Julia Ärzte Spezial Band 30

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

WENN TAUSEND SCHMETTERLINGE TANZEN von KATE HARDY

Nach einer schlimmen Nacht in der Notaufnahme sucht Becky Vergessen – und landet in den Armen eines attraktiven Fremden. Sie weiß nur, dass er Leandro heißt und zärtlich küsst. Bis sie am nächsten Tag schockiert sieht, wer ihr neuer Chef ist: Dr. Leandro Herrera!

WAS IST IHR GEHEIMNIS, DR. BENYON? von JOANNA NEIL

Liebe, eine Familie? Das brauche ich nicht, glaubt Megan. Sie lebt nur für ihre Arbeit als Ärztin in der Notaufnahme! Bis ihr Dr. Benyon begegnet. Sein zärtlicher Kuss macht Megan klar, auf was sie bis jetzt verzichtet hat. Und keinen Tag länger verzichten will …

EIN KRONPRINZ FÜR GINA von JESSICA MATTHEWS

Niemand in der Notaufnahme ahnt, dass die schöne Ärztin Gina Sutton eine Gräfin ist – bis Dr. Ruark Thomas, Kronprinz von Marestonia, auftaucht und mit ihr Hochzeit feiern will. Wie gerne würde sie Ja sagen – spräche er von Liebe statt von Staatsräson …


  • Erscheinungstag 15.03.2025
  • Bandnummer 30
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533331
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hardy

1. KAPITEL

„Rod Hawes, Alter vierundfünfzig!“, rief der Rettungssanitäter David und Becky zu, während er den Patienten eilig in die Notaufnahme schob. „Er war gerade beim Kegeln, als er plötzlich Schweißausbrüche und heftige Schmerzen in der Brust bekam. Medikation wurde eingeleitet und Sauerstoff verabreicht, aber bisher keine Besserung. Seine Familie ist schon auf dem Weg hierher.“

Klassische Symptome eines Herzinfarkts, ging es Becky durch den Sinn, und sie schaltete das EKG-Gerät ein, während David schon den Anamnesebogen ausfüllte. Die beiden waren ein eingespieltes Team, und Becky bedauerte es sehr, dass heute der letzte Arbeitstag des jungen Notfallarztes war. Morgen würde er nach Afrika fliegen, um in den nächsten sechs Monaten für „Ärzte ohne Grenzen“ zu arbeiten. David hatte Becky sogar angeboten, ihn zu begleiten, aber sie hatte dankend abgelehnt.

Nach dem Drama ihrer gescheiterten Ehe vor eineinhalb Jahren war sie froh, dass ihr Leben nun endlich wieder in ruhigen und geordneten Bahnen verlief und sie sich voll auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Ein Ersatz für David war bereits gefunden worden, und Becky hoffte sehr, dass dieser sowohl fachlich als auch menschlich ebenso kompetent und angenehm war wie David.

Nun galt es aber, sich auf den Notfall zu konzentrieren. Becky überprüfte das EKG. Es deutete auf eine ventrikuläre Tachykardie hin – eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung.

„Okay, fangen wir an“, sagte David und sah Becky und Mina, die junge Assistenzärztin, an. „Mina, mach ihn bitte frei, und du, Becky, überprüfst den Puls.“

„VT ohne Puls“, erklärte Becky.

David zögerte nicht lange und bereitete die elektrische Kardioversion vor. „Zweihundert – und jetzt Schock!“

„Keine Reaktion. Immer noch VT“, sagte Becky.

Sie warteten zehn Sekunden, dann fuhr David fort. „Noch mal auf zweihundert – Schock!“

Keine Reaktion.

„Dreihundertsechzig!“, rief David, und Becky wurde immer nervöser. Wenn jetzt keine Reaktion erfolgte, drohte der Patient zu sterben.

„Immer noch kein Puls!“, sagte sie aufgeregt, und Mina ergänzte: „Keine Veränderung im EKG!“

Noch mehrere Male applizierte David den Elektroschock, jedoch ohne Erfolg. Schließlich trat er zurück und atmete tief durch. „Es ist vorbei. Wir können nichts mehr für ihn tun.“ Er blickte in die Runde. „Sind alle einverstanden, dass wir aufhören?“

Becky und Mina nickten betroffen. „Okay. Todeszeit …“ David schaute auf die Uhr, „… sechzehn Uhr siebenundvierzig. Vielen Dank für eure Hilfe.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Seine Familie ist schon da. Ich … werde es ihnen sagen.“

Becky berührte ihn am Arm, denn sie sah ihm deutlich an, wie sehr ihn der Tod des Patienten belastete. „Soll ich das für dich übernehmen?“

David schüttete den Kopf. „Danke, das ist nett von dir, aber das muss ich schon selbst erledigen.“

„Du hast dein Bestes gegeben, David“, sagte sie tröstend. „Aber wir müssen immer daran denken, dass wir niemals alle Patienten retten können.“

„Ist schon gut, Becky. Wir sehen uns nachher noch kurz, bevor ich meine Sachen hole.“

Becky blickte David traurig nach. Auch sie bedrückte es jedes Mal sehr, wenn ein Patient nicht überlebte, und so lastete Rod Hawes’ Tod noch den ganzen Tag auf ihrer Seele.

Tanya, ihre Mitbewohnerin, sah es ihr sofort an, als Becky abends nach Hause kam. „War kein guter Tag heute, stimmt’s?“, fragte sie mitfühlend.

Becky nickte. „Ist das so offensichtlich?“

„Ja. Habt ihr einen Patienten verloren?“

„Ja.“

Tanya nahm Becky in den Arm und drückte sie. „Ich bin froh, dass ich nicht in der Notaufnahme arbeite. Bei uns in der Pädiatrie stirbt zum Glück nur sehr selten ein Kind.“ Sie schaltete den Wasserkocher ein. „Komm, ich mache dir einen Tee.“

„Danke, das ist lieb von dir.“

„Ach, da fällt mir etwas ein“, sagte Tanya, während sie das Teegeschirr aus dem Schrank holte. „Joe, einer der neuen jungen Ärzte auf unserer Station, gibt heute Abend eine Party. Ich glaube, du hast ihn sogar schon mal gesehen.“

Becky zuckte teilnahmslos die Schultern. „Kann schon sein.“

„Er hat mich eingeladen und gemeint, ich solle ruhig noch jemanden mitbringen. Hättest du nicht Lust auf einen unbeschwerten Abend?“

„Mir ist heute nicht zum Feiern zumute.“

„Ach was. Das bringt dich auf andere Gedanken. Bei so vielen netten Leuten und toller Musik wirst du dich gleich besser fühlen.“

Vielleicht hat Tanya recht, und ein bisschen Ablenkung kann wirklich nicht schaden, dachte Becky. Sie hatte einen grässlichen Besuch bei ihren Eltern hinter sich, und nun war auch noch ein Patient gestorben. „Also gut“, stimmte sie schließlich zu. „Ich komme mit.“

Leandro fragte sich zum x-ten Mal, warum er überhaupt zu dieser Party gekommen war. Er fühlte sich hier völlig fehl am Platz. Die Musik war grauenhaft, das Essen ungenießbar, und der billige Wein floss in Strömen, sodass es kaum noch einen nüchternen Menschen in seiner Nähe gab.

Leandro wohnte erst seit Kurzem in Manchester und hatte die Wahl gehabt, das Wochenende allein in seiner neuen Wohnung zu verbringen oder auf diese Ärzteparty zu gehen. Er hatte vor zwei Wochen seinen neuen Job in der Klinik angetreten und gehofft, auf dieser Party einige seiner neuen Kollegen kennenzulernen.

Doch weit gefehlt – die Musik, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen konnte – war so laut, dass man sich nur schreiend unterhalten konnte, und die Luft im Raum war so stickig, dass Leandro es kaum noch drinnen aushielt.

Vielleicht bin ich einfach schon zu alt für solche Partys, dachte er missmutig und beschloss hinauszugehen, um im Garten etwas frische Luft zu schnappen.

Endlich Ruhe, dachte er, als er den schmalen Fußweg entlangschlenderte und sich immer weiter von dem ohrenbetäubenden Lärm im Haus entfernte. Und dann sah er plötzlich sie: Die junge Frau, die mit angezogenen Knien auf der weißen Bank saß und tief in Gedanken versunken schien.

