Wenn ein Milliardär dich begehrt

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Lass mich dein Geliebter sein, Carly!" Der sexy Milliardär Luis Martinez könnte jede Frau haben, doch er will sie! Aber Vorsicht: Als Luis’ Haushälterin weiß Carly nur zu gut, dass er ein Herzensbrecher ist …


  • Erscheinungstag 17.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734640
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Carly erstarrte, als die wütende Stimme durchs Haus donnerte.

„Carly!“

Sie betrachtete die Speisestärke unter ihren Fingernägeln. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte versuchen, ihn zu ignorieren, doch welchen Sinn hätte das? Wenn ihr ebenso brillanter wie launischer Boss etwas wollte, dann musste es vor zehn Minuten erledigt sein, vorzugsweise noch früher. Er war zielstrebig und ehrgeizig, auch wenn er nur fünfzig Prozent gab. Denn bei Luis Martinez kamen fünfzig Prozent der vollen Leistung eines Durchschnittsmenschen gleich.

Carly verzog das Gesicht. Hatte er den häuslichen Frieden mit seinen ständigen Anweisungen und seiner schlechten Laune in den letzten Wochen nicht oft genug gestört? Wahrscheinlich hatte er guten Grund dazu, anspruchsvoller als sonst zu sein, aber trotzdem … Sie wusste nicht mehr, wie oft sie sich schon auf die Zunge gebissen hatte. Wenn sie es sich inständig wünschte, würde er vielleicht verschwinden und sie in Ruhe lassen.

Am besten für immer.

„Carly!“

Da er nun noch ungeduldiger klang, nahm sie ihre Schürze ab und schüttelte ihren Pferdeschwanz. Nachdem sie sich rasch die Hände gewaschen hatte, eilte sie zum Fitnessbereich im hinteren Teil des Hauses, wo Luis Enrique Gabriel Martinez gerade eine weitere Rehaeinheit mit seiner Physiotherapeutin abhielt.

Zumindest sollte er nach dem schweren Autounfall, den er offenbar nur mit Glück überlebt hatte, Reha bekommen. In letzter Zeit fragte sie sich allerdings immer öfter, ob die beiden bereits eine Grenze überschritten hatten. Die ehemals kühle Physiotherapeutin erschien inzwischen auffällig stark geschminkt und duftend, wenn sie morgens klingelte. Nun, im Grunde war das auch nicht anders zu erwarten gewesen, denn Luis übte eine starke Wirkung auf Frauen aus, was wohl an seinem exotischen Äußeren und seiner unbändigen Lebenslust lag.

Er kam, sah und siegte – nur nicht unbedingt in der Reihenfolge, denn er machte alle Frauen schwach. Selbst im Krankenhaus war es der Fall gewesen, sodass fast sämtliche behandelnden Schwestern ihn später unter irgendeinem Vorwand zu Hause besucht hatten. Ein ans Bett gefesselter, ausgesprochen verführerischer Milliardär war natürlich ein attraktives Ziel, doch zu Carlys Überraschung hatte er sie alle kurz abgefertigt.

Zum Glück gehörte sie zu den wenigen Frauen, die gegen den sorglosen Charme des Argentiniers immun waren – nicht, dass dieser ihn bei ihr hatte spielen lassen. Vielleicht war das einer der Vorteile, die es mit sich brachten, wenn man wie eine graue Maus aussah. So konnte sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren und einer besseren Zukunft entgegenblicken. Und sich seine vielen negativen Eigenschaften wie Egoismus, Rastlosigkeit und sträflichen Leichtsinn ins Gedächtnis rufen. Außerdem ließ er überall seine Espressotassen herumstehen.

Kurz vor dem Fitnessbereich blieb Carly stehen und überlegte, ob sie lieber bis zum Ende der Massage warten sollte.

„Carly!“

Hatte er sie trotz der Turnschuhe, die sie trug, kommen hören? Man schrieb es unter anderem seinen scharfen Sinnen zu, dass er als Rennfahrer lange so erfolgreich gewesen war.

„Kommen Sie jetzt endlich rein, Carly!“

Inzwischen hatte sie sich an seinem autoritären, verächtlichen Tonfall gewöhnt. Hunde, die bellen, beißen nicht, hieß es in seinem Umfeld. Seine vorletzte Freundin musste er jedenfalls oft gebissen haben, denn sie hatte beim Frühstück immer stolz ihre Knutschflecken gezeigt.

