Das, was ich will, bist du

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"Ich will, dass du mir öffentlich deine Liebe erklärst." Der sizilianische Milliardär Stefan Bianco kann nicht fassen, was die schöne Clio von ihm verlangt. Zwar hat sie lediglich eine Scheinehe im Sinn. Aber in seinem Playboyleben ist dauerhaft kein Platz für eine Frau! Allerdings kann er einzig und allein mit Clios Hilfe einen skrupellosen Immobilienhai des Betrugs überführen. Und so lässt er sich auf ihr Spiel ein. Natürlich bloß, bis er sein Ziel erreicht hat! Doch dann steigt nicht nur sein sinnliches Verlangen immer mehr, er spürt auch längst verloren geglaubte Gefühle …


  • Erscheinungstag 24.05.2016
  • Bandnummer 2232
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706746
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie fühlte sich, als könnte sie jederzeit zerspringen.

Die Finger verkrampft in ihre Stola gekrallt, sah Clio Norwood sich nach ihrem Verlobten um. Nach Jackson.

Ashley, seine Sekretärin, die in das Gespräch mit einer potenziellen neuen Klientin geplatzt war, die Jackson so unbedingt für sich gewinnen wollte, war ebenfalls nirgendwo zu entdecken. Clios Magen zog sich zusammen.

Die kleine elitäre Party der Ultrareichen hoch oben auf dem Empire State Building war in vollem Gang. Manhattan mit seinen strahlenden Lichtern lag ihnen zu Füßen. Normalerweise ließ die Stadt, die niemals schlief, Clio sich immer lebendig fühlen. Ihre Wahlheimat der letzten zehn Jahre hatte sie durchhalten lassen, auch wenn es nach ihrem Abschluss an der Columbia University rau geworden war, hatte ihr geholfen, Fehlschläge und enttäuschte naive Hoffnungen zu verarbeiten.

Doch heute Abend gelang es nicht einmal New York, das wachsende Gefühl von Bedrohung zu vertreiben.

Gestern Abend war Jackson nach drei Wochen in Übersee zurückgekehrt, mit einer „Stinkwut“, wie er es nannte, weil er bei einem großen Immobiliendeal den Kürzeren gezogen hatte.

Und heute hatten sie den ganzen Tag kaum ein Wort miteinander gewechselt. Als sie dann am Abend nach der Arbeit in der eleganten Wohnung zurück waren, in der sie seit einem Jahr zusammen lebten, hatte Jackson Clio nur knapp angewiesen, sich für die Party fertig zu machen.

Angewiesen, nicht gebeten. Ein Verhaltensmuster seinerseits, das immer mehr überhandnahm. Da Clio jedoch wusste, unter welchem Stress er stand, und seinen Ehrgeiz, ganz nach oben zu kommen, kannte, hatte sie kommentarlos nachgegeben.

Selbst wenn ihr die Erkältung, mit der sie die ganze letzte Woche zu kämpfen gehabt hatte, noch immer in den Knochen steckte.

Heute Abend brauchte Jackson nämlich ihre Hilfe, um Mrs. Alcott, eine alte Freundin der Norwood-Familie, davon zu überzeugen, ihn zu ihrem persönlichen Anlageberater zu ernennen. Mrs. Alcott mit ihren diversen Besitztümern in Großbritannien und dem großen Familienunternehmen wäre eine weitere Feder, die Jackson sich an seinen Hut stecken könnte. Leider waren sie kaum dazu gekommen, Jane Alcott richtig zu begrüßen, weil Ashley schon im nächsten Moment Jackson mit einem hektischen Glitzern im Blick weggezogen hatte.

Da Clio keine Szene machen wollte, hatte sie die Zähne zusammengebissen und gelächelt, hatte die neugierigen Blicke und das Getuschel stoisch ignoriert.

