug Drakes Etage erreichte, ertönte ein Klingeln. Die Türen öffneten sich.

„Hier entlang“, sagte er, und sie folgte ihm einen breiten, mit Plüschteppichen ausgelegten Korridor entlang, vorbei an einem Empfangsbereich, wo eine Frau mittleren Alters auf einem Computer tippte.

Aerin war sich ziemlich sicher, dass es sich um dieselbe Frau handelte, mit der sie schon einige Male gesprochen hatte, um Termine für Kunden zu vereinbaren.

„Halten Sie meine Anrufe bitte zurück, Cathleen“, sagte Drake.

Cathleens Begrüßungslächeln war freundlich, aber Aerin war sich nicht sicher, ob sie sie erkannte oder nicht. „Wird gemacht.“

Drake führte Aerin zu einer Tür mit seinem Namen auf einem schlichten Schild. Er öffnete die Tür und lächelte sie kurz an, um ihr zu signalisieren, dass sie eintreten sollte. Sie trat über die Schwelle und schaute sich in dem ordentlichen, aber zurückhaltend eingerichteten Büro um.

An der Wand links von seinem großen Holzschreibtisch hingen Drakes gerahmte Qualifikationen. Sie vermutete, dass er sie nur aufgehängt hatte, um seinen Klienten zu zeigen, dass er mehr als qualifiziert war, und nicht aus Stolz auf seine eigenen Leistungen.

Sie wusste, dass Drake seinen Abschluss mit Auszeichnung gemacht und den Universitätspreis gewonnen hatte, aber das hatte sie von ihrem Bruder gehört, nicht von Drake.

An den anderen Wänden gab es eine Auswahl an Kunstwerken – geschmackvolle Landschaftsgemälde, nichts Übertriebenes –, und die Fenster boten einen spektakulären Blick über die Themse und die Tower Bridge.

„Nimm Platz. Möchtest du einen Kaffee oder Tee?“ Drake streifte seinen Mantel ab und hängte ihn in einen Schrank neben seinem Schreibtisch.

„Nein danke. Ich habe erst vorhin einen Kaffee getrunken.“ Eigentlich hatte sie sogar drei Tassen getrunken, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ihr Puls so raste und ihr Herz hämmerte. Angetrunkener Mut war nie eine gute Idee, auch wenn es nur Koffein war.

Oder brachte der Gedanke, Drake Cawthorn um diesen Gefallen zu bitten, ihren Herzrhythmus so aus dem Gleichgewicht?

Aerin setzte sich. Sie wusste, dass er zu höflich war, selbst Platz zu nehmen, bevor sie saß. Ihre Tasche stellte sie auf den Schoß und legte ihre Hände darauf, damit sie nicht zu Boden rutschte.

Drake setzte sich in seinen Bürostuhl und rückte ihn näher an den Schreibtisch. Seine Unterarme ruhten auf der polierten Oberfläche, die Finger waren locker verschränkt.

Langsam wanderte Aerins Blick zu diesen langen gebräunten Fingern. Wie würde es sich anfühlen, wenn sie über ihre Haut gleiten würden? Sie versuchte erfolglos, ein leichtes Zittern zu unterdrücken.

Warum dachte sie plötzlich daran, dass seine Hände sie berührten? Er war nicht der Typ Mann, mit dem sie jemals eine Zukunft aufbauen konnte. Er war zu weltgewandt, zu zynisch.

„Ist dir kalt? Wenn du möchtest, kann ich die Heizung aufdrehen.“

„Nein, mir geht es gut …“ Sie leckte sich über die Lippen und zwang sich zu einem Lächeln. Doch sie war sich der glühenden Wärme in ihren Wangen bewusst. „Ich muss dich um … einen Gefallen bitten.“

Er hob seine von der Narbe unterbrochene Augenbraue. Sein scharfer, intelligenter Blick hielt ihren fest. „Schieß los.“

Aerin hielt ihre Tasche etwas fester. Das Herz schlug wild in ihrer Brust. „An diesem Wochenende habe ich ein Klassentreffen in einem abgelegenen Dorf in Schottland, eine Stunde außerhalb von Edinburgh, in der Nähe unseres alten Internats, und ich … ich habe niemanden, den ich mitnehmen kann.“

Drake hob die Arme von seinem Schreibtisch und lehnte sich mit unlesbarem Gesichtsausdruck in seinem Stuhl zurück. „Warum gehst du nicht alleine?“

Eine weitere Hitzewelle explodierte in ihren Wangen. „Seit zwölf Jahren treffe ich mich einmal im Jahr kurz vor Weihnachten mit meinen Schulfreundinnen, und bis jetzt bin ich immer alleine hingegangen.

