Beste Freunde im Babyglück

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Auf einer Hochzeit gibt Joni ihren besten Freund Lex als ihren Lover aus - natürlich nur, damit sie nicht allein dasteht! Ein Fehler, der ihre Freundschaft zerstört? Denn als es plötzlich sinnlich prickelt, verbringt Joni eine Liebesnacht in Lex’ Armen - die alles verändert …


  • Erscheinungstag 23.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536301
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Wie kann man seinen besten Freund hassen? Darüber hatte sich Joni Danielson unzählige Male den Kopf zerbrochen, aber noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden. Und sie wusste auch nicht, wie sie das ungute Gefühl abschütteln sollte, das sie seit sechs Wochen beschlich. Als sie im Besprechungszimmer im Rathaus zu Bürgermeister Alexander Devlin III hinüberschaute, zu ihrem einstigen Freund, da fühlte sie nur Zorn und Enttäuschung und leider auch Hass. Es tat ihr weh. Nach fünf Jahren, in denen sie beste Freunde gewesen waren, wollte sie ihn ja gar nicht hassen, aber sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sie ihre negativen Gefühle ummünzen konnte.

Seit anderthalb Monaten ging sie ihm jetzt schon aus dem Weg. Weil sie Lex so gut kannte, gelang es ihr meistens. Ein oder zwei Mal hatte sie Marbel’s Diner betreten und ihn darin essen und mit Leuten reden sehen, aber dabei hatte es sich um Ausnahmen gehandelt. Manche Dinge allerdings ließen sich nicht vermeiden, wie diese Besprechung mit dem Stadtrat und den Abteilungsleitern. Als Leiterin des Jugendzentrums von Sweet Briar musste sie wohl oder übel daran teilnehmen.

Ratsfrau Alana Kane schwebte in einer Parfümwolke herein und ließ Joni kurzzeitig die Luft anhalten. Selbst morgens um halb acht war Alanas Make-up makellos, und jedes Haar saß perfekt. Ihre Ohrringe und die Halskette passten zu der Diamantkette am linken Fußgelenk. Alana würdigte Joni keines Blicks, als sie auf zehn Zentimeter hohen Absätzen durch den Raum stöckelte. Erst als sie Lex erreichte, lächelte sie strahlend.

„Puh, noch auffälliger geht es wohl nicht, was?!“

Joni drehte sich zu Denise Harper um, Lex’ Sekretärin, und tuschelte ihrerseits: „Tja, Männer fühlen sich dadurch geschmeichelt, selbst wenn die Frau eine Schlange ist.“

„Ich habe Lex ja für schlauer gehalten.“

Joni runzelte die Stirn. „Nein, in der Hinsicht ist er wie die meisten Männer.“

Mrs. Harper zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.

„Okay, wie es aussieht, sind wir vollzählig, also lasst uns anfangen“, begann Lex. Alana lächelte noch immer.

Joni ging zu einem Platz am Fußende des Tischs, aber ein Ratsmitglied war schneller. Alle anderen saßen bereits, nur der Stuhl rechts von Lex war noch frei. Joni unterdrückte ein Seufzen, nahm Platz und suchte in ihrer Handtasche nach einem Kugelschreiber.

Lex wartete, bis jeder sich ein Kopenhagener Gebäckstück oder einen Donut genommen und Kaffee eingeschenkt hatte. Er warf Joni einen fragenden Blick zu. Sie begriff nicht, warum. Er weiß ganz genau, was er verbockt hat.

„Starten wir mit dem ersten Punkt auf der Tagesordnung“, fuhr Lex fort. „Das Herbstfestival und der Ball.“

Darüber hatte Lex schon vor Monaten beim Frühstück mit Joni gesprochen, aber damals waren sie noch befreundet gewesen und hatten stundenlang neue Ideen ausgetauscht – vor dem Ereignis, das alles geändert hatte.

