Heiße Küsse für die gestohlene Braut

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Der perfekte Racheplan? Aristide will die Hochzeit seines verhassten Halbbruders platzen lassen. Und dessen Braut, die scheue Francesca, entführen! Aber alles kommt ganz anders. Denn Francesca ist unendlich erleichtert, dass sie nicht seinen Bruder heiraten muss. Und von scheu kann gar keine Rede sein! Dieses wunderschöne Temperamentsbündel weckt in Aristide ein unbezähmbares Verlangen. Dazu noch ein tieferes Gefühl, an das er nie glaubte – wie kann etwas, das so kaltherzig gedacht war, sich so warm und richtig anfühlen …


  • Erscheinungstag 18.03.2025
  • Bandnummer 062025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534703
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Francesca Campo saß in ihrer geschmackvoll eingerichteten Suite in Valentino Bonapartes Herrenhaus und betrachtete sich in dem goldverzierten Spiegel. Sie sah perfekt aus. Nicht eines ihrer langen dunklen Haare hatte sich aus der kunstvollen Frisur gelöst, das Make-up war makellos. Und das weiße Brautkleid – extra für sie geschneidert – würde ihr aus jedem Blickwinkel schmeicheln.

Mit weniger würde sie sich auch nicht zufriedengeben. Auf diesen Augenblick hatte sie jahrelang hingearbeitet, hart und verzweifelt. In nur wenigen Stunden würde sie Francesca Bonaparte sein.

Und frei.

Vier Jahre lang hatte sie minutiös geplant, ihrem Vater zu entkommen. Was vor ihr lag, war mit Sicherheit besser als das, womit sie aufgewachsen war.

Vale war vielleicht ein bisschen … zugeknöpft. Unnahbar. Doch sie verstanden einander. Sie hatte ihn nach sorgsamer Prüfung ausgesucht. Vale würde ihr alles geben, was sie brauchte. Vor allem Freiheit. Und Sicherheit auf dieser schönen Insel, die der italienischen Küste vorgelagert war. Hier würde ihr Vater ihr nichts anhaben können.

Natürlich nur, wenn dieser Tag verlief wie geplant. Vor Sorge zog sich ihr der Magen zusammen, doch das war normal. Sie hatte ihr ganzes Leben mit dem Versuch zugebracht, ihrem unberechenbaren, gewalttätigen Vater aus dem Weg zu gehen, der sich wegen seines Reichtums für unbesiegbar hielt. Sie war die Schachfigur, die er in der von ihm geschaffenen Welt herumgeschoben und in ein tadelloses, unterwürfiges Geschöpf verwandelt hatte – das glaubte er jedenfalls.

Er ahnte nicht einmal, dass er stattdessen einen Menschen großgezogen hatte, der seine Flucht plante. Niemand hätte Francesca diese pragmatische, zielstrebige Kaltschnäuzigkeit zugetraut. Alle sahen in ihr nur das makellose Wesen, zu dem ihr Vater sie gemacht hatte.

Auch in der Presse wurde Francesca als die personifizierte Tugendhaftigkeit dargestellt, geradezu als Heilige, die eines Tages Bertini Campos gewaltiges Vermögen erben würde. Niemand hatte je eine Schwäche an ihr feststellen können – die hatte ihr Vater ihr schon vor langer Zeit mit seinen Schlägen ausgetrieben –, und sie würde nicht gerade am wichtigsten Tag ihres Lebens damit anfangen.

Selbst jetzt, nach jahrelanger harter Arbeit, konnte Francesca kaum glauben, dass sie es geschafft hatte. Am Anfang hatte sie geglaubt, vorgeben zu müssen, sich rettungslos in Vale Bonaparte verliebt zu haben. Seinem Ego und Stolz schmeicheln und die vorbildlich fügsame Braut spielen zu müssen.

Doch so war es nicht gewesen. In den Monaten, die sie damit verbracht hatte, um ihn zu werben, hatte sie vielmehr festgestellt, dass er keinerlei Interesse an Leidenschaft oder Romantik hatte.

Was er wollte, war ein Deal, genau wie sie. Sie verstanden einander, würden sich gegenseitig helfen, und das war es.