In den ersten Jahren war es nicht so schlimm, weil auch einige der anderen Mädchen Single waren. Aber inzwischen bin ich die Einzige ohne Partner. Ich kann es nicht noch einmal ertragen, ohne ein Date hinzugehen. Es ist so demütigend, der letzte Single zu sein. Sie werden den ganzen Abend lang Witze darüber machen. Sie haben mich schon letztes Mal so verspottet, dass ich dachte, ich würde vor Scham sterben.“

„Warum gehst du dann überhaupt hin, wenn sie dir nur das Leben schwer machen?“

Geistesabwesend spielte Aerin mit der silbernen Schnalle ihrer Tasche. Sein Blick wanderte zu ihren Fingern, und sie zwang sich, ihre nervösen Bewegungen zu stoppen. Sie hatte das Gefühl, dass er sie las, sie analysierte, jede Nuance ihres Gesichtsausdrucks beobachtete, und sie fühlte sich entblößt und schrecklich naiv.

Er war nur sieben Jahre älter als sie, aber in Bezug auf Erfahrung war es eher ein Jahrhundert. Eine Ewigkeit.

„Zwölf Jahre lang haben wir uns getroffen, und keine von uns hat jemals abgesagt. Ich will nicht diejenige sein, die das kaputtmacht. Außerdem, wenn ich nicht auftauche, werden sowieso alle annehmen, dass es mir peinlich ist, immer noch Single zu sein. Darum muss ich jemanden finden, der mit mir hingeht. Ich habe mit Harper gesprochen, und sie hat vorgeschlagen, dass ich dich frage, weil du mich schon lange kennst. Entweder du kommst mit, oder ich nehme mir für einen Abend einen bezahlten Begleiter.“

Drake sprang von seinem Stuhl auf, sein Gesicht war vor Ärger verzerrt. „Das wirst du nicht tun.“

Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sein Befehlston sie geärgert, aber aus irgendeinem seltsamen Grund war es jetzt nicht so.

Sie sah ihn hoffnungsvoll an. „Also bedeutet das, du wirst mein Date für den Abend sein?“

Drake fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und lockerte dann seine Krawatte noch weiter. Er schaute sie finster an. Sein Mund war zu einer festen Linie zusammengepresst. „Abend? Ich dachte, du hättest gesagt, es wäre ein Wochenende?“

„Schon, aber du brauchst nur am Freitagabend beim Essen dabei zu sein. Ich werde allen sagen, dass du wegen deiner Arbeit oder so zurückfliegen musst.“

Weiterhin hielt er ihren Blick mit unerschütterlicher Intensität fest. „Also, was hast du vor, ihnen zu erzählen … über unsere … Beziehung?“

„Ich werde ihnen sagen, dass wir uns unsterblich verliebt haben und …“

Er hob die rechte Hand wie ein Stoppschild, und seine Gesichtszüge verzogen sich angewidert. „Wow, Goldlöckchen. Nichts für ungut, aber ich bin nicht der Typ, der sich Hals über Kopf verliebt. Warum können wir nicht einfach sagen, wir haben eine Affäre?“

Aerin bewegte ihre Lippen hin und her. „Weil ich nicht der Typ Mädchen bin, der eine Affäre hat.“

„Du musst schon viele Affären gehabt haben, du bist fast dreißig.“

Es herrschte eine so intensive Stille, dass Aerin das Knarren ihres Stuhls hören konnte, als sie ihre Position veränderte. Langsam blickte sie zu ihm auf. Schock und Überraschung zeigten sich in seinem Gesicht, als es ihm dämmerte.

„Willst du mir sagen, dass du noch Jungfrau bist?“

Das Wort schien von den vier Wänden des Raumes abzuprallen. Musste er es so … so schockierend klingen lassen? Eine Menge Menschen lebten aus unterschiedlichsten Gründen enthaltsam.