Janes mitfühlende Frage, ob auch alles in Ordnung sei, wäre fast zu viel gewesen. Clio wusste, dass Ashley nur die Spitze des Eisbergs kennzeichnete, was zwischen Jackson und Clio vor sich ging. Wie konnte Ashley es wagen, Jackson mit diesem für jeden sichtbaren Besitzanspruch vor aller Augen wegzuzerren?

Clio reckte die Schultern. Sie hasste Szenen, hasste die mitleidigen Blicke, die seit Monaten schon in ihre Richtung geworfen wurden, aber bisher hatte sie alles stillschweigend ertragen. Heute jedoch … heute reichte es ihr.

Sie verharrte jäh, als eine große, beeindruckende Gestalt in ihr Sichtfeld trat.

Sie blinzelte. Diese grünen Augen … sie wirkten sofort auf sie, genau wie der volle Mund, um den jetzt jedoch ein harter Zug lag.

Stefan Bianco.

Ihr erster Impuls war es, sich zu den Aufzügen zu stehlen und die Party zu verlassen, und zwar, bevor er sie erblickte. Selbst ihre Eltern mit ihrem missbilligenden Schweigen wären ihr lieber gewesen als der Mann, der vor so langer Zeit zu ihren besten Freunden gehört hatte.

Stefan, Christian, Rocco und Zayed, das waren die „Columbia Four“, die vier jungen Männer, mit denen Clio zusammen an der Columbia in New York studiert hatte. Die vier, die zu superreichen, megaerfolgeichen und denkbar begehrten Junggesellen geworden waren. Für diese vier war die Welt zu einer Art persönlicher Spielwiese geworden und die schönsten Frauen rund um den Globus zu ihren Begleiterinnen.

Damals hatte Clio die vier jeden Tag gesehen, hatte Ängste, Träume und Hoffnungen mit ihnen geteilt. Die Tatsache, dass sie jetzt vor einem Menschen, den sie wirklich kannte, weglaufen wollte, hinterließ einen bitteren Geschmack in ihrem Mund.

War sie denn wirklich ein solcher Fehlschlag? War es Stefan, vor dem sie weglief … oder rannte sie vor der Person weg, zu der sie geworden war?

Stefan sah auf die glitzernde Skyline, und sein Blick wurde hart. Erinnerungen stiegen auf, Erinnerungen an die Zeit vor zehn Jahren, als er hier in New York an der Columbia zusammen mit seinen drei Freunden studiert hatte. Wie naiv er damals doch gewesen war! Diese Bilder waren wie ein Schreckgespenst, das ihm die Luft zum Atmen raubte.

Doch als Kopf eines Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmens, das mit Luxusimmobilien handelte, ließ New York sich nicht gänzlich vermeiden, auch wenn er seine Besuche in Big Apple, wie die Stadt liebevoll genannt wurde, so weit wie nur möglich beschränkte. Heute jedoch gab es einen guten Grund, weshalb er hier auf dieser Party erschienen war.

Es wurde Zeit, dass er eine Möglichkeit fand, um Jackson Smith endlich das Handwerk zu legen.

Das bleiche Gesicht seines Assistenten, wie er nach dem Selbstmordversuch dort in dem Krankenhausbett lag, würde Stefan nie vergessen. Auch nicht das Gesichtchen von Marcos fünfjähriger Tochter, der die Tränen über die Pausbacken kullerten, während sie immer wieder fragte, was denn mit ihrem Papa sei …

Auch heute brannte die Hilflosigkeit ihm wie Feuer im Magen.

Jackson hatte Marco um sämtliche Ersparnisse betrogen und ihn in den Bankrott getrieben, und sein Assistent hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen. In Marcos Augen hatte Stefan all das wiedererkannt, was er selbst vor Jahren gefühlt hatte – die Selbstzweifel, das Gefühl, ein Versager zu sein, der jeden enttäuscht und im Stich gelassen hatte.

