Verzaubert von diesem Tanz

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"Tanzen Sie mit mir!" Edies Herz rast, als Nick Savas sie beim Ball auf Schloss Mont Chamion auf die Tanzfläche entführt. Denn der gut aussehende Unternehmer ist die Versuchung in Person. Während er sie eng an sich presst und durch den Saal wirbelt, fühlt sie sich lebendig wie schon lange nicht mehr. Hat dieser Mann mich verzaubert? fragt sie sich und erwidert seinen überraschenden Kuss voller Leidenschaft. Und als eine Stimme in ihr flüstert: Was ist schon dabei … ein Walzer, eine Nacht voller Seligkeit … weiter nichts! Da gibt sie sich ihm hin, ohne an Morgen zu denken …


  • Erscheinungstag 29.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777463
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dieser Mann war die Versuchung in Person!

In Edies Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken: groß, unverschämt gut aussehend und gefährlich charmant! Instinktiv taufte sie ihn Mr Trouble. Und wie er ihre Schwester Rhiannon anlächelte!

Über seinem Kopf blinkte sozusagen in Leuchtschrift das Wort „Gefahr“.

Und zu Edies Aufgaben gehörte es, genau diese Gefahr aus der Welt zu schaffen.

Deshalb stand sie jetzt auch an eine Säule gelehnt im Ballsaal von Schloss Mont Chamion und überlegte, wie sie am besten vorgehen sollte. Es galt, Fingerspitzengefühl walten zu lassen. Schließlich befand man sich auf der Hochzeit ihrer Königlichen Hoheit, Prinzessin Adriana und deren Gemahl, dem attraktiven, berühmten Schauspieler und Regisseur Demetrios Savas.

Zu den Klängen eines Orchesters schwebten die Paare über die Tanzfläche, und Edie wünschte sich, Rhiannon befände sich unter den Tänzern. Leider stand sie stattdessen unangemessen nahe bei diesem Mann und hing andächtig an seinen Lippen.

Edie schickte ein Stoßgebet zum Himmel: Könnte dieser Mr Trouble sich nicht einfach höflich von ihrer flirtenden Schwester verabschieden? Er bewegte sich doch eindeutig in einer ganz anderen Welt als Rhiannon. Ihre Schwester war zwar hübsch und sexy und eine vielversprechende Nachwuchsschauspielerin, der Fremde machte jedoch einen souveränen und weltgewandten Eindruck. Außerdem war er mindestens Mitte dreißig und Rhiannon gerade mal zwanzig.

Im Moment sehr junge zwanzig!

Edie beobachtete seufzend, wie ihre Schwester die Hand auf den Arm des Mannes legte und hingebungsvoll die Augen zu ihm aufschlug. Diesen Blick kannte sie! Er konnte zweierlei bedeuten: Rhiannon interessierte sich tatsächlich für das Gespräch – oder sie tat einfach, was sie am besten konnte: schauspielern nämlich. Ohne Edies energisches Eingreifen würde die Situation unweigerlich außer Kontrolle geraten.

Also versuchte sie Mr Troubles Interesse mittels Telepathie auf andere Damen zu lenken. Kurz versperrten ihr die Tänzer die Sicht, aber als sie die beiden wieder sah, lächelte dieser Typ Ree noch immer charmant an. Und sie strich ihm gerade über die Wange, auf der sich ein unwiderstehliches Grübchen zeigte.

Edie unterdrückte ein Seufzen.

Im selben Moment spürte sie einen Stoß im Rücken. Erschreckt fuhr sie herum – und begegnete dem Blick ihrer Mutter. „Unternimm endlich etwas!“, zischte Mona Tremayne, um sich gleich wieder dem Mann an ihrer Seite, dem dänischen Filmproduzenten Rollo Mikkelsen, zuzuwenden. Sie schob die Hand unter seinen Arm und schenkte ihm ihr einmaliges Lächeln – das berühmte Lächeln des Jahrhundert-Sexidols.

Glücklicherweise sind Rhiannons Verführungskünste noch nicht so perfekt wie die unserer Mutter. Allerdings schien nicht mehr viel zu fehlen! Während die letzten Töne des Orchesters verklangen, hörte Edie das perlende Lachen ihrer Schwester.

