Cinderella und der reiche Rancher

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Wie Aschenputtel kommt sich Köchin Lily vor, als der attraktive Rancher Xander Crawford das Restaurant betritt. Viel lieber wäre sie eine bezaubernde Prinzessin, die Xanders Herz gewinnt! Eine gute Fee scheint sie zu erhören – und plötzlich beginnt in Montana ein Liebesmärchen …


  • Erscheinungstag 23.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536356
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Jeden Augenblick würde Lily Hunts allererstes Blind Date – einer der sechs coolen Crawford-Ranchersöhne – durch die Tür des Maverick Manor Hotels hereinkommen. Unruhig wanderte Lilys Blick zwischen Fenster und Tür hin und her, während sie in ihrem Klubsessel im Barbereich immer tiefer rutschte, sich wieder gerade hinsetzte, abwechselnd die Beine übereinanderschlug, ihre Hände knetete und sich bemühte, ein Lächeln aufrechtzuerhalten.

Irgendwie wurde sie die Vorstellung nicht los, ihr Date würde nach dem ersten Blick auf sie einen familiären Notfall oder eine schlimme Erkältung vorschützen und fluchtartig die Lobby wieder verlassen.

Die burschikose Köchin von dreiundzwanzig Jahren, die nebenbei ein Fernstudium in Betriebswirtschaft absolvierte, trug meist praktische Kapuzenpullis und war nicht unbedingt der Typ, auf den Männer flogen. Ganz im Gegensatz zu ihrer hinreißenden und unfairerweise auch noch total netten Freundin Sarah, Single Mom eines zuckersüßen Babys, die sich in einen der Crawford-Brüder verguckt hatte, die erst vor Kurzem nach Rust Creek Falls gezogen waren. Vor einem Monat hatten Sarah und Logan geheiratet und zogen nun glücklich ihr Töchterchen Sophia gemeinsam groß.

Heute würde Lily sich mit Knox Crawford treffen: groß, dunkelhaarig und ein Traumtyp wie alle seine Brüder, denen Lily kürzlich anlässlich eines Dinners im Maverick Manor begegnet war und Sarah sie mit ihnen bekannt gemacht hatte. Einer von ihnen war so umwerfend, dass Lily kein Wort herausbekommen hatte, weshalb er sie auch komplett ignoriert hatte.

Glaub an dich!, sprach sie sich jetzt Mut zu. Das hatte ihr auch Sarah bei ihrem Anruf vorhin eingeschärft, bei dem sie Lily viel Glück gewünscht und darauf bestanden hatte, anschließend haarklein Bericht erstattet zu bekommen.

Auch die Hochzeitsplanerin Vivienne Dalton, die das Blind Date eingefädelt hatte, hatte extra noch mal angerufen, um sicherzugehen, dass Lily nicht kneifen würde; immerhin hatte sie Lily zu dem Date erst überreden müssen. Sei immer du selbst!, hatte Viv ihr mit auf den Weg gegeben. Als erfolgreiche Geschäftsfrau, verheiratet mit Cole Dalton, und somit wandelndes Vorbild dafür, was frau alles schaffen kann, musste sie es ja schließlich wissen.

Bisher war Lily mit „Sei immer du selbst!“ allerdings nicht wirklich weit gekommen. Zwar hatte sie einen Teilzeitjob als Köchin im Maverick Manor, dem schicksten Hotel der Stadt, und die Gäste waren ganz begeistert von ihren kulinarischen Künsten, was Lilys Selbstvertrauen mehr gestärkt hatte als ein bewundernder Blick irgendeines Typen; aber heute ging es um ihr Liebesleben, das sich bisher auf zwei kurze Intermezzi beschränkte.

Lily schaute zur Tür. Punkt sieben Uhr. Uncoolerweise war sie sogar fünf Minuten zu früh hier gewesen, nachdem sie im Angestellten-Umkleideraum ihre Arbeitskleidung gegen ihr einziges gutes Kleid getauscht, in ihre einzigen Schuhe mit Absatz geschlüpft war und ihre einzigen Ohrringe – ein Paar Hänger – angelegt hatte. Make-up trug sie normalerweise nie, doch Sarah hatte für heute darauf bestanden. Also hatte sie Mascara auf ihre Wimpern gebürstet, rosa Lipgloss aufgetragen und den tief sitzenden Pferdeschwanz, den sie sonst immer trug, gelöst, sodass ihr langes rotes Haar offen über ihre Schultern fiel.

