Warum bist du so kühl, Geliebte?

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Wie kann eine Frau, die sich so fürsorglich um die Pferde kümmert, Menschen gegenüber so abweisend sein? Für den indianischen Pferde-Trainer Logan ist Mary die perfekte Schülerin: Sie begreift schnell, kann mit den Tieren umgehen und ist auch noch ausgesprochen attraktiv. Er spürt, dass sie die eine Frau wäre, die sein gebrochenes Herz heilen könnte und träumt davon, mit ihr eine Familie zu gründen. Doch Mary vertraut ihm nicht. Was verbirgt sie nur vor ihm? Er will ihr Geheimnis lüften - und plötzlich scheint es, als hätte er die Frau seiner Träume für immer verloren …


  • Erscheinungstag 04.08.2012
  • Bandnummer 1848
  • ISBN / Artikelnummer 9783864946219
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Einzelgängerin mit dem langen braunen Haar und dem Körper einer Langstreckenläuferin war eine außergewöhnliche Frau, das sah Logan Wolf Track auf den ersten Blick. Ihr war nicht egal, was um sie herum geschah, sie machte nicht gern Small Talk und mied größere Menschenmengen. Sie war wegen der Pferde gekommen, und nur deshalb.

Sie gefiel ihm jetzt schon.

Wahrscheinlich würde er seine Meinung noch vor Sonnenuntergang ändern, aber dass er sich auf den ersten Blick zu ihr hingezogen fühlte, war ein Zeichen. Logan hatte ein untrügliches Gespür für Seelenverwandtschaft. Ob er mit ihr zusammenarbeiten konnte, war allerdings eine andere Frage, aber zwanzigtausend Dollar waren das Risiko wert. Er war nämlich wegen der Pferde und des Geldes gekommen.

Das Wildpferdschutzgebiet Double D in South Dakota platzte aus allen Nähten mit den Tieren, die das Landverwaltungsamt der Obhut der Schwestern Sally Drexler und Ann Drexler Beaudry übergeben hatte. Die Auflage war, die Tiere zu zähmen und ihnen neue Besitzer zu verschafften – ein Adoptionsprogramm, das das Wildpferd-Problem nach und nach lösen sollte. Die beiden Pferdenärrinnen setzten jedoch gerade alle Hebel in Bewegung, um das Schutzgebiet zu erweitern. Vor allem die findige Sally hatte sich dafür einiges einfallen lassen.

Zum Beispiel den „Mustang Sally’s Makeover Challenge“, einen Wildpferdzähm-Wettbewerb, bei dem Logan unbedingt mitmachen wollte. Anns reicher Schwager hatte nämlich ein Preisgeld von zwanzigtausend Dollar für den Sieger ausgesetzt. Die Teilnehmer bekamen drei Monate Zeit, um der Welt zu beweisen, dass man aus Wildpferden ausgezeichnete Nutztiere machen konnte.

Logan war fest entschlossen, den Wettbewerb zu gewinnen. Nicht nur wegen des Geldes, sondern auch, um sein Renommee zu steigern. Er wusste zwar, dass ihm im Umgang mit Pferden niemand das Wasser reichen konnte, aber andere Leute wussten das nicht. Er hatte sogar ein Buch über seine Methoden geschrieben – ein tolles Buch –, nur verkaufte es sich leider nicht gut. Ein bisschen Publicity konnte daher nicht schaden, und Sallys Wettkampf zu gewinnen, brachte vielleicht den ersehnten Durchbruch.

Leider legte Sally ihm dabei ein paar Steine in den Weg. Oder vielmehr einen Stein – in weiblicher Form.

Er ging auf die Frau zu, die mit dem Rücken zu ihm am Zaun der Koppel stand. Sie war in den Anblick der sich dahinter jagenden Pferde vertieft. „Hat Sally Ihre Bewerbung auch abgelehnt?“, fragte er. Er kannte den Vornamen der Frau bereits, wollte jedoch abwarten, bis sie sich vorstellte, bevor er sie damit ansprach.