Sie sah ein letztes Mal in den Spiegel, holte tief Luft und zählte die Sekunden, während sie sie langsam wieder ausstieß. Ehe sie sich ihr schönstes, süßestes und unschuldigstes Lächeln ins Gesicht zauberte, das sie den Gästen schenken würde.

Kameras würde es nicht geben. Niemanden, der nicht auf der sorgfältig ausgesuchten Gästeliste stand. Darauf hatte Vale bestanden, und sie, die gehorsame, perfekte Verlobte, hatte eingewilligt. Natürlich hätte sie nichts gegen das eine oder andere Foto gehabt. Und tief in sich auch nichts gegen eine große, ausgelassene Party, mit der sie ihre neugewonnene Freiheit hätte feiern können.

Doch solche Launen hielt Francesca schon lange in sich verschlossen. Stattdessen betrachtete sie diese kleine, sehr private Trauung als Atempause, denn ihr Vater hatte stets dafür gesorgt, dass Kameras ihr folgten, um ihren Ruf als perfekte Erbin zu festigen.

Und sie zur Gefangenen zu machen.

Tugendhaft genug, um als akzeptabel zu gelten, und wohltätig genug, um nicht als oberflächlich betrachtet zu werden. Sie hatte die Universität besucht und ihren Intellekt bewiesen, sodass die Gerüchte, ihr Vater würde ihre Noten mit Geld erkaufen, ins Leere liefen. Sie kleidete sich zurückhaltend, lächelte, stritt sich nie und gab jedem in ihrer Umgebung das Gefühl, ihm zuzuhören.

Sie wusste, wie man Menschen um den Finger wickelte. Und all die Male, die sie sich auf die Zunge gebissen und eine Maske getragen hatte, an der sie manchmal beinahe erstickt war, … das alles machte sich jetzt bezahlt.

Francesca trat an das Bogenfenster, das zur Auffahrt hinauszeigte. Draußen wartete ein warmer, sonniger Tag, und die ersten Gäste trafen bereits ein. Gleich war es so weit. Sie war fast frei.

Doch dann entdeckte sie eine Frau, die sich einen Seidenschal um den Kopf gebunden hatte, was angesichts der hohen Temperatur ungewöhnlich war. Francesca betrachtete die Frau, deren halb sichtbares Profil ihr eigenartig bekannt vorkam. Und als die Frau den Kopf wandte, erkannte Francesca sie.

Sie hatte schon zahllose Fotos von ihr gesehen.

Das war kein gewöhnlicher Gast. Es war Prinzessin Carliz de las Sosegadas. Und sie stand nicht auf der Gästeliste.

Vor Panik zog sich Francesca der Brustkorb zusammen. Vales Ex-Geliebte durfte ihr das hier nicht ruinieren, Prinzessin hin oder her. Hastig trat sie vom Fenster zurück. Jetzt ging es darum, das Schlimmste zu verhindern. Francesca würde großes Aufheben um das Auftauchen der Prinzessin machen – als sei sie herzlich eingeladen.

Als wären sie alle miteinander befreundet, damit die Presse es nicht aussehen lassen würde, als gäbe es ein Problem. Damit die Frau diese Hochzeit nicht stören konnte.

Francesca griff nach ihrem Telefon, um ihre Assistentin anzurufen, hielt aber inne, als sie hörte, wie die Tür zu ihrer Suite geöffnet wurde. Da sie darauf bestanden hatte, vor der Trauung allein gelassen zu werden, um sich vorzubereiten und zu beten, nahm sie an, dass es nur ihr Vater sein konnte, der ungebeten eindrang und noch immer glaubte, die Heirat mit Vale wäre seine Idee gewesen, sein Geniestreich.

Francesca biss die Zähne zusammen, holte Luft und setzte ein unterwürfiges Lächeln auf, bevor sie sich zu ihm umdrehte. Das letzte Mal, dass sie ihm etwas vormachte, schwor sie sich. Sie würde ihn loswerden und dann …

Nur dass es nicht ihr Vater war. Es war überhaupt niemand, den sie kannte. Zumindest nicht persönlich. Das Gesicht des Mannes hatte sie schon in vielen Klatschblättern gesehen und zahlreiche Geschichten über ihn gehört – jeder sprach über ihn. Bis auf Vale, der es sehr gründlich vermied, mehr als nötig über seinen wilden, ungestümen und unehelichen Halbbruder Aristide zu reden.

