Julia Best of Band 289

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WIE ANGELT MAN SICH EINEN TRAUMMANN?

Milliardär Adam Masterson wird von attraktiven Frauen geradezu gejagt! Dass allerdings eine sogar durch das Fenster seines Hotels klettert, ist neu. Genau wie das Verlangen, das ihn bei ihrem Anblick heiß durchflutet! Um diese verführerische Verfolgerin wird er sich höchstpersönlich kümmern …

SINNLICHE REISE NACH PORTUGAL

Unter der Sonne Portugals genießt Gabby die Küsse von Zander Grosvenor. Doch sie weiß, dass ihr Glück von kurzer Dauer ist. Bald muss sie nach Hause – und dort ist kein Platz für Zander. Dass ein Souvenir ihr Leben durcheinanderwirbeln wird, ahnt sie nicht ...

WIE WIDERSTEHT MAN EINEM MILLIONÄR?

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  • Erscheinungstag 15.03.2025
  • Bandnummer 289
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533621
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

NINA MILNE

PROLOG

Frisson Magazin. Augustausgabe.

Unsere heutigen Ratschläge gelten all euch Ladys da draußen: Wie angelt man sich einen Millionär? In sechs einfachen Schritten.

Auf der Suche nach einem anderen Lifestyle?

Vom Glück verlassen worden?

Keine Panik, Ladys! Wie wäre es, sich einen Millionär zu angeln?

Okay, Ladys: So funktioniert’s!

1. Identifiziert euer Ziel:

Er muss reich und Single sein … und wäre es nicht schön, wenn er obendrein noch umwerfend gut aussähe? Zu viel verlangt? Wir haben uns schon mal auf die Suche gemacht und den Mann eurer Träume gefunden. Trommelwirbel, bitte … Wir präsentieren Mr Adam Masterson, Gründer der Masterson Hotels. Reicher als reich und sexy wie die Sünde.

2. Findet heraus, auf welchen Frauentyp er steht:

Auch hier haben wir Vorarbeit geleistet … und, Leute, das war gar nicht so leicht! Adam Masterson ist nur schwer zu fassen. Doch die gute Nachricht lautet: In den letzten Jahren ist er mit so ziemlich jedem Frauentyp an seiner Seite gesichtet worden. Blond oder dunkelhaarig. Groß oder klein. Ihr habt alle eine Chance. Adam Mastersons einziges Kriterium ist Schönheit: Der Mann mag seine Frauen atemberaubend.

3. Macht euch entsprechend zurecht:

Brezelt euch auf, stylt euch, werft euch in Schale … Ihr wisst schon, Ladys, das volle Programm: Make-up, Haare, Outfit. Macht euch richtig schön!

4. Ermittelt den Tagesablauf eurer Zielperson:

Dieser Punkt hat es in sich, denn Adam Masterson kennt keine Routine. Heute Paris, morgen London. Aber einen kleinen Hinweis können wir euch geben: Sein luxuriöses Hotel in London wäre ein guter Anfang.

5. Lauert eurer Zielperson auf:

Zeit, das Luder in euch zum Leben zu erwecken und ein paar raffinierte Pläne auszuhecken.

6. Verführt eure Zielperson:

Das überlassen wir ganz euch …

Adam Masterson ist irgendwo da draußen. Wer wird ihn sich zuerst angeln?

Viel Glück, Ladys!

1. KAPITEL

Dafür könnte sie ins Gefängnis wandern.

Mit pochendem Herzen schaute sich Olivia Evans in der dunklen und glücklicherweise verlassenen Gasse hinter dem Masterson Mayfair, dem Prestigehotel der Masterson Enterprise Hotel Group, um. Warum hatte sie es noch gleich für eine gute Idee gehalten, sich auf eine von Londons exklusivsten Partys zu schmuggeln?

Kleine Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Mit einer ungeduldigen Bewegung wischte Olivia sie weg und biss die Zähne zusammen. Die Idee war gut und die einzige, die ihr noch blieb. Sie musste Adam Masterson treffen, bevor er zur nächsten Geschäftsreise aufbrach. Sie hatte alles versucht, um mit ihm Kontakt aufzunehmen, doch der Mann wurde besser abgeschirmt als der Präsident der Vereinigten Staaten. Vermutlich beriet seine Assistentin nebenbei die NSA.

Olivia atmete tief durch – mit ein bisschen Glück half das, ihre Panik zu besiegen. Ein letzter Blick über die Schulter, dann stieg sie auf ihre große Umhängetasche, um das Schloss am Fenster zu knacken. Schon seltsam, dass man manche Fähigkeiten aus der Kindheit nie vergaß – selbst wenn man sie von einem der Exfreunde seiner Mutter gelernt hatte. Bei dem Gedanken an ihre Mutter schob Olivia den gebogenen Haken tiefer in das Schloss, bis sie auf Widerstand traf.

Nervosität stieg in ihr auf, gefolgt von Erleichterung, als das Schloss unter ihren Bemühungen nachgab. Sie steckte das Werkzeug in die Hosentasche, stieß das Fenster auf und sprang von ihrer improvisierten Leiter. Sekunden später warf sie die Tasche durch den Fensterspalt.

So weit, so gut. Der kleine Konferenzraum, dessen Fenster sie gerade aufgebrochen hatte, würde heute Abend nicht benutzt werden, da im Hotel eine Wohltätigkeitsgala stattfand. Und als deren Gastgeber fungierte Adam Masterson. Endlich bekam sie ihn ins Visier.

Olivia stemmte sich aufs Fensterbrett hoch und erlitt fast einen Nervenzusammenbruch. Was sie bei ihrer Auskundschaftung nicht bedacht hatte, war die Größe der Fensteröffnung. Logik. Winkel. Gewicht. Massenverteilung. Konzentration, Olivia! Sie würde ins Innere gelangen. Auch wenn es physikalisch unmöglich erschien.

Sollte sie sich mit dem Kopf oder mit den Füßen voran hineinwinden? Es gab so viele Dinge, die schieflaufen konnten: Sie könnte stecken bleiben, sie könnte einem wartenden Sicherheitsmann in die Arme fallen … Vielleicht war das alles doch keine so brillante Idee.

Aber wenn sie jetzt aufgab, würde sie nie wieder die Chance bekommen, mit Adam Masterson zu sprechen.

Das war nicht akzeptabel.

Wie gut, dass sie flexibel war.

Auf der Kante des Schreibtisches im Sicherheitsbüro sitzend, beobachtete Adam Masterson fasziniert den Monitor. Die Bilder der Überwachungskamera zeigten eine Frau, die auf einem Fensterbrett balancierte.

Was, zur Hölle, tat sie da? Abgesehen davon, eine ausgezeichnete Imitation von Catwoman abzugeben? Ganz in Schwarz gekleidet, eine Wollmütze so tief ins Gesicht gezogen, dass er nicht einmal die Haarfarbe erkennen konnte.

Und, vielleicht noch wichtiger, wer war sie? Eine Journalistin? Eine Fotografin? Reines Wunschdenken, denn die Presse war natürlich längst zu der Gala eingeladen worden. Und das bedeutete, sie konnte nur eine weitere Kandidatin in dem reizvollen neuen Spiel „Angle dir einen Millionär“ sein. Schlimm genug, dass der Ballsaal voller Menschen war, die nur darüber nachdachten, wie sie ihn während der Veranstaltung zu fassen bekamen. Aber zumindest hatten die für dieses Privileg bezahlt. Und das Geld war für einen mehr als guten Zweck bestimmt.

Bilder aus der Vergangenheit blitzten auf. Doch Adam verdrängte sie, bevor sie Gestalt annehmen konnten. Für heute hatte er sein Maß an düsteren Erinnerungen schon ausgeschöpft, die dem Gespräch mit seiner Exfrau und der Neuigkeit, dass sie wieder heiraten wollte, gefolgt waren. Er freute sich für Charlotte, doch die Nachricht hatte ihn unweigerlich an eine Zeit in seinem Leben zurückdenken lassen, auf die er überhaupt nicht stolz war.

Außerdem war ihm so noch einmal vor Augen geführt worden, wie unterschiedlich die Wege waren, die sie seit ihrer verhängnisvollen Ehe eingeschlagen hatten. Auf der einen Seite Charlotte, die endlich das Glück gefunden hatte, nach dem sie sich immer gesehnt hatte. Und auf der anderen Seite er, Adam, verfolgt von einer Horde Frauen, die es ausschließlich auf sein Vermögen abgesehen hatten.