Carly öffnete die Tür und betrat den Raum, in dem ihr berühmter Arbeitgeber auf dem Rücken auf der Massagebank lag. Er hatte die Arme im Nacken verschränkt, und sein gebräunter Körper bildete einen faszinierenden Kontrast zu dem weißen Laken. Als er sie erblickte, kniff er die Augen zusammen und sah sie scheinbar erleichtert an.

Seltsam, doch im nächsten Moment registrierte Carly die Anspannung im Raum. Dann stellte sie fest, dass Mary Houghton, die Physiotherapeutin, schwer atmend am anderen Ende stand – und Luis bis auf ein kleines weißes Handtuch über der Hüfte nackt war.

Carly spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg, und plötzlich wurde sie wütend. Hätte er sich nicht vor ihrer Ankunft bedecken können? Er hätte sich doch denken können, dass der Anblick seiner muskulösen Brust, seiner breiten Schultern und seiner langen Beine ihr peinlich war.

Sie hielt sich von Männern fern, und das aus gutem Grund. Doch als sie nun wider Willen fasziniert ihren Boss betrachtete, vergaß sie ihre unterschwelligen Ängste und Komplexe gegenüber dem anderen Geschlecht.

In diesem Moment konnte sie verstehen, warum die Frauen ihn anbeteten und die Presse ihn Die Liebesmaschine genannt hatte, als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere und amtierender Weltmeister war. Das war vor ihrer Zeit gewesen, aber natürlich hatte sie von ihm gehört.

Damals hatte er nicht nur die Sportseiten beherrscht, sondern war auch ein bekanntes Werbegesicht gewesen. Die Klatschpresse hatte ebenfalls ständig über ihn berichtet, denn attraktive südamerikanische Milliardäre, an deren Armen immer irgendeine Blondine hing, garantierten eine hohe Auflage. Irgendeine Journalistin hatte einmal geschrieben, dass seine dunklen Augen beinah leer wirkten, was seine Faszination offenbar nur verstärkt hatte.

Denn sogar Carly war klar, dass Luis Martinez nicht nur gut aussah, sondern etwas Wildes, Ungezähmtes an sich hatte. Er war das Objekt der Begierde, das keine Frau lange halten konnte. Das etwas zu lange schwarze Haar erinnerte an einen Freibeuter, und unter dem Blick seiner schwarzen Augen fühlte sie sich entschieden unbehaglich.

Schnell blickte sie Mary Houghton an, die inzwischen seit Wochen ins Haus kam. Mit ihrem glänzenden Haar und der tollen Figur war die Physiotherapeutin so attraktiv wie immer, wirkte allerdings gekränkt.

„Endlich, Carly“, sagte Luis sarkastisch. „Sie wissen doch, dass ich nicht gern warte.“

„Ich habe gerade Alfajores für Sie zum Kaffee gemacht“, erwiderte Carly.

„Ah, ja.“ Widerstrebend nickte er. „Ihr Zeitmanagement ist miserabel, aber Sie sind eine hervorragende Köchin. Ihre Alfajores schmecken genauso, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne.“

„Wollten Sie etwas Bestimmtes?“, erkundigte sie sich demonstrativ. „Es ist nämlich nicht gut für den Teig, wenn man beim Backen unterbrochen wird.“

„Ich glaube nicht, dass es Ihnen zusteht, mir Vorträge über Zeitmanagement zu halten“, erklärte er scharf, bevor er sich an Mary wandte, die aus irgendeinem Grund tief errötet war. „Manchmal scheint Carly zu vergessen, dass ein gewisser Grad an Unterwürfigkeit bei einer Haushälterin wünschenswert ist. Aber da sie sehr kompetent ist, nehme ich es hin, dass sie gelegentlich aufbegehrt. Nun, da Sie gehen wollen, Mary … Glauben Sie, jemand wie sie schafft es, mich wieder zur alten Form zu bringen?“

Dass Luis über sie redete, als wäre sie gar nicht anwesend, interessierte Carly in diesem Moment nicht. Sie wollte vielmehr wissen, warum die ehemals so unnahbare Physiotherapeutin derart angespannt wirkte.

„Stimmt etwas nicht?“, hakte sie nach, woraufhin Mary Houghton verlegen die Schultern zuckte.

„Nicht direkt. Aber mein Engagement bei Señor Martinez ist … beendet. Er benötigt keine Physiotherapeutin mehr.“ Ihre Stimme bebte leicht. „Aber in den nächsten Wochen braucht er weiterhin regelmäßig Massagen und muss trainieren, und das sollte jemand beaufsichtigen.“

„Aha.“ Carly wusste nicht genau, worauf sie hinauswollte.