Dabei sahen sie sich so ähnlich. Dichtes dunkles Haar, breite Schultern, unverschämt attraktive Gesichtszüge und olivfarbene Haut. Bis auf die Augen hätte man sie für Zwillingsbrüder halten können. Aber Vales Augen waren blau und die des Mannes dunkel.

Und dieses Lächeln erst. Es schien eine Wildheit und Gefahr anzudeuten, die Vale, wenn er sie auch in sich trug, gut verborgen hielt.

„Ciao“, begrüßte Aristide Francesca, während er leise die Tür hinter sich ins Schloss zog. Er trug einen maßgeschneiderten Frack, nicht viel anders als der, den Vale bei der Trauung tragen würde. Doch während Vale darin überaus elegant aussehen würde, wirkte Aristide lässig und frech. Sein dunkles Haar war ein wenig zerzaust, als wäre erst vor Kurzem eine Frau mit den Fingern hindurchgefahren. Seine Haltung war aufrecht, die Schultern waren breit, und er hatte eine Ausstrahlung, als interessierte ihn nicht im Geringsten, was um ihn herum geschah.

Denn in dieser Welt drehte sich alles um ihn.

Die Eindrücke, die dieser Mann vermittelte, ohne etwas dafür zu tun, verwirrten Francesca. Einen Moment lang vergaß sie, sich eigentlich um eine Prinzessin kümmern zu müssen, die ihre Trauung platzen lassen wollte.

„Hallo“, gab sie vorsichtig zurück. Als er nichts sagte, fiel ihr wieder ein, wer sie war. Sie lächelte. Senkte den Blick, als wäre sie schüchtern. „Du bist Aristide, oder? Vales Bruder.“

„Ja, ich bin Valentinos Halbbruder.“

Mehr sagte er nicht. Francesca schluckte ihre Frustration hinunter – er ruinierte ihren Zeitplan. Sie musste sich beeilen, ihre Version der Ankunft der Prinzessin zu verbreiten, bevor es jemand anderes tat. Dennoch behielt sie ihr Lächeln bei und tat, was sie immer tat. Freundlich wirken, Hände schütteln, Fragen stellen. Interesse heucheln. Und herausfinden, was er hier wollte. Sie hielt ihm eine Hand hin. „Ich bin Francesca und freue mich sehr, dich …“

Er nahm die Hand, schüttelte sie jedoch nicht. Hielt sie einfach fest und drehte sie einmal nach rechts, einmal nach links, als beobachtete er, wie ihre Ringe im Licht funkelten. Etwas an dieser Bewegung, an der Berührung, der Größe seiner Hand hinderten sie daran, den Satz zu beenden.

Langsam hob er den Blick von ihrer Hand und sah ihr in die Augen. Die Wirkung seines dunklen Blicks – wissend und arrogant, mit einem Anflug von Humor, den sie bei Vale nie gesehen hatte – war wie eine Detonation.

„Ich weiß genau, wer du bist, cara.“

Sein Lächeln traf sie mit tödlicher Wucht. Sie verstand einfach nicht, warum es ihr den Atem raubte und sie sprachlos machte.

Doch sie behielt ihr Lächeln bei und wartete geduldig darauf, dass er seine Anwesenheit erklärte. Selbst wenn das Herz in ihrer Brust wie verrückt hämmerte.

„Ich fürchte, die Pläne für heute haben sich geändert“, sagte er schließlich mit einer Stimme, die wie eine köstliche Bedrohung klang.

Noch immer lächelte Francesca ihn unschuldig an. Ihre Hand lag entspannt in seiner, ihre Körperhaltung war aufrecht. Sie war eine Expertin darin, ihre Rolle zu spielen. Selbst während sich wohlbekannte Panik in ihr ausbreitete. „Oh?“, fragte sie, als interessierte sie, was er zu sagen hatte.

Niemand würde ihre Pläne durchkreuzen. Niemand. Sie schaffte es gerade noch, ihre Hände nicht zu Fäusten zu ballen.

„Du wirst nicht Vale, sondern mich heiraten.“

Francesca hielt sich für eine Frau, die einem Schlag gut ausweichen konnte – dazu hatte sie durch ihren Vater reichlich Gelegenheit gehabt. Egal, was passierte, sie behielt ihre Maske auf. Jetzt jedoch klappte ihr der Mund auf. „Entschuldige bitte … wie war das?“ Sie entzog ihm ihre Hand, bevor sie sich überlegen konnte, wie sie diese Bewegung höflich aussehen lassen konnte.