Wie hübsch sie ist, dachte Leandro spontan, als er auf sie zutrat. „Guten Abend“, begrüßte er sie höflich. „Hier draußen ist es sehr viel angenehmer als drinnen, nicht wahr?“

Die junge Frau blickte zu ihm auf, und Leandros Herz schlug schneller. Sie hatte wunderschöne blaue Augen und die sinnlichsten Lippen, die er je gesehen hatte. „Das kann man wohl sagen.“

Leandro lächelte. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

„Klar.“ Sie nahm die Füße von der Bank und rückte ein Stück zur Seite, um Leandro Platz zu machen.

Gràcies.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Ich heiße Leandro Herrera und komme aus Spanien.“ Die junge Frau schüttelte ihm die Hand, und die Berührung löste ein elektrisierendes Prickeln bei ihm aus.

„Und ich bin Rebecca Marston, aber alle nennen mich Becky“, sagte sie und erwiderte sein Lächeln. „Aus welcher Region in Spanien kommen Sie denn?“

„Aus Barcelona.“

„Oh, aus Katalonien.“

„Sie kennen Katalonien?“, fragte er überrascht.

„Ich war noch nie dort, aber als Schülerin hatte ich eine Brieffreundin aus Katalonien, und dadurch habe ich viel über Spanien erfahren.“

„Sprechen Sie auch Katalanisch?“

„Leider nicht. Ich kann ein bisschen Spanisch, aber das ist mittlerweile ziemlich eingerostet.“ Wieder lächelte sie, und Leandro spürte, wie dieses prickelnde Gefühl im Bauch sich verstärkte. „Aber Sie sprechen dafür umso besser Englisch. Leben Sie schon lange hier?“

„Nein, ich habe in der Schule und während meines Studiums Englisch gelernt. Und was tun Sie hier im dunklen Garten? Verstecken Sie sich gern, wenn Sie auf Partys eingeladen sind?“

Becky zog die Nase kraus. „Normalerweise nicht, aber diese Party ist der reinste Horror. Ich bin nur hier, weil meine Freundin Tanya mich dazu überredet hat. Wenn ich gewusst hätte, was mich hier erwartet, wäre ich lieber zu Hause geblieben.“

Leandro musste herzlich lachen. „Das geht mir genauso. Ich habe gehört, dass es nachher auch noch ein Karaoke-Singen geben soll.“

„Um Gottes willen!“, rief Becky entsetzt. „Der Radau hier ist schon unerträglich, und wenn ich dann auch noch einer Horde sturzbetrunkener Leute zuhören soll …“

„Dann sollten Sie lieber gleich Reißaus nehmen“, ergänzte Leandro amüsiert.

„Stimmt“, bestätigte Becky lächelnd.

Leandro sah sie an, und wieder breitete sich dieses Prickeln in ihm aus. „Haben Sie heute Abend noch etwas vor?“, fragte er spontan, weil er Becky Marston einfach zu verlockend fand.

Sie überlegte kurz. „Ich weiß nicht, ich …“

„Wir könnten irgendwo essen gehen“, schlug Leandro vor. „Oder haben Sie schon etwas gegessen?“

Becky schüttelte den Kopf. „Hier gibt’s ja nichts Gescheites. Ich habe nur ein bisschen Knabberzeug gegessen.“

„Na, dann lassen Sie uns doch ein schönes Restaurant aufsuchen, wo man auch einen guten Wein bekommt.“

Becky wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie fand Leandro Herrera sehr sympathisch und dazu ungemein attraktiv. Er hatte dichtes schwarzes Haar, einen südländischen Teint und tolle dunkle Augen, die ihr sofort aufgefallen waren. Andererseits war er ihr völlig fremd, und normalerweise ließ sie sich nie von unbekannten Männern einladen.

„Keine Angst, ich bin ganz ungefährlich“, sagte er scherzhaft, da er ihr Zögern richtig deutete. „Ich möchte nur mit Ihnen essen gehen.“

Er lächelte nun so charmant, dass Becky nicht mehr widerstehen konnte. „Also gut“, stimmte sie schließlich zu, und als Leandro ihr die Hand gab, um ihr aufzuhelfen, durchströmte sie ein so heißes Prickeln, wie sie es schon seit Langem bei keinem Mann mehr verspürt hatte. „Ich … ich sage nur schnell meiner Freundin Bescheid, dass ich gehe“, erklärte sie hastig, damit Leandro nicht merkte, welche Wirkung er auf sie ausübte.

„Und ich verabschiede mich inzwischen bei unserem Gastgeber. Wir treffen uns dann vorn am Eingang, einverstanden?“

„Einverstanden.“

Tanya war nirgendwo unter den Gästen zu entdecken, und so blieb Becky nichts anderes übrig, als ihrer Freundin eine SMS zu schicken, um ihr mitzuteilen, dass sie schon gegangen war. Danach verabschiedete sie sich von Joe, bedankte sich höflich für die Einladung und traf wenig später Leandro an der Haustür.

„Fertig?“, fragte er lächelnd.

Noch kann ich einen Rückzieher machen, dachte Becky mit klopfendem Herzen, da ihr nun doch etwas mulmig wurde. Aber dann sah sie in Leandros Augen und hatte das Gefühl, dass sie ihm vertrauen konnte.

2. KAPITEL

„Wo kann man hier denn schön essen?“, erkundigte Leandro sich, als sie auf die Straße traten. „Ich wohne erst seit Kurzem hier und kenne mich noch nicht so richtig aus.“

Becky blickte auf die Armbanduhr. „Es gibt ein gutes Restaurant ganz in der Nähe, aber ich glaube kaum, dass wir um diese Zeit noch einen Platz bekommen. Es ist ja schon gleich zehn.“

Leandro überlegte kurz. „Hm. Warum gehen wir nicht zu mir nach Hause? Wenn Sie möchten, könnte ich etwas für uns kochen.“

„Sie wollen für uns kochen?“, fragte Becky überrascht. Was hatte das nun zu bedeuten?

„Klar, ich koche gern. Und wir Spanier sind es gewohnt, abends spät zu essen.“

Wieder wusste Becky nicht, was sie dazu sagen sollte. Mit einem fremden Mann in ein Lokal zu gehen, war eine Sache, aber gleich am ersten Abend zu ihm nach Hause, eine völlig andere. „Also ich … ich weiß nicht recht“, sagte sie verunsichert. „Ich bin noch nie von einem Mann bekocht worden …“

Das klang so unfreiwillig komisch, dass Leandro lachen musste. „Na, dann wird es aber höchste Zeit! Und ich koche gut, das kann ich Ihnen versprechen. Meine Mutter hat es mir beigebracht.“ Er wurde unvermittelt ernst. „Aber nun mal Spaß beiseite. Ich kann verstehen, wenn Sie Bedenken haben, mit einem Fremden mitzugehen. Sagen Sie doch einfach Ihrer Freundin Bescheid, wo Sie sind und mit wem Sie weggehen, dann sind Sie auf der sicheren Seite.“

„Ich habe ihr schon eine SMS geschickt, weil ich sie nicht finden konnte, aber ich kann ihr noch einmal schreiben“, erwiderte Becky erleichtert. Dass Leandro an so etwas dachte, machte ihn in ihren Augen noch sympathischer. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und fragte ihn nach seiner Adresse. Er wohnte in West Didsbury, einem der vornehmeren Stadtteile von Manchester. Becky schrieb Tanya, mit wem sie zusammen war und wohin sie ging, und sandte die Nachricht ab.

„Seit wann wohnen Sie denn dort?“, fragte sie neugierig.

„Seit sechs Wochen, und ich freue mich schon darauf, die Stadt zu erkunden. Können Sie mir einen Tipp geben, was ich mir unbedingt ansehen sollte?“

„Das kommt darauf an, wofür Sie sich am meisten interessieren. Kulturell wird in Manchester sehr viel geboten. Sie könnten ins Theater gehen, zu Musikveranstaltungen oder in Museen oder Kunstausstellungen. Ich zum Beispiel interessiere mich für Kunst. Manchester hat viele Galerien, die ich selbst noch gar nicht alle besucht habe, denn dazu fehlt mir einfach die Zeit.“

Becky lächelte. „Aber wollen wir uns nicht zuerst um unser leibliches Wohl kümmern? Gleich um die Ecke gibt es einen Spirituosenladen, dort könnte ich einen guten Wein kaufen. Denn wenn Sie schon für mich kochen, dann möchte ich auch etwas dazu beitragen.“

Wie hinreißend sie ist, dachte Leandro und hätte sie am liebsten auf der Stelle geküsst. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber wirklich nicht nötig“, sagte er stattdessen. „Wenn wir Katalanen jemanden einladen, dann muss er nicht auch noch etwas mitbringen.“

„Aber bei uns in England ist es üblich, dass man etwas mitbringt, wenn man von Freunden eingeladen wird“, beharrte Becky. „Und ich möchte gern eine Flasche Wein beisteuern.“

Leandro gab sich seufzend geschlagen. „Also gut, Sie haben gewonnen. Gràcies, Becky.“

In besagtem Laden kaufte sie also einen fruchtigen Sauvignon Blanc aus Neuseeland und einen Rioja. Danach winkte Leandro ein Taxi herbei, und sie fuhren zu seiner Wohnung.