Sie waren zu einer Hochzeit eingeladen gewesen. Joni kannte die Braut aus ihrer Studentinnenverbindung. Sie und Lex wollten so tun, als wären sie ineinander verliebt, damit Joni vor ihrem gleichfalls anwesenden untreuen Ex-Verlobten und dessen Ehefrau nicht als einsame Verlassene dastand. Der Plan funktionierte bestens, bis die Sache völlig außer Kontrolle geraten war. Jetzt verdrängte Joni die Erinnerung an jenen Abend, auch wenn es sich nicht so verhielt, dass die Hochzeitsgesellschaft komplett alles zwischen ihnen zerstört hatte. Nein, Joni konnte so ehrlich zu sich sein, sich einzugestehen, dass die Nacht in Lex’ Armen die schönste ihres Lebens gewesen war.

Erst seine ungelenke Entschuldigung am nächsten Morgen hatte es unmöglich gemacht, weiterhin miteinander befreundet zu bleiben. Zehn Minuten lang hatte er sich darüber ausgelassen, wie leid ihm alles tat, und er hatte überhaupt nicht gemerkt, was er damit überhaupt anrichtete. Aus Jonis Scham war erst Wut und dann Hass geworden. Sie war ins Bad ihres Hotelzimmers stolziert, hatte sich in Rekordzeit geduscht und angezogen. Zum Glück waren sie in Chicago gewesen und nicht in Sweet Briar in North Carolina, wo jeder mitbekommen hätte, was vorgefallen war. Niemand musste also erfahren, dass Lex mit ihr geschlafen hatte, um danach vorzuschlagen, so zu tun, als hätte es die gemeinsame Nacht nie gegeben.

Joni versuchte sich wieder auf die Besprechung zu konzentrieren. Alana, diese Hexe, schlug gerade vor, den Ball auch aus dem Budget des Jugendzentrums zu finanzieren, weil er schließlich dort stattfinden sollte. Joni biss sich auf die Zunge, bis Alana zu Ende gesprochen hatte. Dann lächelte sie den anderen sechs Ratsmitgliedern und Polizeichef Trent Knight zu, bevor sie Trent ansah. „Dazu würde ich gern etwas sagen.“

Lex nickte. „Nur zu.“

„Der Ball ist für die ganze Stadt, nicht nur für die Jugend, deshalb sollte die Jugendabteilung auch nicht dafür bezahlen.“

„Er richtet sich in erster Linie an die Kids, Jocelyn“, sagte Alana hochnäsig und verwendete Jonis vollständigen Vornamen statt ihres Spitznamens, der ihr allerdings viel lieber war. „Deshalb veranstalten wir den Ball ja im Jugendzentrum.“

Joni gelang es, die Augen nicht zu verdrehen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Alana den Tanzabend nach Charlotte verlegen wollte, und zwar in ein Hotel, das ihr Bruder leitete. Charlotte befand sich zwei Stunden entfernt, und das Herbstfestival sollte dafür werben, dass Sweet Briar nicht nur als ein Urlaubsort für die Sommermonate taugte, sondern das ganze Jahr hindurch einiges zu bieten hatte – der Ball war als Belohnung für all diejenigen gedacht, die viel Arbeit in das Herbstfestival gesteckt hatten.

Joni suchte Alanas Blick und hielt diesem stand. „Er ist für die Familien von Sweet Briar“, sagte sie ruhig. „Das Jugendzentrum ist ideal, weil wir dort am meisten Platz haben.“

„Wenn du darauf bestehst, den Ball im Jugendzentrum stattfinden zu lassen, sollte das Geld aus deinem Budget kommen. Schließlich werden die Sicherheitsvorkehrungen aus dem Polizeibudget finanziert.“

„Ich verstehe.“

Alana nickte selbstgefällig. „Es freut mich, dass du mir zustimmst.“

„Ich stimme dir nicht zu. Im Gegenteil, ich finde, wir sollten von der Stadt Geld dafür bekommen, dass wir unsere Räume zur Verfügung stellen, denn wir haben Kosten für Strom und Wasser und die Haustechnik. Ich kann mich mal umhören, was Hotels dafür nehmen würden, und schicke der Stadt dann eine Rechnung.“

Alana schnappte entrüstet nach Luft. Joni unterdrückte ein zufriedenes Lächeln.