Mona hörte es offenbar auch und warf Edie erneut einen eindringlichen Blick zu. Das hieß: Sie musste sofort einschreiten, um Rhiannon vor einem schweren Fehler zu bewahren.

Es half alles nichts. „Ich gehe ja schon!“ Edie seufzte und biss die Zähne zusammen.

Als Managerin ihrer Mutter und Schwester gehörte es zu ihren Aufgaben, dafür zu sorgen, dass deren Karrieren durch nichts in Gefahr gerieten. Außerdem kümmerte sie sich um die Finanzen und den Terminkalender. Sie prüfte die Angebote und die Verträge. Sie beantwortete die Fanpost, die Interviewanfragen und und und … All die Dinge eben, die dazugehörten, wenn man „Mädchen für alles“ war – bei dem größten Filmstar Amerikas und deren Tochter, einer vielversprechenden Nachwuchsschauspielerin.

Ein Kinderspiel in Edies Augen!

Die Rolle der Gouvernante spielen zu müssen, das hasste sie jedoch. Natürlich nicht für ihre Mutter, die sehr wohl auf sich selber aufpassen konnte und für ihre Fehler geradestand.

Bei Rhiannon sah die Sache allerdings völlig anders aus.

Sie war jung und verletzlich, hochemotional und etwas leichtsinnig, aber auch warmherzig und einfühlsam. Eine unheilvolle Kombination! Normalerweise genügte es, Rhiannon von morgens bis abends zu beschäftigen, damit sie gar keine Zeit hatte, auf dumme Gedanken zu kommen.

Edie stopfte einfach nur den Terminkalender ihrer Schwester voll – und dafür musste sie nicht einmal ihre Wohnung in Kalifornien verlassen.

Aber vor zwei Tagen rief ihre Mutter von Mont Chamion aus an und sagte: „Edie, pack sofort deinen Koffer und komm her!“

Wenn sie diesen Ton anschlug, war es zwecklos zu protestieren. In Bezug auf Rhiannon besaß Mona einen untrüglichen Instinkt. Witterte sie Gefahr, so handelte man am besten sofort, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Deshalb hatte Edie auch ergeben ihren Koffer gepackt und war um die halbe Welt gereist.

Womit sie nicht gerechnet hatte – sie sollte auch auf diese Hochzeitsfeier gehen!

„Warum um alles auf der Welt denn nicht? Natürlich kommst du zu der Hochzeit!“, erklärte Mona energisch. „Und zum Empfang“, fügte sie in einem Ton hinzu, der keinen Widerspruch duldete. „Wer weiß, was Rhiannon womöglich anrichtet, jetzt, wo der gute Andrew weg ist.“

Der „gute Andrew“ – oder besser der „geduldige Andrew“, wie ihn Edie insgeheim nannte – war der Verlobte ihrer Schwester. Ihre erste Liebe – und absolut der Richtige für Rhiannon. Das wusste diese auch … meistens. Normalerweise herrschte bei ihnen immer eitel Sonnenschein.

Aber seit gestern hing der Haussegen schief, und Andrew war wütend abgereist. Laut Monas Prognose konnte sich die Situation leicht zu einer Katastrophe ausweiten, wenn Rhiannon sich ungeliebt und vernachlässigt fühlte.

Trotzdem versuchte Edie, sich vor der Hochzeit zu drücken.

„Du gehst mit“, befahl Mona, während sie sich das Abendkleid für den Hochzeitsball überstreifte. Mit einer Kopfbewegung forderte sie Edie auf, ihr behilflich zu sein. Die königsblaue Robe bestach durch ihre raffinierte Schlichtheit … und betonte nebenbei auch das strahlende Blau von Monas Augen. Der tiefe Rückenausschnitt brachte überdies ihre seidig schimmernde Haut zur Geltung. Auch noch mit fünfzig war Mona Tremayne eine berückende Schönheit.