Becky staunte nicht schlecht, als sie das große, im viktorianischen Stil erbaute Haus sah, in dem Leandro wohnte. Ein solches Haus war genau das, wovon sie schon immer geträumt hatte. Es lag in einer schattigen Allee und war umgeben von einem großen Garten.

Ja, so ein Haus hatte Becky damals mit Michael kaufen wollen, und dann waren ihre Träume wie eine Seifenblase zerplatzt. Nach ihrer Scheidung hatte Becky ihre Pläne aufgegeben, denn allein hätte sie sich ein so teures Objekt nicht leisten können. Also hatte sie sich mit ihrer Freundin und Arbeitskollegin Tanya zusammengetan und stattdessen eine schöne große Wohnung gemietet.

Becky sah sich aufmerksam in Leandros Wohnung um. Man merkte sofort, dass er erst vor Kurzem eingezogen war, denn die Einrichtung wirkte recht nüchtern, und nirgendwo waren Fotos oder andere persönliche Dinge zu entdecken.

„Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich gemütlich einzurichten“, erklärte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Ein Glas Wein, oder möchten Sie lieber zuerst einen Kaffee?“

„Zuerst einen Kaffee, bitte.“

De res – gerne.“

Becky lächelte. „Ich mag die katalanische Sprache. Würden Sie mir einige Worte beibringen?“

„Sehr gern sogar, aber zuerst mache ich uns etwas zu essen, einverstanden?“ Leandro führte sie in die geräumige Küche. „Mögen Sie Hähnchen?“

„Klar. Mir ist alles recht, wenn ich eingeladen werde. Aber ich kann auch gern beim Kochen helfen“, bot Becky bereitwillig an.

„Danke, das brauchen Sie wirklich nicht. Machen Sie es sich lieber so lange bequem, während ich koche. Möchten Sie Musik hören?“

„Gern.“

Er schaltete den CD-Player ein, und es erklang eine Gitarrenmusik, die Becky sehr gefiel. „Wie heißt dieses Stück? Das ist sehr schön.“

„Das ist eines von Mozarts Divertimenti. Bei klassischer Musik kann ich mich am besten entspannen.“

„Dann war dieser Krach auf der Party wohl alles andere als Ihr Geschmack, stimmt’s?“

Leandro nickte. „Das kann man wohl sagen. Aber vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich langsam alt werde.“

Becky musste lachen. „Na, jetzt übertreiben Sie mal nicht! Wie alt sind Sie denn, wenn ich fragen darf?“

„Fünfunddreißig.“ Er reichte ihr ihre Tasse Kaffee. Er war stark mit einem Schuss Milch – genauso, wie Becky ihn am liebsten mochte.

Gràcies.“

De res“, antwortete Leandro lächelnd, dann begann er mit den Vorbereitungen für das Abendessen.

Becky sah verwundert zu, wie schnell und gekonnt er das Gemüse klein hackte. „Sind Sie etwa Koch?“, fragte sie beeindruckt.

„Nein, aber wenn ich Zeit habe, koche ich leidenschaftlich gern. Dabei kann ich wunderbar entspannen.“

Er äußerte sich jedoch nicht darüber, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, und Becky mochte ihn auch nicht mit Fragen bedrängen. Sie wollte einfach nur den Abend mit Leandro genießen und sich über nichts Gedanken machen. „Hm, das duftet aber gut“, sagte sie, als wenig später die Hähnchenbruststreifen in der Pfanne brutzelten.

Leandro öffnete den Kühlschrank und nahm einen Teller mit verschiedenen Köstlichkeiten heraus.

„Sind das Tapas?“, erkundigte sich Becky, der schon das Wasser im Mund zusammenlief.

„Ja. Auf català heißen sie tapes. Das hier sind Oliven, Chorizo und Käse. Greifen Sie ruhig schon zu, bis das Fleisch gebraten ist.“ Er holte zwei Weingläser aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch. „Was möchten Sie trinken? Rot- oder Weißwein?“

„Mir ist beides recht.“

„Dann nehmen wir Rotwein.“ Er schenkte den Rioja ein, den Becky gekauft hatte, und setzte sich zu ihr an den Tisch. „Zum Wohl – salut.“

Becky stieß fröhlich mit ihm an. „Salut.“ Sie fühlte sich immer wohler in Leandros Gesellschaft. Mit ihm ließ es sich wunderbar plaudern, ohne dass er sie über persönliche Dinge ausfragte. Schließlich war das Essen fertig, und Becky machte große Augen. „Wow, das sieht aber köstlich aus! Mal sehen, ob es auch so gut schmeckt.“

Leandro lachte. „Das will ich doch hoffen. Also, das hier nennt man pollastre romesco – gebratenes Hähnchen mit Romesco-Soße. Es ist ein Gericht aus Tomaten, Mandeln, Knoblauch und Essig. Und das hier heißt espinacas a la catalana – Spinat mit Rosinen und Pinienkernen. Leider habe ich keine Kartoffeln mehr, die hätten am besten dazu gepasst. Aber ich kann Ihnen stattdessen Brot anbieten.“

„Ach, lassen Sie nur, das ist wirklich gut so.“ Becky probierte einen Happen. „Hm, schmeckt toll. Sie sind wirklich ein fantastischer Koch!“

„Danke für das Kompliment.“ Leandro lächelte. „Manche Leute hierzulande glauben, spanisches Essen bestünde nur aus Paella und Sherry. Und wenn sie an Spanien denken, fallen ihnen nur Stierkampf, Kastagnetten und Sonne, Strand und Meer dazu ein. Dabei hat unsere Kultur so viel mehr zu bieten.“

„Zum Beispiel?“

Während Leandro ihr von eindrucksvollen Kathedralen und berühmten Bauwerken erzählte, die es in ganz Spanien zu sehen gab, und von den beliebten Festivals mit Tänzern und Akrobaten, die Besucher aus aller Welt anzogen, konnte Becky förmlich spüren, wie stolz er auf sein Land und seine Leute war. Leandro steckte sie mit seinem Enthusiasmus sogar so sehr an, dass sie am liebsten gleich ihre Koffer gepackt und nach Spanien geflogen wäre.

Als Dessert stellte er saftige Nektarinen und eine Schachtel erlesener Schokopralinen hin, als hätte er geahnt, wie verrückt Becky nach solchen Süßigkeiten war.

„Hm, die ist einfach wunderbar“, schwärmte sie und ließ die Schokolade genüsslich auf der Zunge zergehen. „So etwas gab’s auf Joes Party nicht.“

Leandro lachte. „Dort war überhaupt nichts, was mir gefallen hätte. Wie sind Sie denn zu dieser Party gekommen?“

„Joe ist einer von Tanyas neuen Arbeitskollegen. Mit der Party wollte er seinen Einstand feiern. Tanya hat mich überredet, mitzukommen, weil sie der Meinung war, ich könnte ein bisschen Spaß vertragen nach der schlimmen Woche, die ich hatte.“

„Warum? Was war denn so schlimm?“, erkundigte Leandro sich.

Becky dachte an die frustrierenden Tage, die sie bei ihren Eltern verbracht hatte. Wie immer hatte ihre Familie nichts anderes zu tun gehabt, als Beckys Lebenswandel zu kritisieren. Auch das Thema Michael hatten sie nicht ausgespart. Als hätte Becky nicht schon genug unter ihrer Scheidung gelitten!

Damals hatten ihre Eltern einzig und allein ihr die Schuld am Scheitern ihrer Ehe gegeben, und sie konnten sich bis heute nicht damit abfinden, dass ihnen nun nicht die ersehnten Enkelkinder beschert werden würden. Von Beckys Fehlgeburt wussten sie allerdings nichts, dieses traurige Kapitel hatte sie ihnen bis heute verschwiegen.