„Der Ball kommt der ganzen Stadt zugute, also bezahlen wir ihn aus unserem allgemeinen Haushalt“, entschied Lex.

Alana bedachte Joni mit einem finsteren Blick und wandte sich wieder Lex zu. Sie klimperte mit den falschen Wimpern. „Ich bin dagegen. Vielleicht gibst du mir noch Gelegenheit, dich zu überzeugen.“

„Meine Entscheidung steht. Kommen wir zum nächsten Punkt.“

Sie gingen die Tagesordnung durch, und nach dem Ende der Sitzung brachen die meisten Ratsmitglieder sofort auf, weil sie noch andere Jobs hatten. Joni wollte nicht allein mit Lex zurückbleiben und sprang vom Stuhl auf. Als ihr schwindlig und übel wurde, hielt sie sich an der Lehne fest. Sie hatte heute Morgen verschlafen und keine Zeit zum Frühstücken gehabt. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, das Plundergebäck zu verschmähen und nur einen Kaffee zu trinken.

„Alles in Ordnung?“

Die unüberhörbare Besorgnis in Lex’ Stimme ließ sie eine bissige Bemerkung herunterschlucken. Wütend zu sein, war unvernünftig. Lex und sie hatten die Nacht freiwillig miteinander verbracht. Dass er es am Morgen danach bereut hatte, machte ihn ja nicht zu einem schlechten Menschen – Gefühle folgten nun einmal keiner Logik.

„Ja.“ Sie holte tief Luft und atmete seinen verführerischen Duft ein. Lex’ Familie war mit Kosmetik reich geworden und stattete ihn stets mit einer Palette an teuren Produkten aus, daher roch er immer gut. „Ich habe nicht gefrühstückt. Sobald ich etwas gegessen habe, geht es mir besser.“

„Vielleicht brauchst du nur etwas Zucker.“ Er nahm einen gefüllten Donut und hielt ihn ihr hin. Ihr Magen revoltierte. Das fettige Teil war das Letzte, was ihr jetzt guttun würde.

„Nein danke. Ich esse heute Mittag etwas Richtiges.“

„Ich fahre dich.“

„Ich bin mit dem Auto hier.“

Sie wollte davongehen, aber er legte eine Hand auf ihre Schulter. Die Berührung ließ ihre Haut kribbeln. Hastig wandte sie sich ab.

„Es macht mir nichts aus. Ich habe auch noch nichts gegessen. Wir könnten zusammen frühstücken, wie früher.“

„Ich hole mir nur etwas zum Mitnehmen. Ich muss zur Arbeit.“

Lex atmete tief durch. „Joni, ich weiß, was ich getan habe, war falsch, und ich entschuldige mich noch einmal, wenn es dir hilft. Was in der Nacht passiert ist, tut mir sehr leid. Ich hätte mich beherrschen müssen. Mir fehlt unsere Freundschaft. Du fehlst mir!“

Joni hörte den Schmerz aus seiner Stimme heraus, aber sie ignorierte es. In jeder Nacht während der vergangenen Wochen hatte sie Lex’ Nähe vermisst. Doch es gab kein Zurück. Ihre Freundschaft war an einem wolkigen Sonntagvormittag zu Ende gegangen. Sie konnte nicht so tun, als hätte es die Nacht nicht gegeben oder diese als einen bedeutungslosen One-Night-Stand abtun. So war sie nun einmal nicht drauf. Und jedes Mal, wenn er sich dafür entschuldigte, wuchs der Schmerz in ihrem Herzen.

