Dir kann ich nicht widerstehen

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Für den griechischen Selfmade-Millionär und Frauenhelden Christian Markos ist die strahlend schöne Alessandra eigentlich tabu. Schließlich ist sie die kleine Schwester seines besten Freundes! Doch irgendwann kann er der verbotenen Anziehung zwischen ihnen nicht mehr widerstehen. Und als Alessandra ihm die süßen Folgen ihres heimlichen One-Night-Stands gesteht, macht er ihr spontan einen Heiratsantrag. Natürlich nur, um ihren Ruf zu retten. Denn Alessandra die ersehnte Liebe zu schenken, ist zu gefährlich. Dazu müsste er ihr sein Geheimnis verraten - und das ist unvorstellbar!


  • Erscheinungstag 10.05.2016
  • Bandnummer 2230
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706715
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Christian Markos stürzte den Champagner hinunter und füllte sein Glas sofort nach.

Er hatte gewusst, dass der heutige Tag anstrengend werden würde, aber mit einer solchen Folter hatte er nicht gerechnet. Selbst die hektische Suche nach Roccos Braut heute Morgen hatte ihn nicht von dem Gefühl abgelenkt. Danach hatte er seinem besten Freund am Altar zur Seite gestanden und nur daran denken können, wie unfassbar er ihn betrogen hatte. Und während Rocco das Gelübde ablegte, da hatte Christian sich zusammennehmen müssen, damit sein Blick nicht ständig zu Alessandra ging.

Alessandra Mondelli, Roccos kleine Schwester. Ein hübsches Mädchen, das zu einer faszinierenden Schönheit herangewachsen war. Und die einzige Frau auf der Welt, die absolut tabu für ihn war.

Die absolut tabu für ihn hätte sein müssen.

In einem violetten langen Kleid war sie zusammen mit der Braut per Boot über den See zur Trauung gekommen, das lange braune Haar zu einem Chignon gedreht. Für Christian überstrahlte die Brautjungfer alle, sogar die Braut, die ein berühmtes Topmodel war.

Ein kurzes Kleid aus elfenbeinfarbener Spitze und schwarze High Heels, so hoch, dass er sich gefragt hatte, wie irgendjemand damit überhaupt laufen konnte … so hatte er sie das letzte Mal angezogen gesehen. Und dann ohne auch nur ein Stückchen Stoff in ihrem Apartment unter der Bettdecke.

Nach der Zeremonie war die Hochzeitsgesellschaft von dem gepflegten Garten direkt am Ufer des Comer Sees in den Ballsaal der Villa Mondelli übergewechselt. Das erlesene Dinner war zu Ende, jetzt also begann die Feier. Als Trauzeuge hatte er seine Rede gehalten und den Gästen sogar einige Lacher entlockt, da Stefan und Zayed auch noch doppeldeutige Anmerkungen eingeworfen hatten. Doch statt sich zu entspannen, weil seine Pflichten nun erledigt waren, wartete er nervös darauf, dass der Tanz eröffnet wurde.

Ein amerikanisches Starlet warf ihm unmissverständliche Blicke zu, eine umwerfend aussehende Frau mit dem perfekten Körper. Vor sechs Wochen hätte ihn nichts davon abhalten können, sich sofort an ihren Tisch zu setzen. Oder er hätte sich an eine der anderen Schönheiten herangemacht, die hier auf der „Hochzeit des Jahrhunderts“, wie die Presse es titulierte, anwesend waren. Supermodels, Dessous-Models, Schauspielerinnen … Ein lediger Mann konnte sich hier vorkommen wie ein Kind im Süßwarenladen.

Nichts von dem Angebot reizte ihn.

Außer der einen, die verboten war.

Wie hatte er es dazu kommen lassen können? Er mochte ja häufig die Betten wechseln, aber er verlor niemals die Kontrolle.

Nur bei Alessandra.