Irritiert drehte die Frau sich zu ihm um. Sie hatte unglaubliche Augen, mit denen sie ihn eindringlich musterte. Nach einer Weile senkte sie den Blick zu dem zerknüllten Formular in seiner Hand. „Ja, das hat sie“, gab sie zu. „Aber aus gutem Grund. Ich habe einfach nicht die nötige Qualifikation, um ein Wildpferd zu zähmen.“

Als sie den Blick wieder hob, changierte ihre Augenfarbe von Eisgrau zu einem kühlen Blau. „Außerdem ist es für mich sowieso unrealistisch, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Ich habe nämlich nur dreißig Tage Zeit, um mich darauf vorzubereiten.“ Sie blinzelte gegen die Sonne. „Und was war bei Ihnen der Grund?“

„Ich bin überqualifiziert.“ Logan lächelte dünn.

Die Frau vor ihm trug kein Make-up. Nichts an ihr wirkte affektiert oder oberflächlich, und trotzdem hatte sie einen gewissen Stil. Doch am besten gefiel ihm ihr offenes Gesicht. „Sally hat etwas von einem Interessenkonflikt gesagt, aber meiner Meinung nach war das nur eine Ausrede“, fügte er hinzu.

Neugierig legte die Frau den Kopf schief. Da sie von der Sonne geblendet wurde, fiel es ihr offensichtlich schwer, Logans von einem Stroh-Cowboyhut beschattetes Gesicht zu erkennen. Das war sein Vorteil.

„Worauf wollen Sie hinaus?“

„Ich bin Pferdetrainer und außerdem Lakota – genau genommen Lakota Sioux. Mein Stamm unterstützt den Wettbewerb, daher der angebliche Interessenkonflikt. Hinzukommt, dass wir uns einverstanden erklärt haben, dem Wildpferdschutzgebiet mehr Land zur Verfügung zu stellen.“ Logan betrachtete die Pferde. „Ich kann trotzdem nicht nachvollziehen, dass sie mich deswegen ablehnt. Unser Stamm hat schließlich weder das Preisgeld gespendet, noch stellt er die Jury.“

„Wenn Sally sich bei allen Bewerbern so anstellt, wird sie nie genug Teilnehmer zusammenbekommen.“ Die Frau drehte sich ebenfalls wieder zu den Pferden um. Seite an Seite, fast Schulter an Schulter standen sie nebeneinander und teilten ihre Enttäuschung. „Ich bin übrigens Hundetrainerin“, fügte sie hinzu.

Dank Sally wusste Logan das auch schon. Noch ein Vorteil, den er der Frau gegenüber hatte. Sally hatte sie ihm vorhin durch das Bürofenster gezeigt, um ihm zu beweisen, dass er nicht der einzige Bewerber war, den sie hatte ablehnen müssen. Aber sie hätte da eventuell eine Lösung …

„Wenn Sie gut in Ihrem Job sind, bringen Sie meiner Meinung nach genug Erfahrung für den Wettbewerb mit“, erklärte Logan. „Welches Pferd gefällt Ihnen am besten?“

„Das da.“ Sie zeigte auf einen lehmfarbenen Wallach. Die dunkle Farbe der Mähne, des Schweifs und des Rückenstreifens zeigten, dass er einer alten Mustang-Linie entstammte. „Er will genauso wenig hier sein wie der Rest, ist aber intelligent genug, um sich dem Unvermeidlichen zu fügen. Das erkenne ich an seinem Blick.“

„Sie halten ihn also für intelligent?“

„Auf seine Art schon. Und ich habe das Gefühl, dass er sehr gut auf Signale reagieren würde.“

„Für welchen Zweck würden Sie ihn dressieren?“

Die Frau sah Logan verwirrt an.

