Im Rausch des Verlangens

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Rocco Mondelli liebt die Frauen - und seine Freiheit! Doch wenn der italienische Geschäftsmann jetzt nicht offiziell sein Playboy-Leben aufgibt, verliert er seinen Anteil am Familienunternehmen. Die Lösung? Eine Scheinehe mit Supermodel Olivia! Zwar ist sie für ihn eine schamlose Mitgiftjägerin - aber nur deshalb macht sie sein Spiel auch mit, glaubt er. Bis er trotz allem ihren Reizen nicht widerstehen kann. Und sich im Rausch des Verlangens plötzlich fragt: Ist sie doch nicht die, für die er sie hält? Oder verfällt er nur gerade einer besonders raffinierten Verführerin?


  • Erscheinungstag 26.04.2016
  • Bandnummer 2228
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706685
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Er wird die Nacht nicht überstehen.“

Vor den mit Schnitzereien reich verzierten schweren Holztüren von Giovanni Mondellis Schlafzimmer stützte der alte Priester, der die Mondellis in Varenna schon seit Ewigkeiten betreute, sich auf seinen Stock und nickte den beiden Enkeln des Patriarchen zu. „Verabschiedet euch, sagt ihm, was ihr ihm noch zu sagen habt.“

Die Trauer eines ganzen Dorfes schwang in der heiseren Stimme des Priesters mit. Eine Stimme, die wie ein rostiges Messer durch Rocco Mondelli schnitt und ihm die Sprache raubte. Giovanni Mondelli, italienischer Modezar, war ihm der Vater gewesen, den er nicht gehabt hatte, sein Mentor, als er vom Großvater als CEO des Modehauses übernommen und das Haus Mondelli zu einem international vertretenen Couture-Tempel gemacht und ins einundzwanzigste Jahrhundert geführt hatte.

Und jetzt verlor er ihn.

Sein Herz setzte aus, um dann umso heftiger gegen seine Rippen zu hämmern. Giovanni war alles für ihn – Vater, Mentor, Freund. Es durfte einfach nicht sein.

Alessandra, seine Schwester, krallte die Finger in seinen Arm, ihre Knöchel weiß auf seinem dunklen Anzug. „Ich … ich kann das nicht.“ Ihr seidiges braunes Haar umrahmte ihr Gesicht mit den entsetzt aufgerissenen Augen. „Es kommt so plötzlich. Ich habe noch so viel zu sagen.“

Rocco unterdrückte das Bedürfnis, sich schluchzend auf den Boden zu werfen, weil es so unfair war, so wie er es als Siebenjähriger getan hatte, als er und sein Vater die Asche seiner Mutter vom Boot aus in die blauen Wasser des Comer Sees gestreut hatten. Er hatte Alessandra bekommen, aber seine geliebte Mutter war ihm dafür genommen worden. Nein, das Leben war nicht fair.

Er legte seiner Schwester die Hände auf die Schultern. „Wir können, und wir werden. Weil wir müssen, sorella.“

Die Tränen rannen ungehemmt über Alessandras Wangen, verfingen sich in den starrsinnigen Zügen um ihren Mund. „Ich kann nicht, Rocco.“

„Du kannst.“ Er zog sie an seine Brust, auch wenn er selbst kaum atmen konnte. „Überlege dir, was du ihm noch sagen willst. Viel Zeit bleibt nicht mehr.“

Alessandras stille Tränen nässten sein Hemd. Nach dem Tod der Mutter und dem daraus resultierenden Abdriften des Vaters in Alkohol und Glücksspiel waren es immer Rocco und Giovanni gewesen, die die Familie zusammengehalten hatten. Jetzt jedoch fühlte Rocco sich nicht in der Lage dazu, eher meinte er, der leiseste Windhauch von See her würde ihn fällen können. Nur war es noch nie eine Option für ihn gewesen, sich Schwächen und Gefühlen zu ergeben.