Aber warum sollte sie einem Mann gegenüber höflich sein, der eindeutig den Verstand verloren hatte?

„Vale hat eine vernünftige Entscheidung getroffen, sich eine so anständige Frau zu suchen. So anständig, dass ich sie für mich haben will.“

Für ihn selbst? Francesca schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. Und dann noch einen. „Das war nicht der Plan und es ist schlichtweg … lachhaft. Soll das eine Art Scherz sein? Tut mir leid, dir sagen zu müssen, dass ein Hochzeitstag für so etwas nicht taugt.“ Sie musste sich schließlich auch noch um eine wenig willkommene Prinzessin kümmern.

Aristide zuckte die Achseln. „Kein Scherz. Und Lachhaftes ist man von mir gewohnt. Aber du wirst mich heiraten, Francesca. Wir gehen jetzt und lassen uns noch heute trauen. Es liegt an dir, die Sache einfach zu machen.“

Sie lachte humorlos auf und dachte daran, wie nahe sie ihrer Freiheit war. Sie würde sich jetzt nicht aufhalten lassen. „Ich verstehe zwar nicht, um was es hier geht, aber da meine Hochzeit kurz bevorsteht, denke ich, dass ich zu meinen Plänen und Versprechen stehe.“ Sie lächelte ihn an. „Aber vielen Dank.“

Ihre Zurückweisung schien ihn jedoch wenig zu beeindrucken. Er ließ den Blick über sie wandern, als würde er ihren Wert abschätzen.

Das sollte sie abstoßen, aber sie war zu überwältigt vom Gang der Ereignisse, als dass sie das eigenartige Gefühl in ihrem Unterleib hätte analysieren können.

„Du missverstehst mich. Entweder kommst du jetzt mit mir, um mich zu heiraten, oder ich verhindere auf andere Weise, dass du Valentinos Frau wirst. Und nach allem, was ich über dich weiß, wäre das eine Katastrophe für dich. Also lass uns gehen.“

Aristide Bonaparte hatte sich im Vorfeld verschiedene Möglichkeiten ausgemalt, wie Francesca reagieren würde. Eine dramatische Szene war ihm dabei am wahrscheinlichsten erschienen. Aber alles, was er in den letzten achtundvierzig Stunden herausgefunden hatte, ließ auf eine Frau schließen, der Drama fernlag.

Sie war so etwas wie der Liebling der Klatschpresse – allerdings aus ganz anderen Gründen als er selbst. Ihr Vater schleppte sie von Ball zu Ball, zu exklusiven Abendessen und schuf dabei das Bild der perfekten Erbin. Voller Güte, Warmherzigkeit und mit einem Herz aus Gold. Sie wäre ein Glücksgriff für jeden Mann, und so konnte es kaum verwundern, dass der großartige, ehrenhafte Valentino Bonaparte den Zuschlag erhalten hatte.

Aristide hingegen galt als Playboy, den nichts anderes als sein eigenes Vergnügen interessierte. Dass er Francesca heiratete, würde niemand feiern.

Erst einmal nicht.

Aristide bezweifelte, dass sie so gut beziehungsweise er so schlecht war, wie sie in der Presse dargestellt wurden. Doch das war ihm völlig egal. Allein die Tatsache, dass Vale die Frau heiraten wollte, bewies, dass sie in den Augen der Öffentlichkeit genau das war, was Aristide brauchte.

Du wirst niemals das Ansehen haben, das dein Bruder genießt.

Bei der Erinnerung an die abfälligen Worte seines verhassten Vaters – die er per Bote hatte ausrichten lassen, da er nur noch auf diese Weise mit seinem Sohn kommunizierte – hätte Aristide am liebsten höhnisch gegrinst. Er hatte kein Problem damit, niedrige Erwartungen anderer an ihn noch zu unterbieten, aber es gab einen Mann, dem er immer schon hatte beweisen wollen, dass er sich in ihm irrte.

Und das würde er jetzt tun.