Hätte er doch schon damals einen Weg gefunden, Jackson aufzuhalten, als der ihn auf die gleiche Weise betrogen hatte. Es war die schlimmste Zeit seines Lebens gewesen. Serenas Betrug, die Frau, die ihm ewige Liebe geschworen hatte. Das Schuldgefühl, das ihn dazu gebracht hatte, nicht zu seinen Eltern nach Sizilien zurückzukehren. Wie er sich in die Arbeit gestürzt hatte, um den Deal zu sichern … Hätte er seine Freunde nicht gehabt, wäre es mit ihm wahrscheinlich ebenso geendet wie mit Marco.

Dieses Mal musste Jackson aufgehalten werden, koste es, was es wolle.

Als hätte er mit seinen Gedanken den Teufel heraufbeschworen, hörte er das laute Lachen des Amerikaners keine fünf Meter von sich entfernt aus der Gruppe heraus, mit der Jackson zusammenstand.

Eine kleine Blondine in Jeans und einem eng anliegenden Top zog Jackson zur Seite, unterbrach damit rücksichtslos die Unterhaltung. Jacksons Gesichtszüge waren angespannt, als er sich zu der anderen Frau in der Gruppe beugte, einem großen schlanken Rotschopf, und ihr etwas zuflüsterte.

Vermutlich eine Entschuldigung. Nur schien das nicht zu funktionieren. Der Rotschopf zuckte zusammen und wandte das Gesicht ab. Fasziniert verfolgte Stefan mit, wie die Schultern der Frau sich versteiften.

Alles an ihr schien auf einen Schlag angespannt. Während Jackson sich wegschleifen ließ, blieb die große Frau so stocksteif und reglos stehen, dass Stefan sicher war, der leiseste Windstoß würde sie umwerfen.

Zwar konnte er sie nur im Profil sehen, aber das rote Haar war ebenso unverkennbar wie die schmale Stupsnase und das sture Kinn. Er wusste, ihr Gesicht war ein perfektes Oval, und ihre grünen Augen glitzerten wie Smaragde. Auch wusste er, dass einer ihrer Mundwinkel sich leicht höher zog als der andere, wenn sie lächelte.

Clio Norwood. Die eine Frau, die er nie hatte zähmen können.

Alles in ihm ging in Alarmstellung, als hätte er einen Stromstoß erhalten. Was, zum Teufel, hatte Clio Norwood mit Jackson Smith zu tun?

Da hatte eindeutig Intimität in der Geste gelegen, wie er sich zu ihr gelehnt und ihr ins Ohr geflüstert hatte, wie er ihr über den bloßen Arm gestrichen hatte. Jetzt fielen Stefan die spekulativen Blicke auf, die man ihr zuwarf, beobachtete, wie die ältere Dame, mit der sie zusammenstand, sie mit einem mitfühlenden Lächeln etwas fragte, sah, wie Clio sich in sich selbst zurückzog.

Und da er Jackson und dessen verschlagene und intrigante Vorgehensweise kannte, stürzten alle möglichen Gedanken auf ihn ein.

Zu allem, was irgendwie mit Jackson zu tun hatte, würde Stefan meilenweit Distanz halten. Trotzdem bewegte er sich auf Clio zu, sog jedes Detail von ihr in sich auf. Ihren langen schlanken Hals, ihr Gesicht, ihr Haar …

Er konnte den eigenen Puls in den Ohren hören, seine Atmung beschleunigte sich. Clio war faszinierend schön, war sie immer gewesen. Wenn auch jetzt ein wenig überschlank.

Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Universitätszeit vor zehn Jahren, zurück zu der Zeit mit Rocco, Zayed und Christian, die mehr als nur Freunde waren, vielmehr wie Brüder. An die glorreiche Zeit mit den ersten Lebenserfahrungen und der Erkenntnis, dass sie alle eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Frauen ausübten. Und er dachte an Clio Norwood, die Frau, die ihn und seine Freunde genauso gut kannte, wie sie einander kannten.