„Ich war in London bei meinen Eltern“, antwortete sie, und ein Schatten zog über ihr Gesicht. „Aber zum Glück nur für ein paar Tage, denn es war alles andere als lustig.“ Dann lächelte sie wieder, denn sie wollte sich nicht den Abend mit trüben Gedanken verderben. „Und was ist mit Ihnen? Woher kennen Sie Joe?“

„Eigentlich kenne ich ihn gar nicht. Er ist ein Freund von einem meiner Bekannten, und es war auch nur eine ganz unverbindliche Einladung. Ich hatte keine Lust, das Wochenende allein zu verbringen, daher bin ich hingegangen in der Hoffnung, jemand Nettes dort zu treffen.“ Er sah Becky an und lächelte gewinnend. „Und das ist mir dann ja auch gelungen.“

Becky erwiderte seinen Blick, und plötzlich tanzten Schmetterlinge in ihrem Bauch Dieser Mann übte eine ganz besondere Wirkung auf sie aus, das hatte sie von Anfang an gemerkt. „Nur, dass wir jetzt nicht mehr auf seiner Party sind“, erwiderte sie fröhlich, „aber hier gefällt es mir entschieden besser. Es gibt tolles Essen, guten Wein und viel bessere Musik – was will man mehr?“

„Tanzen kann man dazu allerdings nicht, aber ich könnte etwas anderes auflegen, wenn du willst. Möchtest du mit mir tanzen, Becky?“, fragte er, wobei er wie selbstverständlich zum vertraulichen Du übergegangen war.

„Also ich … ich weiß nicht so recht“, erwiderte sie verunsichert, denn das ging ihr alles viel zu schnell. „Ich bin doch keine gute Tänzerin und trete meinen Partnern immer auf die Füße.“

Leandro lachte fröhlich. „Das glaube ich nicht, das muss dann an deinen Partnern gelegen haben.“ Dann stand er auf und nahm einfach Beckys Hand. „Na komm, lass es uns versuchen.“

Mit diesem Mann zu tanzen war so verlockend, dass Becky einfach nicht widerstehen konnte. Sie ließ sich von Leandro ins Wohnzimmer führen, wo er eine andere CD auflegte. Gleich darauf erklang ein wunderschönes spanisches Lied, das von einem Sänger mit tiefer, knisternd erotischer Stimme gesungen wurde.

„Das ist sehr schön, wer singt denn das?“, fragte Becky begeistert.

Leandro nannte ihr einen Namen, den sie noch nie gehört hatte, und nahm wieder ihre Hand. Dann begann er, sich geschmeidig mit ihr im Takt der Musik zu bewegen.

„Ist das Tango?“

„Ja, aber keine Angst, es ist gar nicht schwer. Gib dich einfach meiner Führung hin, dann geht alles von ganz allein.“

Und ehe Becky wusste, wie ihr geschah, tanzte sie mit Leandro einen Tango, als hätte sie dies schon hundertmal getan, und sie stolperte dabei kein einziges Mal. Sie konnte kaum glauben, dass ihr das Tanzen plötzlich so leichtfiel, denn bisher hatte sie damit immer Probleme gehabt. Das musste einfach an Leandro liegen – er führte sie perfekt.

„Na siehst du, es geht doch“, sagte er sanft und kam Becky dabei so nahe, dass ihr Herz schneller schlug.

Leandro löste Wünsche bei ihr aus, die sie seit Langem nicht mehr verspürt hatte. Die Wärme seines Körpers und sein männlich-erotischer Duft betörten sie so sehr, dass sie Leandro am liebsten die Arme um den Nacken gelegt und sich eng an ihn geschmiegt hätte. Sie schloss die Augen, und dann spürte sie, wie seine Lippen zärtlich ihre streiften. Es war nur ein kurzer Moment, doch er löste ein derart prickelndes Verlangen in ihr aus, dass ihr ganz heiß wurde.

Seit ihrer Trennung von Michael hatte sie keinen festen Freund mehr gehabt, denn zu tief saß noch der Schmerz über die bittere Enttäuschung, die sie mit Michael erlebt hatte. Es hatte zwar einige Männer gegeben, die sich für sie interessierten, aber keiner von ihnen hatte ihr so gut gefallen, dass sie sich mit ihm eingelassen hätte.

Und jetzt war plötzlich alles anders. Leandro hatte sie vom ersten Augenblick an fasziniert. Er zog sie an wie ein Magnet, und das war gefährlich. Wenn sie ihm jetzt nicht Einhalt gebot, würde ihr Zusammensein wer weiß wo enden.

Ich muss mich von ihm lösen, dachte Becky, doch eine unsichtbare Macht schien sie nur noch näher zu ihm hinzudrängen. Sie sah Leandro in die Augen, und er senkte den Mund auf ihre Lippen. Nun war es vollkommen um Becky geschehen. Sie erwiderte Leandros Kuss mit einer Leidenschaft, die sie zu verzehren schien, und fand dies so berauschend, dass sie allen Widerstand aufgab. Brennende Begierde ergriff Besitz von ihr, und sie wusste, dass sie mit Leandro schlafen wollte. Ja, sie wollte ihn, sie begehrte ihn mit jeder Faser ihres Körpers!

Dann aber beendete er den Kuss und schob Becky behutsam von sich. „Em sap greu, verzeih mir, Becky. Ich hätte das nicht tun sollen.“

Becky stand sekundenlang nur da und wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Dann kam ihr plötzlich die Ernüchterung, und sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Was mochte Leandro jetzt nur von ihr denken? Sie kannten sich kaum zwei Stunden, und schon warf sie sich ihm an den Hals!

„Du … du hast recht …“, stammelte sie verlegen. „Ich glaube, ich sollte … jetzt besser gehen.“

„Nein, Becky, so habe ich das nicht gemeint.“ Er nahm ihre Hand. „Ich will nicht, dass du gehst, ich wollte damit nur sagen, dass ich … dass ich nicht vorhatte, dich zu verführen, als ich dich eingeladen habe.“

Becky schluckte. „Das habe ich auch nicht von dir gedacht, sonst wäre ich nicht mitgekommen.“

„Das weiß ich, aber du bist …“ Er fuhr sich verlegen durchs Haar. „Du bist einfach so verdammt sexy, dass ich kaum die Hände von dir lassen kann. Und wenn du jetzt wirklich gehen willst, dann werde ich dir ein Taxi rufen.“ Als Becky darauf nichts sagte, streichelte er zärtlich ihre Wange. „Aber wenn du bei mir bleibst, kann ich für nichts mehr garantieren. Du machst mich so verrückt, dass ich am liebsten auf der Stelle mit dir schlafen würde.“

Leandros Worte erregten Becky so sehr, dass sie sich selbst kaum zurückhalten konnte. Allein die Vorstellung, mit diesem Mann ins Bett zu gehen, ließ sie vor Lust erschauern. Und wenn er ein ebenso guter Liebhaber wie Tänzer war, dann würde sie ihm erliegen.

Ein Gedanke jedoch ließ sie zögern. Sie war noch nicht bereit für eine neue Beziehung, denn zu tief saß noch der Schmerz, den Michael ihr zugefügt hatte. Sie hatte lange gebraucht, um über ihn hinwegzukommen, und wollte nicht das Risiko eingehen, sich wieder zu verlieben und erneut enttäuscht zu werden.

„Leandro, ich … ich möchte im Moment keine feste Beziehung haben“, sagte sie ehrlich, weil sie von vornherein klare Verhältnisse schaffen wollte.

Leandro nickte. „Das ist vollkommen in Ordnung, ich denke im Moment auch nicht an eine feste Bindung. Ich habe erst vor Kurzem einen neuen Job angetreten, der sehr viel Zeit und Energie erfordert.“

Das ist gut, dachte Becky, und ihr Herz begann wieder schneller zu schlagen. Sie war bereit, mit Leandro zu schlafen, aber trotzdem sollte er nicht denken, dass sie mit jedem x-beliebigen Mann gleich am ersten Abend ins Bett ging. „Und noch etwas musst du wissen“, fuhr sie fort. „Normalerweise lasse ich mich nicht auf One-Night-Stands ein, aber bei dir … bei dir ist irgendwie alles anders.“

In Leandros Augen trat ein hoffnungsvoller Glanz. „Dann bleibst du also hier?“

Becky nickte.

„Nur für heute Nacht?“

„Nur für heute Nacht.“

Leandro war froh, dass Becky keine Forderungen stellte und anscheinend die gleiche Einstellung zu festen Bindungen hatte wie er. Gut, dass sie nun wusste, dass er sich keine feste Freundin wünschte. Leandro hatte einfach schon zu oft gesehen, wie schnell Ehen oder Partnerschaften in die Brüche gingen und welches Drama dabei meist entstand.

Das beste Beispiel dafür war seine Mutter. Sie hatte in der Jugend ihre große Liebe verloren und litt heute noch darunter, und ein solches Schicksal wollte Leandro sich ersparen. Lieber genoss er hin und wieder eine aufregende Nacht mit einer Frau und konzentrierte sich ansonsten ganz auf seine berufliche Karriere. Und Becky Marston schien in dieser Hinsicht genau die Richtige für ihn zu sein.