Apropos … im Augenblick musste er sich noch um seine Einbrecherin kümmern. Er unterdrückte ein gereiztes Stöhnen. So etwas konnte er im Moment wirklich nicht gebrauchen. Die ganze „Angle dir einen Millionär“-Geschichte wurde langsam anstrengend.

„Sollen wir uns die Dame vornehmen?“, fragte Nathan, der Chef des hoteleigenen Sicherheitsdienstes.

Adam riss sich zusammen und starrte auf den Monitor. Die Frau schien eine Art inneren Monolog zu führen, bevor sie sich wie eine Limbotänzerin durch die Öffnung zwängte.

Unvermittelt stieg Erregung in ihm auf.

Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Eine potenzielle Stalkerin, zumindest eine Einbrecherin, verschaffte sich gewaltsam Zugang in sein Hotel, und er verspürte nichts als heißes Verlangen? Elegant landete die Frau auf dem Boden, schaute sich in dem leeren Zimmer um und griff nach ihrer Tasche.

Adam setzte zu einem Einsatzbefehl an, dann schloss er den Mund wieder. Denn in genau diesem Moment nahm die Unbekannte die Mütze ab und offenbarte eine unglaubliche wallende Mähne rotblonder Locken, die ihr bis über die Schultern fielen.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog den schwarzen Pullover über den Kopf. Darunter kam eine weiße Tunika zum Vorschein. Anschließend streifte sie die dunkle Jeans über ihre Hüften.

Unangebracht oder nicht, sein Verlangen drohte über seine Vernunft zu triumphieren. Zeit, sich endlich zusammenzunehmen … oder vielleicht noch besser: Zeit, endlich mal wieder eine Verabredung zu organisieren. Offensichtlich war es zu lange her. Seit jener unsägliche Artikel erschienen und die interessierte Frauenwelt aus ihren Löchern gekrochen war, hatte er sich Enthaltsamkeit auferlegt. Einerseits, weil er glaubte, jedes Date würde nun einen gewissen schalen Beigeschmack haben, andererseits, weil er wollte, dass die Aufmerksamkeit der Presse allein seinen wohltätigen Aktivitäten und nicht denen im Schlafzimmer galt.

Und bislang war das auch kein Problem gewesen.

„Was jetzt?“, wollte Nathan wissen.

Das war eine gute Frage.

Die Unbekannte hatte sich mittlerweile komplett umgezogen und trug nun ein Outfit, das bei oberflächlicher Betrachtung der Uniform der Hotelangestellten glich. Weißes Top, schwarze Hose – dazu hielt sie ein passendes Klemmbrett in der Hand. Mit entschlossener Miene zwirbelte sie nun noch ihre Haare zu einem geschickten Knoten auf.

Dann griff sie nach ihrer Tasche, öffnete die Zimmertür und trat auf den Flur hinaus. Ihre Schritte wirkten sicher und selbstbewusst, als wüsste sie genau, wohin sie gehen wollte.

Natürlich konnte er nicht zulassen, dass sie auf seine Gäste traf; es faszinierte ihn nur, ihr zuzusehen. Die erste Glücksjägerin, die tatsächlich sein Interesse weckte – und auf jeden Fall die einfallsreichste.

Aber genug war genug. Zeit, die Truppen zu mobilisieren.

Doch bevor er etwas sagen konnte, verspannte Nathan sich, weil die Unbekannte gerade in die Damentoilette huschte. „Hoffentlich ist sie wirklich nur eine von denen, die etwas von Ihnen wollen. Rein theoretisch könnte sie da drinnen auch eine Bombe zusammenbauen.“

Die Wahrscheinlichkeit war zwar nur gering, trotzdem bestand das Risiko, dass die Einbrecherin bewaffnet war. Adam schloss die Augen, sammelte sich und sprang von der Schreibtischkante herunter.

„Schließen Sie die Toilette. Aber seien Sie diskret. Sagen Sie, es gibt ein Problem mit den Abflüssen. Und schicken Sie Ihre Männer in Klempneruniformen.“

Nathan nickte. „Ich gehe und hole die Dame da raus.“

Adam schüttelte den Kopf. „Ich habe den Einsatz vermasselt, ich gehe.“

„Aber …“

„Kein Aber“, unterbrach Adam ihn. „Wir hätten sie längst aufhalten können. Ich habe gezögert, den Befehl zu geben.“ Wenn er sich nicht selbst um die Angelegenheit kümmerte, würde die Rotblonde seine Träume noch viel zu lange heimsuchen. Besser, er stellte sich der Realität. Er würde sie als die Glückjägerin entlarven, die sie zweifellos war, und sich dann um ihre Konkurrentinnen kümmern, die mit Sicherheit im Ballsaal auf ihn warteten.

Er griff nach seinem Jackett und nickte Nathan in bester Action-Held-Manier zu. „Ich gehe rein.“

Innerlich spulte Olivia ihr gesamtes Repertoire an Flüchen und Schimpfworten ab. Das war ja lächerlich! Das hier sollte der einfache Teil sein. Der Teil, in dem sie sich in eine Kabine auf der Damentoilette einschloss und sich von der falschen Hotelangestellten in eine falsche Galabesucherin verwandelte. Alles, was sie tun musste, war, in ihr Partykleid zu schlüpfen. Du lieber Himmel! Welcher Personal Shopper schaffte es nicht einmal, ein Kleid anzuziehen? Ein Kleid, in das sie zu Hause noch problemlos gepasst hatte!

Aber jetzt hatte sich der blöde Reißverschluss an dem dämlichen Kleid verklemmt. Während sie noch daran zerrte, verlor sie das Gleichgewicht und stieß schmerzhaft gegen die Toilettenschüssel. „Autsch!“ Olivia biss sich auf die Lippe und zwang sich zur Ruhe. Bitte, lass niemanden sonst hier sein. Obwohl … wieso hatte eigentlich noch niemand die Waschräume betreten? Die Gäste mussten längst eingetrudelt sein. Da musste doch noch jemand das Bedürfnis haben, sich in der Damentoilette frisch zu machen.

Schließlich bestand darin der Clou ihres Plans. Nur mit fälschungssicherer Eintrittskarte wurde den Gästen Zugang zum Hotel gewährt. Denn auf dieser Gala wurden viele Tausend Pfund für Adam Mastersons Knochenkrebs-Stiftung gespendet. Aber sie, Olivia, befand sich ja bereits im Gebäude. Die Einlasskontrolle fand im Foyer statt, deshalb hoffte sie, unbehelligt in den Saal vordringen zu können.

Sie wollte die Toilette mit einer Gruppe anderer Frauen verlassen, die als weitere Tarnung fungierten. Dann würde sie sich eine große Topfpflanze suchen und unauffällig in deren Schatten auf den Moment warten, in dem sie sich Adam Masterson schnappen konnte.

Und sie war wirklich gut darin, auf Partys die Zeit totzuschlagen.

Erinnerungen keimten auf. Gelächter, vermischt mit dem Knallen von Champagnerkorken. Wie sehr hatte sie die vielen Festivitäten gehasst, die ihre Mutter besucht hatte – selbst dann noch, als sie längst begriffen hatte, wie wichtig es für Jodie Evans war, aus jeder Minute ihres Lebens den größten Spaß zu ziehen. Olivia hatte ihr nichts von dieser Zeit missgönnt; mit jeder Faser ihres Herzens wünschte sie, dass ihre Mutter glücklich war.

Olivia schloss die Augen und atmete erneut tief durch. Jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, in der Vergangenheit zu wühlen. Jeden Moment konnte jemand die Toilette betreten, sie sollte sich besser beeilen. Wie schwer konnte es schon sein? Immerhin war sie flexibel, oder nicht? Sie griff hinter ihren Rücken und tastete nach dem Reißverschluss.

„Brauchen Sie Hilfe?“

Die eindeutig männliche Stimme ließ Olivia erstarren. Wie in Zeitlupe zwang sie sich, den Kopf zu heben und zu dem Fremden aufzuschauen, der sie über die Wand der Toilettenkabine hinweg beobachtete. Er muss auf der Toilettenschüssel stehen, dachte Olivia unwillkürlich, während sie gleichzeitig versuchte, die aufsteigende Panik zurückzudrängen.