Jeder Zoll die gebürtige Aristokratin, die sie nicht länger sein wollte, und vertraut mit Playboys, so wie die Columbia Four es waren, hatte sie sich immer köstlich über die Eskapaden und die neuesten Eroberungen der vier amüsiert. Mit einer lässigen Handbewegung hatte sie Stefans damalige Annäherungsversuche abgetan, genau wie sie auf den Reichtum und die Privilegien, in die sie hineingeboren worden war, verzichtet hatte.

Von allen männlichen Wesen auf diesem Planeten – Jackson Smith war der Letzte, mit dem Stefan sich Clio hätte vorstellen können. Da er nicht vorhatte, eine Konfrontation mit Jackson zu provozieren, vor allem nicht, wenn seine Geduld so oder so nur an einem seidenen Faden hing, wartete er schlicht. Minuten vergingen, dann verabschiedete Clio sich mit einem würdevollen kleinen Nicken von der Gruppe, und Stefan, das untypisch harte Klopfen seines Herzens ignorierend, ging zu ihr und fasste sie bei Arm.

Ciao, Clio.“

Während er sie zu sich herumdrehte, fühlte er das Beben, das sie durchlief, an seinen Fingern, hörte, wie sie nach Luft schnappte und sich wappnete, bevor sie sich umdrehte. Angst tanzte in ihren grünen Augen, sie wirkte gehetzt wie ein wildes Tier. Doch dann blinzelte sie, und als sie ihn endlich anschaute, flackerte Wärme in diesen unergründlichen grünen Tiefen auf.

„Stefan … so eine Überraschung. Ich wusste gar nicht, dass du in New York bist.“

Ihr Akzent stellte seltsame Dinge mit ihm an, hatte es immer getan, aber ihr Ton blieb reserviert, gekünstelt. Und es wühlte ihn auf.

Zugegeben, viel Zeit war vergangen, seit sie sich zuletzt gesehen hatten, aber immerhin hatte Clio vier Jahre als fester Bestandteil zu seinem Leben gehört. Sie gehörte zu den Menschen, an die er sich ohne eine Spur von Verbitterung erinnerte.

Einen Arm auf das Geländer gestützt, kesselte er sie ein. „Wärst du in Kontakt geblieben, hättest du es gewusst, nicht wahr, bella?“

Die Anspannung in ihren Schultern verstärkte sich noch. „Du lässt dich ja kaum noch in der Stadt blicken, während ich hier zu Hause bin.“

„Stimmt. Aber für dich ist es ja nicht einmal wichtig genug, zu Roccos Hochzeit zu kommen. Lässt dir dein … neues Leben so wenig Zeit für alte Freunde?“

Sie zuckte nicht zusammen, so wie sie es bei Jackson getan hatte, aber er merkte, wie sie sich zurückzog. Und da flackerte auch wieder die Angst in ihrem Blick.

Dio, was hatte sie mit Jackson zu tun?

„Ich war die ganze Zeit hier, Stefan.“ Die Andeutung der früheren lebens- und abenteuerlustigen Clio, die so große Pläne für ein ganz anderes Leben gehabt hatte, leuchtete in ihren Augen auf. „Ich bin nicht diejenige, die jede Erinnerung an unser Leben hier in New York ausradieren will.“

„Vielleicht liegt es daran, dass es hier in New York nichts Lohnenswertes mehr für mich gibt. Es ist ja nicht so, als würden Rocco, Christian oder Zayed noch hier wohnen.“

Sie erwiderte nichts, starrte ihn nur mit diesen riesigen grünen Augen an, die Lippen zusammengepresst. Wieso verwies sie ihn nicht mit einer schnellen scharfen Bemerkung auf seinen Platz, so wie sie es früher auf jeden Fall getan hätte?

Und woher stammte sein Bedürfnis, unbedingt eine Breitseite auf sie abfeuern zu müssen? Etwa, weil sie eine Beziehung – welcher Art auch immer – mit Jackson Smith hatte, während sie seine früheren Avancen immer abgeschmettert hatte?