„Ich bin doch gar nicht eingeladen!“ Energisch zurrte Edie die Bänder der Korsage fest. „Und ich habe nicht vor, unaufgefordert auf einer königlichen Hochzeit aufzutauchen.“

„Rede keinen Unsinn!“ Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. „Du begleitest mich.“

„Ich dachte, Oliver ist dein Begleiter.“

Sir Oliver Choate, ein englischer Schauspieler und Monas neuester Filmpartner, war für die Hochzeit extra eingeflogen worden.

„Ja und? Du begleitest mich eben auch!“ Monas Stimme klang deutlich ungeduldig. „Du musst einfach dabei sein. Außerdem … vielleicht lernst du ja auch jemanden kennen.“ Aufmunternd sah sie ihre Tochter an.

Edie presste die Lippen zusammen. Genau das hatte sie befürchtet. Ein neuer Versuch, sie zu verkuppeln. Sie seufzte. „Mutter! Ich habe keine Lust, jemanden kennenzulernen.“

„Nenn mich in der Öffentlichkeit bloß nicht ‚Mutter‘! Herrgott, du bist fast dreißig!“

„Wir sind jetzt aber nicht in der Öffentlichkeit und unsere Zimmer werden bestimmt nicht abgehört. Außerdem – als junge Naive würde dich ja wohl niemand mehr besetzen. Jeder weiß inzwischen, wie alt du bist.“ Unsanft schloss Edie die Korsage.

Mona zog scharf die Luft ein, dann straffte sie die Schultern. „Ich vermeide es, daran zu denken. Trotzdem …“ Sie schüttelte ihre künstlich zerzausten Locken. „Es wäre einfach schön, wenn du kämst, egal ob du jemanden kennenlernst.“ Leider machte sie die mütterliche Anwandlung sofort zunichte. „Aber trotzdem, Edie, das Leben geht weiter. Du musst einen neuen Anfang machen!“

Ich soll also wieder ausgehen, mich mit Männern treffen. Ben vergessen!

Aber Edie wollte Ben nicht vergessen. Warum auch? Er war das Beste, was ihr im Leben passieren konnte. Und dann war er gestorben … vor zweieinhalb Jahren.

„Ich musste ja auch noch einmal neu beginnen!“ Diesen Satz hörte Edie von Mona nicht zum ersten Mal.

Ihr Vater starb bei einem Reitunfall, als sie fünf war. Er war Monas große Liebe gewesen, und um sich über den Schmerz hinwegzutrösten, mutete sie ihrer Tochter eine Reihe von Stiefvätern zu.

„Und was hat dir das gebracht?“, fragte Edie trocken.

„Vier wunderbare Kinder!“ Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. In Monas Augen lag ein herausfordernder Ausdruck.

Dem konnte Edie nun wirklich nicht widersprechen. Sie liebte ihre jüngeren Geschwister. Rhiannon, Grace, Ruud und Dirk wurden ihre Ersatzfamilie. Sie füllten die Lücke, die Ben hinterlassen hatte.

Jetzt spielte Mona ihren größten Trumpf aus. „Deine Schwester braucht dich! Und zwar heute! Wer weiß, was passiert, wenn der gute Andrew die Verlobung lösen sollte.“

„Meinst du wirklich, so weit könnte es kommen?“ Andrew liebte Rhiannon zwar heiß und innig, aber wahrscheinlich gab es für jeden einen Punkt, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Andrew Chalmers, dreifacher Olympiasieger im Schwimmen, war ein total netter Kerl – und seit der Highschool in Rhiannon verliebt.

Und sie erwiderte Andrews Gefühle – wenn sie nicht gerade mit anderen Männern flirtete. Er gab ihr Halt und hatte einen positiven Einfluss auf sie. Dafür konnten Mona und Edie ihm gar nicht dankbar genug sein.

Vor einem Monat hatte Andrew um Rhiannons Hand angehalten. Sie gab sofort ihr Jawort. Die Hochzeit sollte im nächsten Sommer stattfinden, und Ree stürzte sich in die Vorbereitungen. Zumindest bis zu dem Streit gestern.

Und der war, gelinde gesagt, nicht gerade diskret verlaufen. Mitten im Empfangssaal der königlichen Familie machte Rhiannon eine lautstarke Szene, als Andrew ihr mitteilte, er würde an einem Schwimmwettkampf in Vancouver teilnehmen.