Er zog sie wieder an sich und küsste sie verlangend. „Komm, lass uns nach oben gehen …“, flüsterte er mit vor Erregung heiserer Stimme.

Nun hielt Becky es auch nicht mehr aus. Im Flur hob Leandro sie hoch und trug sie die Treppen hinauf ins obere Stockwerk. In seinem Schlafzimmer setzte er sie wieder ab, zog die Vorhänge zu und knipste die Nachttischlampe an, die den Raum in ein romantisch sanftes Licht tauchte.

Beckys Herz begann wild zu klopfen, und sie konnte es kaum erwarten, endlich in Leandros Armen zu liegen. Trotzdem durfte sie den Kopf nicht ganz verlieren, und deshalb fragte sie: „Hast du … hast du etwas zur Verhütung da?“

„Natürlich.“ Leandro umfasste sie von hinten und küsste zärtlich ihren Hals. „Hm, du riechst so gut … irgendwie nach Schokolade.“

Becky lächelte. Sie hatte in dem neuen Schaumbad gebadet, das Tanya ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, und das duftete tatsächlich nach Schokolade.

„Und schmecken tust du noch viel besser“, flüsterte er ihr ins Ohr und küsste sie dabei so aufreizend, dass sie jetzt schon das Gefühl hatte, vor Lust zu zerfließen.

Leandro zog ihr langsam den Reißverschluss auf und entblößte ihre Schultern. Während er Becky weiterküsste, öffnete er ihren BH und ließ ihn zusammen mit dem Kleid zu Boden gleiten.

Becky zog tief den Atem ein. Dieser Mann reizte sie mehr als jeder andere zuvor. Sie drehte sich um, knöpfte sein Hemd auf und strich verlangend über seine Brust. Leandro war wirklich der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war: Seine sportliche Figur, die glatte Haut, sein schwarzes Haar und die dunklen Augen raubten ihr schier den Verstand. „Du hast einen Wahnsinnskörper“, sagte sie atemlos. „Treibst du regelmäßig Sport?“

Leandro lächelte. „Ja. Ich gehe jeden Morgen joggen und einmal in der Woche fechten.“

„Fechten?“, wiederholte sie erstaunt.

„Ja, Florettfechten.“

Becky sah ihn mit verträumten Augen an. „Wenn du lange Haare hättest, würdest du aussehen wie ein Pirat – wild und ungestüm und ungemein erotisch …“

Leandro musste lachen. „Oje, wenn ich so aussehen würde, würde ich bestimmt Ärger mit meinem Chef kriegen.“

„Wieso, wo arbeitest du denn?“

Anstatt es ihr zu sagen, küsste Leandro hungrig ihren Hals. „Lass uns nicht mehr reden, estimada, ich habe jetzt anderes im Sinn …“

Sie seufzte auf, legte den Kopf zurück und bot ihm ihren Mund zum Kuss.

Leandro schob die Zunge zwischen ihre Lippen und küsste Becky heiß und fordernd. Dabei umfasste er ihre Brüste und reizte mit den Daumen die Spitzen. „Gefällt dir das?“, flüsterte er sanft.

„Ja, oh ja …“, wisperte Becky, und er beugte sich herab, nahm eine der Spitzen in den Mund und saugte lustvoll daran, bis sie vor Begehren stöhnte. Dann zog er Beckys Seidenstrümpfe aus und streichelte zuerst die Innenseiten ihrer Schenkel, bevor er die Hand in ihren Slip schob und ihre empfindsamste Stelle reizte.

Becky schloss die Augen und gab sich ganz dem Rausch ihrer Sinne hin. Und Leandro reizte sie so sehr, dass sie vor Lust einen kleinen Schrei ausstieß.

„Alles okay?“, fragte er und zog sich dabei etwas zurück.

„Ja“, hauchte Becky. Sie war nun so erregt, dass sie glaubte, es keinen Moment länger aushalten zu können. „Bitte, Leandro … hör jetzt nicht auf …“

„Wie hättest du’s denn gern? Zeig es mir, querida …“

„Oh, Leandro! Alles, was du mit mir machst, ist gut …“, stöhnte Becky und drängte sich ihm noch mehr entgegen.

Er zog ihr den Slip aus und liebkoste Becky wieder dort, wo sie es am meisten mochte, bis sie zitterte und bebte. Und dann hielt er plötzlich inne.

Sie öffnete die Augen und sah ihn flehend an. Wieso hörte er jetzt auf, wo sie kurz vor dem Höhepunkt war?

„Schau mich an, Becky“, sagte er, und seine Stimme war heiser vor Verlangen. „Du bist so sinnlich und so wunderschön, und ich bin ganz verrückt nach dir …“

Mit jedem seiner Worte erregte er Becky mehr, bis sie aufschrie und sich ihre Spannung schließlich in einem berauschenden Höhepunkt entlud. „Oh, Leandro …“ Becky schlang ihm die Arme um den Nacken, und da erst merkte sie, dass Leandro noch immer angezogen war, während sie völlig nackt vor ihm stand.

„Du … du bist ja …“

„Shh …“ Er küsste sie erneut. „Wir haben doch gerade erst angefangen, estimada. Das Schönste kommt noch.“

Er hob Becky hoch und trug sie zum Bett. Dann zog er sich aus und legte sich zu ihr. Und nun begann ein Liebesspiel, wie Becky es noch nie mit einem Mann erlebt hatte. Leandro verteilte heiße Küsse über ihren flachen Bauch und umkreiste ihren Nabel aufreizend mit der Zunge.

Schon wieder spürte Becky heiße Erregung in sich aufflammen. Wenn Leandro es schaffte, sie allein mit solchen Zärtlichkeiten in Ekstase zu versetzen, wie würde es dann erst sein, wenn er ganz zu ihr kam? Sie seufzte lustvoll auf, als er eine Spur von feurigen Küssen bis zu ihren Brüsten zog und dann die Spitzen in den Mund nahm und damit spielte.

„Oh, Leandro, was machst du nur mit mir?“, stöhnte sie und drängte sich ihm entgegen. Es war unglaublich. Gerade erst hatte sie einen Höhepunkt erreicht, und nun strebte sie schon dem nächsten entgegen. Und hätte Leandro jetzt nicht von ihr abgelassen, hätte sie sogar ohne Schutz mit ihm geschlafen.

Leandro öffnete das Nachttischschränkchen und nahm ein kleines quadratisches Päckchen heraus. Und dann tat er endlich das, wonach Becky sich so sehnte. Er legte sich auf sie und nahm leidenschaftlich ihren Mund in Besitz, und sie spreizte ihre Schenkel, um ihn in sich aufzunehmen.

Behutsam drang er in sie ein, und das war für Becky so überwältigend, dass sie glaubte, vor Lust vergehen zu müssen. Noch nie hatte ein Mann sie so aufs Äußerste gereizt. Sie grub die Finger in seinen Rücken und schlang die Beine um seine Hüften, während er sie mit jedem seiner Stöße dem Höhepunkt näher brachte.

„Sieh mich an, estimada“, forderte er sie auf.

Becky tat es, und sie entdeckte, wie sich ihre Lust in seinen Augen widerspiegelte. Dann kamen sie beide gleichzeitig und drängten sich einander noch heftiger entgegen, bis die Wellen der Lust schließlich verebbten. Leandro blieb noch eine ganze Weile so liegen, dann rollte er sich langsam auf die Seite und zog Becky mit sich.

Becky hatte das Gefühl, im Paradies zu sein. Sie schmiegte sich an Leandro und wäre am liebsten bei ihm eingeschlafen, doch plötzlich fiel ihr wieder ein, was er zu ihr gesagt hatte. Wollte er überhaupt, dass sie bei ihm blieb? Oder wartete er jetzt darauf, dass sie nach Hause ging?

Als hätte er ihre Unsicherheit gespürt, zog er sie enger an sich und küsste sie aufs Haar. „Bleib noch ein bisschen bei mir, ja?“, sagte er sanft, und Becky durchströmte ein wunderbares Glücksgefühl.

Obwohl sie Leandro erst seit wenigen Stunden kannte, fühlte sie sich bei ihm so sicher und geborgen, als wären sie schon eine Ewigkeit zusammen. Es war so schön, in seinen Armen zu liegen, dass sie am liebsten die ganze Nacht geblieben wäre. Nur noch ein paar Minuten, dachte sie müde, dann gehe ich nach Hause. Im nächsten Moment fielen ihr die Augen zu, und sie schlief glücklich ein.