Fünf nach sieben. War Knox Crawford das Date keine Pünktlichkeit wert?

Sie trank einen Schluck von ihrem Weißwein. Sieben Uhr neun.

Sieben Uhr zwölf. Hm …

Auch wenn Lily nicht mit einem stabilen Selbstwertgefühl gesegnet war, nahm sie respektloses Verhalten nicht einfach hin. Und fast eine Viertelstunde Verspätung war respektlos!

Sieben Uhr achtzehn. Ihr Magen zog sich zusammen, ihr Herz sank noch tiefer. Offensichtlich werde ich versetzt, dachte sie beschämt.

Sie könnte jetzt bequem auf ihrer Couch abhängen mit Dobby und Harry, ihren beiden süßen Dackeln, und den Rest Schinkennudeln und Knoblauchbrot verdrücken. Stattdessen saß sie hier, kurz davor, in Tränen auszubrechen.

Dann gehe ich halt heim, gucke mir einen Film an, tüftele an einem Rezept und spiele ein bisschen mit den Hunden, sagte sie sich tapfer.

Ihre Selbstaufmunterung begann gerade zu wirken, als ihr Handy klingelte. Die Nummer im Display kannte sie nicht, aber das war bestimmt ihr Date – oder besser: ihr Nicht-Date.

„Hallo?“

„Lily, hier ist Knox Crawford. Tut mir so leid, aber ich kann nicht kommen.“ Dann eine Geräuschkulisse, als decke er das Handy mit der Hand ab und tuschele mit jemand anderem.

Schon klar …

„Hör zu, mir ist was dazwischengekommen“, fuhr er fort.

Ach nein, wirklich?

„Tut mir echt leid, aber ich schaffe es nicht. Ich …“ Noch mehr Hintergrundgetuschel. Vielleicht war ja Selena Gomez oder Charlize Theron bei ihm?

„Hallo?“, erklang jetzt eine andere männliche Stimme. „Lily? Hier ist Xander Crawford. Mein Bruder kann heute Abend nicht, aber ich habe zufällig Zeit und springe für ihn ein. Bin in fünf Minuten da!“

Äh – was??

„Nein, schon gut!“, antwortete sie und hoffte, ihre Stimme käme nicht so belegt rüber, wie sie in Lilys eigenen Ohren klang. Ich bin doch kein Sozialfall!

„Nicht nötig! Tschüss!“, rief sie, drückte das Gespräch weg und stopfte ihr Handy in ihre alberne kleine Handtasche (sie hasste Handtaschen!). Dann stand sie abrupt auf, nahm noch einen kräftigen Schluck aus ihrem Weinglas und stolzierte in die Küche zurück. Wie kann man nur gleichzeitig so wütend und so traurig sein?

Xander Crawford. Echt jetzt! Den hatte sie schon in natura gesehen: viel zu gut aussehend, zu sexy, und dann auch noch sein Texas-Akzent … Kein Wort würde sie bei dem rausbringen, schon gar nicht in dieser Situation! Was machte das denn aus ihr, dass man sich aus Mitleid mit ihr treffen musste? Nein, danke!

Glücklicherweise waren ihre Kollegen und ihre Freundin Annabeth, die im Service arbeitete, so im Stress, dass niemand bemerkte, wie Lily in die Umkleide zurückschlich. Als sie ihren Spind öffnete, rückten ein Foto ihrer Hunde, eines ihrer schönen Mama und eine Restaurantkritik der Rust Creek Falls Gazette, die sich vor Lob über Lilys Filet Mignon mit Pilz-Pfeffer-Sauce mit gerösteten Rosmarinkartoffeln und in Knoblauchbutter sautiertem Spargel förmlich überschlug, ihr Selbstbild wieder gerade. Ich bin Lily Hunt! Bestimmt dazu, köstlichste Gerichte zu kreieren, und mit klaren Vorstellungen, mal ein eigenes kleines Restaurant oder ein Catering-Unternehmen zu führen. Und ganz bestimmt keine Frau, die versucht, etwas zu sein, was sie nicht ist: eine Frau, die tolle reiche Rancher datet, denen die ganze Stadt nachlief!