Einen Arm um Alessandras schmale Schultern gelegt, wandte er sich an den Arzt, der hinter dem Priester stand. „Ist er wach?“

Der Doktor nickte. „Ja, gehen Sie nur hinein.“

Er spürte das Beben, das seine starke, manchmal fehlgeleitete, aber immer selbstsichere Schwester durchlief, als er mit ihr zusammen Giovannis Schlafzimmer betrat. Der Anblick seines einst so eleganten, energischen, tatkräftigen Großvaters dort in den weißen Laken, die immer gebräunte Haut jetzt aschgrau, schnürte ihm die Kehle zu. Das da war nicht Giovanni.

Er schluckte schwer und schob Alessandra vor. „Geh zu ihm.“

Alessandra kletterte auf das riesige Bett und schlang die schmalen Arme um ihren Großvater. Zu sehen, wie Giovannis Augen plötzlich tränenfeucht schimmerten, war zu viel. Rocco stellte sich ans Fenster und blickte auf den See hinaus.

Er und Alessandra waren sofort von der Mailänder Mondelli-Zentrale mit dem Hubschrauber hierhergeflogen, als die Nachricht vom Herzinfarkt des Großvaters sie erreicht hatte. Den ganzen Tag hatte Giovanni die Schmerzen in der Brust stur ignoriert, und als er endlich einen Arzt hinzugezogen hatte, konnte der nicht mehr viel tun.

Roccos Mund zuckte. Vermutlich würde sein Großvater das als die beste Art zu gehen ansehen – kurz vor dem Triumph von Mondellis neuester Herbstkollektion. Aber Giovanni war eigentlich schon seit zwanzig Jahren bereit, mit seiner geliebten Rosa in den himmlischen Gefilden wieder zusammenzukommen. Sicher, Giovanni hatte das Leben in vollen Zügen genossen, hatte sich geweigert, nach dem Tod der geliebten Frau vor Kummer einzugehen, aber da hatte es immer einen Teil in ihm gegeben, der sich nach ihr gesehnt hatte.

Mit einem erstickten Schluchzen lief Alessandra aus dem Zimmer, und Rocco kehrte an die Bettseite zurück. „Du hast ihr das Herz gebrochen“, sagte er leise.

„Das hat Sandro schon vor langer Zeit besorgt.“ Damit bezog Giovanni sich auf Roccos Vater. Mit der Hand tippte er schwach auf die Bettkante. „Setz dich.“

Rocco schluckte. „Nonno, ich …“

„Ich weiß.“ Sein Großvater legte die langen Finger auf seine Hand. „Ti amo, mi figlio. Aus dir ist ein großer Mann geworden. Ich habe es immer gewusst.“

Der Kloß in Roccos Kehle war zu groß, um noch ein Wort hervorzubringen.

„Vertraue auf dich selbst, Rocco. Vertraue dem Mann, der du bist.“ Giovanni hatte Mühe, die Lider offen zu halten. „Verstehe, weshalb ich getan habe, was ich getan habe.“

Seine Lider schlossen sich, Roccos Herz raste. „Giovanni, gehe nicht. Es ist noch nicht Zeit.“

Mit Anstrengung hob sein Großvater noch einmal die Lider. „Versprich mir, dass du dich um Olivia kümmerst.“

„Olivia?“ Rocco runzelte die Stirn.

Als sein Großvater dieses Mal die Lider schloss, blieben sie geschlossen. Eiskalte Finger griffen nach Roccos Herzen. Er packte seinen Großvater bei den Schultern, schüttelte ihn. Komm zurück, lass mich nicht allein, schrie es in seinem Kopf. Aber Giovanni öffnete die Augen nicht mehr. Der brillante Kopf und die Seele des Hauses Mondelli war von ihnen gegangen. Rocco stieß einen gequälten Schrei aus und legte seine Stirn an die seines toten Großvaters.