3. KAPITEL

Als Becky am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich wie im siebten Himmel. Es war Sonntag, und sie konnte ausschlafen, weil sie heute Spätschicht hatte. Sie öffnete die Augen – und wurde plötzlich hellwach. Du meine Güte, sie lag ja nicht allein im Bett! Sie hatte tatsächlich die Nacht bei Leandro Herrera verbracht, ihrem feurigen spanischen Liebhaber!

Becky blickte auf ihn herab, und ihr wurde ganz warm ums Herz. Leandro schien noch zu schlafen, und er gefiel ihr dabei so gut, dass sie am liebsten sofort ein neues Liebesspiel mit ihm begonnen hätte.

Aber dann besann sie sich. Sie hatten doch vereinbart, dass es bei diesem einen Mal bleiben sollte, und daran wollte Becky sich auch halten. Leandro hatte ihr klipp und klar gesagt, dass er keine Beziehung wollte, weil seine Karriere für ihn an erster Stelle stand. Und Becky war noch nicht bereit für einen festen Partner, weil sie ihr Leben selbst bestimmen und sich nicht schon wieder nach den Wünschen eines Mannes richten wollte.

Immer wenn Becky an Michael dachte, kam ein dumpfes Unbehagen in ihr auf. Die berufliche Karriere war ihm am wichtigsten gewesen, während er Beckys Arbeit nur wenig Bedeutung zugemessen hatte. Und sie war so naiv gewesen und hatte sich seinen Wünschen gebeugt, nur um ihn zufriedenzustellen und Streit zu vermeiden.

Doch damit war nun Schluss. Becky hatte auch studiert und sehr viel Zeit und Energie in ihren beruflichen Werdegang gesteckt, und sie war nicht mehr bereit, dies alles wegen eines Mannes aufzugeben. Im Gegenteil, sie hatte sich ein hohes Ziel gesteckt: Sie wollte die Pflegedienstleitung übernehmen und später vielleicht sogar ins Klinikmanagement aufsteigen.

Becky stieg leise aus dem Bett, um Leandro nicht zu wecken, zog sich an und ging auf Zehenspitzen die Treppen hinunter. Ganz ohne Abschied wollte sie aber keinesfalls gehen. Sie holte einen Notizblock aus ihrer Handtasche und schrieb auf einen Zettel: Ich musste gehen, weil ich Dienst habe. Vielen Dank für den wunderbaren Abend. Becky. Sie legte den Zettel auf den Tisch und verließ leise die Wohnung.

Als Becky nach Hause kam, saß Tanya schon am Frühstückstisch. „Nanu, wieso bist du denn schon auf?“, fragte Becky überrascht. „Ich dachte, du würdest mindestens bis Mittag schlafen.“

Tanya verzog das Gesicht. „Die Party war so schlecht, dass ich auch nicht lange dortgeblieben bin. Und wie war’s bei dir? Ich habe deine SMS gelesen.“

„Gut“, sagte Becky ausweichend. Sollte sie Tanya nun alles haarklein berichten oder lieber nicht?

„Bist du die ganze Nacht bei ihm geblieben?“, fragte Tanya prompt, und Becky seufzte.

Es hatte keinen Sinn, ihrer Freundin etwas vorzumachen, denn dazu kannte Tanya sie viel zu gut. „Ja, aber zieh mich deswegen jetzt bloß nicht auf.“

Tanya lachte. „Nein, du kannst ganz beruhigt sein. Ehrlich gesagt habe ich mir sogar ein bisschen Sorgen gemacht, als ich deine Nachricht las. Mit einem wildfremden Mann wegzugehen ist nicht ganz ungefährlich.“ Sie sah Becky prüfend an. „Hast du … habt ihr … na, du weißt schon …“

„Ja, wir haben“, gab Becky widerstrebend zu, da es ihr fast ein bisschen peinlich war, ihren One-Night-Stand zuzugeben. „Aber ich hatte dir ja seine Adresse mitgeteilt, damit du wusstest, wo ich bin. Und auf dem Handy hättest du mich jederzeit erreichen können.“

Jederzeit bestimmt nicht“, neckte Tanya sie. „Der Typ muss dich ja schwer beeindruckt haben, wenn er dich gleich am ersten Abend rumgekriegt hat.“

„Jetzt ziehst du mich aber doch auf“, beschwerte Becky sich.

„Ich mache doch nur Spaß“, meinte Tanya beschwichtigend. „Dein kleines Liebesabenteuer scheint dir aber gut getan zu haben, du siehst nämlich super aus. Sonst triffst du dich doch nur mit solchen Loser-Typen, die dir nicht gefährlich werden können, weil du Angst vor einer festen Beziehung hast.“

Wie recht sie hat, dachte Becky bei sich, sagte dazu aber nichts. Sie war in den letzten eineinhalb Jahren tatsächlich allen interessanten Männern aus dem Weg gegangen, nur um nicht Gefahr zu laufen, sich wieder zu verlieben. Eine gescheiterte Ehe reichte ihr, und sie wollte dieses Drama keineswegs wiederholen. „Ich muss jetzt unter die Dusche und mich umziehen, sonst komme ich noch zu spät zur Arbeit“, sagte sie, um das Thema zu beenden. „Wir sehen uns dann nachher, ja?“

Tanya machte ein enttäuschtes Gesicht. „Soll das etwa heißen, ich erfahre nichts? Keine heißen Details von deiner Liebesnacht?“

„So ist es.“

„Spielverderberin!“, rief Tanya ihr noch nach, doch Becky war schon im Bad verschwunden.

Als Becky in der Notaufnahme erschien, erwartete sie das übliche Sonntagnachmittagsszenario: Freizeitsportler, die sich eine Zerrung zugezogen oder den Knöchel verstaucht hatten, Hobbygärtner, die einen Hexenschuss bekommen und Kinder, die sich beim Spielen verletzt hatten. Einige von ihnen musste Becky an ihre ärztlichen Kollegen weiterleiten, die meisten aber konnte sie selbst versorgen.

Becky liebte ihre Arbeit, und es war ein überaus befriedigendes Gefühl für sie, wenn sie Menschen helfen konnte. Auch in der größten Hektik behielt sie einen kühlen Kopf und meisterte alle Situationen besonnen und kompetent.

Obwohl Becky sehr beschäftigt war, musste sie immer wieder an Leandro denken und überlegte, ob sie sich nicht bei ihm melden sollte. Sie hatte ihm weder ihre Telefonnummer noch ihre Adresse hinterlassen, ihm also keine Möglichkeit geboten, um in Kontakt mit ihr zu treten. Aber nein, sie hatten doch vereinbart, dass ihre gemeinsame Nacht ein einmaliges Erlebnis sein sollte, und dabei sollte es auch bleiben.

Am nächsten Tag hatte Becky wieder Mittagschicht und traf im Umkleideraum ihre Kollegin Irene, die gestern freigehabt hatte.

„Na, wie war’s bei deinen Eltern?“, erkundigte sich Becky. Irene hatte ihr erzählt, dass sie an ihrem freien Tag mit ihrem Mann ihre Eltern besuchen wollte.

„Schön, wie immer“, antwortete Irene lächelnd. „Du weißt doch, ich liebe solche Familientreffen. Ich finde es wunderbar, wenn am Sonntagnachmittag alle gemütlich beisammensitzen und es sich gut gehen lassen. Meine Mutter hat zum Nachtisch sogar meinen Lieblingspudding gemacht, ist das nicht herrlich?“

Becky beneidete Irene um ihre intakte Familie und wünschte, sie hätte auch ein so gutes Verhältnis zu ihren Eltern gehabt. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Wenn sie ihre Eltern besuchte, musste sie sich nichts als Vorwürfe anhören und bekam immer wieder zu spüren, dass ihre Eltern ihr die Schuld am Scheitern ihrer Ehe gaben.

Und Beckys Großeltern waren der gleichen Meinung, und dementsprechend kühl und distanziert verhielten sie sich Becky gegenüber auch. Vielleicht hätte ich mich nicht nur von Michael, sondern gleichzeitig von meiner ganzen Familie trennen sollen, dachte sie frustriert.