Dunkles Haar, hellbraune Augen, markantes Kinn, leicht schiefe Nase … Die Erkenntnis traf sie wie ein Hammerschlag. „Sie sind es“, flüsterte sie.

„In Fleisch und Blut.“

Olivia öffnete den Mund, doch unter seinem intensiven Blick kam kein Wort über ihre Lippen. Halbnackt in der Kabine einer Toilette zu stehen und ihre missliche Lage zu erklären gehörte nicht zu ihrem Plan.

Trotzdem musste sie sich schleunigst etwas einfallen lassen. „Mr Masterson“, setzte sie an. „Ich kann alles erkl…“

„Ich muss Ihre Tasche kontrollieren“, unterbrach er sie.

„Meine Tasche?“

„Ja, Ihre Tasche“, wiederholte er ungeduldig.

Verwirrt betrachtete Olivia besagten Gegenstand zu ihren Füßen. Als sie den Kopf wieder hob und in Adam Mastersons funkelnde Augen schaute, wurde ihr klar, dass ihre Motive keine Rolle spielten. Er würde ihr erst dann zuhören, wenn sie ihm ihre Tasche übergab. Also beugte sie sich vor und hob sie auf.

„Ich komme zu Ihnen“, sagte er.

Ein dumpfes Geräusch verkündete, dass er von der Toilette gesprungen war. Olivia öffnete die Tür und reichte ihm die Tasche hinaus. „Ist das wirklich notwendig?“, fragte sie, während er den Inhalt durchwühlte.

„Ja“, entgegnete er. „Mein Sicherheitschef ist besorgt, Sie könnten sich hier eingeschlossen haben, um eine Bombe zusammenzubauen.“

Na großartig! Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie die Panik nicht länger unterdrücken konnte. Sie wurde verdächtigt, eine Terroristin zu sein! Komm schon, Olivia, beruhige dich. Du hast dich schon aus schlimmeren Situationen herausgeredet. Sie trat einen Schritt aus der Kabine und straffte die Schultern. „Mir ist bewusst, dass die Situation ein wenig bizarr wirken muss, aber ich bin keine Terroristin und verfolge auch nicht die Absicht, jemanden zu verletzen. Wenn …“

Adam Masterson würdigte sie keines Blickes, geschweige denn hörte er ihr zu. Stattdessen wählte er eine Nummer auf seinem Handy.

„Nate“, sagte er. „Ich habe die Tasche geprüft. Unser Eindringling hat sich in der Toilette eingeschlossen, um sich umzuziehen, nicht um eine Bombe zu bauen.“ Einen Moment lauschte er der Stimme am anderen Ende, dann steckte er das Telefon wieder in die Tasche.

Okay, zumindest war die Terroristentheorie vom Tisch. Nicht, dass Adam Masterson erleichtert zu sein schien. Wenn überhaupt, wirkte sein Mund noch grimmiger, waren die Falten auf seiner Stirn noch tiefer.

„Es tut mir aufrichtig leid“, begann sie. „Ich wollte auf keinen Fall Ärger verursachen. Ich wollte wirklich, wirklich nur …“

„Ich weiß, was Sie wirklich, wirklich nur tun wollten, und ich bin wirklich, wirklich nicht interessiert.“

Nun runzelte Olivia die Stirn. „Sie können unmöglich wissen, weshalb ich hier bin.“ Schließlich konnte sie den Grund selbst kaum fassen.

Abermals zog Adam sein Handy aus der Tasche.

„Moment“, rief Olivia. „Sie müssen mich anhören.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, muss ich nicht. Ich muss den Sicherheitsdienst anrufen, damit er Sie aus den Räumlichkeiten entfernt.“

Die Panik ergriff immer heftiger von ihr Besitz. Das hier war ihre einzige Chance, und sie hatte es vermasselt. Es sei denn … Entschlossen warf sie sich nach vorne.

„Was zum …“

Sie nutzte die Millisekunde, die ihr der Überraschungsangriff verschaffte, und schlug ihm das Handy aus der Hand.

Doch es nutzte nichts.

Mit einer fließenden Bewegung fing er das Gerät wieder auf. Olivia hingegen prallte gegen seine muskulöse und scheinbar steinharte Brust. Sie versuchte, sich mit beiden Händen von ihm wegzustemmen, doch er hatte seine Arme hinter ihrem Rücken verschränkt und hielt sie fest.

Ihr Atem ging hastig, als sie ihn ansah. Einen winzigen Moment las sie etwas in seinen Augen, sein Blick ruhte auf ihren Lippen. Unwillkürlich betrachtete auch sie seinen Mund. Ein Schauer überlief ihren Körper.

Aus Verlangen, nicht aus Angst.

Was absolut lächerlich war. Längst hätten sich ihre Instinkte einschalten sollen, zumindest hätte sie versuchen müssen, sich freizukämpfen. Stattdessen konnte sie nicht aufhören, diese sinnlichen Lippen anzustarren. Sie spürte seinen Herzschlag unter ihren Händen. Ohne zu überlegen, strich sie mit den Fingerspitzen über den weißen Seidenstoff seines Hemdes.

Als sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, flackerte etwas Raubtierhaftes in seinen Augen auf. Einen Moment zog er sie enger an sich, dann ließ er sie abrupt los.

Ihre Haut prickelte an den Stellen, an denen er sie berührt hatte. Langsam wich Olivia vor ihm zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die kühle Marmorwand stieß. Ihr Herz pochte schmerzhaft gegen ihre Rippen. Sie musste so schnell wie möglich ihre Fassung zurückgewinnen. Und die Kontrolle. Ihr grandioser Plan war gescheitert, irgendwie musste sie retten, was noch zu retten war. Bevor Adam Masterson den Sicherheitsdienst rief.

Da stand er vor ihr, die aufregenden Lippen erneut zu einer grimmigen Linie zusammengepresst. Wut verfinsterte seine Gesichtszüge, seine Augen blickten kalt. „Lady, wie weit genau wollten Sie gehen, um mich an die Angel zu bekommen?“

„Wie bitte?“ Was meinte er? Vielleicht hatte seine unmittelbare Nähe ihre Gehirnzellen mehr als gründlich durcheinandergebracht. Olivia musste sich zusammenreißen und die Situation zu ihren Gunsten wenden. Sie hatte keine Ahnung, was genau in den wenigen Sekunden in seinen Armen eigentlich passiert war, aber sie durfte sich davon nicht alles ruinieren lassen. „Ich verstehe nicht.“

Er seufzte gereizt. „Hören Sie doch auf. Ich weiß, dass Sie hier sind, um mich an die Angel zu kriegen.“

„Wie einen Fisch?“, fragte sie unwillkürlich zurück.

Eine Sekunde glaubte sie, ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. War es möglich, dass dieser Mann doch Sinn für Humor besaß?

Adam schüttelte den Kopf. „Sie haben nichts von ‚Angel dir einen Millionär‘ gehört?“ Die zu schmalen Schlitzen verengten Augen und die gerunzelte Stirn zeigten deutlich seine Zweifel. Anscheinend hatte sie sich das Lächeln nur eingebildet.

„Nein. Ehrlich nicht.“

„Die Kurzfassung lautet: Ein idiotisches Magazin schreibt einen Artikel darüber, wie man sich einen Millionär angelt, und nennt mich als mögliches Ziel. Seither habe ich eine nackte Frau in meinem Bett erwischt, auf deren Bauch stand: ‚Küss mich schnell, küss mich hier‘, darunter ein Pfeil, der abwärts zeigte. In meinen E-Mails landen regelmäßig mehr als anstößige Bilder. Eine Frau hat sich unmittelbar vor mir den Absatz vom Schuh abgebrochen, um in meinen Armen zu landen. Und unzählige Autos haben ausgerechnet dann eine Panne, wenn ich in der Nähe bin.“ Er schwieg einen Moment und musterte sie. „Ich bin sicher, Sie verstehen es jetzt.“

„Das ist ja furchtbar“, entgegnete Olivia. „Aber …“

„Furchtbar?“, wiederholte er mit spöttischem Unterton. „Stimmt. Allerdings muss ich zugeben, bislang ist niemand auf die Idee gekommen, meine Party mit so viel Stil zu sprengen wie Sie.“

Olivia brauchte eine Weile, bis sie die eigentliche Bedeutung seiner Worte begriff. „Sie denken … Sie meinen … Sie halten mich für eine dieser Frauen?“

Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte Adam an der Wand. „Sie sind in mein Hotel eingebrochen und haben sich mir quasi an den Hals geworfen … und das in einem Kleid, das praktischerweise jederzeit hinuntergleiten kann. Was erwarten Sie denn, was ich denke?“

Seine schiere Arroganz machte sie zunehmend wütender – da half es auch nichts, dass eine leise Stimme in ihrem Kopf ihm zumindest teilweise zustimmen musste.