Sie war so verletzlich gewesen. Die Trauer um den Großvater, der vor Kurzem beerdigt worden war, um den Mann, bei dem sie aufgewachsen war, hatte sie aufgewühlt.

Auf dem Rückweg von Hongkong hatte Christian einen Zwischenstopp bei Mondelli eingelegt, dem international renommierten Modehaus. Hatte mit Rocco auf einen Streifzug durch die Stadt gehen oder vielleicht ein entspannendes Wochenende auf der Yacht des italienischen Freundes draußen auf dem See verbringen wollen. Aber Rocco war zu der Zeit gerade in New York gewesen, und so hatte Christian nur Alessandra angetroffen, die mehr oder weniger darauf bestanden hatte, dass er auch mit ihr ausgehen könne. Unter normalen Umständen hätte er sich entschuldigt, wäre wieder in sein Privatflugzeug gestiegen und nach Athen weitergeflogen … hätte da nicht dieser unsäglich traurige Ausdruck in Alessandras wunderschönen hellbraunen Augen gelegen, der ihn daran erinnerte, wie völlig aufgelöst sie auf der Beerdigung gewesen war.

So waren sie zusammen ausgegangen, aber niemals hätte er damit gerechnet, dass sie zusammen im Bett landen würden.

Frauen kamen und gingen, Alessandra jedoch war jemand, der schon ewig zu seinem Leben gehörte. Was hieß, dass er nicht einfach vergessen und weitermachen konnte, als wäre nichts geschehen. Sie mochte diejenige sein, die den Kuss initiiert hatte, aber er hätte stärker sein müssen. Die Schuld, dass sie dann miteinander geschlafen hatten, lag allein bei ihm.

In den sechs Wochen, seit er sie nicht mehr gesehen hatte, hatte er sich in Arbeit gestürzt und alles getan, um sie aus seinem Kopf herauszubekommen. Immerhin war es ihm so weit gelungen, dass er zu Roccos Hochzeit am Comer See gekommen war in der Überzeugung, mit ihrer Anwesenheit umgehen zu können.

So weit, so gut. Sie hatten ein paar Worte gewechselt, die üblichen Nettigkeiten, so wie sonst auch. Aber jetzt stand der Tanz bevor. Und ob Christian wollte oder nicht, er würde Alessandra noch einmal in seinen Armen halten müssen.

Die Musik spielte auf. Das Brautpaar ging auf die Tanzfläche. Olivia lehnte sich vor, um Rocco etwas ins Ohr zu flüstern, und es erinnerte Christian an den Abend mit Alessandra. Auch sie hatte sich zu ihm gelehnt, um bei dem Lärmpegel in dem Club verstehen zu können, was er sagte, und ihr Parfüm war ihm in die Nase gestiegen …

Stefan sagte etwas zu ihm, doch Christian hörte nicht richtig zu. Aus dem Augenwinkel sah er Alessandra, wie sie mit dem offiziellen Fotografen sprach, vermutlich gab sie ihm ein paar Tipps. Alessandra Mondelli war eine der meistbegehrten Modefotografinnen der Welt. Eine fantastische Leistung, bedachte man, dass sie erst fünfundzwanzig war. Und sie hatte es aus eigener Kraft geschafft. Genau wie er es allein geschafft hatte.

Stefan redete weiter … über die Wohltätigkeitsorganisation, die die vier Freunde vor einigen Jahren gegründet hatten. Italiener Rocco Mondelli, Sizilianer Stefan Bianco, Wüstenprinz Zayed Al Afzal und er selbst hatten sich gleich zu Beginn des Studiums an der Columbia University getroffen und, so unwahrscheinlich es auch schien, sofort einen Draht zueinander gehabt. Sie waren die „Columbia Four“. Niemand wusste mehr so genau, wem es zuerst eingefallen war, auf jeden Fall haftete ihnen der Name an. Über die Jahre war das Band zwischen den vier Männern immer stärker geworden, und als sich abzuzeichnen begann, dass sie bald auf der Forbes Liste der reichsten Männer der Welt stehen würden, hatten sie beschlossen, eine Wohltätigkeitsorganisation zu gründen, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen die Chance auf eine solide Ausbildung zu ermöglichen. Es war ein gutes Gefühl, seine Energien auch auf etwas anderes zu lenken als nur auf Geldverdienen und Frauen.