Dann aber schüttelte sie die trüben Gedanken ab und fragte Irene. „Wie ist denn unser neuer Chef? Du hast ihn schon gesehen, stimmt’s?“

„Das ist ein Wahnsinnstyp, kann ich dir sagen“, schwärmte Irene. „Er ist nicht nur unglaublich sympathisch und fachlich kompetent, sondern sieht auch noch fantastisch aus. Wenn ich nicht schon glücklich verheiratet wäre, könnte ich direkt schwach bei ihm werden.“

Becky verdrehte die Augen. „Jetzt kommt das schon wieder. Sag bloß, er ist groß und schlank, hat dunkle Haare und wundervolle Augen.“

„Du wirst es nicht glauben, aber genauso ist es! Ich sage dir, Becky, der Mann ist purer Sex auf zwei Beinen! Warte nur, bis du ihn siehst. Ich wette, der haut dich glatt vom Hocker!“

„Das tut er ganz bestimmt nicht“, gab Becky unbeeindruckt zurück. „Außerdem wäre ein Flirt am Arbeitsplatz das Allerletzte, was ich brauchen könnte. Und zudem sind solche Typen fast immer verheiratet und haben womöglich noch einen Stall voller Kinder.“

Irene lächelte verheißungsvoll. „Ich sage nur noch: Top, die Wette gilt!“

Beckys erster Patient war Mr. Barker, ein Bauarbeiter, der auf der Baustelle vom Gerüst gefallen war und nun auf einem Fuß kaum auftreten konnte.

Becky begrüßte ihn freundlich und untersuchte dann behutsam den verletzten Knöchel. „Ich glaube, dass er nur verstaucht ist, aber um ganz sicher zu sein, sollten wir eine Röntgenaufnahme machen“, erklärte sie. „Zuvor brauche ich aber noch einige Angaben.“

Sie nahm die wichtigsten Daten von Mr. Barker auf und gab ihm anschließend das Formular in die Hand. „Gehen Sie damit bitte zur Röntgenabteilung links am Ende des Ganges und geben das Formular an der Rezeption ab. Und wenn Sie mit dem Röntgen fertig sind, kommen Sie bitte zu mir zurück, damit wir alles Weitere besprechen können.“

Mr. Barker tat wie geheißen, und Becky rief Mrs. Tennant herein. Die Patientin hatte sich eine Verbrennung an der rechten Hand zugezogen.

„Ich weiß überhaupt nicht, wie das passieren konnte“, sagte sie völlig aufgelöst. „Ich war gerade dabei, heißes Wasser in meine Teekanne zu gießen, da rief mich meine Tochter aus dem Wohnzimmer, weil sie mir unbedingt etwas zeigen wollte. Da habe ich mich wohl so abrupt umgedreht, dass ich mir das kochend heiße Wasser übergeschüttet habe.“

„Wann genau ist das passiert?“, fragte Becky.

„Vor einer halben Stunde. Ich bin mit dem Taxi gekommen, weil ich kein Auto habe. Meine Nachbarin ist so gut und kümmert sich jetzt um Jessie, bis ich wieder zu Hause bin.“

„Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden Ihnen ganz schnell helfen“, beruhigte Becky ihre Patientin, da sie sah, wie aufgeregt die Frau war. „Darf ich mir Ihre Hand jetzt ansehen?“

Mrs. Tennant nahm das feuchte Handtuch ab, das sie sich um die Hand geschlungen hatte. „Hier. Es brennt immer noch ganz fürchterlich.“

„Das ist ein gutes Zeichen, denn wenn Sie keine Schmerzen hätten, wäre die Verbrennung wirklich schlimm.“ Becky untersuchte vorsichtig die geschädigte Haut und stellte dabei fest, dass es sich tatsächlich nur um eine leichte Verbrennung handelte.

Vorsichtig versorgte sie das Wundgebiet und legte der Patientin zum Schluss einen leichten Verband an. „So, das hätten wir. Ich gebe Ihnen noch eine schmerzstillende Salbe mit, die Sie bitte jeden Morgen auftragen. Und in drei Tagen kommen Sie zur Kontrolle wieder.

Sollten die Schmerzen in der Zwischenzeit stärker werden oder Sie Fieber bekommen, müssten Sie allerdings gleich wiederkommen. In diesem Fall könnte sich die Haut infiziert haben.“ Becky lächelte ermutigend. „Damit ist aber nicht zu rechnen.“

Mrs. Tennant nickte. „Wie lange wird es denn noch wehtun?“

„Eine Weile werden Sie die Verbrennung spüren, aber die Salbe ist sehr gut und wird Ihnen Linderung verschaffen.“ Becky legte der Patientin beruhigend die Hand auf den Arm. „Keine Sorge, Mrs. Tennant, in ein paar Wochen ist alles verheilt, und es werden auch keine Narben zurückbleiben.“

Nachdem sie den Kontrolltermin für Mrs. Tennant notiert und die Patientin verabschiedet hatte, überprüfte sie am PC, ob die Röntgenaufnahmen von Mr. Baxter fertig waren. Das Ergebnis war bereits da, und Becky rief den Patienten herein.

„Ich habe gute Nachrichten, Mr. Baxter“, verkündete sie lächelnd. „Ihr Fuß ist nicht gebrochen, sondern verstaucht. Demnach braucht er nur Ruhe und Kühlung, und Sie sollten das Bein hoch lagern. In vierzehn Tagen müsste es dann erheblich besser sein, und nach ein paar Wochen können Sie den Fuß wieder ganz normal belasten.“

Mr. Baxter runzelte die Stirn. „Und so lange darf ich auch nicht Fußball spielen?“

„Leider nein.“

„Oh, das wird mir aber schwerfallen.“

„Da kann man leider nichts machen, Mr. Baxter, Sie müssen schon ein bisschen Geduld haben“, erwiderte Becky lächelnd.

Nach ihm folgten noch mehrere weitere Patienten, bis Becky um halb fünf schließlich in die Pause ging. Von ihrem neuen Chef hatte sie bisher noch nichts gesehen, und sie vermutete, dass er heute entweder Frühschicht oder gar keinen Dienst gehabt hatte. Na, dann würde sie ihn eben morgen kennenlernen. Jetzt brauchte sie unbedingt eine Tasse Kaffee, darauf freute sie sich schon den ganzen Nachmittag.

Becky öffnete die Tür zum Pausenraum – und glaubte ihren Augen nicht zu trauen: Vor ihr stand Leandro Herrera!

4. KAPITEL

Das darf doch nicht wahr sein, schoss es Becky durch den Sinn. Was in aller Welt tat Leandro hier? Hatte er etwa herausbekommen, wo sie arbeitete, und stellte ihr nun nach? Becky war nur froh, dass außer ihnen gerade niemand da war, denn auf Klatsch am Arbeitsplatz konnte sie getrost verzichten. Sie hatte schon einmal erlebt, wie schrecklich es war, im Mittelpunkt des Kliniktratsches zu stehen, und das wollte sie kein zweites Mal durchmachen.

„Hallo, Becky“, begrüßte Leandro sie lächelnd. „Schön, dich zu sehen.“

„Kannst du mir mal verraten, was das soll?“, erwiderte sie ungehalten. „Was tust du hier?“

Ihr schroffer Tonfall vertrieb ihm schlagartig die gute Laune. „Das Gleiche wie du, nehme ich an. Ich arbeite hier.“

„Du arbeitest hier?“ Becky sah ihn völlig entgeistert an, und da endlich fiel der Groschen. „Heißt das, dass … du Davids Nachfolger bist?“, fragte sie entsetzt.

„So ist es.“ Leandro sah sie herausfordernd an: „Warum hast du mich gestern nicht geweckt? Wieso bist du einfach ohne ein Wort gegangen?“

Becky holte tief Luft. Diese Frage hatte ja kommen müssen. „Hör zu, Leandro, ich … ich wusste nicht recht, wie ich mich nach unserer gemeinsamen Nacht verhalten sollte. Normalerweise gehe ich nie mit fremden Männern ins Bett, und daher war die Situation ziemlich ungewohnt für mich. Ich dachte, wenn ich einfach gehe, dann … gibt es kein Problem.“

Leandro zog die Brauen hoch. „Kein Problem?“

Becky seufzte auf. „Also gut, es tut mir leid. Ich hätte nicht einfach so verschwinden sollen, ohne mich von dir zu verabschieden. Aber ich habe dir eine Nachricht hinterlassen. Hast du den Zettel in der Küche nicht gefunden?“

„Doch.“

Becky fühlte sich sichtlich unbehaglich. Was erwartete Leandro von ihr? Sie hatten sich doch darauf geeinigt, dass diese Nacht eine einmalige Sache bleiben sollte, ohne jede Verpflichtungen für beide Seiten. Was also wollte er noch von ihr?