„Nein“, flüsterte er immer wieder verzweifelt. Es war doch viel zu früh …

In der folgenden Woche war Rocco nichts von dem Gefühlstumult, der bei Giovannis Tod in ihm getobt hatte, anzumerken, als er die Details der Geschäftsübernahme und die Beerdigung seines Großvaters organisierte. Alessandra half ihm bei den Arrangements für die Trauerfeier, die Ausmaße eines Staatsaktes annahm. Jeder wollte dem Modezar die letzte Ehre erweisen, schließlich hatte er über vierzig Jahre lang die Größen der Welt eingekleidet. Und natürlich würde auch der Rest der „Columbia Four“ kommen – die drei Männer, mit denen Rocco seit Beginn des Studiums an der Columbia University eine enge Freundschaft verband. Kein leichtes Unterfangen bei den vollen Terminkalendern von Christian Markos, Stefan Bianco und Zayed Al Afzal. Der in Athen geborene Christian war ein brillanter Finanzmakler, der seine Zeit zwischen Griechenland und Hongkong aufteilte. Stefan Bianco, der unergründliche Sizilianer, zog es vor, sein Geld mit Immobiliengeschäften von seinem Privatflugzeug aus zu scheffeln statt von seinem Manhattaner Büro. Und Scheich Zayed Al Afzal hatte sowieso den weitesten Anflug von seinem kleinen arabischen Wüstenreich Gazbiyaa. Memento vivere war das Motto der Columbia Four – Denk daran zu leben. Es bedeutete, das Leben bis zur Neige auszukosten, Risiken einzugehen, sich immer gegenseitig den Rücken zu decken.

Das Wissen, dass seine Freunde, die mehr wie Brüder für ihn waren, bald hier sein würden, tröstete Rocco, als er sich in der Kanzlei Adamo Donati, dem langjährigen Familienanwalt der Mondellis, an dessen Schreibtisch gegenübersetzte.

„Sollen wir dann?“ Der Mittsechziger war nicht nur weiser Freund und brillanter Anwalt, sondern auch ein versierter Geschäftsmann. Auf Roccos Nicken hin begann er: „Die Häuser hat Giovanni zwischen dir und Alessandra aufgeteilt, was dir sicherlich nicht neu sein wird. Alessandra erbt das Haus in St. Barts und das Apartment in Paris, während du die Villa Mondelli erhältst und das Haus in New York.“

Rocco nickte ein weiteres Mal. Alessandra, die als international renommierte Fotografin um den Globus reiste, hatte einmal gescherzt, dass sie sich in der Villa Mondelli nur verlaufen würde, weil das Anwesen viel zu groß für sie sei. Für Rocco dagegen war es der einzige Ort auf der Welt, an dem er frei atmen konnte. „Und mein Vater?“

„Das bisherige Arrangement bleibt bestehen. Giovanni hat eine Summe für Sandro bestimmt, die du jedoch verwalten wirst.“

Wie ein Kind, das Taschengeld bekam. Rocco erwartete nicht mehr, dass sein Vater es noch lernen würde, mit Geld umzugehen, aber irgendwo in ihm lebte tatsächlich der Wunsch, Sandro würde sich dafür entschuldigen, dass er das Heim der Familie verspielt hatte. Aber bis dahin würde Sandro also weiter in dem Apartment im Zentrum leben, wöchentliche Proviantlieferungen erhalten und das Bargeld, das ihm zugeteilt wurde, am Spieltisch verschleudern.

Der Anwalt blätterte seine Unterlagen durch. „Es gibt da noch ein Apartment, in Mailand. Giovanni hat es vor einem Jahr gekauft. Aber davon steht nichts im Testament.“

„Noch ein Apartment?“ Rocco runzelte die Stirn. Seinem Großvater hatte das Stadtleben nie behagt, er hatte es vorgezogen, von der Villa aus zu pendeln, entweder per Auto oder mit dem Firmenhubschrauber.