Fünf Crawford-Brüder waren noch zu haben, und Viv zufolge wollte deren Vater, dass sie heirateten und sesshaft wurden. Deshalb hatte er die Hochzeitplanerinnen auf sie angesetzt. Alle Junggesellinnen der Stadt waren aufgerufen – weshalb also nicht auch Lily, der Wildfang? Im Grunde hatte Lily sich von Vivs Anfrage geschmeichelt gefühlt.

Und jetzt lief hier so ein Ersatz-Crawford auf, vermutlich zur Rettung der Familienehre, weil sie noch neu waren in der Stadt und ihren Ruf nicht riskieren wollten. Von wegen!

„Tja, Mama“, sagte Lily zu dem Foto von Naomi Hunt, ihrer aparten Mutter, deren rotes Haar sie geerbt hatte, „hat nicht geklappt. Vielleicht nächstes Mal.“ Doch so bald würde sie sich nicht auf ein zweites Date einlassen.

Sie schlüpfte wieder in ihre Jeans und Sneakers, zog mit einem erleichterten Seufzer ihr T-Shirt an und schlang den Kapuzenpulli um ihre Taille. Dann wischte sie den Lippenstift ab, fasste ihr Haar im Nacken wieder zum Pferdeschwanz zusammen, schloss ihren Spind und trat durch die Schwingtür zurück in die Lobby.

Direkt vor die muskulöse Brust von Xander Crawford.

„Tut mir leid!“, entschuldigte sich Xander bei der jungen Rothaarigen, die er fast umgerannt hatte. „Ich suche Lily Hunt. Kennen Sie sie? Sie arbeitet hier als Köchin.“

Die Rothaarige starrte ihn an, und in ihren grünen Augen blitzte Ärger auf.

Ich bin Lily Hunt. Wir wurden einander letzten Monat hier im Restaurant vorgestellt. Ich war dort mit meiner Freundin Sarah, die mit deinem Bruder Logan verheiratet ist.“

Verdammt, wie peinlich! schoss es ihm durch den Kopf.

„Ich kann mir Gesichter schlecht merken. Seit wir hierher nach Montana gezogen sind, habe ich so viele neue Menschen kennengelernt, dass mir immer noch der Kopf schwirrt.“

Dass darunter unverhältnismäßig viele Frauen gewesen waren, erwähnte er lieber nicht. Hier schien es von lächelnden Frauen nur so zu wimmeln, die ihm ihre Visitenkarte in die Hand drückten mit Bemerkungen wie: „Wir können uns ja mal auf einen Drink treffen, mein Lieber!“

Zuerst hatte er gedacht, die Frauen in Montana seien immer und zu jedem Mann so freundlich. Bis er dahintergekommen war, dass sie es auf die Crawford-Brüder abgesehen hatten. Weil sein Vater Maximilian der hiesigen Hochzeitsplanerin Viv Dalton eine Million Dollar in Aussicht gestellt hatte, wenn sie alle seine Söhne unter die Haube brächte.

Eine. Million. Dollar.

Offensichtlich hatte Viv daraufhin alle Frauen in Rust Creek Falls und der näheren Umgebung angesprochen. Und Xander hatte nun eine ganze Schublade voller parfümierter Visitenkarten – und von all den vielen Telefonnummern keine einzige angerufen.

Trotzdem wunderte er sich, dass er sich an Lily nicht erinnerte. Ihr entschlossener Gesichtsausdruck ließ Zielstrebigkeit vermuten, was ihm gefiel. Und sie hatte Sommersprossen. Sommersprossen hatte er schon immer gemocht.

Ihm wurde bewusst, dass er lächelte – und sie jetzt auch.

„Wie ich schon am Telefon gesagt habe: Vergessen wir es einfach!“, wiegelte sie ihn ab.