„Wie dem auch sei, ich musste gehen, weil ich mittags Dienst hatte“, sagte sie kühl. „Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier arbeite?“

„Deine Kollegin Irene hat es mir gesagt. Sie hat dich in den höchsten Tönen gelobt und mir erzählt, was für eine hervorragende Notfallschwester du bist.“

Beckys Wangen röteten sich leicht. „Ich mache nur meinen Job, das ist alles.“

„Und das verdammt gut, wie ich schon von allen Seiten gehört habe. Du behandelst selbstständig und eigenverantwortlich Notfälle, leitest das Team der jungen Krankenschwestern und bist das wichtigste Bindeglied zwischen Schwestern und Ärzten. Und zu diesem Team gehöre ich nun auch.“

„Und was willst du mir damit sagen?“, fragte Becky aufgeregt, weil sie schon ahnte, worauf er hinauswollte.

„Ich will damit sagen, dass ich jemanden brauche, der mich mit allen Kollegen bekannt macht und gründlich in alle wichtigen Vorgänge und Abläufe einweist. Und dieser Jemand bist du.“

Na wunderbar, dachte Becky und unterdrückte einen Seufzer. Wie sollte sie jetzt nur aus diesem Schlamassel herauskommen? „Also ich … ich würde mich ja gern um dich kümmern, aber ich muss leider zurück in die Ambulanz“, sagte sie schnell, um Leandro irgendwie loszuwerden.

„Wenn du jetzt keine Zeit hast, dann lade ich dich eben später zum Essen ein. Oder hast du nach der Arbeit schon etwas vor?“

Mann, ist der hartnäckig, dachte Becky und suchte fieberhaft nach einer neuen Ausrede. Tatsächlich hatte sie heute nichts mehr vor, aber sie wollte Leandro auch nicht auf die Nase binden, dass sie ihre Abende meistens allein vor dem Fernseher verbrachte. „Also, ich mache erst um acht hier Schluss, und dann wäre es zum …“

„Für uns Spanier ist es zum Essen nie zu spät“, nahm er ihr gleich den Wind aus den Segeln. „Also, wann wollen wir uns treffen?“

Becky hätte schreien können. Gab dieser Mann denn niemals auf?

„Na komm schon, Becky, gib dir einen Ruck.“ Leandro lächelte sie wieder an. „Wir müssen sowieso miteinander reden, und aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Warum sollten wir uns dann nicht gleich heute Abend unterhalten? Ich hole dich nachher in deinem Büro ab, einverstanden?“

„Und worüber müssen wir uns unterhalten?“, fragte Becky schroff, da sie sich über seine Hartnäckigkeit ärgerte. „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich keine Beziehung mit dir will, und daran hat sich nichts geändert.“

„Ich weiß, und darüber möchte ich ja mit dir reden. Aber nicht gerade hier. Ich hole dich also nachher ab – fins després – bis später.“

Dann ging er davon, und Becky atmete tief durch, als die Tür sich hinter ihm schloss. Dass ihr heißblütiger Liebhaber von gestern Abend ausgerechnet ihr neuer Chef war, daran hätte sie noch nicht einmal im Traum gedacht. Andererseits musste sie sich eingestehen, dass sie schon mehr als einmal versucht gewesen war, ihn anzurufen, weil sie ständig an ihn denken musste. Becky schloss die Augen und stellte sich vor, wie schön es gewesen war, seine Hände auf ihrer Haut zu spüren und seine heißen Lippen auf ihren …

Schluss damit, schalt sie sich selbst und ging zurück zur Notaufnahme. Ihren Kaffee hatte sie völlig vergessen.

Kurz nach acht erschien Leandro vor Beckys Büro. Sie war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie ihn zunächst gar nicht bemerkte, und daher konnte er sie in Ruhe betrachten. Wie schön sie war, wie sie so am Schreibtisch saß und sich auf die Arbeit konzentrierte. Leandro ließ den Blick durch ihr Büro schweifen. Es war picobello aufgeräumt, und alles schien perfekt organisiert zu sein.

Offensichtlich war Becky Marston ein Mensch, der seinen Job und die damit verbundene Verantwortung sehr ernst nahm. Alle ihre Kollegen, die Leandro bisher kennengelernt hatte, hatten nur Gutes über sie berichtet.

Ihre Patienten stünden bei ihr stets an erster Stelle, und auch für die Betreuung der jungen, noch unerfahrenen Krankenschwestern nahm Becky sich immer genügend Zeit. Sogar unbeliebte Büroarbeiten wälzte sie nicht auf jüngere Kolleginnen ab, sondern erledigte sie gewissenhaft selbst.

Leandro wollte gerade klopfen, da drehte sie plötzlich den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Und in diesem Moment geschah etwas Ungewöhnliches: Leandro durchfuhr ein so seltsam starkes Gefühl, wie er es noch nie zuvor empfunden hatte. Ihm war, als würde ein heißer Strom durch seinen ganzen Körper laufen, und er fühlte sich so unwiderstehlich zu Becky hingezogen, dass er sie am liebsten auf der Stelle geküsst hätte. Sein Herz begann schneller zu schlagen.

Was hatte das zu bedeuten? War er etwa verliebt? Wenn ja, was sollte er dann tun? Da er nur sechs Monate in Manchester bleiben würde, hätte es keinen Sinn, mit Becky etwas anzufangen. Und selbst wenn sein Vertrag verlängert werden würde, hätte Leandro auch nicht vor, sich auf eine feste Beziehung mit ihr einzulassen. Dafür gab es in seinem Leben einfach keinen Platz.

Wie aber sollte er es schaffen, Becky aus dem Weg zu gehen? Sie würden sich täglich in der Klinik sehen, und er konnte sie ja schließlich nicht wie Luft behandeln. Davon abgesehen musste er fast ununterbrochen an sie denken. Die wundervolle Nacht mit ihr ging ihm einfach nicht mehr aus dem Sinn …

„Hi“, begrüßte er sie schnell, um sich von seinen erregenden Gefühlen abzulenken. „Bist du fertig?“

„Ich brauche nur noch zwei Minuten. Kannst du so lange warten?“

„Klar.“

Leandro brachte volles Verständnis dafür auf, dass Becky ihre Arbeit vorher zu Ende bringen wollte, denn er mochte es selbst nicht, wenn wichtige Dinge unerledigt blieben. Und das war in erster Linie auch der Grund, weshalb er nach England gekommen war: Eine wichtige persönliche Angelegenheit musste unbedingt geklärt werden.

Aber daran wollte er jetzt nicht denken, denn im Moment hatte er nur Becky im Kopf. Sie war die reizvollste Frau, die ihm je begegnet war, und er musste sich schwer beherrschen, um die Hände von ihr zu lassen.

Aber nicht nur ihre äußere Erscheinung hatte es ihm angetan, sondern ihm gefiel auch die Professionalität, die sie am Arbeitsplatz zeigte. Obwohl er an der Tür stand und auf sie wartete, arbeitete sie weiterhin konzentriert und ließ sich nicht ablenken. Nichts ließ darauf schließen, dass sie erst gestern eine leidenschaftliche Nacht zusammen verbracht hatten.

Leandro schaffte es endlich, den Blick von Becky zu lösen, und sah sich wieder in ihrem Büro um. Nirgendwo gab es Fotos oder andere persönliche Dinge, die auf Beckys Privatleben schließen ließen. Anscheinend gehörte sie zu den Menschen, die Dienst und Privates strikt voneinander trennten, und diese Einstellung kam Leandro sehr entgegen. Auch er hatte es sich zum Prinzip gemacht, niemals mit Kolleginnen zu flirten, und Becky Marston sollte da keine Ausnahme bilden.

„Fertig“, sagte sie schließlich und schaltete den Computer aus. „Wir können gehen.“

„Schön. Wo möchtest du denn essen?“

„Kommt drauf an, was du gern magst.“

„Diese Entscheidung überlasse ich dir.“ Er lächelte vielsagend. ...

Autor

Joanna Neil
Joanna Neil startete ihre Karriere als Autorin von Liebesromanen auf ganz unkonventionellem Wege. Alles begann damit, dass Joanna Neil einen Werbespot für Liebesromane sah und von diesem Zeitpunkt an wie verzaubert war.
Sie fing an, die Romane zu verschlingen, und war überwältigt. Je mehr sie las, umso mehr hatte sie...
Mehr erfahren
Jessica Matthews

Jessica Matthews wuchs auf einer Farm im Westen von Kansas, USA auf. Sie verbrachte ihre Zeit am liebsten mit Lesen. Ihrem Lehrer in der 8. Klasse erzählte sie, dass sie eines Tages Schriftstellerin werden wolle. Wissenschaftliche Lehrbücher und Forschungsunterlagen ersetzten die Liebesromane, Mysteries und Abenteuergeschichten, als sie Medizinisch-Technische Assistentin wurde....

Mehr erfahren