Luis fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. „Sie hätten kein Problem damit, das zu übernehmen, oder, Carly? Sie sind doch geschickt.“

„Ich?“, brachte sie entsetzt hervor. Bei der Vorstellung, in die Nähe eines halb nackten Mannes – auch wenn es Luis Martinez war – zu kommen, bekam sie eine Gänsehaut. „Heißt das, ich soll Sie massieren?“

Nun funkelten seine Augen, und sie wusste nicht, ob es Belustigung oder Ärger war. „Finden Sie den Gedanken so schrecklich, Carly?“

„Nein, nein, natürlich nicht“, log sie. Sie hätte ihm sagen müssen, wie wenig Ahnung sie von Männern hatte. Sie zuckte die Schultern, und das Blut stieg ihr ins Gesicht. „Es ist nur … Na ja, ich habe noch nie jemanden massiert.“

„Das ist kein Problem“, erklärte Mary Houghton kühl. „Ich kann Ihnen die Grundlagen beibringen. Und mit den Übungen ist Señor Martinez schon vertraut. Sie müssen vor allem darauf achten, dass er sie regelmäßig macht.“

„Meinen Sie, Sie schaffen das, Carly?“

Der Klang der verführerischen Stimme drang an ihr Ohr, und als Carly sich umwandte, machte sein Blick sie schwindlig. Es schien ihr, als würde Luis sie zum ersten Mal richtig ansehen. Der Ausdruck in seinen Augen war beinah … abschätzend, und das alarmierte sie. Dachte Luis, was unzählige Männer vor ihm gedacht hatten? Dass sie unscheinbar und unbeholfen war und nichts aus ihrem Typ machte? Und würde er sich wundern, wenn er wüsste, dass es ihr ganz recht war? Dass sie nicht gern auffiel, weil das Leben so sicherer war? Sicherer und vorhersehbarer.

Nachdem sie die dunklen Erinnerungen routiniert wie immer verdrängt hatte, dachte Carly über seine Frage nach. Natürlich konnte sie sich die Grundlagen aneignen, denn wie er ganz richtig festgestellt hatte, war sie sehr geschickt. Schließlich führte sie seinen Wohnsitz hier in England schon seit Jahren. Sie machte den Haushalt, kümmerte sich um das Catering, wenn er eine große Party gab, oder engagierte einen Sternekoch und bestellte Blumen, wenn er eine seiner Freundinnen einlud.

Sie wünschte nur, sie hätte den Mut zu sagen, dass sie es nicht tun wollte, dass sie sich bei der Vorstellung, ihm nahezukommen, komisch fühlte. Und obwohl sie diesen Job nur machte, weil sie einmal Ärztin werden wollte, musste sie ihre ersten praktischen Erfahrungen nicht bei einem Mann wie Luis Martinez sammeln.

Wenn sie sich vorstellte, seine Haut zu berühren, vor allem wenn er nur mit einem Handtuch bedeckt war, so wie in diesem Moment … Wenn sie sich vorstellte, jeden Tag mit ihm allein im Massageraum zu sein … Ja, sie kam mit Luis Martinez klar, aber nur aus der Distanz.

„Das kann doch auch jemand anders übernehmen, oder?“, schlug sie deshalb vor.

„Ich möchte aber, dass Sie es machen“, erwiderte er. „Oder haben Sie andere Verpflichtungen, Carly? Gibt es da etwas, wovon ich wissen sollte? Schließlich bin ich Ihr Arbeitgeber, oder?“

Sie ballte die Hände zu Fäusten, weil er sie jetzt in die Ecke gedrängt hatte, und sie wussten es beide. Luis zahlte sehr gut, und sie sparte den größten Teil ihres Lohns für ihr geplantes Medizinstudium.

Ihre Tätigkeit hier ließ ihr noch genug Zeit zum Lernen. Sie liebte sie sogar, vor allem, wenn Luis sich nicht in England aufhielt, was meistens der Fall war. Er besaß exklusive Domizile auf der ganzen Welt, überall, wo er Geschäfte machte, und sein Wohnsitz hier stand normalerweise ganz unten auf seiner Liste. Als sie einmal seinen stämmigen Assistenten Diego, einen ehemaligen Ringer, fragte, warum er dieses Anwesen überhaupt behielt, hatte dieser gesagt, aus steuerlichen Gründen.