Zum Glück brauchte sie Lex nicht zu antworten, denn Alana kam auf sie beide zu. Joni bezweifelte, dass die Frau mit ihr reden wollte, sodass sie nach ihrer Handtasche griff. „Da wartet jemand auf dich. Vielleicht kann sie deine neue beste Freundin werden.“

Bevor sie sich umdrehte, registrierte Joni die Verärgerung, die sich in Lex’ Miene widerspiegelte. Sie wusste nicht, ob sie ihr oder Alana galt – vielleicht beiden.

„Wir sind noch nicht fertig, Joni. Ich komme nachher bei dir vorbei.“

Joni öffnete die Tür und sah über die Schulter. „Nachher bin ich beschäftigt.“

Als er einen Schritt in ihre Richtung machte, ging sie schnell hinaus. Diese Runde hatte sie gewonnen, aber sie wusste, dass Lex nicht so schnell aufgab. Doch jetzt musste sie tatsächlich erst einmal etwas essen. Hoffentlich konnte sie es diesmal bei sich behalten.

Joni arbeitete gern im Jugendzentrum. Auch als Leiterin nahm sie sich jeden Tag ein paar Stunden Zeit, um mit den kleinen Besucherinnen und Besuchern zu spielen und mit den Älteren zu quatschen. Leider grassierte unter den Kids eine Magenverstimmung, und selbst einige Betreuer hatten sich bereits angesteckt.

Bis gestern Morgen hatte Joni geglaubt, dass sie verschont worden war, aber beim Aufwachen war ihr schlecht geworden. Nachdem sie trockenen Toast geknabbert und grünen Tee getrunken hatte, war es ihr schon besser gegangen. Jetzt spielte ihr Magen wieder verrückt, und statt zum Parkplatz eilte sie zum WC. Sie schaffte es gerade noch in eine Kabine, bevor sie sich übergeben musste.

Danach legte sie die Stirn an die Tür und wartete, bis ihr Bauch sich beruhigte. Sie wusch sich die Hände, spritzte sich Wasser ins Gesicht und spülte sich den Mund aus. Sie schaute in den Spiegel und wühlte in ihrer Handtasche nach einem Lippenstift, um ihrem blassen Gesicht etwas Farbe zu verleihen. Sie fand keinen und begnügte sich mit einem Pfefferminzbonbon.

Auf dem Weg zum Wagen hoffte sie inständig, dass es wirklich nur ein Virus war. An eine andere Möglichkeit wollte sie nicht denken.

Lex sah Joni nach, als sie aus dem Besprechungsraum flüchtete, schluckte Enttäuschung und Verärgerung herunter und drehte sich zu Alana um. Sie saß noch nicht lange im Stadtrat, und er hatte gehofft, dass sie wie die anderen neuen Mitglieder etwas frischen Wind in die Kommunalpolitik bringen würde. Leider hatte sie bereits bewiesen, dass sie seine Visionen für Sweet Briar nicht teilte, sondern vor allem an ihren eigenen Vorteil dachte. Lex hatte überhaupt nichts gegen Leute, die Geld verdienen wollten, aber es war ein Unterschied, ob man es als Unternehmerin tat oder ein politisches Amt dazu benutzte, um sich an Steuergeldern zu bereichern.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte Lex mit neutraler Stimme.

„Lass mich dich zum Frühstück einladen. Ich möchte dich überreden, den Ball in das Hotel in Charlotte zu verlegen. Mein Bruder macht uns bestimmt ein sehr gutes Angebot.“

„Danke für die Einladung, aber ich muss ablehnen. Und was den Ort des Balls angeht, hat der Stadtrat bereits entschieden.“

Sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Ich kann sehr überzeugend sein.“

Er machte zwei Schritte von ihr weg. „Ich mache keine Hinterzimmerdeals, sondern respektiere die Beschlüsse meines Rats.“

Ihr Lächeln verblasste. „Ich möchte doch nur sicherstellen, dass du alle Fakten kennst.“

„Die hast du in der Sitzung bereits präsentiert. Falls es mehr gibt, hättest du sie dort ansprechen sollen. Wenn sonst nichts mehr ansteht, muss ich jetzt zurück an die Arbeit.“ Er zeigte zur Tür. Alana schnaubte dezent, hängte sich die Designerhandtasche um die Schulter und stürmte hinaus. Er bezweifelte allerdings, dass sie sich mit seiner Antwort abfinden würde – und wenn schon, dachte er. Ich bin immun gegen alles, was sie zu bieten hat.