„Was soll das heißen?“

„Dein Bruder hat kalte Füße bekommen wegen unseres Blind Dates und abgesagt. Du hast dich schlecht gefühlt deswegen und bist eingesprungen. Aber ich will nicht die Frau sein, für die man seinen Abend opfert, um das Richtige zu tun.“

„Ich versuche zwar immer, das Richtige zu tun“, versicherte er, „aber ein Dinner mit einer hübschen Frau ist bestimmt kein Opfer. Ich würde dich sehr gern zum Essen ausführen, wenn du einverstanden bist, Lily.“

Ärger und Argwohn in ihrem Gesichtsausdruck wichen Überraschung. Sie reckte ihr Kinn hoch. „Na ja, wenn du das so siehst …“ Das Lächeln, das sich jetzt auf ihrem Gesicht ausbreitete, ließ sie so strahlen, dass Xander sie gebannt anstarrte.

„Du wunderst dich wahrscheinlich, weshalb ich in Hoodie und Sneakers zu einem Date komme“, sagte sie. „Ich hatte gerade meine Arbeitsklamotten wieder angezogen. Aber wenn du einen Moment wartest, kann ich mein Kleid wieder anziehen.“

„Du scheinst dich in diesen Sachen sehr wohlzufühlen“, erklärte er. „Auch ich trage viel lieber Jeans und T-Shirt als Hemd und Krawatte. Als Rancher muss ich glücklicherweise nicht oft eine Krawatte tragen. Für mich darf es gern ungezwungen sein. Wäre dir das Ace in de Hole und oder das Wings to go recht?“

„Ich sterbe für Chickenwings!“

„Eine Frau ganz nach meinem Geschmack!“, bemerkte er.

Zum nahe gelegenen Wings to go gingen sie zu Fuß. Dass Lily unterwegs einen kleinen Hund streichelte und stehen blieb, um einen Vogel zu beobachten, fiel Xander angenehm auf.

Sie bestellten eine große Portion Chickenwings und vier Saucen. Xander bestand darauf, Lily einzuladen.

„Das ist sehr nett von dir“, bedankte sie sich.

„Ist mir ein Vergnügen! Heute ist so ein toller Abend, wollen wir nicht im Park essen? Wir haben noch eine gute Stunde Tageslicht.“

„Super Idee!“ Sie grinste. „Gut, dass meine Dackel nicht dabei sind! Dobby und Harry hätten die Chickenwings schon verputzt, bevor sie überhaupt ausgepackt wären.“

Lachend hielt Xander ihr die Tür auf. „Ich wollte auch schon immer einen Hund haben.“

Auf dem Weg zum Park erzählte Lily von einer Deutschen Dogge, die sich in Dobby verliebt, aber Harry gänzlich ignoriert hatte, woraufhin Harry eifersüchtig geworden war. Xander entgegnete darauf hin, dass die beiden Hamster, die er als Kind gehabt hatte, so aufeinander fixiert gewesen waren, dass sie ihn ignoriert hatten. Lily brach in schallendes Gelächter aus, und Xander gefiel ihre natürliche Art.

Zum Park, in dem etliche Menschen zu Fuß und per Fahrrad den schönen Abend genossen, war es nicht weit. Xander und Lily setzten sich an einem der Picknicktische einander gegenüber und packten ihre Chickenwings aus.

„Meine Brüder und ich essen sehr oft im Maverick Manor, wegen der fabelhaften Küche, zu der sicher auch du beiträgst“, bemerkte Xander.

Sie öffnete die Becher mit den Saucen. „Danke, das hoffe ich zumindest. Kochen ist meine Leidenschaft. Meine Chefin lässt mich viel ausprobieren, deshalb arbeite ich gern dort. Ein Lob für mein Essen ist für mich das Größte.“

„Wunderbar, dass du deine Arbeit mit Leidenschaft ausübst! Dieses Glück sollte jedem vergönnt sein.“

„Ist es auch dir vergönnt?“

Er tunkte einen Hähnchenflügel in die Barbecuesauce. „Oh ja! Ich bin durch und durch Cowboy. Ein Pferd, weite Landschaften, Viehherden, die Arbeit auf der Ranch – dafür bin ich geboren.“

Lilys grüne Augen strahlten. „Genauso geht es mir mit dem Kochen! In der Küche, mit einem Herd und meinen Zutaten, bin ich zu Hause.“

Er hob seinen Hähnchenflügel, und sie stieß mit ihrem daran, als würden sie mit ihren Gläsern anstoßen, und beide lachten.