„Darum geht es doch in diesem Wettbewerb, oder? Zu beweisen, dass man aus Wildpferden Nutztiere machen kann.“

„Na, zum Reiten natürlich. Ich würde ein lammfrommes Tier aus ihm machen, auf das sogar ein Kind steigen könnte.“

„Denken Sie dabei an ein bestimmtes Kind?“

„Nein, ich meinte das ganz allgemein.“ Sie schwieg für einen Moment. „Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich zuletzt mit Kindern zu tun hatte“, fügte sie leise hinzu.

„Wo ist eigentlich Ihr Hund?“

„Am anderen Ende der Welt.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um, straffte die Schultern und hielt ihm die rechte Hand hin. „Mary Tutan. Sergeant Mary Tutan, U.S. Army. Zurzeit beurlaubt.“

„Logan Wolf Track. Ich lebe hier.“

„Sie Glücklicher. Sally und ich sind schon seit unserer Kindheit Freundinnen. Ich finde ihr Projekt großartig. Nur um klarzustellen, dass ich grundsätzlich auf ihrer Seite stehe.“ Die leichte Sommerbrise blies Mary das Haar aus dem Gesicht. „Mir gefällt übrigens auch der hübsche Rotschimmel da drüben.“

„Wollen Sie den Wettbewerb gewinnen oder nicht?“

Sie lachte. „Klar, wenn ich die Chance bekomme, mitzumachen.“

„Der Rotschimmel hat zu viel Weiß in den Augen. Bei dem muss man auf der Hut sein. Das ist bei Hunden doch bestimmt genauso, oder?“ Logan stützte die Unterarme auf das Geländer und warf Mary einen prüfenden Blick zu. „Ihre erste Wahl gefiel mir besser.“

„Mir auch. Den würde ich sofort reiten, wenn ich könnte.“

„Ich könnte Ihren Traum wahr machen. Vorausgesetzt natürlich, Sie meinen es wirklich ernst.“

Mary sah ihn verwirrt an.

„Ihre Freundin Sally hat noch etwas in der Hinterhand. Hat sie Ihnen nichts davon gesagt?“

Mary musste unwillkürlich lächeln. „Sally ist der aufrichtigste Mensch, den ich kenne. Irgendwelche Tricks sind nicht ihr Ding. Sie würde mich wirklich gern teilnehmen lassen, aber …“

„Das hat sie zu mir auch gesagt“, unterbrach Logan sie. „Und dass ich einen Partner brauche. Sally hat Sie empfohlen.“ Marys Verblüffung schien echt zu sein. „Sie melden sich also für den Wettbewerb an und zähmen das Pferd“, fügte er hinzu. „Ich trainiere Sie.“

„Das hat Sally vorgeschlagen?“, fragte Mary ungläubig.

Logan lachte. „Sally verdreht die Regeln immer so, wie es ihr gerade passt. Aber da ich sie mag, wäre ich gern bereit, auf ihren Vorschlag einzugehen. Wie sieht’s mit Ihnen aus?“

Mary starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. „Ich habe nur dreißig Tage Zeit!“

„Und ich alle Zeit der Welt.“ Logan grinste.

Mary räusperte sich. „Das ist wirklich ein sehr interessanter Vorschlag, Mr Wolf Track …“, begann sie.

„Logan bitte“, unterbrach er sie.

„… aber was hätten Sie davon?“

Er zuckte die Achseln. „Sie können mir entweder mein übliches Honorar zahlen oder mich am Gewinn beteiligen. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.“

„Ich bezweifle, dass ich mir Ihr Honorar leisten könnte. Außerdem ist mir das Geld sowieso nicht so wichtig.“ Sie richtete die Aufmerksamkeit wieder auf den Wallach. „Ich liebe Pferde einfach.“

„Ausgezeichnet. Dann machen Sie es aus Liebe und ich wegen des Geldes.“

Mary prustete los, doch Logan verzog keine Miene. „Das war mein voller Ernst.“

„Na ja, also, ich weiß nicht …“

„Sie möchten dieses Pferd doch gern reiten, oder? Wie gesagt, ich könnte Ihnen diesen Wunsch erfüllen, wenn Sie dafür bereit wären, auf einen Teil des Preisgelds zu verzichten.“

Sie starrte ihn fassungslos an.