„Und was ist mit mir? Du bist bei der Hochzeit mein Begleiter!“

„Eben nicht!“, korrigierte Andrew sie in seiner gewohnt ruhigen Art. „Und das wusstest du auch, Ree. Schon seit letzter Woche! Ich habe dir gesagt, dass ich am Freitag wieder abreisen muss.“

„Aber ich will, dass du bei mir bist!“

„Du kannst gerne mit mir kommen“, erwiderte er gelassen.

Aber um nichts auf der Welt wollte Rhiannon die königliche Hochzeit verpassen, und sie war sich sicher gewesen, Andrew um den kleinen Finger wickeln zu können. Offensichtlich besaß dieser jedoch mehr Rückgrat als erwartet. Weder durch lautstarke Szenen noch durch heiße Tränen ließ er sich erweichen, sondern reiste wie vorgesehen ab. Insgeheim zog Edie den Hut vor ihm. Sie hielt es für falsch, jeder Laune ihrer Schwester nachzugeben.

Die spielte jetzt leider die gekränkte und verlassene Braut und zwar mit aller Dramatik.

„Sie wird irgendetwas Schreckliches anstellen“, prophezeite Mona. „Ich sehe eine Katastrophe auf uns zukommen.“

Und diese schien sich gerade vor Edies Augen anzubahnen … Um sich an Andrew zu rächen, warf sich Ree gerade einem völlig Fremden an den Hals.

Rhiannon war eine der schönsten Frauen Hollywoods. Sie besaß den Sex-Appeal einer Marylin Monroe und die klassische Schönheit einer Catherine Deneuve. Und sie stellte alles Dagewesene in den Schatten, wenn sie es darauf anlegte, einen Mann zu bezirzen. Wäre „Flirten“ eine olympische Disziplin, würde sie für England die Goldmedaille holen, besser gesagt für Wales. Rees Vater war nämlich kein Geringerer als der berühmte walisische Dichter Huw Evans. Rhiannon hatte sogar die doppelte Staatsangehörigkeit – und den Hang, überall auf der Welt in Schwierigkeiten zu geraten.

Und eben deshalb befand sich Edie jetzt hier im Ballsaal, halb hinter einer Marmorsäule verborgen. Das blassrosa Ballkleid ihrer Schwester, die mit ihrem sonnengebräunten Teint und ihren blonden Locken fantastisch darin aussah, wirkte bei Edies heller Haut absolut unvorteilhaft. Noch schlimmer war, dass sie ihre Füße in viel zu kleine Schuhe zwängen musste. Sie fühlte sich wie in einer schlechten Aschenputtel-Verfilmung. Leider bestand keine Aussicht auf Erlösung … weit und breit war kein Prinz zu sehen.

Nur Mr Trouble!

Hilflos musste Edie mit ansehen, wie Rhiannon eine Hand auf seinen Arm legte und mit der anderen seine Smokingjacke streichelte. Sie lachte über seine Bemerkungen und warf den Kopf in den Nacken. Ihr blondes Haar schimmerte im Glanz der Kristalllüster. Jetzt fuhr sie ihm auch noch mit der Hand durch das Haar!

Als Nächstes wird sie an seiner Krawatte ziehen und ihm das Hemd aufknöpfen! Wie Mona prophezeit hatte, nahm die Katastrophe ihren Lauf.

Edie biss die Zähne zusammen und bemühte sich, ihre schmerzenden Füße zu ignorieren. Sie stieß sich von der Säule ab und ging auf ihre Schwester zu.

„Da bist du ja!“, rief sie betont fröhlich. Es gelang ihr sogar, ein strahlendes Lächeln aufzusetzen, obwohl ihr eher danach zumute war, das Gesicht vor Schmerz zu verziehen.

Rhiannon fuhr herum und warf wieder den Kopf in den Nacken. Diesmal hatte die Geste jedoch etwas herausfordernd Trotziges. „Was willst du?“, fragte sie ungnädig.

Mr Trouble hob erstaunt die Augenbrauen und sah Edie fragend an.