„Das Apartment läuft auf den Namen deines Großvaters, aber“, der Anwalt sah auf, „eine Frau wohnt darin – Olivia Fitzgerald. Es hat etwas gedauert, bis ich ihren Namen herausgefunden habe, sie nutzt ihren echten Namen nämlich nicht.“

„Olivia Fitzgerald, das Model?“ Rocco starrte den Anwalt an, als hätte der gerade behauptet, der Papst sei zum Protestantentum konvertiert. Olivia Fitzgerald, weltbekanntes Top-Model, hatte vor fünf Jahren einen Vertrag mit der Konkurrenz unterschrieben und war dann vor einem Jahr spurlos verschwunden. Sämtliche Medien hatten sich überschlagen mit Spekulationen, suchten noch immer hektisch nach ihr. Und Giovanni hatte sie in einem Apartment hier in der Stadt untergebracht?

Das ließ eigentlich nur einen Schluss zu. „Er hatte eine Affäre mit ihr?“

Der alte Anwalt wich Roccos Blick aus. „Nun, in gewisser Hinsicht … Die Nachbarn sagen, er hat viel Zeit in ihrer Wohnung verbracht, und man hat sie Arm in Arm zum Dinner gehen sehen.“

Rocco massierte sich die Schläfen. Sein siebzigjähriger Großvater hatte eine Affäre mit einem Top-Model gehabt, das höchstens Mitte zwanzig sein konnte? Ein Partygirl, das ihre Millionen so schnell aus dem Fenster warf, wie sie sie mit ihrem Job hereinholte? Lächerlich! War das dieselbe Welt, in der er noch vor einer Woche gelebt hatte?

Versprich mir, dass du dich um Olivia kümmerst.

Cristo! Es stimmte also. Undenkbar, dass er der Geliebten seines Großvaters nach dessen Tod erlaubte, weiterhin in einem Mondelli-Besitz zu leben! Einer Frau, die sich ganz offensichtlich erhofft hatte, etwas von Giovannis Vermögen würde für sie abfallen.

Mit kaltem Blick sah er den Anwalt an. „Gib mir, was du über sie hast. Ich kümmere mich darum.“

Adamo nickte und fuhr sich mit der Hand über das schüttere Haar. Wieder wich er Roccos Blick aus, was eigentlich völlig untypisch für ihn war.

Rocco zog eine Braue in die Höhe. „Per favore, sag jetzt nicht, dass es da noch mehr Geliebte gibt.“

Adamo lächelte schmal. „Nicht, dass ich wüsste.“

„Was ist es dann?“

Das Lächeln schwand. „Giovanni hat dir fünfzig Prozent von Mondelli überlassen, Rocco. Die anderen zehn Prozent Anteile werden von Renzo Rialto verwaltet, bis er die Zeit für gekommen hält, sie dir zu überschreiben.“

Rocco blinzelte verblüfft. Giovanni hatte ihm also nicht die Aktienmehrheit an Mondelli überlassen? Die Mondelli-Familie hatte von je her sechzig Prozent am Unternehmen besessen, damit die Kontrolle in Händen der Familie blieb. Er als CEO brauchte diese Mehrheit, um die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Weshalb sollte Giovanni ihm die Kontrolle genommen und dann auch noch Renzo Rialto, dem Vorstandsvorsitzenden und schon seit Ewigkeiten Roccos Nemesis, übergeben haben?

Roccos missmutige Miene war nicht zu übersehen. „Er wollte verhindern, dass du ohne ihn dem vollen Druck ausgesetzt bist“, versuchte der Anwalt zu erklären. „Du sollst dich auf den Vorstand stützen können, bis du Fuß gefasst hast und dich sicher fühlst. Wenn der Vorstand der Ansicht ist, dass du so weit bist, bekommst du die zehn Prozent.“

„Fuß fassen?“ Rocco sprang auf, stützte die Hände flach auf den Schreibtisch und beugte sich mit funkelnden Augen vor. „Ich habe dieses Unternehmen zu einem Erfolg geführt, den Giovanni sich nicht einmal erträumt hätte. Ich muss nicht Fuß fassen, Adamo, sondern verlange das, was mir rechtmäßig zusteht – die Kontrolle über die Firma.“

Adamo hob beruhigend die Hände. „Du musst es mit Blick auf deine persönliche Geschichte sehen, Rocco. Du warst ein Rebell. Du hast keinen einzigen Rat des Vorstands befolgt.“