Logan lächelte. „Ich schaffe es locker in dreißig Tagen, Sie für den Wettbewerb fit zu machen.“

„Und was ist mit den restlichen sechzig Tagen?“

„Die kriegt das Kind.“ Angesichts ihres verwirrten Stirnrunzelns fügte er hinzu: „Das Kind, das auf dem Pferd reiten soll.“

„Es geht leider nicht. Ich würde ja gern, aber ich …“

Aha, jetzt kommt’s. Sie macht einen Rückzieher, war ja klar.

„… bin eigentlich nur hierhergekommen, um meine Mutter zu besuchen. Ich kann unmöglich länger als dreißig Tage bleiben. Keine Ahnung, wie Sally auf die Idee kam, dass ich Ihre Partnerin werden soll. Steckt da womöglich mein Vater dahinter?“

„Ihr Vater?“

„Dan Tutan. Ihm gehört die Ranch hier in der Nähe. Er hat Indianerland gepachtet.“

„Glauben Sie etwa, ich kenne jeden Rancher, dem wir Land verpachten?“ Warum sagst du nicht einfach die Wahrheit, Wolf Track? Ein Teil des Landes, das Dan Tutan gepachtet hatte, sollte demnächst auf das Wildpferdschutzgebiet Double D übertragen werden. „Okay, ich kenne ihn, aber er hat nichts mit Sallys Idee zu tun. Sie wollte Ihnen einfach einen Gefallen tun. Aber um mitmachen zu können, brauchen Sie einen Trainer. Und ich bin der Beste, den es gibt.“

Kopfschüttelnd drehte Mary sich zum Wohnhaus der Drexlers um. „Sally, Sally“, murmelte sie vor sich.

„Wie wär’s, wenn Sie jetzt das Anmeldeformular ausfüllen, damit wir anfangen können?“

„Einfach so?“

„Sind Sie nicht diejenige, die nur dreißig Tage Zeit hat?“

Mary war noch immer unschlüssig. „Ich würde das Pferd beim Wettbewerb gern selbst vorführen, aber ich bin nicht die beste Reiterin.“

„Mir ist es egal, wer es reitet.“

„Wollen Sie den Wettbewerb gewinnen oder nicht?“, scherzte sie.

Logan zuckte die Achseln. „Na klar, ich will ja schließlich nicht leer ausgehen. Sie geben mir das Geld, und ich schenke Ihnen dafür meine Zeit.“

„Ich würde wirklich gern mitmachen“, sagte sie sehnsüchtig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ein absoluter Traum.“

„Sehen Sie?“

„Was soll ich sehen?“ Sie beugte sich vor. „Ich meine, wie soll das Ganze denn eigentlich funktionieren? Und wie …“

Logan legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Unterschreiben Sie nur das Formular. Den Rest überlassen Sie mir.“

Für Mary war das alte große Haus der Drexlers immer ein zweites Zuhause gewesen. Als Mädchen hatte sie sich sogar manchmal gewünscht, es sei ihr echtes Zuhause, doch dann war ihr immer ihre Mutter eingefallen, und sie hatte ein schlechtes Gewissen bekommen. Als sie jetzt die quietschende Fliegengittertür öffnete, stiegen wieder die altvertrauten Gefühle in ihr hoch.

Im Haus wurde sie von einem gut erzogenen gelben Hund begrüßt und einer gefleckten Katze ignoriert. „Herein!“, hörte sie Sallys Stimme.

„Ich bin’s nur!“, rief Mary zurück, während sie dem Hund ein Zeichen gab, ihr nicht zu folgen, und den Mann neben sich hereinwinkte.

„Bin im Büro!“

Mary ging durch die sonnige Küche, durchquerte das gemütliche Wohnzimmer und die dämmrige Eingangsdiele und betrat Sallys Refugium, das ihr tagsüber als Büro und nachts als Schlafzimmer diente.