„Ich gebe zu, ich bin in Ihr Hotel eingebrochen, aber an den Hals geworfen habe ich mich Ihnen nicht. Und ich versichere Ihnen, ich bin bestimmt nicht das Risiko eingegangen, verhaftet zu werden, nur um des fragwürdigen Vergnügens willen, mir einen Millionär zu angeln.“

Einen Moment musterte er sie eindringlich, und Olivia hielt seinem Blick stand. In seinen braunen Augen schien etwas aufzublitzen. Insgeheim betete sie, er würde die Wahrheit in ihrer Stimme erkennen. Andernfalls würde er sie sofort abführen lassen. Und das musste sie um jeden Preis verhindern. Es stand zu viel auf dem Spiel – und das nicht nur für sie.

„Bitte“, sagte sie. „Ich verstehe Ihr Misstrauen, aber dazu besteht kein Anlass. Geben Sie mir die Chance, es zu beweisen. Hören Sie mich an. Bitte.“

„Schön“, erwiderte Adam. „Sie haben zehn Sekunden.“

2. KAPITEL

Schwer zu sagen, wen sein Zugeständnis mehr überrascht hatte, die rotblonde Fremde oder Adam. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er sich von ihrem hübschen Gesicht und dem phänomenalen Körper hatte blenden lassen. Diese Frau bedeutete Unheil – ganz gleich, welche Lügengeschichte ihr über die sinnlichen Lippen kam. Denn im Kern blieben es Lügen: eine wohlüberlegte Strategie, um an sein Geld zu gelangen.

Die Chancen, dass sie nicht auf Beute aus war, standen minimal. Und doch hatte eine bestimmte Nuance in ihrer Stimme, ein Funkeln in ihren Augen ihn neugierig gemacht.

Er schaute auf seine Uhr. „Fünf Sekunden noch. Vier … drei …“

„Meine Mutter ist schwanger“, brach es aus ihr heraus.

Was, um alles in der Welt, erwartete sie von ihm? Vielleicht ging es doch nicht um sein Geld. Vielleicht war sie einfach nur verrückt. „Gratulieren Sie ihr von mir“, sagte er. „Und nun ist es Zeit, zu gehen.“

„Erst muss ich Ihnen sagen, wer der Vater ist.“

Adam seufzte. „Lady, wenn Sie denken, Sie können mich wie auch immer dazu bringen, zu glauben, ich sei es, steht Ihnen eine Enttäuschung bevor.“

Die Unbekannte vor ihm musste ungefähr Mitte zwanzig sein, und mit einer älteren Frau war er seit sehr langer Zeit nicht mehr ausgegangen. Aber selbst wenn, Adam achtete immer akribisch darauf, sich zu schützen. Denn eines stand absolut sicher fest: Er eignete sich nicht zum Vater. Schließlich war er durch und durch ein Masterson und kannte seine Grenzen. Die Art und Weise, wie seine Ehe gescheitert war, zeigte das mehr als anschaulich.

„Von Ihnen rede ich doch gar nicht. Der Vater des Babys ist Ihr Vater. Zebediah Masterson. Ihn muss ich finden.“

Dank jahrelanger Übung an Pokertischen gelang es ihm, keine Miene zu verziehen, während jedes ihrer Worte ihn wie in Zeitlupe erreichte und einem Faustschlag in den Magen gleichkam.

Cool bleiben, Adam. Hier war nur eine besonders clevere Gaunerei im Gange, ein fantastisches Lügenmärchen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Unsinn“, entgegnete er.

„Es ist kein Unsinn.“ Sie hob eine Hand, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, mit der anderen hielt sie weiterhin ihr Kleid fest. „Nur schlichte Biologie. Meine Mum ist schwanger und Zebediah ist der Vater.“

Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Auf gar keinen Fall würde Zeb noch einmal Vater spielen wollen. „Das denke ich nicht“, erwiderte er ruhig.

„Und ich denke, Sie verstehen gar nichts. Ich muss ihn finden, damit ich ihm von dem Baby erzählen kann. Er weiß es noch nicht.“

Eine winzige Sekunde empfand Adam Erleichterung. Wenn diese absurde Geschichte wahr war, hatte Zeb wenigstens nicht bewusst noch ein ungewolltes Kind im Stich gelassen. So wie er es damals mit Adam getan hatte. Moment … Hier ging es nicht um seine Vergangenheit, sondern um das Hier und Jetzt und das zweifellos frei erfundene Baby.

„Ich verstehe“, sagte er mit unüberhörbar skeptischem Unterton. „Wie praktisch für Sie.“

„Praktisch ist daran gar nichts. Haben Sie eine Ahnung, wie schwierig es ist, Ihren Vater aufzuspüren? Ich habe Wochen mit der Suche nach ihm verbracht, und schließlich habe ich Sie gefunden. Wenn Sie mir also einfach verraten, wie ich ihn kontaktieren kann, bin ich auch schon wieder weg.“

Meinte sie das ernst? „Auf keinen Fall.“

„Warum nicht?“

„Weil ich nicht möchte, dass Sie meinen Vater mit einer erlogenen Vaterschaft belästigen.“

„Erlogen?“ Sie ballte die freie Hand zur Faust. „Warum nehmen Sie an, alles sei erlogen? Weil …“

Das Klingeln seines Handys ließ die Unbekannte verstummen. Er presste das Gerät ans Ohr.

„Was ist denn da drinnen los?“, fragte Nathan. „Die Gäste kommen in Scharen und werden immer neugieriger.“

„Der Eindringling stellt keine Bedrohung dar.“ Zumindest nicht für die Gäste, auf ihn hatte die Unbekannte hingegen eine katastrophale Wirkung. „Ich komme in einer Minute.“ Sobald er entschieden hatte, wie er mit der kleinen Hexe und ihren lächerlichen Behauptungen verfahren sollte. Er steckte das Handy in die Tasche zurück und ging seine Optionen durch. Schließlich kam ihm eine Idee. „Drehen Sie sich um.“

„Was?“ Verwirrung lag in ihrer Stimme.

„Umdrehen. Ich kümmere mich um den Reißverschluss. Sie werden mich auf die Gala begleiten!“

Das war die perfekte Lösung. Adam konnte sie im Auge behalten, bis er ihre Geschichte widerlegt hatte. Und wenn er – als kleines Sahnehäubchen – mit einer schönen Frau an seiner Seite auftauchte, würde das all die anderen Glücksjägerinnen abschrecken. Eine klassische Win-win-Situation. Er machte sich nicht die Mühe, sein Grinsen zu verbergen.

Einen Moment herrschte Schweigen, während sie ihn ungläubig anstarrte. „Machen Sie sich doch nicht lächerlich!“

„Es ist nicht lächerlich. Sie erinnern mich an eine tickende Zeitbombe. Bis ich also die Situation völlig durchschaut habe, will ich Sie an meiner Seite wissen.“

Unwillkürlich erinnerte er sich daran, wie es sich vorhin angefühlt hatte, sie in seinen Armen zu halten. Am liebsten hätte er sie wieder an sich gezogen. Wahnsinn, natürlich – und doch war sie der Inbegriff der Verführung. Ausdrucksstarke braune Augen, feine Gesichtszüge und der sinnliche Mund weckten in ihm den Wunsch, sie leidenschaftlich zu küssen. Dazu noch die wundervolle funkelnde Mähne, der hinreißende Körper mit all seinen Kurven an genau den richtigen Stellen … Adam steckte wirklich in der Klemme.

Seine Fingerspitzen kribbelten. Verdammt! Alles an ihm kribbelte. Das Grinsen war ihm längst vergangen.