Sie nickte ihm höflich zu, ließ ihren Blick jedoch nicht von ihrer Schwester. „Andrew hat mir eine SMS geschickt.“ Glücklicherweise entsprach dies vollkommen der Wahrheit.

Schlagartig hellte sich Rhiannons Miene auf. Leider fiel ihr sofort wieder ein, dass sie ihrem Verlobten ja böse war, und sie runzelte schnell die Stirn. „Wieso schickt er dir eine SMS?“

„Keine Ahnung.“ Edie zuckte die Schultern. „Aber könnte es daran liegen, dass du dein Telefon ausgeschaltet hast?“

Ree schob schmollend die Unterlippe vor. „Ich wollte nicht mit ihm reden.“

„Aber er offensichtlich mit dir. Dringend. Die SMS klingt richtig panisch.“

Nun ja. Das war vielleicht etwas überspitzt formuliert. Andrews SMS lautete: Deine Schwester soll ihr Tel. einschalten. Müssen reden.

Immerhin hatte er „müssen“ geschrieben. Drückte das nicht eine gewisse Dringlichkeit aus? Doch bestimmt, beschwichtigte Edie ihr Gewissen.

„Dringend!“, wiederholte sie. Erst jetzt gönnte sie dem Mann, auf dessen Arm die Hand ihrer Schwester ruhte, einen Blick. „Andrew ist ihr Verlobter.“

„Ein Verlobter?“, fragte der überrascht. Fragend sah er Ree an und befreite diskret seinen Arm.

„Er ist nicht hier.“ Betont gleichgültig zuckte sie die Achseln, errötete jedoch dabei. „Wir haben uns gestritten. Er meint, er hätte immer recht.“

Mr Trouble blickte sie schweigend an. Edie hielt es für ratsam, die Situation zu entschärfen. „Ganz bestimmt glaubt Andrew das nicht“, sagte sie besänftigend. „Auf dem Weg nach Vancouver hatte er ja Zeit, über die Sache nachzudenken. Ich bin mir sicher, er wollte dich nicht verletzen. Wahrscheinlich vermisst er dich bereits schrecklich.“

„Meinst du?“ Rhiannons Miene hellte sich wieder auf.

„Du solltest wirklich zurückrufen.“

Aber Rhiannon zögerte. Ihr Blick schweifte zu dem attraktiven Mann an ihrer Seite und dann durch den Ballsaal. Was würde sie wohl verpassen, wenn sie jetzt ging? Champagner, Musik und Tanz … „Andrew hätte bei mir bleiben sollen, dann hätte er mit mir tanzen können“, stieß sie ärgerlich hervor.

„Stimmt, aber immerhin wollte er dich mitnehmen. Ein Kompromiss ist keine Einbahnstraße. Er musste schließlich zu dem Wettkampf nach Vancouver.“

„Aber dann hätte ich auf die Hochzeit verzichten müssen.“

„Und jetzt? Jetzt musst du auf Andrew verzichten.“

Edie gab Ree Zeit, darüber nachzudenken, dann schob sie nach: „Ach ja. Dann kannst du ihm ja auch gleich erzählen, dass Sir Oliver euch das Schloss in Schottland für die Flitterwochen zur Verfügung stellt.“

Das gab den Ausschlag. Seit der Verlobung kreisten Rhiannons Gedanken ausschließlich um die Hochzeit, und selbstverständlich musste sie Andrew jeden einzelnen Gedanken mitteilen. Letzten Abend war Sir Olivers großzügiges Angebot Thema Nummer eins gewesen – abgesehen natürlich von Thema Nummer zwei, ihrem Ärger über Andrew.

„Na gut! Von mir aus!“ Sie hatte tatsächlich angebissen, Edies Taktik war aufgegangen. „Dann rufe ich ihn eben an … wenn er schon versucht, mich zu erreichen … und dafür dir sogar eine SMS schickt …“

Ree seufzte und warf dem attraktiven Fremden einen theatralischen Blick zu. „Andrew liebt mich eben“, erklärte sie. „Und ich ihn, auch wenn er mich manchmal zur Weißglut treibt. Ich glaube, ich muss ihn wirklich anrufen, obwohl …“, sie seufzte erneut auf, „ich wahnsinnig gerne die Renovierungsarbeiten in Ihrem Schlafzimmer gesehen hätte.“

„Und ich hätte sie Ihnen gerne gezeigt“, erwiderte dieser galant.