„Okay, Freundin, jetzt mal raus mit der Wahrheit. Wie lauten die Regeln für diesen Wettbewerb eigentlich?“

Sally schwang ihren ergonomischen Schreibtischstuhl zu Mary und Logan herum und lächelte. „Aha, ihr zwei habt euch also schon gefunden.“

„Überraschung, Überraschung! Also mir hast du gesagt, dass ich nicht qualifiziert genug für die Teilnahme bin, und ihm …“ Mary trat beiseite, um ihrem Begleiter Platz zu machen.

„… Logan“, ergänzte Sally. „Ich habe ihm erklärt, dass er kein Pferd bekommen kann, weil er zum Stammesrat der Lakota gehört, und der stellt uns demnächst eine Menge Land zur Verfügung. Als Team würdet ihr euch allerdings perfekt ergänzen.“ Sally strahlte über das ganze Gesicht. „Ist doch ein toller Deal für euch beide, findet ihr nicht?“

„Aber ich muss in dreißig Tagen wieder in Fort Hood sein!“

„Das liegt in Texas, nicht auf dem Mond. Ich habe hier sogar Bewerber aus …“ Sally nahm ein Schreiben aus einem der drei Postkörbe und rückte ihre Brille zurecht. „Hier schreibt eine Frau aus New York, was viel weiter entfernt ist. Wohnen dort wirklich Indianer?“

„Klar, jede Menge“, antwortete Logan.

„Super! Je bunter der Haufen, desto besser. Es geht doch nichts über ein paar Wildpferde, um die verschiedensten Leute zusammenzubringen.“ Sally warf Mary einen vielsagenden Blick zu. „Vielleicht gelingt es den Pferden ja sogar, dich später an den Wochenenden aus Texas herzulocken.“

„Ist die ganze Sache nicht viel zu aufwendig?“ Mary hatte allmählich das Gefühl, die einzig Vernünftige hier zu sein. „Um noch mal auf meine Frage von eben zurückzukommen …“

„Stimmt, erklär uns erst einmal die Regeln“, bekräftigte Logan.

Sally legte die Bewerbung aus New York beiseite. „Ich arbeite mit Max Becker vom Landesverwaltungsamt zusammen. Er ist der dortige Wildpferd-Spezialist und hat mir dabei geholfen, die Genehmigung für den Wettbewerb zu bekommen und das Anmeldeformular zu entwerfen. Wir wollen vermeiden, dass uns jemand betrügerische Absichten unterstellt und uns damit Schaden zufügt. Unser Budget ist auch so schon knapp genug bemessen.“

„Aber wozu dieser Aufwand?“, fragte Mary. „Wenn wir nicht qualifiziert sind, sind wir eben nicht qualifiziert.“

Einzeln seid ihr das nicht, aber was spricht dagegen, wenn eine nicht qualifizierte Teilnehmerin sich Hilfe von einem erfahrenen Pferdetrainer holt?“ Sally richtete den Blick auf Logan. „Selbst wenn er zum Stammesrat gehört.“

„Wie kommst du nur immer auf solche Einfälle?“, fragte Logan verblüfft.

„Na ja, letztlich treffe ich die Entscheidung darüber, wer mitmachen darf und wer nicht. Und qualifizierte Bewerber sind rar gesät. Da muss man sich manchmal etwas einfallen lassen.“

„Was passiert eigentlich mit denen, die du ablehnen musst?“, fragte Mary.

Sally zeigte auf einen metallenen Papierkorb.

„Was? Die bekommen noch nicht mal eine Absage?“

„Doch, aber das übernimmt Annie. Sie schreibt so hinreißende Briefe, dass wir manchmal sogar Spenden erhalten.“

„Ich habe keinen Brief gekriegt“, sagte Mary zu Logan. „Sie etwa?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, meine Bewerbung liegt wahrscheinlich noch irgendwo hier herum.“

„Ihr liegt beide in dem Korb für die Bewerber, die wir nur unter bestimmten Voraussetzungen nehmen. Zusammen könntet ihr es in den ‚Ja‘-Korb schaffen.“ Sally sah an den anderen beiden vorbei, wobei ihr Blick ganz verklärt wurde.