Ihre Aufgabe bestand darin, immer alles fertig zu haben, falls Luis unerwartet auftauchen sollte. Normalerweise wäre er jetzt auch nicht hier gewesen, wenn er nicht an dem Wohltätigkeitsrennen teilgenommen hätte, das ihm einen wochenlangen Krankenhausbesuch wegen eines komplizierten Beckenbruchs beschert hatte.

Carly betrachtete ihn und überlegte, ob sie sein arrogantes und willkürliches Verhalten auf einer intimeren Ebene ertragen würde. Wie sollte sie ihn massieren, ohne der Versuchung nachzugeben, die Fingernägel in seine seidenweiche, gebräunte Haut zu krallen? Wie, in aller Welt, sollte sie einen so berüchtigten Sexgott auch nur berühren, ohne sich lächerlich zu machen?

„Vielleicht sollten Sie eine andere Therapeutin engagieren“, beharrte sie deshalb.

Luis warf Mary Houghton, die immer noch genauso dastand wie eben, einen Blick zu und verzog gereizt die Lippen. „Geben Sie uns bitte einen Moment, Mary?“

„Ja, natürlich. Ich … rede mit Ihnen, wenn Sie fertig sind, Carly.“ Mary ging zu ihm und streckte ihm die Hand entgegen. „Auf Wiedersehen, Luis. Es war … schön.“

Er nickte, doch Carly fiel auf, wie kalt seine Miene war, als er sich auf einen Ellbogen stützte und Mary die Hand schüttelte.

„Auf Wiedersehen, Mary“, sagte er.

Nachdem Mary den Raum verlassen hatte, setzte er sich auf und bedeutete Carly ungeduldig, ihm den schwarzen Bademantel zu reichen, der an einem Haken an der Tür hing.

Sie holte ihn und wandte schnell den Blick ab, bis Luis sich bedeckt hatte.

„Warum sind Sie so verdammt stur?“, fragte er dann gereizt.

Zuerst antwortete sie nicht. Würde er sie verspotten, wenn er erfuhr, dass die Intimität ihr Angst machte? Oder wäre er schockiert, wenn sie ihm erzählte, dass sie den Umgang mit Männern wegen eines traumatischen Erlebnisses scheute? Ein Mann wie er würde ihr genau wie die anderen wahrscheinlich raten, es zu vergessen – als wäre das so einfach.

Aber es ging nicht nur um das, was ihr widerfahren war, oder? Wenn sie sich einverstanden erklärte, würde sie sich nur Ärger einhandeln, denn reiche, mächtige Männer wie Luis bedeuteten Ärger. War nicht ihre eigene Schwester seit der Pubertät auf der Jagd nach diesen Typen und machte trotz der Rückschläge immer weiter?

Einige von Bellas unrühmlichen Eskapaden kamen ihr in den Sinn, als sie Luis’ Blick erwiderte. „Ich möchte meine häuslichen Pflichten nicht vernachlässigen“, erklärte sie.

„Dann stellen Sie jemanden ein, der das Kochen und Saubermachen übernimmt. Wie schwierig kann das sein?“

Carly errötete. Dass er ihren Job so gering schätzte, kränkte sie.

„Ich kann auch eine Masseurin engagieren, die das bestimmt besser macht als ich“, schlug sie vor.

„Nein“, entgegnete Luis wütend. „Ich kann keine Fremden mehr sehen. Ständig kommen irgendwelche Leute in mein Haus und wollen mir vorschreiben, was ich tun und lassen soll.“ Er presste die Lippen zusammen. „Was ist los, Carly? Sagen Sie Nein, weil Massagen für Ihren genesenden Boss nicht im Arbeitsvertrag vorgesehen sind?“

„Ich habe keinen Vertrag“, klärte sie ihn auf.

„Nein?“

„Nein. Beim Bewerbungsgespräch sagten Sie, wenn Ihr Wort mir nicht genügt, würden Sie auch nicht wollen, dass ich für Sie arbeite.“

Nun lächelte er arrogant. „Habe ich das wirklich gesagt?“

„Allerdings.“ Und sie hatte sich einverstanden erklärt, weil es eine einmalige Gelegenheit für sie gewesen war – eine Bleibe und ein großzügiges Gehalt.