Edie glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Sprachlos blickte sie von einem zum anderen. Ree drehte sich um und verließ fröhlich winkend den Ballsaal. Hoffentlich ruft sie Andrew wirklich an und versöhnt sich mit ihm, flehte Edie innerlich.

Sie wandte sich Mr Trouble zu, um sich unter einem Vorwand zu verabschieden – und blickte geradewegs in seine Augen. Im Gegensatz zu ihr sah er nämlich nicht der Davoneilenden nach, sondern betrachtete sie! Ein Lächeln umspielte seine Lippen – und dann … zwinkerte er ihr plötzlich zu!

Edies Herz setzte einen Moment lang aus … und fing dann an zu rasen. Sie fühlte sich, als hätte man sie nach einem Herzstillstand durch einen Stromstoß ins Leben zurückgeholt.

Vom Prinzen wachgeküsst wie Dornröschen? Das Gefühl überrumpelte sie völlig. Seit Bens Tod hatte sie sich nicht mehr so lebendig gefühlt!

Reiß dich zusammen, Edie! ermahnte sie sich. „Habe ich eben richtig gehört? Renovierungsarbeiten in Ihrem Schlafzimmer?“ Sie hob spöttisch die Brauen. Wahrscheinlich wäre er als Nächstes mit seiner Briefmarkensammlung angekommen!

„Großes Pfadfinderehrenwort, nur darum ging es“, antwortete er mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen.

Edies Herz tat erneut einen kleinen Hüpfer. „Ich finde das gar nicht lustig!“ Wütend funkelte sie ihn an.

„Sie glauben mir nicht? Kommen Sie, ich kann es Ihnen beweisen.“ Galant bot er ihr den Arm.

„Sind Sie verrückt? Ich gehe doch nicht mit auf Ihr Zimmer.“ Unwillkürlich verschränkte Edie die Arme vor der Brust. „Übrigens – auch Rhiannon hätte das nicht getan“, schob sie nach. Sie wusste nicht genau, warum, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, das Gespräch wieder auf ihre Schwester lenken zu müssen. „Rhiannon liebt Andrew. Sie streiten eben manchmal … und dann reagiert sie etwas … überzogen.“ Was manchmal in eine Katastrophe münden kann, setzte sie insgeheim hinzu. „Das bedeutet nicht, dass sie nicht ihre Grenzen kennt.“

„Ach ja?“ Wieder die hochgezogenen Augenbrauen. „Offensichtlich konnten Sie unser Gespräch doch nicht ganz verfolgen.“

Edie schoss das Blut in die Wangen. „Auf gar keinen Fall hätte sie … würde sie …“

„Mit mir schlafen?“ Es schien ihm wirklich Spaß zu machen, Edie zu provozieren.

„Nein! Natürlich nicht!“ Zumindest hoffte Edie das.

„Also da müssen Sie sich wirklich keine Sorgen machen … meinerseits bestand da sowieso keinerlei Gefahr.“

Ungläubig weiteten sich Edies Augen. „Nicht?“

Entschieden schüttelte er den Kopf. „Darauf können Sie Ihren Kopf wetten. Ree ist doch noch ein Kind.“

„Sie ist zwanzig!“

„Genau. Nicht mein Typ.“

„Ach? Sie haben einen Typ?“

Genaugenommen war das keine Frage, eher eine Feststellung.

Männer wie er besaßen immer einen ganz besonderen Geschmack.

Edie trat einen Schritt zurück. „Ah. Ja. Ich gehe dann mal.“ Sie hielt es für ratsam, sich allmählich zurückzuziehen.

Mr Trouble trat einen Schritt vor. „Wer sind Sie eigentlich?“ Sein Blick war derart intensiv, dass seine Augen fast schwarz wirkten.