Sie hatten immer gedacht, das Band zwischen ihnen sei nicht zu zerstören. Doch auch der härteste Stahl gab irgendwann nach.

Sein Blick glitt zu Alessandra zurück. Sie starrte direkt in seine Richtung, in sein Gesicht, ein Ausdruck von Hoffnungslosigkeit in ihren Zügen.

Die Brust wurde ihm eng und enger …

Ein kräftiger Schlag auf seine Schulter brach den Bann.

„Zeit, dass du auf die Tanzfläche kommst.“ Zayed war auf seinen Platz neben Christian zurückgekehrt.

Theos. Er musste mit ihr tanzen. Trauzeuge und Brautjungfer – ausdrücklicher Wunsch der Braut.

Alessandra kam ihm auf halbem Weg entgegen, ihre Nervosität passte bestens zu dem, was in seinem Inneren tobte.

Es würde helfen, wenn die Band wenigstens einen der schnellen Songs spielen würde, mit denen sie den Durchbruch geschafft hatte, aber nein, ausgerechnet jetzt eine Ballade.

Mit zusammengebissenen Zähnen legte Christian die Arme um Alessandra und versuchte, die Erinnerungen zu ignorieren, die ihn überfielen. Ihr Duft, ihr Geschmack … Ihr Kleid war am Rücken tief ausgeschnitten, wenn er nicht ihren Hintern berühren wollte, musste er seine Hand auf ihre seidige Haut legen. Also hielt er sich so steif wie möglich.

Trotz des Abstands rührten sich seine Sinne sofort. Der Vergleich mit steifen Robotern würde wohl eher auf sie beide passen denn das Bild eines Paares, das eine Nacht mit heißem Sex hinter sich hatte. Denk an Rocco, befahl Christian sich und fühlte sich prompt noch miserabler.

Was würde der Freund sagen, wüsste er, dass Christian der kleinen Schwester die Unschuld genommen hatte?

Diese mitreißende Leidenschaft jener Nacht brodelte noch immer in seinem Blut. Dabei brauchte er nie mehr als eine Nacht. Hatte er erst mit einer Frau geschlafen, gab es keine Geheimnisse mehr zu entdecken. Es bestand keine Notwendigkeit für eine Wiederholung.

In seinem Kopf zählte Christian die Takte des Songs mit, fieberte dem Ende der Musik entgegen. Und als der letzte Ton dann endlich ausklang und er sich von Alessandra lösen wollte, da hob sie diese großen sanften Rehaugen zu ihm empor. Theos, sie war so schön!

Ihre so köstlich vollen Lippen teilten sich. „Christian, ich …“

Was immer sie hatte sagen wollen … sie kam nicht dazu, denn Zayed legte eine Hand auf ihre Schulter und warf Christian einen verschwörerischen Blick zu. „Jetzt habe ich die Ehre, diese schöne Lady um einen Tanz zu bitten“, sagte er so laut, dass der Bräutigam es hörte.

Rocco drehte den Kopf und sah mit schmalen Augen zu seiner Schwester hin. Als er Zayed erkannte, grinste er breit und nickte.

Nein, Rocco würde nie in den Sinn kommen, dass einer seiner Freunde etwas mit der Schwester anfangen würde, die er schon sein ganzes Leben lang beschützte.