Wer hätte gedacht, dass dieser Abend sich noch so nett entwickeln würde?!

Auch Xander hatte nicht damit gerechnet, nach dem Streit vorhin zwischen seinem Vater und Knox. Die Brüder waren nicht erbaut gewesen, dass ihr Vater sich in ihr Leben einmischte und sie verheiraten wollte. Nur um weitere Diskussionen zu vermeiden, hatte Knox dem Blind Date mit Lily zugestimmt, allerdings schon mit dem Hintergedanken, es später wieder abzusagen. Das hatte er dann jedoch vergessen, bis sein Vater fragte: „Solltest du dich nicht für deine Verabredung heute Abend fertig machen, Knox?“

Knox’ Gesichtsausdruck war unbezahlbar gewesen.

Als sein Vater dann sagte: „Nun stell dich nicht so an! Ein Abendessen, ein Glas Wein, vielleicht ein Kuss, wenn ihr euch mögt …“, und dazu noch sein typisches Grinsen aufgesetzt hatte, war Knox explodiert.

„Ich hatte vorgehabt, höflich abzusagen! Aber durch die viele Arbeit am Außengatter in den letzten Tagen habe ich vergessen, Viv anzurufen.“

„Dann wirst du wohl hingehen müssen!“

Knox hatte mit dem Kopf geschüttelt. „Jede Single-Lady in der Stadt ist auf uns angesetzt. Wer würde auch nicht in eine Familie mit einem millionenschweren Patriarchen einheiraten wollen? Nein, danke! Ich möchte meine Verabredung nicht in Verlegenheit bringen, aber ich bin keine Marionette! Ich sage ab, selbst wenn es jetzt sehr kurzfristig ist! Damit muss sie dann eben klarkommen.“

Doch wie mag sich eine Absage, wenn die Verabredung eigentlich schon überfällig ist, für diese Frau anfühlen?, hatte Xander sich gefragt. Sie konnte schließlich nicht wissen, dass Knox die Verabredung aufgezwungen worden war. Xander hatte sich schon immer dafür interessiert, was die Menschen so bewegte. Das war ihm heute gern ein, zwei Stündchen Zeit wert. Deshalb war er eingesprungen.

„Die besten Chickenwings, die ich je hatte“, stellte Lily kauend fest.

„Diese Sauce habe ich noch gar nicht probiert“, fiel ihm auf. Er tunkte einen Flügel in den Becher und biss ab. „Diese Wings können mit den besten in Dallas glatt mithalten.“

„Was für ein Kompliment! Vermisst du Texas?“

„Ich bin jetzt hier zu Hause“, stellte er wenig schroff fest. „Wir haben die Ambling-A-Ranch gekauft und bringen sie wieder in Ordnung. War schon eine Menge Arbeit, aber so langsam wird es.“

„Also sind du und deine fünf Brüder fest hierher übersiedelt?“

„Mit unserem Dad. Die sieben Crawford-Männer. So leben wir schon ziemlich lange zusammen.“

Sie schaute in seine Augen. „Mein Vater ist auch verwitwet. Ich war acht, als meine Mutter starb. Lieber Gott, ich vermisse sie.“

Himmel, wenn ich nun falsche Schlüsse gezogen habe über seine Mutter?, schoss es ihr gleich anschließend durch den Kopf.

„Tut mir leid, das mit deiner Mom“, sagte er.

„Mir das mit deiner auch“, gab sie zurück. Nun musste er Farbe bekennen.

„Das muss es nicht. Sie ist nicht gestorben, nur weggegangen. Sie hat meinen Vater und sechs kleine Jungs verlassen, als mein jüngster Bruder, Wilder, noch ein Baby war. Ich begreife es noch immer nicht. Sechs kleine Söhne, und dann geht man einfach weg.“

Er schüttelte den Kopf und schnappte sich noch einen Chickenwing. Themenwechsel, Xander!