Na toll. Die nebensächliche Tatsache, dass diese Frau eigentlich seine Feindin war und einen besonders perfiden Plan verfolgte, zeigte keinerlei Wirkung auf sein Verlangen. Doch im Gegensatz zu seinen anderen Verfolgerinnen konnte es sein, dass diese hier beschlossen hatte, ihn einfach links liegen zu lassen und sich gleich ausschließlich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie benutzte Zeb, um direkt an das große Geld zu kommen. Adams Miene verhärtete sich.

„Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn.“

„Für mich schon. Sie könnten sich an die Presse wenden. Sie könnten verschwinden und Ihre Suche nach Zeb fortsetzen.“

„Ich gehe nicht zur Presse! Warum sollte ich das tun?“

„Publicity? Geld? Spaß? Ich weiß nicht.“ Adam fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und trat einen Schritt vor. „Warum sollten Sie in mein Hotel einbrechen und meine Party stürmen? Keine normal denkende Frau würde so handeln.“

„Eine verzweifelte schon.“ Wut flackerte in ihren braunen Augen auf. „Zuvor habe ich auf sehr konventionelle Weise versucht, Sie zu kontaktieren, aber Ihre Assistentin wollte mich nicht zu Ihnen lassen, und Sie haben meine Briefe ignoriert“, fuhr sie unbeeindruckt fort.

Er blickte auf seine Uhr und stieß einen Fluch aus. „Wir können das später diskutieren. Jetzt kommen Sie mit mir.“

„Sagt wer? Sie können mich nicht zwingen.“

„Wollen Sie wetten?“ Adam machte noch einen Schritt nach vorne. „Folgende Alternativen gibt es: Sie können meine freundliche Einladung annehmen, oder ich rufe auf der Stelle die Polizei und zeige Sie wegen Einbruchs an. Ihre Entscheidung.“

„Das ist Erpressung!“

„Einbruch ist eine Straftat.“

„Ich hatte gute Gründe.“

„Die habe ich auch. Also … Gefängnis oder Party?“

Die sinnlichen Lippen zusammengepresst, starrte sie ihn einen Moment an, dann ließ sie die schmalen Schultern sinken. „Na schön. Ich begleite Sie. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie mir danach den Kontakt zu Ihrem Vater vermitteln.“

Ein unbehagliches Gefühl machte sich in Adams Magen breit; in ihrer Stimme lag kein Anzeichen für Unaufrichtigkeit. „Wir reden nach der Party“, sagte er. Wenn er nur zwanzig Minuten Ruhe fand, würde er ihre Geschichte zweifellos in der Luft zerreißen.

„Einverstanden“, erwiderte sie und tastete mit einer Hand nach dem Reißverschluss.

„Lassen Sie mich mal.“

Einen Augenblick glaubte er, sie würde sich weigern, doch dann wandte sie sich um. Den Kopf hielt sie gesenkt, als wollte sie weder ihr noch sein Spiegelbild sehen.

Vielleicht war das auch gut so. Denn angesichts ihres nackten Rückens schien alle Luft aus Adams Lungen zu weichen und auf seinen Wangen zeichnete sich eine verräterische Röte ab. Es ist nur ein Rücken, Adam. Trotzdem zitterten seine Finger, als er die Hand nach dem Reißverschluss ausstreckte und aus Versehen die weiche Haut berührte.

„Er ist verklemmt“, sagte er.

„Das weiß ich.“ Trotz der aufgebrachten Worte konnte er deutlich hören, dass sie erst einmal schlucken musste. Gänsehaut bildete sich dort, wo er ihren Rücken gestreift hatte. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht absichtlich halbnackt vor Ihnen stehe.“

Irgendwie erleichtert befreite er den Stoff aus dem Verschluss und zog den Reißverschluss hoch.

„Also, wie wollen Sie erklären, wer ich bin?“, fragte sie, nachdem sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte.

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht.“

„Oh, prima“, sagte sie. „Und?“

Ein ironisches Lächeln huschte über seine Lippen. „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben sich erfolgreich einen Millionär geangelt.“

Einen Moment erstarrte sie, dann schüttelte sie den Kopf. „Auf gar keinen Fall.“

Adam runzelte die Stirn. Hinter der Wut in ihren Augen sah er pures Entsetzen.

„Auf gar keinen Fall werde ich mit Ihnen da reingehen, wenn jeder glaubt, ich bin nur hinter Ihrem Geld her. Dann lieber Gefängnis!“

„Seien Sie nicht so melodramatisch. Wen interessiert schon, was andere denken?“

„Mich“, versetzte sie, eine Hand in die Hüfte gestemmt.

Ihr aufrichtiger Tonfall ließ Adam zunehmend gereizter reagieren, hinzu kam noch die Tatsache, dass er nicht recht schlau aus ihr wurde. „Pech“, entgegnete er. „Sie begleiten mich … als meine Verabredung. Mir ist es lieber, die Gäste denken, Sie hätten mich geangelt, als dass sie von Ihren anderen Motiven erfahren. Das will ich nicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit sehen!“

„Ich dachte, es interessiert Sie nicht, was andere Menschen denken.“

„Süße, es interessiert mich nicht, was andere über Sie denken. Was sie über meinen Dad denken, interessiert mich durchaus. Und im Augenblick kann ich Publicity in dem Bereich überhaupt nicht gebrauchen.“ Nicht, wenn er mit der Wohltätigkeitsgala das Medieninteresse auf seine Stiftung lenken wollte. „Die Presse stürzt sich bereits zu sehr auf diese ‚Angle-dir-einen-Millionär‘-Thematik.“ Sein Entschluss verfestigte sich. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass all die Arbeit und die Mühe, die er in die Knochenkrebs-Stiftung gesteckt hatte, umsonst gewesen waren. Nicht ein Cent durfte der Organisation verloren gehen, die er zum Andenken an seine Mutter gegründet hatte. Plötzlich sah er sie wieder vor sich: blass und geschwächt und mit ihrem wunderschönen Lächeln, das er niemals vergessen würde. Dann hörte er wieder ihre letzten liebevollen Worte: „Du hast mir so viel Freude geschenkt, mein Schatz. Vergiss das niemals. Sei glücklich. Ich liebe dich.“

Rasch verdrängte Adam die Erinnerungen, als er die gerunzelte Stirn seiner spontanen Verabredung wahrnahm. „Also, ganz gleich, was passiert, die Presse wird nichts von Ihrer an den Haaren herbeigezogenen Geschichte erfahren.“

„Nichts davon ist erfunden!“

„Das interessiert die Magazine doch nicht; sie werden die Story trotzdem verbreiten und Ihr Leben sowie das Ihrer Mutter fein säuberlich auseinandernehmen.“

Sie erbleichte, und auf einmal wirkten ihre Augen sehr wachsam. „Ich will auch keine Publicity. Ich will nur Ihren Vater finden.“

„Das habe ich verstanden. Aber im Moment bin ich Gastgeber einer Wohltätigkeitsgala. Und es wird die anwesenden Reporter sehr interessieren, wer Sie sind. Deshalb behaupten wir, Sie sind meine Verabredung.“

Sie seufzte ergeben. „Na schön.“

„Es wird Sie nicht umbringen. Vielleicht macht es Ihnen sogar Spaß.“

„Das bezweifle ich.“

Ohne es zu wollen, empfand er ihre Worte als Beleidigung. Werd erwachsen, Adam. Warum nur kümmerte es ihn überhaupt, dass sie so offensichtlich nicht in seiner Nähe sein wollte? „Dann müssen Sie eben so tun als ob. Ich möchte, dass all die anderen Glücksjägerinnen da draußen glauben, ich sei für diese Nacht schon vergeben.“

„Das wird ja immer besser! Hier geht es gar nicht nur um die Reporter oder darum, mich unter Kontrolle zu halten. Sie benutzen mich als Schutzschild! Ein großer starker Mann wie Sie!“

„Größe und Stärke bedeuten angesichts wild entschlossener Verführungskünstlerinnen nicht viel.“ Er zuckte die Schultern. „Ich habe kein Problem damit, mich hinter einer schönen Frau zu verstecken.“

„Und wenn ich nicht hübsch wäre?“, fragte sie mit eisiger Stimme.

„Dann würde es nicht funktionieren. In dem Magazin stand, dass nur schöne Frauen eine Chance hätten“, erklärte er.