Sein Ego brauchte keine Bestätigung von ihr. Es gab genügend Frauen, die sich um ihn rissen, und er hatte das stets ausgenutzt. Er hatte eine gesunde Libido und Spaß an Sex, und wenn er bekommen hatte, was er wollte, ging er wieder. Für Frauen war in seinem Leben kein Platz, nur in seinem Bett.

Und doch … keine zwei Minuten mit Clio, und er wollte wissen, was sie dachte, wie sie lebte.

Ihre Brust hob und senkte sich mit jedem schweren Atemzug, dann jedoch fiel die Maske an ihren Platz, die jede Gefühlsregung verbarg. Jahre von Erziehung und erlernten Manieren kamen zum Vorschein.

Genau die Dinge, die sie so unbedingt hatte abschütteln wollen.

„Es war schön, dich wiederzusehen, Stefan, aber jetzt musst du mich entschuldigen. Ich habe noch vieles zu erledigen.“

Beim Arm hielt er sie zurück. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Warum warst du nicht bei Roccos Hochzeit?“

Die grünen Augen standen riesengroß in ihrem blassen Gesicht. „Ich musste arbeiten. Nicht alle von uns haben ihre Träume so großartig verwirklicht wie du mit deiner internationalen Immobilienfirma.“

„Ich hatte ebenso wenig wie du, als ich anfing, Clio. Ich habe keinen Penny von meinen Eltern angenommen, nachdem sie mich enterbt hatten.“

„Christian hat mir davon erzählt. Nachdem Serena …“ Sie musste das Aufblitzen in seinem Blick gesehen haben, denn sie unterbrach sich, setzte erneut an. „Nach allem, was im letzten Semester passiert ist, hast du nie wieder zurückgeblickt. Wirf mir also nicht vor, dass ich keinen Kontakt gehalten hätte. Christian hat mich auf dem Laufenden gehalten, wie es mit euch allen weiterging, und dann war das auch nicht mehr nötig, nachdem die Medien sich ständig wegen eures sagenhaften Erfolgs überschlugen. Glaube mir, ich gönne euch euren Erfolg.“

„Und was ist mit deinen Träumen passiert, bella?“

„Die Realität ist passiert. Ich musste feststellen, wie schwer es ist, in dieser Welt sein Ziel zu erreichen.“ Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. „Erzähle mir von Roccos Hochzeit.“ Es war offensichtlich, dass sie das Thema wechseln wollte, aber da zog auch diese Sehnsucht in ihren Blick. „Es wäre schön gewesen zu sehen, wie Rocco einer Frau jeden Wunsch von den Lippen abliest. Olivia Fitzgerald muss etwas wirklich Besonderes sein.“

Es war dieser Anflug von Sehnsucht, der seine Neugier weckte. „Ja, das ist sie, und Rocco hängt definitiv an der Angel.“ Ihm fiel auf, dass sie immer wieder zu der Terrassentür hinsah, durch die Jackson und die Blondine verschwunden waren. Die Nervosität war ihr förmlich anzusehen. Es musste etwas mit Jackson zu tun haben.

Blitzschnell fasste er einen Entschluss. Er würde ihr aus den Schwierigkeiten helfen, wie immer die auch aussehen mochten. „Wenn du irgendetwas brauchst … ein Wort genügt.“

„Nein danke, ich brauche keine Almosen, von niemandem.“

„Hat Jackson Smith etwas damit zu tun, dass du nicht zu Roccos Hochzeit gekommen bist?“

Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, sie hielt sich absolut reglos, und Stefan wusste, er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Wie kommst du jetzt auf Jackson?“

Er konnte sehen, wie sie schluckte. „Jackson ist ein Halsabschneider. Ein aalglatter, gewissenloser Betrüger. Das einzig Positive, was sich über ihn sagen lässt, ist, dass es ihm nie an weiblicher Begleitung fehlt, ganz gleich, wo er auftaucht.“