„Und was haben wir noch so gemeinsam?“, fragte er und tunkte den Flügel in eine andere Sauce. „Hast du auch fünf Brüder?“

Sie lächelte. „Drei, alle älter als ich. Da kannst du dir wahrscheinlich vorstellen, wie die mit mir umgehen. Wir leben alle noch in meinem Elternhaus, wir vier Kinder und mein Dad.“

„Da bist du sicher die Prinzessin, oder?“

„Von wegen! Meine Brüder behandeln mich wie ihresgleichen! Die denken, ich sei ihr jüngster Bruder!“

Er lachte.

„Allerdings wissen sie zu schätzen, dass ich für sie koche. Und das muss ich, denn in der Hinsicht sind sie hoffnungslose Fälle. Mein Bruder Ryan hat mich schon mal gefragt, wie lange die Tomaten kochen müssen, die er in einer ungeöffneten Dose in einem Topf erhitzen wollte.“

„Krass!“

„Aber es hat auch sein Gutes: Ich sammele viele Erfahrungen für den Tag, an dem ich mich selbstständig mache mit einem Restaurant oder einem Catering-Unternehmen. Nebenbei studiere ich Betriebswirtschaft an der Fernuni. Ich will alles wissen, was für das Führen eines Geschäfts notwendig ist.“

„Sehr beeindruckend!“, fand er. Sie sah jung aus, sehr jung. Zu jung für ihn. „Wie alt bist du, zweiundzwanzig?“

„Dreiundzwanzig.“

„Da habe ich dir sieben Jahre voraus. Und ich sage dir: Lebe deinen Traum! Das ist meine Maxime.“

Ihre grünen Augen leuchteten. „Meine auch.“

Die nächsten zwanzig Minuten führte ihre Unterhaltung sie von Vergleichen zwischen Texas und Montana über den besten Kaffee in Rust Creek Falls und die Vor- und Nachteile, viele Geschwister zu haben, bis zu ihren Lieblingsgerichten.

Die Chickenwings waren längst verputzt, doch Xander hätte sich stundenlang weiter mit Lily unterhalten mögen. Sie lachten miteinander, beobachteten die Hunde im Park, und Lily gab Anekdoten von Dobby und Harry zum Besten. Als die sinkende Sonne Lilys rotes Haar in ein Leuchtfeuer verwandelte, lehnte Xander sich über den Tisch, um nach ihren Händen zu greifen und sie zu drücken. Es fühlte sich an, als hätte er heute Abend eine echte Freundin gefunden.

In dem Moment beugte sich auch Lily vor.

Ihr Gesicht kam seinem ganz nah.

Xander zuckte zurück.

Hatte sie gedacht, er würde sie küssen?

Er räusperte sich und schaute auf seine Uhr. „Schon fast neun? Wie die Zeit vergangen ist!“, sagte er und versuchte, möglichst unbefangen zu lächeln, was ihn einige Anstrengung kostete.

Er mochte Lily. Sehr sogar. Aber mochte er sie auf diese Weise? Wohl kaum. Verglichen mit seinen dreißig Jahren war sie mit ihren dreiundzwanzig fast noch ein Kind. Außerdem trugen seine Dates für gewöhnlich eng anliegende Kleider, High Heels, lange rote Fingernägel und eine Parfümwolke und waren mit ansehnlichen Kurven ausgestattet. Lily war – nun ja – süß, entsprach aber nicht seinem Beuteschema. Ihre Schlabberjeans und der um ihre Taille geschlungene Hoodie ließen ihre Figur nicht mal erahnen.

Flugs hatte Lily sich wieder hinter dem bemühten Lächeln verschanzt, das sie bei Xanders Auftauchen aufgesetzt hatte. „Ach herrje!“, rief sie und sprang auf. „Dobby und Harry werden sich schon fragen, wo ich bleibe!“

Xander packte die Essensboxen wieder in die Tüte und fühlte sich scheußlich. Beuge dich niemals rüber zu einer Frau, wenn du sie nicht küssen willst!, nahm er sich fest vor.