Christian wurde übel vor Selbstverachtung. Er zwang sich zu einem Lächeln und trat mit einer spöttischen Verbeugung zurück. „Natürlich, sie gehört ganz dir.“

Er hätte einen gutmütig frotzelnden Kommentar von Alessandra erwartet, dass sie niemandem „gehörte“, stattdessen lag ihr Blick stumm auf seinem Gesicht. Panik huschte über ihre Miene, wurde sofort wieder kontrolliert, aber nicht schnell genug.

Hier im Saal gab es genug Personal, dass niemand länger als dreißig Sekunden auf seinen Drink oder das Nachfüllen seines Glases warten musste, dennoch stellte Christian sich an die Bar. Er musste dem fröhlichen Treiben für einen Moment entfliehen.

Nach einem Glas Bourbon drehte er sich wieder um und sah Alessandra jetzt mit Stefan tanzen. Mit ihm sieht sie fröhlich und unbeschwert aus.

Er überraschte sich selbst mit seiner Verbitterung. Aber ja, durchaus verständlich, weshalb sie sich in seinen Armen so steif gegeben hatte. Ein One-Night-Stand, mit dem keiner von ihnen beiden gerechnet hatte.

Er war ihr Erster gewesen.

Sein Verstand weigerte sich noch immer, diese Information zu akzeptieren. Die Frau, die als Teenager von der Presse für eine angebliche Affäre mit einem verheirateten Mann gekreuzigt worden war, war noch Jungfrau gewesen.

Er hatte schon immer vermutet, dass da mehr an der Geschichte dran sein musste, aber die Wahrheit war dann ein Schock für ihn gewesen.

Wie auch immer die Wahrheit aussehen mochte … es ging ihn nichts an. Alessandra ging ihn nichts an. Durfte ihn nichts angehen.

Er bestellte sich noch einen Bourbon, um den bitteren Geschmack aus seinem Mund wegzubrennen. Alessandra tanzte immer noch mit Stefan, Christian sah dessen Hand an ihrer Hüfte liegen, und als sie über etwas lachte, das der Freund ihr ins Ohr flüsterte, verursachte das Bittere an seinem Gaumen ihm Übelkeit.

Zayed gesellte sich zu ihm an die Theke. „Versteckst du dich, mein Freund?“

„Ich brauchte nur eine ruhige Minute.“

Der Tanz war offensichtlich zu Ende, Stefan kam ebenfalls zu ihnen. „Was trinken wir?“

„Christian ist bereits bei den harten Sachen angekommen.“ Zayed zeigte auf das Glas in Christians Hand.

Christian hörte nur mit halbem Ohr zu. Alessandra hatte die Tanzfläche verlassen und sich zu einer Gruppe an deren Tisch gesetzt, von denen er niemanden kannte. Sie starrte zu ihm hinüber.

Für einen Augenblick trafen ihre Blicke aufeinander, dann riss er sich los. Um seiner Freunde willen zwang er sich zu einem Lächeln. „Also, wer braucht auch einen kräftigen Schluck?“ Bevor die anderen überhaupt geantwortet hatten, bestellte er bereits drei Drinks bei dem Barmann.

Die Gläser in der Hand, stießen die drei Männer an und brachten ihren Trinkspruch aus. „Memento vivere – denk daran zu leben.“ Und mit dem Motto, nach dem sie lebten, tranken sie ihre Gläser auf einen Schluck leer.

Zayed wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ich fasse es noch immer nicht, dass einer von uns jetzt tatsächlich verheiratet ist. Ich meine … Rocco – verheiratet!“

„Man stelle sich vor … der Mann hat sich verliebt!“, schlug Stefan ebenso ungläubig in die gleiche Kerbe.

Christian gab nur einen unverständlichen Laut von sich und bestellte die nächste Runde. Vielleicht war es zynisch, aber er fragte sich, wie lange es dauern würde, bevor es hässlich wurde. Die Ehe verwandelte zwei Menschen voller Hoffnung und Liebe üblicherweise in verbitterte Karikaturen ihrer selbst. Nein, die Ehe war definitiv nichts für ihn.