Er räumte den Tisch ab, goss sich den restlichen Kaffee ein und kehrte in sein Büro zurück.

Mrs. Harper saß schon an ihrem Schreibtisch. Sie hob den Blick von der Tastatur und lächelte ihm entgegen. „Ich habe gesehen, wie Mrs. Kane hinausgestürmt ist. Sie sah ja nicht sehr zufrieden aus.“

Denise Harper durchschaute die Menschen sofort und ließ sich nichts vormachen. Außerdem war sie äußerst diskret, und Lex konnte sich darauf verlassen, dass sie ihre Gespräche für sich behielt.

„Ganz im Gegenteil“, bestätigte er. „In Charlotte kann sie Leute vielleicht um den kleinen Finger wickeln, aber bei mir beißt sie auf Granit. Offenbar schätzt sie die Intelligenz von Kleinstädtern falsch ein.“

„Auf jeden Fall die Intelligenz von Kleinstadtbürgermeistern.“

Er nickte. „Das wird sie schon bald merken.“

„Joni hatte es auch eilig.“

Lex sah seine Sekretärin an. „Was hat sie für einen Eindruck auf Sie gemacht?“

Sie ließ sich mit der Antwort Zeit. „Irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Sie war anders als sonst. Oder sie ist einfach nur müde. Wir haben heute ziemlich früh losgelegt.“

„Ja, kann sein.“ Lex war Frühaufsteher, aber er wusste, dass Joni den Tag lieber langsam angehen ließ. Nachdenklich verschwand er in seinem Büro. Er und Charlotte Tyler, die für die Wirtschaftsförderung zuständig war, arbeiteten daran, mehr Betriebe nach Sweet Briar zu locken. Er wollte sich am Nachmittag mit ihr zusammensetzen, deshalb ging er die Informationen durch, die sie ihm zur Vorbereitung geschickt hatte, und notierte sich Fragen.

Anschließend schnappte er sich sein Handy, winkte Mrs. Harper zu und eilte hinaus, um durch die Stadt zu gehen und mit den Bürgern locker ins Gespräch zu kommen. Nach einer Weile blieb er stehen, um mit einigen Männern zu plaudern, die vor einem Friseurgeschäft Dame spielten. Alle waren Rentner und liebten es, sich an schönen Tagen zu treffen. Angeblich verstanden sie sich als freiwillige Ordnungshüter und behielten die Stadt im Auge, aber Lex wusste, dass sie sich in Wirklichkeit nur zu Hause langweilten und gern Klatsch austauschten. Danach betrat er einige Geschäfte, sprach mit den Inhabern und Kunden und machte sich schließlich auf den Weg zu Marbel’s Diner.

Da er länger als geplant mit den Leuten gesprochen hatte, war der mittägliche Andrang schon vorbei, und nur wenige Tische waren besetzt.

Marla, eine langjährige Kellnerin, lächelte ihm zu. „Wir sind gleich bei Ihnen, Bürgermeister.“

Bevor er antworten konnte, dass er sich etwas mitnehmen wollte, läutete die Glocke über der Tür. Er schaute über die Schulter und freute sich, Joni zu sehen. Erst als sie Platz genommen hatte, hob sie den Kopf und bemerkte ihn. Sie erstarrte kurz und blickte wieder weg. Als sie beide noch gute Freunde gewesen waren, hätte er keine Sekunde gezögert, sich zu ihr zu setzen. Jetzt brauchte er einen Moment, bevor er hinüberging. „Darf ich?“

Sie nickte, und er nahm ihr gegenüber in der Nische Platz. Sie überflog die Speisekarte, obwohl es im Diner immer die gleichen Gerichte gab. Offenbar lag Joni nichts daran, sich mit ihm zu unterhalten.