„Ich wohne ganz hier in der Nähe, also jogge ich einfach nach Hause“, sagte Lily rasch und lächelte noch verkrampfter. „Hab ja auch die passenden Klamotten dafür an. Danke für das Dinner!“, rief sie noch – und weg war sie.

„Ich fahre dich nach Hause!“, wollte er ihr noch nachrufen, doch sie war zu schnell, bereits an der Ecke. Er hoffte, sie möge sich umdrehen, sodass er ihre Sommersprossen und ihre leuchtenden Augen noch mal sehen konnte. Doch das tat sie nicht.

Er musste sie wiedersehen. Bald.

2. KAPITEL

Während der Heimfahrt war Xander hin- und hergerissen. Erst als die Ambling-A-Ranch in Sicht kam, entspannte er sich wieder. Sollte er sie anrufen und fragen, ob sie gut nach Hause gekommen war? Doch wo sie sich schon vorgebeugt hatte in der Erwartung eines Kusses, durfte er ihr keine falschen Hoffnungen machen!

Als er seinen Pick-up geparkt hatte und zum Haupthaus ging, breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er liebte dieses Haus, dieses Land, selbst die harte Arbeit, mit der die Familie die Ranch nach ihren Vorstellungen gestaltete.

In der kurzen Zeit seit der Übernahme der Ranch hatten sie erstaunlich viel geschafft: Kilometer von Zäunen waren repariert, Außengebäude instand gesetzt, Scheunen entrümpelt, die überbordende Randvegetation der Wassergräben abgebrannt, damit das Wasser wieder frei fließen konnte, und die Renovierung des Haupthauses fortgesetzt, wenn dafür noch Zeit und Energie war. Doch es lag noch eine Menge Arbeit vor ihnen.

Hunter, der Zweitälteste, wohnte mit seiner sechsjährigen Tochter Wren, bei deren Geburt seine Frau gestorben war, in einem separaten Häuschen auf dem Gelände. Logan, der Älteste, war kürzlich mit seiner Frau Sarah und dem Baby in die Stadt gezogen, arbeitete aber nach wie vor auf der Ranch. Knox, Finn und Wilder, der Jüngste, lebten wie Xander mit ihrem Vater Max im weitläufigen Haupthaus.

Xander betrat den großzügigen Eingangsbereich, aus dem eine imposante Treppe zur Galerie im zweiten Stock führte. Dort oben standen sein Dad, Logan, Finn und Wilder mit Bauplänen; offenbar hatte Max einen weiteren Umbau vor. Als sie die Haustür ins Schloss fallen hörten, kamen sie herunter.

„Also wenn das nicht der Ritter in der strahlenden Rüstung ist!“, feixte Wilder.

Xander zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. „Lily ist ganz sicher kein Burgfräulein, das gerettet werden muss. Sie weiß genau, was sie will, und kann sehr gut selbst auf sich aufpassen.“

Logan grinste. „Klingt nach einem erfolgreichen Date. Pech für Knox!“

„Hat es gefunkt?“, bohrte Finn nach. „Wann trefft ihr euch wieder?“

„Rede keinen Unsinn!“, wiegelte Xander ab. „Sie ist sehr nett, aber gerade mal dreiundzwanzig.“

„Aha, ‚nett‘ – also uninteressant“, klugscheißerte Wilder.

Als ob man eine hübsche, kluge, zielstrebige Frau als „nett“ abqualifizieren könnte!, dachte Xander verstimmt, als ihm auffiel, dass er ja selbst dieses Attribut gewählt hatte. Allerdings nicht im Sinne von „uninteressant“ wie Wilder.

Die Brüder wandten sich wieder ihren Bauplänen zu. Das Thema Lily schien durch.

Aber du hast sie doch selbst vom ersten Moment an in die Nur-Freundschaft-Ecke gestellt!, musste Xander sich eingestehen.

Sein Vater kam mit einem Bier aus der Küche. „Ah, Xander, da bist du ja! Habt ihr schon ein zweites Date ausgemacht?“

„Ich bin nicht sicher, ob wir überhaupt Gemeinsamkeiten haben, Dad. Vielleicht fanden wir einander auch einfach nicht anziehend.“

„Trotzdem habe ich da so ein Gefühl“, orakelte Max und prostete seinem Sohn zu.

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