Doch seine Worte besänftigten sie nicht im Geringsten. „Zweifellos basiert diese Information auf Ihrem bisherigen Verhalten?“

„Die meisten meiner Verabredungen sind attraktiv“, gab er zu. „Und dafür werde ich mich nicht entschuldigen.“ Trotzdem meldete sich auf einmal sein Gewissen. „Wir geben uns also Mühe, dass jeder uns abnimmt, wir würden miteinander ausgehen, okay? Versuchen Sie, ein glückliches Gesicht zu machen. Andere Frauen würden viel Geld bezahlen, um an Ihrer Stelle zu sein.“

„Ich bin aber nicht wie andere Frauen.“

Das hatte er auch schon begriffen. „Dann tun Sie so als ob! Gehen wir.“ Adam schaute auf seine Uhr, dann deutete er auf ihre Tasche. „Lassen Sie die stehen. Es wird sich jemand darum kümmern.“

„Geben Sie mir fünf Minuten. Ich muss Make-up auflegen. Und Schuhe!“ Sie beugte sich vor und zog eine silberne Clutch und ein Paar limettengrüne Sandalen mit Keilabsatz aus der Tasche. Als sie hineinschlüpfte, beschleunigte sich Adams Puls unwillkürlich.

Schluss damit.

Dann wandte sie sich dem Spiegel zu und überließ Adam den Anblick ihres Rückens. Er zwang sich, den Blick abzuwenden, und zückte abermals sein Handy. Zeit, um Nathan über die neusten Entwicklungen zu informieren und sicherzugehen, dass alle Spuren dieses kleinen Zwischenspiels aus der Toilette entfernt würden.

„Fertig.“

Er wirbelte herum. Ihm stockte der Atem, als seine Begierde aufs Neue angefacht wurde. In den wenigen Minuten hatte sie sich von einer natürlichen Schönheit in einen verführerischen Vamp verwandelt. Und das bedeutete, sie hatte ihn in der Hand.

Ihre haselnussbraunen Augen schimmerten sanft, dafür leuchteten ihre Lippen in einem sexy Dunkelrot. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle geküsst. Jetzt, sofort. Er saß definitiv in der Falle – sein Verlangen würde so schnell nicht wieder abflauen.

3. KAPITEL

Panik stieg in Olivia auf, als sie sich dem imposanten Eingang zum Ballsaal näherten. So hatte sie sich das ganz und gar nicht vorgestellt. Ihr Plan sah eher vor, sich unauffällig unter die Gäste zu mischen, als einen großen Auftritt hinzulegen. Und ganz sicher beinhaltete er auch nicht, das „Ich-habe-mir-Adam-den-Millionär-geangelt“-Date zu geben.

Eine Frau, die nur die Höhe seines Bankkontos interessierte … Olivia biss sich auf die Lippen. Fantastisch. Hier stand sie also und spielte die Rolle, die sie immer verachtet hatte. Einen Mann nach seinem Vermögen zu beurteilen, entsprach eher dem Vorgehen ihrer Mutter.

Olivia hatte es gehasst. Hatte gehasst, dass ihre eigene Mutter eine solche Person gewesen war, obwohl sie insgeheim natürlich wusste, dass Jodie ihr Bestes gab, sich um ihre kleine Familie zu kümmern. Von ihren eigenen Eltern verstoßen, schwanger mit sechzehn, hatte Jodie einsetzen müssen, was sie besaß: nämlich ihr Aussehen und ihren Sex-Appeal. Beides hatte ihr ein respektables Einkommen und einen weniger respektablen Lebensstil eingebracht.

„Hey? Sind Sie noch bei mir?“

Die tiefe besorgte Stimme riss Olivia aus ihren Gedanken und holte sie in die Gegenwart zurück. In den opulent ausgestatteten Saal mit seinen Säulen aus Marmor und den glitzernden Kronleuchtern. Zu dem Gelächter, dem Knallen von Champagnerkorken, dem hellen Klingen der Gläser – in die offensichtlich gute Zeit, die Adams Gäste hatten.

Schluss jetzt. Olivia schob die Erinnerungen beiseite. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern. Aber was war mit Gegenwart und Zukunft? Darüber besaß sie die Kontrolle. Alles, was sie zu tun brauchte, war, die Welt glauben zu lassen, sie habe sich einen Millionär geangelt. Dafür würde sie den Aufenthaltsort von Zeb Masterson erfahren. Dann würde ihr ungeborenes Geschwisterchen einen Vater haben. Einen richtigen Dad. Einen, nach dem Olivia sich ihr Leben lang gesehnt hatte: einen Vater, der sein Kind anerkannte und sich freute, Teil dessen Lebens zu sein.

„Ich bin da“, sagte sie und bohrte die Fingernägel in die Handflächen, damit der Schmerz sie erdete.

„Könnten Sie vielleicht ein wenig lächeln?“

„Lächeln liegt mir nicht.“

„Nun, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, es zu üben. Reporter auf sechs Uhr nehmen Kurs auf uns.“

Adam legte einen Arm um ihre Taille, woraufhin es Olivia nur mit Mühe gelang, nicht laut aufzustöhnen, weil die Berührung leidenschaftliches Begehren in ihr auslöste. Stattdessen konzentrierte sie sich ganz auf die Blondine, die mit unverhohlen neugieriger Miene auf sie zueilte.

„Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben!“ Die Reporterin legte eine Hand auf Adams Arm. „Außerdem können wir es kaum erwarten zu erfahren, wer Ihre mysteriöse Begleiterin ist. Stellen Sie mich vor!“

Einen Moment herrschte Stille.

Oh, verdammt!

Adam kannte ihren Namen gar nicht.

Fragend zog die Reporterin perfekt gestylte Augenbrauen hoch.

Olivia öffnete den Mund, doch in genau diesem Moment zog Adam sie enger an sich, sodass sie ihn instinktiv anschaute. In seinen Augen las sie kein Fünkchen Panik, sondern eine seltsame sinnliche Wärme. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Er sah sie an, als könne er sich kaum beherrschen, die Hände von ihr zu lassen.

Und dann lächelte er – die Art Lächeln, das einem durch und durch ging. „Liebling, das ist Helen Kendersen, Kolumnistin beim Frisson Magazin.“ Er wandte sich wieder der Reporterin zu. „Und das, Helen, ist meine Nominierung für Frissons Titel ‚Schönste Frau des Jahres‘.“

Er drückte seinen Arm ganz leicht in Olivias Rücken. Sie verstand den Hinweis, trat einen Schritt vor und streckte die Hand aus. „Olivia Evans“, sagte sie.

„Und wie fühlt es sich an, sich einen Millionär für eine Nacht geangelt zu haben?“ Die Stimme der Reporterin klang fröhlich, doch ihre Augen blickten wachsam.

Olivia wusste, sie sollte auf dieselbe heitere Weise antworten – sie hätte sich längst ein paar witzige und raffinierte Repliken auf genau solche Fragen überlegen sollen. Doch ihr Gehirn verweigerte die Arbeit. Stattdessen errötete sie vor Scham.

Zu ihrer Linken hörte sie ein leises Lachen und begriff, dass ihr kleines Interview Zuhörer gefunden hatte.

Erinnerungen stürmten auf sie ein. Sie befand sich wieder auf einem Spielplatz, umgeben von einem Trupp Mädchen mit Pferdeschwanz, glänzenden Schuhen und perfekt zurechtgemachten Lunchboxen. „Meine Mum hat gesagt, deine Mum ist ein Flittchen, und du wirst auch mal eins werden. Deshalb darf ich nicht mit dir spielen.“ Dann der Singsang der Übrigen: „Flittchen, Flittchen, Flittchen …“

Unwillkürlich ballte Olivia die Hände zu Fäusten. Wenn die Lösung doch nur so einfach wäre wie damals! Leider stand es nicht zur Debatte, Helen Kendersen eins auf die Nase zu geben. Noch bedauerlicher war allerdings, dass ihr immer noch keine spritzige Antwort einfiel. Die einzigen Worte, die ihr schon auf der Zunge lagen, waren absolut unangemessen.

Sie spürte, dass Adam sie ansah. Olivia hob den Kopf und entdeckte in seinen Augen einen Ausdruck, den sie nicht ganz einordnen konnte. Er legte einen Arm um ihre Schultern, eine gänzlich unerwartete beschützende Geste.