„Weil sie alle danebenlagen. Sie wollen Mondelli im alten Ruhm belassen, während es längst höchste Zeit war, sich den modernen Zeiten anzupassen.“

„Ich bin deiner Meinung“, Adamo zuckte mit den Schultern, „aber nicht jeder hat so gedacht. Im Vorstand ist man noch immer sehr konservativ, schwelgt in nostalgischen Erinnerungen an einstige Größe und ist nicht gewillt, das, was diese Größe ausgemacht hat, aufzugeben. Du wirst mehr Finesse nutzen müssen, wenn du daran vorbeikommen willst.“

Das Blut rauschte ihm heiß durch die Adern. Finesse? Beim Vorstand war er bisher nur mit der Keule weitergekommen!

Adamo musterte ihn. „Und da ist auch noch dein Privatleben. In den Augen des Vorstands bist du nicht unbedingt eine moralisch gefestigte Führungsfigur.“

Rocco warf den Kopf zurück. „Nicht, Adamo, nicht in diese Richtung.“

„Es war eine … heikle Situation.“

„Du meinst, weil der Vorstand mir eine Affäre ankreidet, wobei ich nicht einmal wusste, dass es eine Affäre war?“

„Sie war die Frau eines Richters. Und es gab ein Kind.“

„Nicht meines!“, donnerte Rocco. „Das hat der Vaterschaftstest bewiesen.“

„Davor hatte Mondelli allerdings ernsthafte politische Schwierigkeiten auszubügeln. Du musst vorsichtiger sein, mit wem du dich einlässt, Rocco. Der Vorstand ist der Ansicht, dass du zu bereitwillig Risiken eingehst, sie sorgen sich, vor allem jetzt, da Giovanni dir nicht mehr zur Seite steht und dich führt.“

Und deshalb hatte sein Großvater ihn an den Vorstandsvorsitzenden gekettet? „Ich bin der CEO des Modehauses Mondelli, ich brauche nicht geführt zu werden. Was ich brauche sind Frauen, die mir sagen, dass sie verheiratet sind. Und wenn du glaubst, ich lasse mir vom Vorstand jede einzelne Entscheidung absegnen, dann seid ihr alle auf dem Holzweg.“

Adamo zuckte nur leicht mit einer Schulter. „Das Testament ist wasserdicht. Der Einzige, von dem du die Kontrolle erhältst, ist Renzo.“

Renzo Rialto. Jahrelanger Freund von Giovanni, aber nie ein großer Fan von Rocco. Rocco wusste heute noch nicht, was er dem Mann getan hatte.

Aber er würde es genießen, ihm die Nerven zu ruinieren.

Die Hände in die Taschen geschoben, stellte er sich ans Fenster und sah hinunter auf die Via della Spiga, Mailands eleganteste Modestraße mit der hauseigenen Mondelli-Boutique. Nein, niemand würde ihm sein vorbestimmtes Schicksal verweigern.

Verstehe, weshalb ich getan habe, was ich getan habe. Die letzten Worte seines Großvaters hallten in seinem Kopf nach. Hatte Giovanni das damit gemeint? Und wie passte das zusammen mit dem Vertraue auf dich selbst, Rocco. Vertraue dem Mann, der du bist?

Trauer und Wut vermischten sich, Rocco stützte sich auf das Fenstersims. War es wegen seines Vaters? War es Sandro zuzuschreiben, dass der Großvater ihm nicht die volle Kontrolle hatte geben wollen?