Außerdem würde es sicher Spaß machen, sich ein völlig neues Image in der Öffentlichkeit aufzubauen und gleichzeitig die tiefe Befriedigung darüber zu genießen, seinen Bruder, den Verräter, blamiert zu haben.

Francesca hatte aufgehört, vor ihm zurückzuweichen und den Kopf zu schütteln. Sie sah ihn mit großen Augen an.

In einem jedoch stimmten all die Geschichten und Gerüchte über sie. Sie war bildschön, auf eine beinahe ätherische Weise. Als würde sie nicht ganz in diese Welt gehören. Doch er bezweifelte, dass das an einer besonderen inneren Qualität lag, wie jeder behauptete. Sie war weder eine Heilige noch ein Engel.

Nein, dazu lag viel zu viel Berechnung in ihren dunklen Augen. Sie griff auch nicht nach ihrem Telefon und versuchte zu fliehen, wie er es erwartet hatte. Nein, sie blieb stehen, wo sie war. Majestätisch und abwägend.

„Und wie würdest du verhindern, dass dein Bruder und ich heiraten?“

Interessant, dass sie nicht nach dem Warum fragte. „Da gibt es viele Möglichkeiten. Am besten wäre es aber wohl zu warten, bis der Priester fragt, ob es Einwände gegen die Heirat gäbe und dann zu behaupten, du könntest meinen Bruder nicht heiraten, weil du deine Nächte mit mir verbracht hast.“

Wieder klappte ihr der Mund auf, bevor sie sich fasste. „Eine lächerliche Lüge. Wieso sollte Vale dir glauben? Oder sonst jemand? Wir sind uns doch noch nie begegnet.“

Offensichtlich kannte Francesca Campo seinen Bruder doch nicht so gut. „Es muss nicht wahr sein, damit Valentino es mir zutrauen würde. Egal, was er für dich empfindet, ist er doch fest entschlossen, von mir nur das Schlechteste zu denken. Du siehst also, es liegt ganz in deinem Interesse, jetzt mit mir zu kommen.“ Er streckte seine Hand nach ihr aus. Aristide hatte das Ganze sorgfältig geplant, aber keine Zeit für lange Diskussionen, bevor sie nicht beide im Auto saßen.

„Du willst also, dass ich mitkomme“, stellte sie sehr ruhig fest. „Und ich soll dich anstelle deines Bruders heute noch heiraten.“

„Ja.“

„Und … du lebst auch auf dieser Insel, oder?“

Fast hätte Aristide die Stirn gerunzelt. Er hatte zumindest ein bisschen Hysterie erwartet. Ein paar Tränen, auch wenn sie nach seiner Drohung tun würde, was er sagte. Aber diese Ruhe … „Ja.“ Bis auf eine Landzunge war die Insel in zwei Hälften aufgeteilt worden, eine für Valentino und eine für Aristide. Wobei seine Hälfte auf der gegenüberliegenden Seite lag, der guten Seite, wie er Valentino in den wenigen Augenblicken, die sie miteinander sprachen, gerne wissen ließ.

Das passierte normalerweise nur im Diamond Club, in dem sie beide Mitglied waren und der nur den reichsten Menschen der Welt offenstand. Aristide musste lächeln. Sein Bruder war immer noch nicht darüber hinweg, dass nun auch Aristide eine Einladung zur Mitgliedschaft erhalten hatte. Und Aristide liebte es, genau dann aufzutauchen, wenn sein Bruder da war. Nur um ihn zu ärgern.

„Und wir würden hier leben, wenn wir verheiratet wären?“, fragte seine zukünftige Braut mit klarem, berechnendem Blick.

„Das würden wir. Manche Menschen behaupten sogar, mein Anwesen wäre viel schöner als Valentinos Mausoleum hier.“ Er lächelte Francesca an.

Sie lächelte nicht zurück.

„Es ist kein Geheimnis, dass du bei deinen romantischen Eroberungen nicht besonders … wählerisch bist. Wieso willst du überhaupt heiraten?“

„Die Jahre haben ihre Spuren hinterlassen“, log er, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich möchte mich rehabilitieren, neu anfangen, und was hilft dabei besser als die perfekte Ehefrau?“ Man sagte, Francesca sei ziemlich intelligent, doch wenn sie ihm diese Geschichte abkaufte, irrten sich die Leute.

Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. „Ja, eine gestohlene Braut und Drohungen sind bekanntermaßen ein guter Anfang, ein besserer Mensch zu werden.“

Fast hätte er laut gelacht. „Cara, cara. Lauert da etwa doch Persönlichkeit unter dieser makellosen Fassade?“

Ihr Blick wurde kühler, aber sie biss nicht an. „Wie sieht es mit einem Ehevertrag aus?“

Francesca hatte eindeutig etwas Käufliches an sich. Das überraschte Aristide, und obwohl es ihm egal war, ob er an seiner Frau Freude haben würde, wäre es doch gut zu wissen, ob sie wirklich so langweilig war, wie die Presse und sein Bruder sie darstellten. „Ich habe einen Vertrag entworfen, der fast identisch ist mit dem, den du und mein Bruder unterschrieben habt. Nur mit meinem Namen darunter natürlich.“

„Wie bist du an unseren Vertrag gekommen?“

Er zuckte die Schultern. „Mit unlauteren Mitteln natürlich.“

Sie seufzte, als würde er ihre Nachsichtigkeit strapazieren. Wie seine Mutter, wenn er sie absichtlich provozierte. „Wir gehen also. Jetzt? Und heiraten …?“, fragte sie. Ihre Miene war undurchdringlich, und sie musterte ihn mit dunklen Augen, als sei er ein Rätsel, das sie gleich lösen würde.

Es machte ihn nervös und war nicht das, was er erwartet hatte.

„Umgehend“, antwortete er.

Wieder wappnete er sich gegen eine mögliche Reaktion. Tränen, Verzweiflung, Wut. Angst. Vielleicht sogar Forderungen.

Doch die Frau vor ihm nickte nur majestätisch. „Nun gut.“

Damit hatte er nicht gerechnet. Er hob eine Augenbraue. „Einfach so?“

„Du hast damit gedroht, meine Hochzeit zu ruinieren, wie du dich vielleicht erinnerst.“ Sie sah aus dem Fenster zu den eintreffenden Gästen. Dann richtete sie den Blick wieder auf ihn. „Ich weiß genug über dich, um zu wissen, dass du das wirklich tun würdest. Ist die Kapitulation nach einer Drohung einfach oder schlicht eine weise Entscheidung?“

Nein, sie war definitiv nicht so, wie andere Leute sie darstellten. Faszinierend. „Du hast nicht einmal versucht, dich zu wehren.“

Sie machte eine abfällige Handbewegung und ging an den Schminktisch, wo sie nach ihrem Telefon und einer kleinen Handtasche griff, die so weiß war wie das Brautkleid. Dann fixierte sie ihn mit einem Blick, der leises Unbehagen in ihm auslöste. Als hätte er sich überschätzt.

Sie hob das Kinn. „Ich bin fest entschlossen, heute zu heiraten, und dabei ist es recht bedeutungslos, wer der Bräutigam ist, solange der Ehevertrag derselbe ist. Du bist genauso vermögend wie Vale und besitzt auf dieser Insel genauso viel Land. Solange der Vertrag wirklich mehr oder weniger identisch ist, seid ihr beide für mich austauschbar. Was ich brauche, ist ein Bräutigam, kein Skandal.“

Aristide furchte die Stirn. Ihm war es recht, dass sie so leicht nachgab, aber es verblüffte ihn, dass der perfekte, ehrenhafte Valentino eine Frau heiraten wollte, die ihn bedeutungslos und austauschbar fand.

„Ich versichere dir, dass mein Bruder und ich nicht das Geringste gemeinsam haben.“

Sie musterte ihn, als könnte sie direkt in seinen Kopf sehen. „Wenn du das glauben möchtest, werde ich mit dir nicht darüber streiten.“

„Exzellent. Eine Ehefrau, die nicht streitet, ist mir ohnehin viel lieber.“

Ihr Gesichtsausdruck wurde sanftmütig, geradezu unschuldig. „Natürlich“, sagte sie, und es gab keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass sie tatsächlich so anspruchslos war.

Überrascht stellte Aristide fest, dass er ihr das Image, das sie sich aufgebaut hatte, nicht abnahm. Keine Sekunde lang.

Doch das spielte keine Rolle. Er würde bekommen, was er wollte.

So wie immer.