Als sie aufstand, ließ Aerin ihre Tasche zu Boden rutschen. „Ja, ich weiß, es ist ein bisschen ungewöhnlich. Aber das ist der Grund, aus dem ich an diesem Wochenende ein Date brauche. Sie machen sich seit Jahren wegen meiner Jungfräulichkeit über mich lustig.“

„Gibt es einen Grund, warum du nicht …?“

Aerin seufzte. „Ja. Ich warte darauf, dass mein Seelenverwandter auftaucht. Ich möchte mich nicht an jemanden wegwerfen, der nicht versteht, was das für mich bedeutet. Ich will, dass mein erstes Mal perfekt ist.“

Drake ging zu den Fenstern hinüber, stützte die Hände in die schmalen Hüften und betrachtete die Aussicht. Ihr war noch nie aufgefallen, wie breit sein Rücken und seine Schultern von hinten waren. Sie verjüngten sich zu schlanken Hüften und einem knackigen Po und langen, schlanken Beinen.

Plötzlich merkte sie, dass sie in Gedanken begann, ihn auszuziehen. Schon wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag. Sie konnte sich vorstellen, dass er mit nichts als seiner olivfarbenen Haut wunderbar sexy aussehen würde. Wie würde es sich anfühlen, die Hände über seine nackte Haut gleiten zu lassen?

Sie war schockiert über ihre eigensinnigen Gedanken und fragte sich, warum sie ihr ausgerechnet jetzt in den Sinn kamen. Sie war an ihm nur als vorgetäuschtes Date interessiert, nicht als echtes.

Es dauerte einen oder zwei Augenblicke, bis Drake sich wieder umwandte und sie anschaute. Die hinter ihm einfallende Nachmittagssonne ließ seine Züge im Schatten liegen und gab ihm ein noch verwegeneres Aussehen.

„Schau, Aerin, ich fühle mich wirklich geschmeichelt, dass du mich gefragt hast, aber …“

„Bitte sag nicht Nein, Drake. Ich bin ehrlich verzweifelt. Ich kann nicht alleine hingehen, nicht in diesem Jahr. Es ist das letzte Jahr, in dem wir alle zusammen sind, weil eines der Mädchen mit ihrem Mann nach Australien zieht.“ Aerin war es egal, dass sie bettelte. „Wir müssen es niemandem erzählen. Nicht einmal Tom muss es wissen, erst recht nicht meine Eltern. Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn sie nichts davon wissen.“

Drake trat hinter den Schreibtisch, setzte sich aber nicht. Stattdessen stand er da und griff nach der Lehne seines Stuhls. Seine Fingerknöchel hoben sich weiß vom Leder ab. „Wird die Presse dort sein?“

„Nein, es ist eine private Veranstaltung.“

„Aber zweifellos werden du und deine Freunde Fotos auf Social Media posten.“

Aerin versuchte, nicht daran zu denken, wie viele Follower einige ihrer sogenannten Influencer-Freundinnen hatten. Als sie zum letzten Mal nachgeschaut hatte, waren es Hunderttausende gewesen.

„Ich werde ihnen sagen, dass sie keine Fotos von uns posten sollen. Ich sage ihnen, wir wollen unsere Beziehung noch eine Weile vor meiner Familie geheim halten. Ich bin sicher, sie werden mitmachen.“

Drake stieß einen langen Seufzer aus und nahm seine Hände von der Stuhllehne. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Richtige für den Job bin.“ Er schüttelte den Kopf, als könnte er immer noch nicht glauben, dass sie ihn gefragt hatte. „Alles Mögliche daran passt nicht.“

Enttäuscht biss sie sich auf die Unterlippe. „Es ist nur ein Abend. Du musst nichts tun, außer dich als mein Partner auszugeben. Ich bitte dich doch nicht, wirklich eine Beziehung mit mir zu haben.“

„Ich habe nicht vor, mit irgendjemandem eine Beziehung zu haben.“ Drake nahm wieder seinen Platz ein und legte ein Bein lässig über das Knie. Sein Blick hielt ihren fest, und sie kämpfte gegen den Drang an, nervös auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. Seine Gesichtszüge verrieten nichts über seine Gedanken.

„Weil du Angst hast, jemanden zu lieben? Um nicht verletzt zu werden?“, wagte sie zu fragen.