Er drehte sich zu dem Anwalt um. „Ich bin nicht wie mein Vater.“

„Nein, das bist du nicht“, stimmte Adamo gelassen zu. „Aber du feierst gern mit deinen Freunden.“

Rocco zog die Brauen zusammen. „Die Medien übertreiben maßlos.“

„Die Sache mit den Frauen wohl nicht. Du vergisst, dass ich dich von Kindesbeinen an kenne, Rocco.“

„Und was sollte ich deiner Meinung nach tun? Heiraten?“

Adamo hielt dem spöttischen Blick stand. „Das wäre das Beste, was du tun kannst. Beweise ihnen, wie wichtig dir Mondelli ist. Heirate eine von diesen reichen Frauen mit Beziehungen, mit denen du dich so oder so verabredest, und gründe eine Familie. Vielleicht gefällt es dir ja sogar.“

Dio. Der Mann meinte es tatsächlich ernst. Aber das würde nicht passieren. Er hatte doch gesehen, was der Verlust seiner Mutter seinem Vater angetan hatte, hatte miterlebt, wie Giovanni jahrelang seiner Rosa nachgetrauert hatte. So etwas brauchte er nicht. Er hatte genug damit zu tun, das Unternehmen zu leiten.

„Hast du noch weitere solcher Überraschungen für mich, oder kann ich mich jetzt mit Renzo Rialto treffen?“

„Nur noch ein paar Kleinigkeiten.“

Sie gingen zusammen durch, was zu erledigen war, danach fuhr Rocco zu Renzo Rialtos Büro. Der frühere CEO einer bekannten italienischen Firma steckte ihm wie ein Dorn in der Seite, aber er würde schon mit ihm fertig werden. Und dann würde er sich um Olivia Fitzgerald kümmern und sie auf die Straße setzen – sobald er herausgefunden hatte, was für ein Spiel sie spielte.

2. KAPITEL

Rocco wusste, dass Olivia Fitzgerald schön war und die perfekte Figur hatte, schließlich hatte sie mit ihren Rundungen und ihrem goldenen langen Haar unzählige Titelseiten geschmückt. Was ihn jedoch überraschte, als er sie zusammen mit zwei Freundinnen hier in der Trattoria in Navigli im Südwesten Mailands in der Abenddämmerung sitzen sah, war seine Reaktion auf sie.

Er saß in der Nähe an einem der runden Tische, nah genug, dass er hören konnte, wie sie ein Glas Chianti bestellte. Ihre leicht heisere Stimme fuhr ihm unter die Haut wie ein Aphrodisiakum. Nah genug, dass er ihre schräg gestellten Augen sehen konnte, blau und klar wie die Seen in den verschneiten Alpen, wenn er morgens die Vorhänge aufzog.

Nah genug, um den verschämten Ausdruck auf ihrer Miene zu erkennen, als sie seinen Blick bemerkte.

Erstaunlich. Eine Frau wie sie, weltbekannt für ihre Schönheit, musste doch wissen, welche Reaktionen sie bei Männern auslöste. Damit hatte sie doch wohl auch Giovanni für sich eingenommen, der ihr daraufhin ein Drei-Millionen-Euro-Apartment zur Verfügung gestellt hatte, nicht wahr? Gegen ihr Aussehen war kein Mann auf diesem Planeten immun.

Seine Lippen verzogen sich spöttisch. Olivia Fitzgerald – die Schöne Helena der Moderne. Ihre beiden Freundinnen, dunkelhaarige italienische Schönheiten, sahen kichernd zu ihm hin. Mit einem Seufzer widmete er sich wieder der Speisekarte.

Er nippte an dem Weinglas, das vor ihn hingestellt wurde. Adamos Privatdetektiv war die sprichwörtliche Goldmine für Informationen gewesen: Olivia Campbell, wie sie sich nannte, ging selten aus und verbrachte den Großteil ihrer Tage in dem Luxusapartment, aber jeden Donnerstagabend besuchte sie mit zwei Freundinnen einen Yogakurs und kehrte mit ihnen danach regelmäßig in dieser angesagten Trattoria hier ein.

Zufälligerweise war der Besitzer ein guter Freund Roccos, sodass es kein Problem gewesen war, den besten Platz im Lokal zu reservieren, von dem aus er die goldblonde Goldgräberin, die seinen Großvater übertölpelt hatte, genauestens beobachten konnte.

In den Stuhl zurückgelehnt, musterte er die drei Frauen. Grimmig stellte er fest, dass Olivia keineswegs vom Verlust ihres Lovers beeindruckt zu sein schien. War sie schon auf der Jagd nach dem nächsten Opfer, das ihr ihren luxuriösen Lebensstil weiter garantieren würde? Hatte sie deshalb vorhin so verschämt getan?