Marlas Kollegin Peggy erschien mit dem Bestellblock in der Hand. „Euch beide habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Was kann ich für euch tun?“

Joni legte die Karte hin. „Ein halbes Truthahnsandwich, eine Hühnersuppe und ein Glas Ginger Ale.“

Das war neu. Meistens nahm sie einen Burger mit Pommes frites. Und sie hatte ihm einmal erzählt, dass sie als kleines Mädchen immer Ginger Ale trinken musste, wenn ihr übel war. Er bestellte das Übliche und musterte Joni unauffällig.

Sie war die hübscheste Frau, die er jemals gesehen hatte – dunkelbraune Augen, hohe Wangenknochen, schwarze Haut und das Gesicht eines Engels. Heute trug sie das schwarze wellige Haar offen. Sie besaß die Figur eines Models und bewegte sich mit der Anmut einer Ballerina.

Manchmal raubte ihr Anblick ihm den Atem, zuletzt vor sechs Wochen, als sie ihr Brautjungfernkleid getragen hatte. Und an jenem Abend hatte er die Kontrolle über sich verloren und etwas getan, das er zutiefst bereute. Er hatte mit ihr geschlafen, aber das Schlimmste war, mit dieser einen Nacht ihre innige Freundschaft zerstört zu haben. Er hatte sich sofort entschuldigt, aber der Schaden ließ sich nicht rückgängig machen.

Jetzt funkelten Jonis Augen nicht so wie sonst. Vielleicht betrübte sie die Kündigung ihrer Seelenverwandtschaft so sehr wie ihn. Auch er schlief schlecht und wälzte sich rastlos im Bett herum.

„Wie läuft es im Jugendzentrum?“, fragte er.

Sie sah ihn endlich an. „Jetzt, da die Schule aus ist, platzen wir aus allen Nähten. Nicht, dass ich mich beschwere. Besser, die Kids sind bei uns als sich selbst überlassen. Ich habe mir für den Sommer einiges ausgedacht.“

„Zum Beispiel?“

Sie erzählte, was sie alles vorhatte, und ließ wieder die Joni hervorblitzen, die er so gut kannte. Damals, vor fünf Jahren hatten sie sich beide auf Anhieb verstanden und waren schon bald die besten Freunde geworden, die fast ihre ganze Freizeit zusammen verbrachten. Jetzt war sie ihm böse, und selbst nach sechs Wochen staunte er noch immer darüber, wie sehr ihm der Austausch mit ihr fehlte.

Beim Essen registrierte Lex erleichtert, dass die Farbe in Jonis Gesicht zurückkehrte. Vielleicht war Ginger Ale ja doch mehr als ein Erfrischungsgetränk. Lex machte sich nicht vor, dass alles wieder in Ordnung war. Dazu brauchte es mehr als ein gemeinsames Mittagessen. Immerhin war er fest entschlossen, ihre Freundschaft zu retten.

2. KAPITEL

„Was machst du am Freitag?“

Joni nahm den letzten Schluck Ginger Ale und stellte das leere Glas auf den Tisch. Sie hatte alles aufgegessen, und ihr Magen schien wieder normal zu funktionieren. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich in Lex’ Gegenwart wieder wohl. Es war, als hätte es die gemeinsame Nacht und den peinlichen Morgen danach nicht gegeben. Leider gab es für sie und Lex kein Zurück. Dazu war ihre Freundschaft zu beschädigt.

Wieder hatte ein Mann alles genommen, was sie ihm geben konnte – um sie dann zurückzuweisen. Natürlich war Lex nicht so grausam gewesen wie Darrin, der den Verlobungsring von ihr zurückgefordert und ihr erklärt hatte, dass er hinter ihrem Rücken ein Verhältnis mit einer ihrer Studienfreundinnen angefangen hatte und diese jetzt heiraten wolle.