Luis war ernst geworden. „Diese Diskussion langweilt mich allmählich“, verkündete er scharf. „Helfen Sie mir jetzt oder nicht?“

Carly hörte die unterschwellige Drohung heraus. Würde er sie feuern, wenn sie ablehnte? Musste sie sich dann einen neuen Job suchen? Einen, der ihr keine Zeit zum Lernen ließ? Als sie an die Rechnung für den Champagner von seiner letzten Party dachte, fasste sie einen Entschluss.

„Ich mache es, wenn Sie mir eine Art Bonus geben“, schlug sie vor.

„Eine Gefahrenzulage?“, spottete er. Er verzog das Gesicht, als er die Beine von der Liege nahm. Dabei klaffte sein Bademantel auseinander, und ihr Blick fiel auf seinen von feinen Härchen bedeckten Schenkel.

„Genau“, erwiderte sie heiser und wandte schnell den Blick ab. „Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.“

Luis lachte auf. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Sie verhandeln können, Carly.“

„Und warum nicht?“

Luis antwortete nicht und konzentrierte sich darauf, die Hüften zu dehnen, so wie Mary es ihm gezeigt hatte. Seine unscheinbare kleine Haushälterin hatte ihn gerade darin bestätigt, dass jeder Mensch seinen Preis hatte. Er wies sie allerdings nicht darauf hin, weil er sie nicht verärgern wollte, denn es hatte keinen Sinn, eine Frau zu verärgern, sofern es sich vermeiden ließ. Oft ließ es sich natürlich nicht vermeiden, denn entweder hörten sie nicht richtig zu, oder sie glaubten, einen umstimmen zu können.

Oder sie verliebten sich in einen, auch wenn man sie nicht im Entferntesten dazu ermutigt hatte. Erneut presste Luis die Lippen zusammen. Genau den Fehler hatte Mary Houghton begangen. Sie hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie scharf auf eine … Liaison war, und er war natürlich in Versuchung geraten. Sie war eine attraktive Frau, und hatte er nicht irgendwo gelesen, dass Physiotherapeutinnen gut im Bett waren, weil sie sich mit dem menschlichen Körper auskannten? Es war aber höchst unprofessionell von ihr gewesen und hatte ihn entsetzt.

Luis richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Carly. Bei ihr hatte er wenigstens nichts zu befürchten, denn er würde sich bestimmt nicht zu ihr hingezogen fühlen. Er fragte sich, ob sie zu Hause einen Spiegel hatte oder einfach nicht sah, was die anderen sahen.

Sie hatte das dicke braune Haar zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden und war ungeschminkt. Da sie hellbraune Augen und porzellanfarbene Haut hatte, hätte ihr Gesicht etwas Farbe benötigt, und er hatte oft überlegt, warum sie bei der Arbeit immer einen blauen Overall trug, der zudem an bestimmten Stellen spannte, weil sie eine altmodisch kurvenreiche Figur hatte.

Er umgab sich normalerweise nur mit Frauen, die Weiblichkeit zu einer Kunstform erhoben hatten. Die unendlich viel Zeit und Geld in ihre Schönheit investierten und den Rest ihres Lebens dann damit verbrachten, diesen Zustand zu erhalten. Carly hingegen war anders.

Luis lächelte ironisch. Was pflegten die Engländer zu sagen? Der Schein trügt. Ja, er konnte nicht leugnen, dass Carly Connor Kampfgeist besaß. Keine andere Frau hätte bei der Vorstellung, ihn – sprichwörtlich – in die Finger zu bekommen, auch nur eine Sekunde gezögert. Und genau deswegen wollte er sie für den Job. Er musste so schnell wie möglich wieder fit werden, denn dieser Zustand trieb ihn in den Wahnsinn.

Im Grunde wünschte er sich nur, sich endlich wieder normal zu fühlen und am Leben teilzuhaben. Wenn man zur Untätigkeit verdammt war, grübelte man zu viel und glaubte, etwas zu verpassen. Er wollte wieder Ski laufen. Er wollte wieder fliegen. Er brauchte den Kick gefährlicher Sportarten, damit er sich wieder lebendig fühlte.

Schmerzerfüllt verzog Luis das Gesicht, als er sich von der Liege hochstemmte.

„Reichen Sie mir die Krücken, Carly?“ Als sie nur die Augenbrauen hochzog, stöhnte er. „Bitte.“

Schweigend reichte Carly ihm die Krücken und beobachtete, wie Luis sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Es war seltsam, einen Mann wie ihn an Krücken zu sehen, aber wenigstens befand er sich jetzt auf dem Wege der Besserung. Den Ärzten zufolge konnte er von Glück reden, dass er den Unfall überhaupt überlebt und zudem keine bleibenden Schäden zurückbehalten hatte.