Er hörte auf, mit den Fingern gegen sein Bein zu trommeln, und irgendetwas flackerte plötzlich in seinen Augen auf – so schnell wie das Klicken eines Kameraverschlusses. Aber dann verzogen sich seine Lippen zu einem spöttischen Lächeln. „Menschen können dich immer verletzen, ganz egal, ob du sie liebst oder nicht.“

„Wahrscheinlich hast du recht …“

Er rollte den Stuhl zurück zum Schreibtisch. „Also gut. Ich mache mit. Aber nur, weil ich nicht will, dass du dich mit jemandem einlässt, der dich vielleicht ausnutzt.“

Erleichtert atmete Aerin auf. „Oh, vielen Dank. Bei dem Gedanken, jemanden zu engagieren oder einen Fremden mitzunehmen und mit ihm ein Zimmer teilen zu müssen, habe ich mich auch gar nicht wohlgefühlt.“

Es folgte ein langes Schweigen.

„Aber du würdest dich wohlfühlen, mit mir ein Zimmer zu teilen?“ Sein Ton war neckend, das Funkeln in seinen Augen noch mehr.

Aerin versuchte, das winzige Flattern in ihrem Magen zu ignorieren. Versuchte, ihren plötzlich rasenden Puls und das Stocken ihres Atems zu ignorieren. „Ich bin sicher, du wirst ein perfekter Gentleman sein.“

Seine vernarbte Augenbraue hob sich wieder zu einem zynischen Bogen. „Ich? Perfekt?“ Er stieß ein tiefes, amüsiertes Lachen aus und fügte hinzu: „Ich glaube kaum.“

Sein Blick wanderte für einen winzigen Moment zu ihrem Mund. Plötzlich war die Atmosphäre im Büro von einer nervenaufreibenden Energie erfüllt. Sein Blick kehrte zu ihrem zurück. Erst als sie den Atem ausstieß, merkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte.

Bestimmt war das der Grund, warum sie ein wenig benommen war. Nicht, weil er sie mit diesen dunklen Augen ansah.

„Ich … ich gehe jetzt besser …“ Aerin hob ihre Tasche vom Boden auf und legte den Riemen über ihre Schulter. „Ich buche die Flüge und melde mich wegen der Details bei dir. Die Kleidung für das Abendessen ist formell. Ich weiß, das wirkt ein bisschen übertrieben, aber wir haben es immer so gemacht.“

Nervöser, als sie angesichts seiner verführerischen Anwesenheit zugeben wollte, wandte sie sich zur Tür. Noch nie zuvor war sie so lange mit ihm alleine gewesen. Wie sollte sie ein ganzes Wochenende überstehen?

„Aerin.“ Seine tiefe Stimme hielt sie auf. Er hatte sie jahrelang Goldlöckchen genannt. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ihren Namen von seinen Lippen gehört hatte.

Sie drehte sich um und sah ihn an, während sie ihre Tasche eng an sich drückte. „Ja?“

Seine dunklen Augen hielten ihre für einen herzzerreißenden Moment fest. Sein Gesichtsausdruck wirkte ungewöhnlich düster. „Bei mir bist du sicher. Du hast mein Wort.“

„Danke.“ Sie lächelte ihn kurz an und wandte sich erneut zur Tür um.

„Noch etwas – ich buche die Flüge.“

„Aber ich erwarte nicht, dass du bezahlst …“

„Das ist kein Problem.“

Aerin wusste, dass es sinnlos wäre, mit ihm zu streiten. „In Ordnung, das ist nett von dir, danke.“

„Warte, ich komme mit nach unten.“ Er nahm einen Ordner von seinem Schreibtisch und schob ihn in eine lederne Aktentasche. Dann holte er seinen Mantel aus dem Schrank, schlüpfte wieder hinein und zog die Krawatte fester.

Das waren Dinge, die sie hunderte, wenn nicht tausende Male bei ihrem Bruder und ihrem Vater gesehen hatte und doch, bei Drake hatte es etwas so … so unglaublich Männliches an sich und war so verdammt sexy.

Schweigend fuhren sie mit dem Privatlift hinunter. Die Stille zwischen ihnen vibrierte, da war etwas zwischen ihnen, das Aerin vorher nicht bewusst gewesen war. Sie warf ihm verstohlene Blicke zu, doch seine Miene war undurchdringlich. 

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