Feindseligkeit und Verärgerung fluteten ihn. Er griff nach seinem Glas und nahm einen langen Schluck. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, Olivia Fitzgerald zu stellen, wenn seine Gefühle sich als so unkontrollierbar erwiesen. Sein Meeting mit Renzo war schon nicht gut verlaufen. Der arrogante Mistkerl war der festen Überzeugung, dass Rocco eine Art tickende Zeitbombe sei und ständige Aufsicht benötigte. Und er hatte tatsächlich vorgeschlagen, was Adamo bereits angedeutet hatte. „Werde sesshaft, Rocco. Zeige uns, dass du bereit bist, Verantwortung zu übernehmen, dann bekommst du sie auch von mir.“

Viel zu heftig stellte er sein Glas wieder ab. Da war schon mehr nötig als ein aufgeblasener Windbeutel, dass er vor den Altar trat. Die Columbia Four hatten sich geschworen, immer frei und ungebunden zu bleiben. Frauen waren der Ruin eines jeden Mannes. Da war es doch viel besser, sich zu nehmen, was einem auf dem Silbertablett angeboten wurde, und dann, wenn man satt war, wieder zu gehen.

Er besah sich das Trio am Nebentisch, und als Olivia Fitzgerald ihm einen verstohlenen Blick zuwarf, begann sich ein Plan in seinem Kopf zu formen.

Ja, das gefiel ihm. Gefiel ihm sogar sehr gut. Und es passte genau zu der rücksichtslosen und waghalsigen Stimmung, in der er war.

Er beobachtete sie. Flirtete mit ihr.

Olivia bemühte sich, die Schmetterlinge in ihrem Magen in Schach zu halten, aber es war praktisch unmöglich, diesen Blick zu ignorieren. Heiß. Intensiv. Direkt auf ihr. Zweifellos war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und das wollte etwas heißen, hatte sie doch mit den erfolgreichsten männlichen Models gearbeitet. Dabei war ihr Aufzug alles andere als elegant – Jeans und altes T-Shirt, kein Make-up, das vom Yogatraining verschwitzte Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. So würde niemand sie als das Top-Model erkennen, das sie einst gewesen war.

Sie wandte den Blick ab. Sie war sicher, dass die Frauen ihm auf den kleinsten Wink hin zu Füßen sanken. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Vielleicht ein Model, mit dem sie irgendwann gearbeitet hatte? Aber nein, ein solches Prachtexemplar von Mann würde man nicht vergessen.

Violetta gähnte verstohlen und trank ihren Wein aus. „Ich muss noch lernen. Und da er“, sie sah zu dem fantastisch aussehenden Fremden hin, um dann Olivia zuzuzwinkern, „nur dich mit den Augen verschlingt, kann ich genauso gut nach Hause gehen und schmollen.“

„Tja“, seufzte Sophia, „Olivia ist eben blond und exotisch.“

„Ich wünschte, ich hätte deine gebräunte Haut“, meinte Olivia.

„Wir können ja tauschen.“ Sophia nahm ihre Tasche auf. „Ich wette, sobald wir weg sich, kommt er herüber, Liv. Und ich gönne es dir. Seit wir uns kennen, hast du keinen einzigen Mann angesehen.“

Weil sie ihre Flucht aus der Wirklichkeit genossen hatte. Weil sie gerade erst begann, sich wieder wie sie selbst zu fühlen, wenn auch mit einer anderen Identität. Und ein Mann hätte sie irgendwann unweigerlich erkannt. Im Moment wollte sie einfach nicht mehr Olivia Fitzgerald sein.

Aber es hatte auch keinen gegeben, der ihren Puls beschleunigt hätte, so wie dieser Mann dort.

Die beiden Freundinnen standen auf und legten Kleingeld auf den Tisch. „Ihr könnt mich jetzt nicht hier allein lassen“, protestierte Olivia.