2. KAPITEL

Er schmuggelte Francesca nicht wirklich aus dem Haus, doch Aristide schien genau zu wissen, welchen Weg er wählen musste, damit sie keiner Menschenseele begegneten. Schließlich traten sie durch einen Nebeneingang auf der Rückseite des Gebäudes hinaus in den strahlenden Sonnenschein.

Francesca wusste genau, dass sie andere Optionen gehabt hätte. Sie hätte Vale suchen oder telefonisch Hilfe rufen können. Vielleicht hätte es für einen Eklat gesorgt, dass die Brüder sich um sie stritten, aber sie war sich ziemlich sicher, dass Vale und sie noch vor Ende des Tages hätten getraut werden können.

Und vielleicht hätte Francesca es auch getan, wäre die Prinzessin nicht plötzlich aufgetaucht. Denn diese verführerische, faszinierende Schönheit stellte in Francescas Augen die einzig wirkliche Gefahr für ihr Arrangement mit Vale und damit für ihre Freiheit dar. Und zwar nicht nur heute, sondern auch in aller Zukunft.

Also ließ sie sich auf dieses lächerliche Spiel ein, solange es sie ans Ziel brachte. Denn allein das zählte und nicht, wie sie dorthin kam.

Aristide war nicht gerade dafür bekannt, längere Beziehungen zu führen. Was er hier tat, würde sicherlich für einen Skandal sorgen, doch es war eine Art Skandal, mit der sie umgehen konnte. Solange diese Ehe dafür sorgte, ihren Vater fernzuhalten. Ganz anders als der Skandal, den es bedeuten würde, wenn Vale Carliz wirklich liebte und Francesca früher oder später für die schöne Prinzessin verließ. 

Manchmal heiligte der Zweck eben die Mittel.

Aristide führte sie zu einem schicken Sportwagen und öffnete die Beifahrertür für sie. Ohne zu zögern, stieg sie ein und strich sich das Hochzeitskleid glatt, während er zur Fahrerseite ging.

„Werden Gäste zur Trauung da sein? Fotografen?“, fragte sie, als er die lange, gewundene Auffahrt entlangfuhr.

Beide taten sie so, als würden sie den Mann im Anzug – vermutlich vom Sicherheitsdienst –, der versuchte, sie heranzuwinken, nicht sehen.

„Nein. Auf eine solche Staffage kann unsere Liebe natürlich nicht warten.“

Fast hätte Francesca gelacht, doch sie behielt ihre nachsichtige Miene bei. Bis der Vertrag nicht unterzeichnet war, musste sie vorsichtig sein. Aristide war nicht so … beherrscht wie Vale und bekannt für seine Launen und Zügellosigkeit, auch wenn er seinen Ruf aufpolieren wollte. Francesca hoffte, mehr sie selbst sein zu können, wenn die Tinte auf dem Papier erst einmal trocken war.

Außerdem trat er aufs Gaspedal, als seien die Höllenhunde hinter ihnen her, und nahm die Kurven so halsbrecherisch, dass Francesca vollauf damit beschäftigt war, sich festzuhalten. Sie klammerte sich an den Türgriff und betete darum, nicht bei einem Unfall mit dem falschen Bruder ums Leben zu kommen.

Das wäre wirklich ein gefundenes Fressen für die Presse.

Wieder hätte sie am liebsten laut gelacht. Was für eine schwindelerregende und leichtsinnige Art, unterwegs zu sein!

Und warum fühlte es sich so sehr nach Freiheit an?

Der Tag verlief nicht wie geplant, aber dafür, dass dieser Plan doch noch aufging, würde sie sorgen.

„Hast du den Ehevertrag gelesen, nachdem du ihn gestohlen hast?“

Aristide warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, bevor er wieder auf die Straße sah, um mit hoher Geschwindigkeit eine weitere Kurve zu nehmen. „Natürlich.“

„Dann weißt du, wozu du dich verpflichtest, wenn du mich heiratest?“

„Dazu, dich vor deinem Vater zu beschützen. Sowohl in räumlicher als auch in finanzieller Hinsicht. Übrigens eine interessante Wortwahl, angioletta.“

So wurde sie in der Presse genannt, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie unterdrückte einen Fluch. „Ich mag diesen Spitznamen nicht besonders.“

„Aber so wirst du überall dargestellt. Als kleiner Engel.“

Autor