„Nun, Letzteres passt sicher auch auf dich, oder?“ Ihre Augen begannen fiebrig zu glänzen. „Man nennt dich doch One-Hit-Wonder, weil du keine Frau zweimal triffst.“

Dass sie sofort zu Jacksons Verteidigung sprang, ärgerte Stefan maßlos. „Du kannst gar nicht wissen, was Jackson vorhat. Seine Geschäftspraktiken sind mehr als dubios. Schon lange suche ich nach einer Möglichkeit, wie es sich wasserdicht beweisen lässt. Er ist ein gieriger Bastard, der über Leichen geht, um die Karriereleiter hinaufzuklettern, ist sich auch nicht zu schade, illegale Methoden anzuwenden. Der Mann ist Abschaum, durch und durch. Auf welche Art auch immer du mit ihm zu schaffen hast … ziehe den Schlussstrich, bevor er dich mit nach unten reißt.“

Ihr Gesicht war eine starre blasse Maske. „Ich glaube dir kein Wort. Ich weiß selbst, dass Jackson manchmal barsch und ungeschliffen sein kann, aber …“

„Aber vielleicht ist das ja das Leben, für das du dich entschieden hast, Clio?“ War das noch die Frau, die er einst gekannt und bewundert hatte? „Du hast Status und Reichtum, mit dem du geboren wurdest, den Rücken gekehrt, aber vielleicht hast du deine Meinung geändert. Vielleicht sind es der vorgetäuschte Status und Jacksons Reichtum, die dich die Augen vor seinen kriminellen Machenschaften verschließen lassen.“ Er sollte besser gehen, doch das kurze Aufleuchten ihrer Augen erinnerte ihn an die Clio von früher, und so blieb er. „Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Vielleicht bist du ja genauso machthungrig geworden wie er und nur darauf aus, anständig versorgt zu sein.“

„Und du musst dich in einen eiskalten Bastard verwandelt haben, um mir so etwas ins Gesicht sagen zu können.“

Ihre Worte trafen ihn. War er etwa sentimental geworden, nur weil er sie vor zehn Jahren gekannt hatte? Scheinbar unterschied Clio sich nicht von all den anderen. Frauen mit Selbstachtung, Frauen, die nicht nur darauf aus waren, das Beste für sich herauszuschlagen, konnte man an einer Hand abzählen. Roccos Olivia war eine solche Frau. „Touché, bella. Vielleicht sind wir wirklich Fremde geworden.“

„Die einander nichts mehr zu sagen haben.“

Sie wirkte, als säße sie in einer Falle, ohne Ausweg. Wenn er jetzt ging, würde ihn ihr Gesicht auf ewig heimsuchen. „Dio, Clio, steckst du etwa in Schwierigkeiten? Sag mir, wie stehst du zu dem Mann?“

Sie hob ihr Kinn, bereit für den Angriff. „Ich arbeite mit ihm. Seit fünf Jahren. Er hat mir einen Job angeboten, als niemand anders mich wollte. Hat mir gezeigt, wie man seinen Weg in New York macht, sonst hätte ich nach England zurückkehren und eingestehen müssen, dass ich versagt habe. Um meiner selbst willen muss ich glauben, dass du dich irrst, denn …“, sie streckte den Rücken durch, doch das Beben konnte sie nicht kaschieren, „… Jackson ist mein Verlobter.“

Clio? Mit Jackson verlobt? Ausgerechnet sie? Hatte sie sich so sehr verändert? Stefan dachte an die alten Zeiten zurück. Er hatte viele schlechte Erinnerungen an New York, aber Clio gehörte definitiv nicht dazu. „Ich habe dich immer mit einem Feuersturm verglichen, Clio – ungestüm, kraftvoll, ohne Angst.“ Sein Puls beschleunigte sich, als ein Hauch ihres Parfüms ihn erreichte. „Ich habe dich immer für die unbeugsamste Frau gehalten, die ich kenne. Erzähle mir also nicht, in deinem Leben sei alles in Ordnung, denn ich kann sehen, dass es das nicht ist.“ Er legte eine Hand auf ihre knochige Schulter, fühlte das Beben, das sie durchlief.