Mary und Logan drehten sich um und entdeckten Hank Night Horse in der Tür. Er schüttelte Mary die Hand und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Krempe seines Cowboyhuts. Logan versetzte er einen Schlag auf die Schulter. „Wie läuft’s?“, fragte er.

„Ganz gut. Sag mal, wie wirst du eigentlich mit deiner Freundin fertig?“ Logan lachte.

Hank und Sally wechselten liebevolle Blicke.

„Anscheinend liegt in Hanks Fall kein Interessenkonflikt vor“, bemerkte Logan trocken zu Mary.

„Nur um das klarzustellen, ich mache bei dem Wettbewerb gar nicht mit“, erklärte Hank. „Ich habe nämlich alle Hände voll zu tun.“

Wie zum Beweis durchquerte er das Zimmer, setzte sich hinter Sally auf die Fensterbank und begann, ihr die schmalen Schultern zu massieren. „Der Kerl da ist der Beste, den du finden kannst, Sally“, sagte er. „Er bringt den Pferden das Witzeerzählen bei, bevor du überhaupt den Ring für den nächsten Wettbewerber freigemacht hast.“

„Keine Tricks“, sagte Logan. „Ein Pferd ist schließlich ein Pferd.“

„Stimmt. Ich habe volles Vertrauen in deine Fähigkeiten, Logan. Und je mehr Legenden nach dem Wettbewerb im Umlauf sind, desto besser. Zum Beispiel die vom Lakota-Pferdemann und der Kriegerin – ein gefundenes Fressen für sämtliche Pferdemagazine.“

„Kriegerin?“, wiederholte Mary belustigt. „Na ja, klingt wahrscheinlich besser als Hundesoldatin.“

„Warum?“, warf Hank ein. „Hundesoldaten waren die besten Krieger der Cheyenne. Sie formieren sich gerade wieder neu. Meine Schwester ist mit einem in Montana verheiratet. Wenn man Sie eine Hundesoldatin nennt, könnten Sie das ruhig als Kompliment auffassen.“

„Tu ich ja auch. ‚Hundesoldatin‘ ist auf jeden Fall besser als ‚Hundegesicht‘, aber Hundespezialistin klingt trotzdem besser.“

„Dann nennen Sie sich also nicht ‚Hundeflüsterin‘?“, neckte Logan sie. „Heutzutage flüstert doch alle Welt.“

„So wie du, Cowboy, oder?“ Sally lächelte Hank verschmitzt an. „Du flüsterst, und ich schnurre.“

„Wie süß“, kommentierte Logan trocken.

Mary hob eine Augenbraue und sah ihn an. „Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass wir hier gerade stören?“, fragte sie.

„Ich gehe erst, wenn ich bekommen habe, was ich wollte“, erklärte er. „Melden Sie sich an. Ich bin bereit, Sie zu trainieren.“

Sally lächelte ihrer Freundin aufmunternd zu. Die beiden Frauen sahen einander nicht oft, seitdem Mary beim Militär war, aber das tat ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Sally war … eben Sally.

Okay, jetzt kam der Moment der Entscheidung. Mary drehte sich zu Logan um und sah ihn an. Bei ihrer Armee-Ausbildung hatte sie gelernt, Herausforderungen zu schätzen, vor allem, wenn sie von einem würdigen Gegner stammten. „Na schön, aber wir machen Halbe-halbe“, sagte sie. „Das wäre nur fair. Außerdem teilen wir sämtliche Ausgaben, ganz egal, ob wir gewinnen oder verlieren.“

„Wir können gar nicht verlieren“, gab er zurück. „Das hier ist einer dieser berühmten Deals, von dem beide Seiten profitieren. Wer schreibt eigentlich den Artikel über uns?“

Sally war so tief versunken in Hanks Massage, dass sie vor Schreck fast vom Stuhl gekippt wäre. Gutmütig nahm sie das belustigte Gelächter der anderen hin. „Ach, das ergibt sich schon von ganz allein, wenn eure Teilnahme sich herumspricht.“ Lächelnd blickte sie zur Tür. „Ich glaube, ich werde Annie damit beauftragen, da etwas nachzuhelfen.“ Ihre jüngere Schwester Ann betrat gerade das Zimmer.