„Falsche Frage, Helen“, sagte er, wobei in seiner freundlichen Stimme ein unmöglich zu überhörender harter Unterton lag. „Ein bisschen mehr Verstand dürfen Sie mir schon zutrauen. Olivia hat mich nicht geangelt. Sie ist eine echte Verabredung.“

Unvermittelt verspürte Olivia ein warmes Gefühl in sich aufsteigen. Verteidigte Adam sie etwa? Sie war sich nicht sicher. Vielleicht glaubte er auch nur, die Aussage schütze ihn noch besser vor all den anderen anwesenden Damen, die ihn gern an diesem Abend erobert hätten.

„Oh, jetzt bin ich überrascht“, bekannte die Reporterin. „Vor allem, weil ich mich nicht erinnern kann, dass Sie jemals eine Verabredung, ganz gleich ob echt oder nicht, zu dieser Veranstaltung mitgebracht hätten. Und ich habe Sie doch glatt für eine x-beliebige Person gehalten, die sich irgendwie Zugang zu der Party verschafft und Adam überredet hat, Sie mitzunehmen. Oder habe ich da etwas übersehen?“

Adam hatte also richtig vermutet, dass die Journalisten sich auf sie stürzen würden. Helens Reporter-Antennen glühten förmlich. Panik breitete sich in Olivia aus, Adrenalin durchströmte ihren Körper. Zeit, endlich die ihr zugedachte Rolle zu spielen.

„Nein, Sie übersehen nichts“, erwiderte Olivia. „Hier bin ich.“ Sie breitete die Arme aus. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Stimme sie nicht verriet. „In Fleisch und Blut.“

Stirnrunzelnd neigte Helen den Kopf. „Nun, in diesem Fall werde ich Sie neugierig beobachten. Adams Wahl wird meine Leser sehr interessieren.“

„Tun Sie sich keinen Zwang an, Helen. Aber vergessen Sie nicht, all die Gäste zu interviewen, die für die Auktion gespendet haben. Und knipsen Sie reichlich Fotos!“, sagte er gelassen.

„Schon gut, schon gut. Keine Sorge, diesen Job erledige ich im Schlaf. Viel Spaß auf der Party, Olivia.“ Sie wandte sich um, winkte noch kurz und verschwand in der Menge.

Spaß? Von wegen! Längst hatte Olivia die Blicke bemerkt, die sich voller Misstrauen oder Eifersucht auf sie gerichtet hatten. „Was jetzt? Ich denke, sie hat Verdacht geschöpft.“

„Vielleicht. Aber alles, was wir tun müssen, ist, eine überzeugende Show zu bieten.“

„Na prima.“

Adam setzte sich in Bewegung. „Kein Grund zur Panik. Überlassen Sie mir die Führung, schauen Sie mich bewundernd an, und alles wird gut. Und jetzt müssen wir die Gäste begrüßen.“

Für Adam war das leicht gesagt, denn offensichtlich war er ganz in seinem Element. Tatsächlich musste Olivia ihn voller Bewunderung ansehen, während sie ihre Runden durch den Saal drehten. Adam sorgte dafür, dass er wirklich mit jedem Gast plauderte – hier ein Lachen, dort eine besondere Geste, dann wieder ein kleiner Scherz. Und nie vergaß er, auf die Auktion hinzuweisen, die zu Gunsten seiner Stiftung stattfinden sollte. Kein Wunder, dass er bisher zu diesen Veranstaltungen ohne Begleitung erschienen war. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt seiner Arbeit. Der Frau an seiner Seite blieb nur die Rolle des schmückenden Beiwerks.

Wodurch Olivia viel zu viel Zeit hatte, ihn zu beobachten. Wie großartig ihm der Anzug stand. Wie stark seine Brust wirkte, wie muskulös seine Beine, wie fließend seine Bewegungen waren. Während des üppigen Dinners drückte er seinen Schenkel gegen ihren, weshalb es ihr schwerfiel, das köstliche Vier-Gänge-Menü sicher mit der Gabel zum Mund zu führen.

Konzentrier dich, Olivia! Auf den wunderschön gedeckten Tisch mit der Blumendekoration in der Mitte und dem edlen Kristall. Auf den warmen Schein der Kerzen. Auf alles andere – nur nicht auf Adam Masterson und das prickelnde Verlangen, das jedes Mal aufflackerte, sobald er ihren Arm streifte.

Und der Abend wurde zunehmend surrealer. Fasziniert sah sie zu, wie Adam nach dem Essen hinter das Auktionatorpult trat und mit einer Mischung aus Charme und unvergleichlicher Ehrlichkeit die Anwesenden zu immer höheren Geboten anstachelte.

Seufzend wandte sie den Blick vom Podium ab. Adam Masterson verkörperte alles, was sie hasste: reich, arrogant, überaus selbstbewusst – und er erinnerte sie viel zu sehr an die Exfreunde ihrer Mutter.

„Keiner glaubt Ihnen auch nur ein Wort, wissen Sie.“

Olivia unterbrach ihr Studium der schneeweißen Tischdecke und sah sich einem bekanntem Gesicht gegenüber. Oh, na ganz fantastisch! Vor ihr stand die Frau, deren Bilder in Modemagazinen sie äußerst genau unter die Lupe genommen hatte: ein hellblondes Supermodel, das Partys mit unzähligen Designern feierte, eine Frau, mit der Olivia unter anderen Umständen liebend gern gesprochen hätte. Doch statt über Stilrichtungen zu plaudern, würde es eine erwachsene Version des Spielplatz-Traumas werden.

Auf Candice’ auffälligen Lippen zeichnete sich ein höhnisches Lächeln ab, während sie ihren Traumkörper auf den Stuhl rechts von Olivia gleiten ließ. „In Fleisch und Blut, so ein Quatsch!“

„Wie bitte?“

„Sie haben mich schon verstanden.“ Das Supermodel verschränkte die Beine, vermutlich, damit das hoch geschlitzte golden schimmernde Kleid seine beste Wirkung entfalten konnte. „Sie sind ein billiges Flittchen und nur hinter Adams Geld her und vielleicht noch hinter einem kleinen Quickie, den Sie dann an die Klatschblätter verkaufen können.“

Der vergiftete Pfeil traf mitten ins Ziel, doch Olivia wollte verdammt sein, wenn sie sich etwas anmerken ließ. Unauffällig umfasste sie die Tischkante, um das Zittern ihrer Hände zu verbergen, schob die Erinnerungen an ihre Kindheit beiseite und schaute Candice direkt in die Augen. Cool bleiben, Liv.

„Und Sie sind …?“, fragte Olivia, weil sie annahm, dass es dem Ego des Models einen herben Schlag versetzte, nicht erkannt zu werden.

Ein scharfes Zischen aus Candice’ Mund bestätigte ihr, dass sie richtig vermutet hatte. Doch bevor das Model zu einer Antwort ansetzen konnte, wurde der Stuhl zu Olivias Linken zurückgezogen.

„Candice hat viel Geld bezahlt, um heute Abend auf der Gästeliste zu stehen – in der Hoffnung, selbst diejenige zu sein, die sich Adam angelt.“

Olivia wandte sich um. Jessie T., ein weiterer häufiger Gast auf den Laufstegen der Welt, ließ sich gerade auf den Stuhl sinken. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das hier war wirklich die Wiederkehr ihres Albtraums aus der Kindheit, nur dass sie nicht mehr von Mädchen mit Pferdeschwänzen umgeben war, sondern von Supermodels mit trendigen Frisuren. Eine Sekunde war sie versucht, einfach den Tisch umzuwerfen und zu flüchten.

Bis ihr Jessie T. diskret zuzwinkerte. „Lassen Sie mich nachdenken …“ Sie legte einen Finger mit perfekt manikürtem und türkis lackiertem Nagel gegen die Wange. „Ich nehme an, Candice versteht sich als Verführerin erster Klasse, die eine Nacht voller Liebe zu geben hat … bevor sie ihre Doppelseite in Frisson oder einem anderen Klatschmagazin bekommt. Richtig, Candice?“ Grinsend beobachtete Jessie, wie Candice hektisch aufstand. „Sie ist nur verärgert, dass Sie ihren Plan durchkreuzt haben.“

Und damit wandte Jessie sich ab, als langweile sie der giftige Blick ihrer Konkurrentin zutiefst, bis Candice schließlich in Richtung Podium abzog.