Sie hob das Gesicht zu ihm, schockiert und ungläubig.

„Für die nächsten zwei Tage komme ich im Chatsfield unter“, fuhr er fort. „Wenn du irgendetwas brauchst, ganz gleich was, kannst du mich dort erreichen. Wir können vielleicht gemeinsam etwas Trinken gehen, und du kannst mir alles über das Mädchen erzählen, das ich damals gleich am ersten Tag an der Universität traf, auf der Suche nach dem Kunstseminar. Ihr Haar hatte die Farbe von flüssigem Feuer, ihr Lächeln war so weit wie der Ozean. Sie strahlte Freude aus bei jedem Schritt, den sie tat, weil sie endlich frei war. Sie bot ein Bild, das niemand so schnell vergessen konnte.“

Mit dem Daumen wischte er vorsichtig die einzelne Träne fort, die ihr über die Wange rann, und flüsterte ihr das Motto zu, nach dem die Columbia Four schon das ganze Leben lebten, Worte, die Rocco, Christian, Zayed und ihm immer gut gedient hatten.

„Memento vivere, bella.“ Und damit verabschiedete er sich.

Denk daran zu leben …

Clio musste sich gegen das Geländer stützen, ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Rippen. Das Motto, nach dem die vier Studentenfreunde immer gelebt hatten. Clio hatte immer gelacht, wenn sie es zitierten, während sie sich aufmachten, die Welt zu erobern …

War sie wirklich einmal dieses Mädchen gewesen? Stefans Worte waren über ihr zusammengeschlagen wie eine Flutwelle, hatten ihr das Bild der Frau gezeigt, die sie vor so langer Zeit gewesen war, dass es ihr nur noch wie ein Ausbund ihrer Fantasie erschien. Eine Clio voller Feuer, fest entschlossen, sich eine Zukunft nach eigenen Vorstellungen aufzubauen. Und doch war sie heute hier, wartete auf einen Mann, der gelobt hatte, sie zu lieben und zu ehren, der ihr aber vorschrieb, was sie anzuziehen, wie sie ihre Zeit zu verbringen und vor allem was sie mit ihrem Leben anzufangen hatte. Sie wartete darauf, dass er sie wieder mit diesem Blick wie damals vor drei Jahren ansehen würde. Wünschte sich verzweifelt, er möge sie noch immer lieben.

Wie hatte aus ihr diese Person werden können? Und wo, zum Teufel, war Jackson?

Sie war es leid, auch nur noch eine Minute länger zu warten. Statt den Aufzug zu nehmen, trat sie ins Treppenhaus und stieg mit pochendem Herzen die Stufen hinunter.

Und blieb wie angewurzelt stehen, als sie ein tiefes vertrautes Lachen hörte und gleich darauf eine flüsternde weibliche Stimme.

„Oh Jackson, ich halte das nicht mehr aus. Ich liebe dich, Jackson, und ich … Oh, du musst ihr sagen, dass es aus und vorbei zwischen euch ist.“

Tränen brannten in Clios Augen, sie bekam keine Luft mehr. Unwillkürlich ballte sie die Hände zu Fäusten, biss sich auf die Zunge, um den Schrei zu unterdrücken.

Clio hörte das Rascheln von Kleidung, leises Stöhnen, und ihre Vorstellungskraft lieferte ihr all die passenden Bilder dazu.

„Nur noch ein paar Monate, Baby. Du weißt doch, wie sehr wir ihre Verbindungen brauchen. Clio ist eine blaublütige Aristokratin mit all den richtigen Beziehungen. Hast du dir das Exposé von Mrs. Alcott angesehen? Allein die Immobilien … Nur noch ein paar Klienten von dieser Größe, und wir haben’s geschafft.“

„Aber Jackson …“

Clio sah Ashleys vollen Schmollmund genau vor sich.