Er bekam mit, wie die beiden Freunde sich über die anwesenden Frauen im Saal unterhielten, bis Zayed dann sagte: „Wisst ihr, wer sämtliche Schönheiten hier aussticht? Alessandra.“

Kaum dass ihr Name fiel, wandte Christian mit einem Ruck den Kopf, um den Freund anzufunkeln. „Denk nicht mal daran!“

Abwehrend hob Zayed beide Hände vor sich hoch. „Das ist lediglich eine Beobachtung. Du weißt doch genau, dass ich nie in die Richtung gehen würde, das würde ich Rocco niemals antun … He, wohin willst du?“

Christian glitt vom Barhocker und steuerte den Ausgang an. „Ich brauche frische Luft.“

„Geht’s dir nicht gut?“

„Wahrscheinlich der Jetlag. Bestellt noch eine Runde, ich bin gleich zurück.“

Er ging in den Waschraum und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Um Haaresbreite hätte er Zayed die Faust ins Gesicht gepflanzt. Er musste sich dringend zusammenreißen.

Und er glaubte auch, seinen inneren Tumult gut zu kaschieren, nachdem er im Ballssaal zurück mit seinen besten Freunden weiterfeierte. Der gute alte Christian, ganz wie immer, hatte er gedacht. Aber ständig spürte er Alessandras Augen auf sich liegen, und dann würden sich ihre Blicke für einen Moment verhaken, bevor sie beide hastig das Gesicht wieder abwandten.

Erst als das Brautpaar sich auf den Weg in die Flitterwochen machte, empfand Christian es als angebracht, sich ebenfalls zurückzuziehen. Natürlich musste er die Frotzeleien seiner Freunde über sich ergehen lassen, dass er so früh zu Bett ging, dennoch verließ er entschlossen den Ballsaal. Er warf noch einen letzten Blick zu Alessandra, doch dieses eine Mal sah sie nicht zu ihm hin.

Er war schon bei der Treppe, als jemand seinen Namen rief. Stefan kam auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Du spielst mit dem Feuer, mein Freund.“

„Ich weiß nicht, wovon du redest.“

„Natürlich weißt du das.“ Stefan schlug ihm leicht auf die Wange. „Du musst das beenden. Jetzt sofort.“

Christian konnte seinen Freund nicht anlügen. „Es hat nie richtig angefangen.“

„Gut, dann belasse es auch dabei. Um unser aller willen.“

Noch einmal tief Luft geholt, dann klopfte Alessandra an die Tür. Die Party unten war noch in vollem Gange, ein DJ hatte von der Band übernommen, die Musik drang durchs ganze Haus, aber hier oben war es relativ still und zum Glück menschenleer.

Sie wartete einen Moment, klopfte ein zweites Mal, lauter diesmal.

Wenn Christian nicht abgereist war, ohne Bescheid zu sagen, musste er in diesem Zimmer sein. Alessandra hatte Stefan und Zayed so lässig wie möglich nach dem dritten Musketier gefragt, und sie konnte nur hoffen, dass sie sich den mitleidigen Ausdruck in Stefans Augen nur eingebildet hatte, als er sie wissen ließ, dass Christian bereits zu Bett gegangen sei.

Lieber Gott, lass ihn allein sein.

Wie standen die Chancen dafür? Sie wusste, dass sie nichts Besonderes für ihn war, nur ein weiteres Häkchen auf seiner Eroberungsliste. Christian Markos ließ auf seinen Reisen immer gebrochene Herzen zurück. Manche erzählten ihre Geschichten den Boulevardblättern, einige verbittert, andere sehnsüchtig. Aber die meisten hätten nichts dagegen, ihr Herz noch einmal von ihm gebrochen zu bekommen

Es dauerte Ewigkeiten, bevor die Tür aufgezogen wurde. Christian trug nur Jeans, sonst nichts. Er kniff die Augen zusammen.