„Womit willst du mich … Mary!“, rief sie freudig überrascht und umarmte die Freundin ihrer Schwester. „Bist du auch mal wieder da? Mensch, du siehst echt toll aus!“

„Du aber auch.“ Annie wirkte sehr glücklich – und war erheblich schlanker als früher. Mary fielen wieder die zahlreichen Spitznamen ein, die sie und Sally der „Kleinen“ früher immer verpasst hatten. Speckbacke zum Beispiel.

Als Mary den großen, dunklen und gut aussehenden Cowboy in Annies Schlepptau entdeckte, beglückwünschte sie sich im Stillen, nicht mit diesem Spitznamen herausgeplatzt zu sein. „Das muss dein neuer Ehemann sein“, sagte sie. „Herzlichen Glückwunsch nachträglich zur Hochzeit. Ich bin übrigens Mary Tutan.“

Zach Beaudry reichte ihr zögernd die Hand. „Tutan?“, fragte er. „Sind sie etwa mit …“

„Ja, ich bin Damn Tootin’s Tochter.“

„Und meine allerbeste Freundin“, ergänzte Sally mit Nachdruck. „Dan Tutan hin oder her.“

„Tja, er ist ein ziemlich schwieriger Mensch, mein Vater. Niemand weiß das so gut wie ich.“ Mary seufzte und zuckte die Achseln. „Außer meiner Mutter natürlich. Und meinem Bruder.“ Sie lächelte entschuldigend. „Meine Freunde natürlich auch.“

„Wir hatten nur eine sehr kleine, bescheidene Hochzeit“, erklärte Ann schuldbewusst. „In einer Hütte in den Black Hills. Ganz familiär.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte Mary einen Arm um die Schultern. „Wenn du auch da gewesen wärst, hätten wir ihn natürlich …“

„Ich mache dir keinen Vorwurf, dass du meinen Vater nicht eingeladen hast“, beschwichtigte Mary sie. „Bei meiner Hochzeit würde ich ihn auch nicht dabeihaben wollen. Er ist …“, Mary warf Logan einen Blick zu, „… schwierig.“

„Auf jeden Fall hält er nicht besonders viel von unserem Schutzgebiet“, erklärte Sally. „Das ist ein echtes Problem.“

„Ach, Dad ging es schon immer nur darum, seinen Willen durchzusetzen“, sagte Mary abfällig. „Na ja, auf diese Art bringt er zumindest das Essen auf den Tisch. Solange einem gefällt, was er isst.“

Ein unbehagliches Schweigen breitete sich im Zimmer aus. Mary atmete tief durch und beschloss, das Thema zu wechseln. Langsam drehte sie sich wieder zu Logan um. Plötzlich hatte sie Lust auf die neue Herausforderung. „Und? Halbe-halbe? Was sagen Sie zu meinem Angebot?“, fragte sie.