„… in ein paar Monaten wird man es mir ansehen. Soll so unsere gemeinsame Zukunft beginnen? Ich muss mich verstecken, weil Miss Etepetete mich sehen könnte, während du den liebenden Verlobten mimst? Uh, allein wenn ich daran denke, dass du sie anfasst, könnte ich …“

Ashley war schwanger! Scheinbar kannte Erniedrigung keine Grenzen!

„Ich habe keine Lust, sie anzufassen.“ Jacksons Atem ging jetzt rasselnd. „Und du weißt genau, dass ich nach unseren Nachmittagsterminen gar nicht mehr die Energie dazu hätte, selbst wenn ich wollte.“ Er lachte sinnlich, und Clio hielt sich die Ohren zu. „Gib mir zwei Monate. Sie kann uns noch sehr nützlich sein. Sobald ich die Kontakte vertieft habe, die sie uns liefert, lasse ich sie fallen. Aber bis dahin muss der Schein aufrechterhalten bleiben.“

„Und wenn sie vorher den Schlussstrich zieht?“

„Wieso sollte sie? Sie hat zwar ihrer Familie und dem Mann, den sie heiraten sollte, den Rücken gekehrt, aber Clio will verzweifelt geliebt werden, und sie will so unbedingt endlich einmal ein Ziel erreichen, und wenn es nur die Heirat mit irgendeinem Mann ist. Auf eine derart jämmerliche Gestalt wird kein Mann sich jemals einlassen. Wer sollte sie schon wollen?“

Clio ertrug es nicht länger. Sie stieg die Stufen wieder hinauf, doch weit kam sie nicht. Auf dem Treppenabsatz zwischen den Stockwerken gaben ihre Beine nach, sie sank auf den schmutzigen Boden und lehnte den Kopf an die Wand zurück. Zwar kniff sie die Lider fest zusammen, dennoch rollten ihr die Tränen über die Wangen.

Wie hatte sie sich derart in Jackson täuschen können? Wieso hatte sie es nicht kommen sehen? Lernte sie es denn nie? Außer an ihrem Familiennamen hatte niemand Interesse an ihr. Noch nie hatte jemand sie um ihrer selbst willen geschätzt. Ganz gleich, wie weit sie auch rannte, ihre Abstammung holte sie immer ein.

Gleißender Zorn und nie gekannte Selbstverachtung wallten in ihr auf. Seit Monaten schon hatte sie sich von Jackson überrollen und von Ashley zum Gespött machen lassen. So viele Veranstaltungen, so viele offizielle Dinner, bei denen sie an Jacksons Arm repräsentiert hatte – die Trophäe. Es ging vor allem darum, sich als Paar zu zeigen … statt eine echte Beziehung zu leben. Von Regeln und zu erfüllenden Erwartungen erdrückt. Sie hatte zu sehr darauf geachtet, eine Norwood zu sein, Tochter einer der einflussreichsten Adelsfamilien in England, und jetzt Angehörige der Manhattaner Elite, als Verlobte des machthungrigen Finanziers Jackson Smith.

Und überhaupt nicht sie selbst. Nur Clio.

Ihr ganzes Leben hatte sie sich nach Bestätigung von ihrem Vater gesehnt. Auch wenn sie sich nicht immer an alle Regeln gehalten hatte, so hatte sie sich dennoch bemüht, die perfekte Tochter zu sein. Bis man ihr dann mit dieser arrangierten Heirat drohte. Ihr war klar geworden, dass sie sich mit ihren eigenen Fesseln erstickte. Deshalb war sie ausgebrochen – nur um dann mit Jackson in dieselbe Falle zu tappen.

Sie hatte sich selbst in die Position manövriert, aus der sie vor zehn Jahren geflohen war und ihr Heimatland verlassen hatte, und jetzt steckte sie in einem Leben fest, das ihr die Luft zum Atmen raubte.

Autor

Tara Pammi
<p>Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte! Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...
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