„Was willst du hier?“

„Ich muss mit dir reden. Darf ich hereinkommen?“

Sein Adamsapfel hüpfte. „Keine gute Idee.“

„Es ist wichtig.“

Er steckte den Kopf zur Tür heraus, sah sich nach beiden Seiten um. Der Korridor war leer. Er zog Alessandra herein und schloss die Tür.

Sie sah die halb leere Flasche Bourbon auf dem Tisch stehen, daneben ein Glas. „Bist du betrunken?“ Dieses Gespräch musste im nüchternen Zustand geführt werden.

„Nein.“ Er stellte sich ans Fenster. „Auch wenn ich mein Bestes gebe, um dorthin zu gelangen.“

„Heute ist es doch gut gelaufen.“ Sie setzte sich auf den Stuhl in der Ecke. Sie könnte wirklich einen Schluck von dem Bourbon gebrauchen, das würde es sicher einfacher machen. „Rocco und Olivia sahen sehr glücklich aus.“ Ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite freute sie sich für ihren Bruder, auf der anderen machte ihr das glückliche Brautpaar klar, dass sie selbst ein solches Glück nie erfahren würde.

Christian verschränkte die Arme vor der breiten Brust. In ihrem Apartment hatte Alessandra gar nicht die Möglichkeit gehabt, ihn genauer anzusehen, jetzt, da sie einen gründlichen Blick auf ihn werfen konnte, blühte die Hitze, die sie in jener Nacht empfunden hatte, erneut auf.

Mit ihm zu schlafen war die großartigste Erfahrung ihres Lebens gewesen. Nie würde sie das vergessen. Und so schön es auch gewesen war, es durfte sich unter keinen Umständen wiederholen.

„Worüber wolltest du mit mir reden?“

Seine Frage riss sie zurück in die Gegenwart. Nein, unfreundlich war er nicht, aber von dem amüsanten, unbeschwerten Christian war auch keine Spur zu entdecken. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass er sie so schnell wie möglich aus seinem Zimmer heraushaben wollte. Seine Reue und Selbstverachtung waren nicht zu übersehen.

Das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen, ihr Magen drehte sich, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Das hier war allein ihre Schuld …

„Ich bin schwanger.“

2. KAPITEL

Donnerndes Schweigen legte sich über den Raum. Christian schien zusammenzusacken, als hätte er einen Schlag erhalten.

Vermutlich ist es das auch für ihn, dachte Alessandra elend.

Wie sie es geschafft hatte, sich den ganzen Tag zusammenzureißen, war ihr noch immer ein Rätsel. Sie hatte nur immer gedacht, dass sie auf keinen Fall Roccos und Olivias großen Tag verderben durfte. Auf gar keinen Fall.

Schon ihr ganzes Leben nahm sie sich zusammen, sobald sie sich in der Öffentlichkeit befand, aber anstrengender als heute Abend war nur die Beerdigung ihres Großvaters gewesen. Da waren die Paparazzi wie die Heuschrecken eingefallen. Alessandra hatte die ganze Zeit eine dunkle Sonnenbrille getragen, die sie nur in der Kirche abgenommen hatte. Selbst als Sandro, ihr Alkoholiker-Vater, eine unmögliche Szene veranstaltet hatte, hatte sie eisern Fassung gewahrt. Christian und Zayed waren es gewesen, die Sandro diskret zur Seite und aus dem allgemeinen Rampenlicht gezogen hatten.

Christian stolperte zum Bett und ließ sich auf die Kante sinken, stützte den Kopf in die Hände.

„So sag doch etwas“, flehte sie. Tränen brannten in ihren Augen, die sie wütend wegblinzelte. Sie hatte längst genug Tränen vergossen.