Sie erinnerte sich noch an den Tag, als man sie angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass man ihn ins Krankenhaus gebracht hätte. Mit klopfendem Herzen war sie hingefahren und hatte mit dem Schlimmsten gerechnet.

Auch seine Entourage hatte verrücktgespielt. Überall waren Leute herumgerannt und dem medizinischen Personal in die Quere gekommen. Sicherheitsbeamte. PR-Leute. Sein Assistent Diego hatte den Journalisten Interviews gegeben, und seine Anwälte hatten bereits mit Klage gedroht, weil die Rennstrecke nicht den Vorschriften entsprochen hätte.

Angesichts dieses Durcheinanders hatte sie sich gefragt, ob überhaupt noch jemand an den Schwerverletzten dachte, der gerade operiert wurde. Und dann war sie wieder in ihr altes Verhaltensmuster verfallen, helfen zu wollen. Sie hatte die Intensivstation betreten, wo sie an seinem Bett sitzen durfte – und nur sie, weil der Patient sich nicht aufregen sollte. Carly erinnerte sich noch, wie allein er gewirkt hatte, trotz seines Erfolges und seines Geldes. Er hatte keinen Besuch von Angehörigen bekommen, denn seine Eltern lebten nicht mehr, und er hatte keine Geschwister. Sie war die Einzige gewesen.

Die ganze Nacht hatte sie dort gesessen, seine Hand gehalten und mit den Fingerspitzen darübergestrichen. Hatte ihm, der überhaupt nicht reagierte, erzählt, dass er wieder gesund werden würde. Doch es war eine seltsame Erfahrung gewesen. Für eine Weile hatte sie beinah zärtliche Gefühle für ihren Boss empfunden …

Bis er sich langsam erholt hatte und wieder der Alte gewesen war. Man hatte sie einfach weggeschoben, als eine Frau nach der anderen aufgetaucht war, ausnahmslos in knappen Lederröcken – weil alle wussten, dass der ehemalige Weltmeister auf Leder stand. Carly erinnerte sich noch, wie sie eines Tages sein Zimmer betreten und eine Blondine in hohen Stiefeln mit der Hand unter der Bettdecke ertappt hatte. Danach hatte sie ihn nie wieder besucht und erst wiedergesehen, als er sich gegen den Rat seines Arztes auf eigene Verantwortung entließ.

Allerdings argwöhnte sie, dass der Unfall ihn verändert hatte. Obwohl das Haus sehr groß war, war es ihr immer überfüllt erschienen, weil seine Leute überall herumhingen. Und Luis war noch launischer als sonst gewesen, denn ständig kam jemand in sein Zimmer, um mit ihm zu sprechen. Seinen eigenen Worten zufolge hatte er sich wie ein König gefühlt, der im Sterben lag. Schließlich hatte er alle zurück nach Buenos Aires geschickt, sogar Diego.

Nun schreckte Carly aus ihren Gedanken und nahm seinen forschenden Blick wahr. Luis erwartete eine Antwort auf seine Frage, die eigentlich ein Befehl gewesen war.

„Ja, ich mache es.“ Sie seufzte. „Ich lasse mich von Mary einweisen. Allerdings verstehe ich nicht, warum Sie sie entlassen haben.“

Den Grund dafür erfuhr sie, als sie Mary Houghton im Wintergarten antraf, wo diese starr durchs Fenster in den verregneten Garten blickte. Die Farben der Sommerblumen erinnerten an einen Regenbogen, doch Carly registrierte vor allem, dass die Schultern der Physiotherapeutin leicht bebten.

„Mary?“, erkundigte sie sich sanft. „Alles in Ordnung?“

Es dauerte einen Moment, bis Mary sich umdrehte und Carly das verräterische Glitzern in ihren Augen bemerkte.

„Wie schafft er das nur, Carly?“, fragte Mary mit bebender Stimme. „Wie schafft er es, dass vernünftige Frauen wie ich sich in einen Mann verlieben, den sie nicht einmal mögen? Dass er mich eiskalt hat abblitzen lassen und ich ihn trotzdem immer noch für das Größte seit der Erfindung der Bratkartoffel halte?“

„Na ja, ich war noch nie ein großer Fan von Bratkartoffeln“, versuchte Carly zu scherzen, um den Schmerz in Marys Augen zu vertreiben.

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Dem Milliardär zu Diensten