„Hallo, Olivia, ich bin …“

„Jessie T., ich weiß. Und … vielen Dank.“

„Adam hat mich gebeten, ein Auge auf Sie zu haben. Er dachte, Sie könnten vielleicht unter Beschuss geraten.“

Unwillkürlich musste Olivia blinzeln. Und da war es wieder, das warme Gefühl, das sich in ihr Herz schlich. Adam mochte sie als Schutzschild benutzen, aber er tat auch sein Bestes, sie vor Anfeindungen zu bewahren.

„Schauen Sie doch nicht so überrascht. Adam ist ein guter Kerl. Verdammt, Süße, wäre ich keine glücklich verheiratete Frau, ich würde mir einen harten Kampf mit Ihnen liefern.“

Bevor Olivia eine Antwort einfiel, stand Jessie wieder auf. „Genießen Sie die Party. Aber hüten Sie sich vor Candice; sie mag es gar nicht, wenn die Dinge nicht nach ihrer Vorstellung laufen.“

Die dunkelhaarige Frau wandte sich um und lächelte Adam zu, der gerade wieder an den Tisch trat. Olivia betrachtete ihn und wünschte inständig, ihr Puls würde sich wieder beruhigen.

„Danke, dass Sie Jessie gebeten haben, nach mir zu schauen. Und …“ Sie nickte in Richtung Podium, „… Sie haben dort oben einen tollen Job gemacht.“

„Kein Problem. Und danke.“

Stolz schwang in seiner Stimme mit, Stolz und noch etwas anderes. Fast, als hege er ein persönliches Interesse an der Veranstaltung. Was auch sein Engagement für den heutigen Abend erklären würde, sein Augenmerk auf jedes Detail und die Art und Weise, wie er mit den Gästen gesprochen hatte, deren Leben sich durch eine furchtbare Krebserkrankung geändert hatte.

„Es geht um eine wichtige Sache“, sagte sie.

„Ja, das tut es“, bestätigte er. Einen Moment herrschte Stille. „Zeit zu tanzen.“

Tanzen? „Besser nicht.“ In Wahrheit hätte sie sich lieber Nadeln unter die Fingernägel gerammt. Solange sie ihren widerspenstigen Körper nicht unter Kontrolle brachte, war es eine sehr schlechte Idee, mit Adam zu tanzen.

„Das war keine Bitte.“ Wieder lag dieser harte Unterton in seiner Stimme – eindeutig die Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen.

„Und ich nehme keine Befehle entgegen“, erwiderte sie gereizt.

„Helen hat um Fotos von uns beim Tanz gebeten, also schlage ich vor, wir liefern sie ihr. Sie ist keine Idiotin. Außerdem wird ihr kaum entgangen sein, wie nervös Sie sind.“

„Natürlich bin ich nervös. Ihr Date zu spielen fällt mir nicht leicht. Vor allem, weil ich überhaupt nichts über Sie weiß.“

Seine braunen Augen blitzten amüsiert auf. „Den meisten meiner Verabredungen geht es genauso. Darüber würde ich mir also keine Sorgen machen.“ Er hielt ihr die ausgestreckte Hand hin. „Kommen Sie, Olivia, tanzen Sie mit mir. Ein Tanz. Vielleicht macht es ja Spaß.“

Das war wirklich nicht fair. Mit einem unvorhersehbaren Manöver hatte er ihr den Wind aus den Segeln genommen. Und was dieses Lächeln anging … ihr wurde ganz heiß.

Olivia streifte eine Haarlocke hinter ihr Ohr. „Ich kann wirklich nicht tanzen.“

„Überlassen Sie mir die Führung.“

„Ich wünschte, Sie würden aufhören, das zu sagen.“

„Kommen Sie“, drängte er. „Wir müssen Helens Verdacht ausräumen.“

Leider hatte Adam recht. „Ich bin mir nicht sicher, ob es hilft, wenn sie mich über die Tanzfläche stolpern sieht“, sagte Olivia, während sie aufstand. „Aber, hey, was ist schon eine kleine öffentliche Demütigung?“

„So schlecht können Sie nicht sein.“

Als würde sie, nur weil er es gesagt hatte, plötzlich die Fähigkeiten einer Balletttänzerin entwickeln, seufzte sie ergeben. „Doch. Ich bewege mich total unkoordiniert. Pinguine tanzen besser als ich. Lassen Sie nicht zu, dass ich mich komplett blamiere.“

„Halten Sie sich an mir fest, dann wird alles gut.“

Ja, klar. An welchem Teil genau soll ich mich festhalten? Was war nur los mit ihr? Noch nie hatte ihr Körper so auf einen Mann reagiert. Sicher, sie war mit ihren Beziehungen im Bett gelandet, aber dieses sprichwörtliche Prickeln hatte sich bislang sehr in Grenzen gehalten. Und wenn sie absolut ehrlich war, besonders leidenschaftlich war es im Schlafzimmer nicht zugegangen.

Im Augenblick hingegen befanden sie sich nicht einmal im Schlafzimmer, sondern an einem öffentlichen Ort. Und geküsst hatten sie einander auch noch nicht! Trotzdem bebte ihr Körper vor Verlangen, und Olivia hatte keine Ahnung, wie sie sich wieder beruhigen sollte!

Mittlerweile waren sie auf der verhassten Tanzfläche angekommen. Adam legte eine Hand auf ihre Taille, und es war, als würden sich seine Fingerspitzen durch den Stoff ihres Kleides brennen. Seine Hand schien zu glühen, als er Olivia enger an sich zog. Erneut stieg Hitze in ihr auf. Er war ihr so nahe, sie konnte seine harten Muskeln spüren. Und dann kitzelte sein warmer Atem ihr zu neuer Empfindsamkeit erwachtes Ohrläppchen.

„Sie müssen sich entspannen.“

Aus den Augenwinkeln sah sie Helen, die gerade einem Fotografen Anweisungen erteilte.

„Sie machen das großartig“, flüsterte Adam. „Aber ein bisschen müssen Sie mir schon helfen. Vielleicht könnten Sie Ihre Arme um meinen Nacken legen?“

Olivia folgte der Aufforderung und kam so seiner muskulösen Brust noch näher. Ihr stockte der Atem, als sie sah, dass seine braunen Augen vor Lust funkelten. Unter ihren Händen spürte sie seinen Pulsschlag. Sie spielte mit seinen Haarspitzen, und ihr Herzschlag geriet außer Kontrolle.

Plötzlich galt ihre Hauptsorge nicht mehr ihrer Unfähigkeit zu tanzen. Stattdessen gab es viel drängendere Probleme. Und zwar wortwörtlich. Ihr Gehirn sandte Befehle im Kasernenton aus. Nicht schwach werden. Nicht sabbern. Nicht streicheln. Nicht den Kopf an seine Schulter lehnen. Nicht zu nahe an ihn heranrücken.

Doch es war längst zu spät. Sie hatte die Augen geschlossen. Sie schmiegte sich eng an ihn. Sie bewegte die Hüften. Sie suchte. Und fand eine eindeutige Reaktion.

Olivia hatte vergessen, wo sie war. Wer sie war. Was sie war. Alles, was sie wusste, war, dass das hier wirklich passierte.

Auf einmal hörte die Musik auf.

Entsetzen stieg in Olivia auf, als ihr wieder einfiel, wo genau sie sich befand, wer und was sie war. Genauso gut hätten sie Sex auf der Tanzfläche haben können, so eng hatte sie sich an ihn gedrängt.

Einen Moment spürte sie seinen beschleunigten Herzschlag und konnte ihr eigenes Verlangen in seinen Augen gespiegelt sehen. Dann blinzelte er, und der Bann war gebrochen.

„Das sollte reichen“, murmelte er.

„Was?“

„Damit sollte Helens Verdacht ausgeräumt und ich vor den Nachstellungen anderer Frauen geschützt sein.“

Beschämt musste sie sich eingestehen, dass Adam die ganze Sache offenbar inszeniert hatte, um die misstrauischen Reporter zu überzeugen. Aber es konnte nicht alles gespielt gewesen sein. Auf keinen Fall hatte er vorgetäuscht, was in seiner Hose passiert war. Was immer noch in seiner Hose passierte!

„Gut“, sagte er leichthin. „In zehn Minuten gehöre ich ganz Ihnen.“

Was für ein Glück für sie! Sie befand sich auf gänzlich unbekanntem Terrain und hatte keine Ahnun...

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