„Wir leben auf der anderen Seite der Stadt“, meinte Violetta. „Und wenn wir nicht bald gehen, dann bringt er mit seinen Blicken noch den Tisch zum Einsturz.“

„Und wenn er ein Krimineller ist?“

„Ein Krimineller mit einer unbezahlbaren Rolex? Unwahrscheinlich.“ Violetta beugte sich leicht vor. „Ruf an. Ich will sämtliche Details hören“, flüsterte sie Olivia ins Ohr.

Das würde nicht nötig sein, hatte Olivia doch nicht vor, noch länger zu bleiben. Sie war heute Abend nur mit in die Trattoria gegangen, um sich vom Verlust Giovannis abzulenken. Sie vermisste ihn so sehr, er war der eine Mensch gewesen, der ihr Halt in ihrem neuen Leben geboten hatte. Jetzt war sie absolut allein, ohne ihren Mentor, der mit ihr zusammen an ihrer eigenen Kollektion gearbeitet und ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte.

Ihre beiden Freundinnen verabschiedeten sich und strebten der U-Bahn-Station zu, Olivia holte ihr Portemonnaie hervor und zählte Münzen für den Wein ab. Der magere Inhalt ihrer Börse führte ihr nur einmal mehr vor Augen, wie verzwickt ihre Lage war. Der Job in dem Café sicherte ihr den Lebensunterhalt, aber eine eigene Wohnung würde sie sich nie leisten können, geschweige denn ein solches Luxusapartment wie das, das Giovanni ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie kaute an ihrer Lippe. Irgendwie würde sie es schon schaffen. Sie schaffte es immer irgendwie.

Ein Schatten fiel auf den Tisch. Zuerst starrte Olivia auf die blank geputzten Schuhspitzen des Fremden, dann hob sie das Gesicht zu ihm auf.

„Ciao.“

Von Nahem sah er noch besser aus. Das flackernde Kerzenlicht fing sich in seinen hellbraunen Augen. Er war groß, über eins neunzig. Gut gebaut, mit mehr Muskeln und breiteren Schultern, als sie bisher bei den Italienern gesehen hatte.

„Darf ich mich setzen?“, fragte er in perfektem Englisch.

„Eigentlich wollte ich gerade gehen“, murmelte sie.

„Sicher haben Sie noch Zeit für ein weiteres Glas Wein?“ Perfekte weiße Zähne blitzten auf, als er lächelte, zogen Olivias Aufmerksamkeit auf seine schön geschwungenen Lippen. „Ich kam her, um bei einem Glas Wein die Lichter der Stadt zu bewundern, doch stattdessen konnte ich nur Sie ansehen.“

Sie spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Unsinn. Eine Anmache, mehr nicht. Auch wenn es schwierig war, zwang sie sich, die Worte auszusprechen. „Ich sollte wirklich gehen …“

„Sie sollten wirklich bleiben.“ Mit seinem warmen Blick hielt er sie auf dem Stuhl gefangen. „Es ist gerade mal neun Uhr … in Italien noch früh. Nur ein Drink, mehr nicht.“

Vielleicht lag es daran, dass er stehen blieb und ihr so die Möglichkeit gab, abzulehnen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie eigentlich Ja sagen wollte. Auf jeden Fall … sie nickte leicht und deutete mit der Hand auf den freien Stuhl ihr gegenüber. „Bitte.“

Er nahm Platz, und sofort kam die Kellnerin angeschwebt. Er bestellte zwei Gläser Chianti, und die Kellnerin beeilte sich, das Bestellte zu holen.

Autor

Jennifer Hayward
<p>Die preisgekrönte Autorin Jennifer Hayward ist ein Fan von Liebes- und Abenteuerromanen, seit sie heimlich die Heftromane ihrer Schwester gelesen hat. Ihren ersten eigenen Liebesroman verfasste Jennifer mit neunzehn Jahren. Als das Manuskript von den Verlagen abgelehnt wurde und ihre Mutter ihr empfahl, zunächst mehr Lebenserfahrung zu sammeln, war sie...
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