„Ich bin Rhiannons Schwester.“ Edie erwartete ungläubiges Staunen. Normalerweise glaubte das niemand, bis Mona schwor, dass sie tatsächlich die leibliche Mutter von beiden war. Rhiannon war blond, großbusig … die reinste Sexbombe, Edie eher hager und schlaksig. Schon als Kind. Ihr Haar war irgendwie mittelbraun und ihre Augen von einem undefinierbaren Grün. Kein Jade- oder Smaragdgrün. Eher etwas Banales … wie zum Beispiel grasgrün. „Ihre Halbschwester, um genau zu sein.“

„Haben Sie auch einen Namen, Halbschwester?“

„Edie Daley.“

Ein weiterer wunder Punkt. Rhiannon trug den Namen einer sagenumwobenen Göttin, Edie dagegen den ihrer Großmutter väterlicherseits.

„Edie!“ Er lächelte und schob ihr eine Locke aus der Stirn. „So hieß meine Großmutter.“

Wie sollte es auch anders sein? dachte Edie resigniert.

„Ich heiße Nick.“

Nick? Wie in Nick Knatterton? Schwarm aller Frauenherzen und Meisterdetektiv?

„Nick Savas“, fügte er hinzu, als hätte er ihre Gedanken lesen können.

„Demetrios Bruder?“ Edie wusste, davon gab es mehrere. Sie kannte jedoch keinen persönlich, wusste nur, dass alle attraktiven, dunkelhaarigen Männer auf dem Hochzeitsfest mit dem Bräutigam verwandt waren.

„Nein, sein Cousin.“

Na wunderbar. Typisch Rhiannon! Flirtet mit einem Familienmitglied des Bräutigams. Und natürlich auch noch mit dem weitaus attraktivsten.

Das erklärte wahrscheinlich Edies eigene heftige Reaktion. Sie war zwar nicht interessiert, aber immerhin nicht blind … oder tot!

„Ich möchte mich für das Verhalten meiner Schwester entschuldigen, Mr Savas“, sagte sie steif.

„Nick, bitte.“

Edie hütete sich, den Namen zu wiederholen. Es war mehr als deutlich, dass Nick das Gespräch fortführen wollte, aber um nichts auf der Welt war sie dazu bereit. Die Nähe dieses Mannes machte sie nervös – und das irritierte sie zunehmend.

„Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden …“ Erneut machte sie Anstalten zu gehen. Sie hatte ihre Pflicht getan, sie konnte sich endlich zurückziehen, dieses grässliche Kleid und diese Folterinstrumente an ihren Füßen ausziehen und den Rest des Abends mit einem guten Buch verbringen.

Aber bevor sie noch einen Schritt tun konnte, fühlte sie, wie eine starke Männerhand ihr Handgelenk umschloss. Entgeistert drehte sie sich um. „Entschuldigen Sie bitte …?“

„Sie werden jetzt doch wohl nicht kontrollieren, ob Ree wirklich telefoniert?“

„Natürlich nicht!“

„Warum wollen Sie denn dann fortlaufen? Bleiben Sie! Unterhalten Sie sich mit mir.“

„Ich …“ Edie brach ab. Eigentlich wollte sie ablehnen. Sie lehnte immer ab. Aber irgendwie wollte ihr der Satz nicht über die Lippen. „Worüber denn?“, brachte sie schließlich hervor.

„Die Renovierungsarbeiten in meinem Schlafzimmer?“

Edie konnte nicht anders. Sie musste einfach lachen.

Das war genau die Art von trockenem Humor, wie sie ihn an Ben geliebt hatte. Ihr Mann hatte sich geweigert, sich selbst allzu ernst zu nehmen – und das war sehr erfrischend verglichen mit den Egozentrikern, die ihre Mutter umgaben.

Von Mr Trouble hatte sie diese Art Humor jedenfalls nicht erwartet.

Dieser strahlte sie jetzt an und sagte: „Sehen Sie! Ich wusste, ich würde es schaffen, Ihnen ein Lächeln zu entlocken.“

„Ich hatte bereits vorher gelächelt. Ich lächle nämlich viel“, protestierte Edie. Ich werde seinem Charme nicht erliegen, schwor sie sich.

„Und wie oft ist es ein echtes Lächeln?“

„Sehr oft.“

„Heute Abend aber noch nicht. Bis zu diesem Moment!“

Edie öffnete schon den Mund, um zu widersprechen, als er sanft einen Finger auf ihre Lippen legte.