Lex hatte nur gesagt, dass es ein Fehler gewesen war, mit Joni zu schlafen – ein Fehler, der sich nicht wiederholen würde. Er musste doch wissen, wie weh er ihr mit diesen Worten getan hatte. Sie waren lange genug miteinander befreundet, um verstehen zu müssen, dass sie Sex nicht auf die leichte Schulter nahm. Dass sie niemals mit ihm geschlafen hätte, wenn er ihr nicht viel bedeutet hätte.

Und jetzt sah er sie mit seinen ausdrucksvollen braunen Augen an, als würde er darauf warten, dass sie einfach vergaß, was passiert war und so weitermachte wie davor. Offenbar hatte er keine Ahnung, wie sehr er ihre Gefühle verletzt hatte.

„Am Freitag habe ich schon etwas vor“, antwortete sie.

Die Enttäuschung ließ sein Lächeln samt den süßen Grübchen verschwinden und versetzte ihr einen Stich, aber sie würde nicht schwach werden.

Lex nickte Peggy zu. Als sie die Rechnungen brachte, bezahlte er beide, bevor Joni es verhindern konnte. „Der Rest ist für Sie.“

Die Kellnerin strahlte. „Danke, Bürgermeister. Ich wünsche Ihnen beiden einen schönen Tag.“

„Ich kann mein Essen selbst bezahlen“, sagte Joni beim Aufstehen.

„Nächstes Mal. Ich muss jetzt zu einer Besprechung. Wir sehen uns später.“

Sie blickte ihm nach. Anschauen ist erlaubt, mehr nicht. Auf dem Weg zum Jugendzentrum ging Joni bei Louanne’s Homemade Candy vorbei und kaufte je ein Pfund mit Schokolade überzogene Mandeln und Brezeln, mit denen sie sich trösten wollte, wenn sie wieder allein zu Hause war.

Am Jugendzentrum angekommen, fiel ihr Blick auf das farbenfrohe Bild, das ihre gute Freundin Carmen Knight entworfen und zusammen mit Jugendlichen und Mitarbeitern an die Fassade gesprayt hatte. Es erinnerte sie daran, wir stolz sie auf ihre Arbeit sein konnte. Sie hatte als Sozialarbeiterin in Chicago gearbeitet und wusste, was ihre Schützlinge brauchten. Deshalb hatte sie aus dem grauen, wenig einladenden Gemäuer einen lebendigen Treffpunkt gemacht.

Sie deponierte ihre Tasche im Büro und begann mit ihrer täglichen Runde. Im Kunstraum traf sie auf Carmen, die nicht mehr so viel Zeit hier verbrachte, seit sie Mutter von Zwillingen war.

„Wie geht es meinen Patensöhnen?“

Carmen hatte Trent geheiratet, einen verwitweten Vater von zwei Töchtern, und sie hatten zusammen die Zwillinge bekommen.

„Die sind mit den anderen im Spielzimmer und würden sich bestimmt freuen, wenn ihre Patentante sie mal wieder fest drückt.“

„Das mache ich gern.“ Joni liebte Carmens Kinder, aber seit einiger Zeit regte sich in ihr der Wunsch nach einem eigenen Baby, wenn sie mit ihnen zusammen war. Dazu brauchte sie natürlich einen Mann, und in der Hinsicht stimmte ihre Vergangenheit sie nicht gerade zuversichtlich.

„Was meinst du?“

Joni sah Carmen an. „Entschuldige. Was hast du gerade gesagt?“

„Ich habe dich zum Abendessen eingeladen.“

„Ich komme gern. Sag einfach, wann. Jetzt lass uns die Tische aufräumen.“ Sie schaute sich um. Die Arbeit war längst erledigt. Seit wann träumte sie vor sich hin? Ihr Blick fiel auf den Schwamm in ihrer Hand. Er tropfte auf die Tischfläche.

„Du wirkst irgendwie abwesend“, sagte Carmen.

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