„Was leisten Sie für Ihre Hälfte?“

„Lernen. Was kein Problem sein dürfte, wenn Sie wirklich so gut sind, wie man sagt.“ Sie lächelte. „Ich kann gut Befehle annehmen.“

„Ich erteile grundsätzlich keine Befehle. Von mir lernt man nur durch Zusehen und Zuhören.“ Logan verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie machen also mit?“

„Klar, lassen Sie uns loslegen.“

Logan drehte sich zu Sally um. „Okay, hefte unsere Bewerbungen zusammen und gib uns ein Pferd.“

2. KAPITEL

„Was machst du denn da, Mom?“ Mary eilte auf Audrey Tutan zu und nahm ihr die alte Eismaschine ab, welche die ältere Frau gerade aus dem Keller holte. „Der Arzt hat dir doch das Heben schwerer Gegenstände streng verboten!“

Das alte eiserne Küchengerät war so groß und schwer, dass die steile Kellertreppe ein echtes Risiko darstellte. In der Küche angekommen, machte Mary das Kellerlicht aus und schloss die Tür hinter sich.

„Ich dachte, wir feiern deinen Urlaub“, sagte ihre Mutter, als sie wieder Luft bekam. „So schwer ist die Maschine gar nicht, und dein Vater hatte plötzlich Lust auf selbst gemachtes Eis.“

„Hat Dad dich etwa darum gebeten, welches zu machen?“

„Nein, nein, er hat nur beiläufig erwähnt, wie verrückt du früher immer danach warst, nachdem du Grandmas alte Eismaschine im Keller entdeckt hattest. Seit deinem Auszug habe ich sie nicht mehr benutzt.“

„Heute gibt es doch längst elektrische Eismaschinen.“ Mary stellte den Dinosaurier aus den Sechzigerjahren auf den aus derselben Ära stammenden Küchentisch und wischte sich die Hände ab. „Sag bloß, du hast gerade im Keller herumgewühlt?“

„Das war nicht nötig. Ich wusste ja, wo die Maschine steht. Außerdem ist es schön kühl da unten, ganz im Gegensatz zu hier. Ich dachte, ich mache uns Erdbeereis.“

Mary begutachtete das alte Gerät. Sie hatte kaum noch Erinnerungen an ihre Großmutter, die gestorben war, als Mary acht Jahre alt gewesen war. Allerdings hatte sie ihrer Tochter zahllose ungeschriebene Rezepte vermacht.

Sie nahm den Deckel ab und inspizierte das Innere. Darin lag ein Spatel, den sie früher mehr als einmal gierig abgeleckt hatte. Sie würde ihn gründlich mit Wasser und Spülmittel reinigen.

„Kleiner sind die Eismaschinen heute auch“, sagte sie, als ihre Mutter einen großen Topf aus dem Schrank über dem Herd zog. „Hat Dad wirklich vorgeschlagen, mir zu Ehren Eis zu machen?“

„Nein, aber ich weiß, dass er das gedacht hat.“

Mary bezweifelte das sehr, behielt ihre Skepsis jedoch für sich. Audrey Tutan war immer ein stiller und zurückhaltender Mensch gewesen, und seitdem ihre Kinder das Haus verlassen hatten, lebte sie vollkommen zurückgezogen. Mary hatte ihr nie etwas verheimlichen können, doch ihre Mutter hatte ihre Geheimnisse immer genauso gut gehütet wie ihre eigenen. Es sei denn, es ging darum, den Frieden im Hause Tutan zu retten.

Weiß der Himmel, wie sie auf die Idee gekommen war, dass ihr Mann hausgemachtes Eis essen wollte. Aber sie las ihm jeden Wunsch von den Augen ab und stand ihm immer loyal zur Seite. Bitte lass uns nicht über ihn reden, Mom, sondern hör mir einfach zu. Und erzähl mir von dir.

„Wie geht’s Sally?“, fragte Audrey, während sie die Kühlschranktür öffnete.

„Sie hat anscheinend ihren Seelenverwandten gefunden. Ich habe sie noch nie so glücklich erlebt.“

Autor

Kathleen Eagle
Kathleen Eagle wurde in Virginia als ein “Air Force Balg” geboren. Nach ihrer Schulausbildung machte sie einen Abschluss auf dem Mount Holyoke College und der Northern State University und wurde Lehrerin. Über 17 Jahre unterrichtete sie an einer High School in North Dakota. Auch nach diesen 17 Jahren blieb sie...
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