„Tanzen Sie mit mir!“

Dieser Mann war wirklich die Verführung schlechthin. Diese warme, sonore Stimme, das jungenhafte Lächeln … die Berührung seiner Hand. Seine Direktheit entwaffnete … und verunsicherte sie. Noch viel schlimmer war jedoch der brennende Wunsch, genau das zu tun, worum er sie bat.

„Nein. Vielen Dank.“

„Und warum nicht?“

„Man hinterfragt die Entscheidung einer Dame nicht. Das zeugt von schlechtem Benehmen.“

„Ach ja? Und ich hielt Ihre Ablehnung für schlechtes Benehmen.“ Wieder lächelte er sie jungenhaft an.

Allmählich kam Edie sich vor wie ein Teenager. „Tut mir leid, ich kann nicht“, antwortete sie mit hochroten Wangen.

„Können nicht?“ Prüfend sah er sie an. „Oder wollen nicht?“

Edie beschloss die Flucht nach vorne. „Meine Füße tun weh“, gestand sie verlegen.

Ungläubig blickte Nick ihr ins Gesicht – dann auf die rosa High Heels, in die sie sich gezwängt hatte.

„Du meine Güte!“ Fassungslos schüttelte er den Kopf, dann lächelte er. „Kommen Sie.“ Er nahm sie bei der Hand und zog sie ohne Umschweife zu einem der Stühle am Rande der Tanzfläche. „Setzen Sie sich!“

Es klang eher wie ein Befehl als eine Bitte. Edie wünschte sich jedoch nichts sehnlicher, als ihre gequälten Zehen zu entlasten, und so ließ sie sich widerspruchslos auf einen Stuhl sinken.

Vermutlich sucht er sich jetzt eine andere Tänzerin. Davon ging sie zumindest aus. Stattdessen kniete er sich hin … und zog ihr die Schuhe aus. Achtlos schob er sie unter einen Tisch.

„Was … was machen Sie denn da?“

„Wieso tut ihr Frauen euch das an? Das werde ich nie verstehen.“ Kopfschüttelnd sah er zu ihr hoch.

Das sind Rhiannons Schuhe, wollte sie protestieren, aber die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als Nick plötzlich anfing, ihre gemarterten Zehen sanft zu massieren. Edie unterdrückte ein wohliges Stöhnen. Wie himmlisch – und wie intim. Ein Schauer durchlief sie. Sie wünschte, er würde aufhören … und doch, als er ihren Fuß schließlich freigab, wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen.

„So!“, verkündete er und erhob sich. „Ist es jetzt besser?“

Edie begegnete seinem fragenden Blick. Sie fühlte sich wie in Trance und schaffte gerade noch ein zaghaftes Nicken.

„Dann können wir ja jetzt tanzen.“ Er nahm sie bei der Hand und zog sie geradewegs in seine Arme.

Es war wie ein Traum.

Sie wiegten sich im Walzertakt, und Edie stolperte kein einziges Mal. Ich stolpere sonst immer, dachte sie ungläubig.

Selbst bei ihrem Hochzeitswalzer hatte sie sich hölzern und ungelenk gefühlt. Wie hatte Mrs Achenbach, die Tanzlehrerin, immer gesagt? Ach ja: Zwei linke Füße hätte sie. Und diese Worte waren auf immer und ewig in Edies Gehirn eingebrannt.

Aber heute schienen die Gesetze der Schwerkraft aufgehoben, und sie schwebte über die Tanzfläche wie eine Feder. Ihre Füße taten genau das, was sie sollten: der Führung dieses Mannes zu folgen.

Autor

Anne Mc Allister
Anne Mcallister, Preisträgerin des begehrten RITA Award, wurde in Kalifornien geboren und verbrachte ihre Ferien entweder an kalifornischen Stränden, auf der Ranch ihrer Großeltern in Colorado oder bei Verwandten in Montana. Genug Gelegenheiten also, um die muskulösen Surfer, die braungebrannten Beach-Volleyballer und die raubeinigen Cowboys zu beobachten! Am Besten gefielen...
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