Christian sah sie durchdringend mit seinen blauen Augen an. „Wie lange weißt du es schon?“

„Vermutet habe ich es schon länger, aber vor zwei Tagen habe ich einen Test gemacht.“ Sie lachte auf, selbst für ihre eigenen Ohren klang es hohl. „Drei, um genau zu sein, weil ich gehofft habe, dass es nicht stimmen kann.“ Nach dem dritten positiven Testergebnis hatte sie sich unter der Bettdecke zusammengerollt und sich die Augen aus dem Kopf geweint.

„Warst du schon beim Arzt?“

„Nein.“ Sie kaute an ihrer Unterlippe. Sie hatte zwei Wochen gebraucht, um sich überhaupt mit dem Gedanken anzufreunden, dass es für das Ausbleiben ihrer Periode eventuell einen Grund geben könnte. Und noch mal zwei Wochen, bevor sie den Kopf aus dem Sand gezogen und es über sich gebracht hatte, den Fuß in eine Apotheke zu setzen. Sie hatte nie daran gedacht, dass sie eines Tages Mutter werden würde. Das gehörte für sie zu festen Beziehungen, und an die glaubte sie schlicht nicht.

„Bist du sicher?“

„Ja.“ Nachdem sie ihren Zustand akzeptiert hatte, waren auch keine Tränen mehr geflossen.

In ihr wuchs ein neues Leben heran. Wie auch immer dieses Gespräch mit Christian verlaufen würde, daran änderte sich nichts. Ihr Baby war Teil von ihr. Nichts hätte sie auf den Schwall von überwältigenden Gefühlen vorbereiten können, den eine Schwangerschaft mit sich brachte. So früh es auch noch war, schon jetzt liebte sie ihr Baby. Sie würde alles tun, um es zu beschützen. Absolut alles.

„Es tut mir so leid.“

Er runzelte die Stirn. „Was tut dir leid?“

„Alles. Ich hab’s verbockt. Ich habe die Pille nicht regelmäßig genommen. Sie sollte ja auch keine Empfängnis verhüten, sondern nur meinen Zyklus regulieren.“

„Das hättest du mir sagen sollen. Theos, hätte ich das gewusst, hätte ich ein Kondom benutzt.“ Er fluchte unter angehaltenem Atem.

„Es tut mir wirklich sehr leid.“

Seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Sie ahnte, dass seine Beherrschung an einem seidenen Faden hing.

„Du kannst dir nicht die alleinige Schuld geben, schließlich waren wir beide daran beteiligt. Ich hätte für die Verhütung sorgen sollen, wie ich es sonst auch immer tue.“

Sie schloss die Augen, verdrängte den Gedanken, wie er mit anderen Frauen zusammen war. „Christian, ich kann das nicht allein durchmachen, ich brauche deine Unterstützung. Nicht finanziell, aber in anderer Hinsicht.“ Finanziell brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Sie hatte ihre Wohnung, ihre Karriere war praktisch ein Selbstläufer … Sie hob die Lider und sah ihn an. „Ich weiß, es ist unfair, weil ich bereits Zeit hatte, mich daran zu gewöhnen, aber ich möchte dein Wort haben, dein Ehrenwort, dass du für mich und unser Baby da sein wirst.“ Nicht, dass sie sich darauf verlassen würde. Er war ein Mann, und Männer brachen immer ihr Wort.

Nichtsdestotrotz musste sie wenigstens versuchen, ihm zu trauen, schließlich war er der Vater ihres Kindes. Aber was hieß das schon? Ihr Vater war der größte Lügner von allen. Auf dem Sterbebett hatte er ihrer Mutter versprochen, sich um die beiden Kinder zu kümmern.

Die einzigen Männer, denen sie vertraute, waren ihr Bruder und ihr Großvater. Und erst vor Kurzem war ans Licht gekommen, dass ihr Großvater auch seine dunklen Geheimnisse gehabt hatte. Es hatte ihr das Herz gebrochen. Und hätte sie nicht so sehr um ihn getrauert, hätte sie auch nie mit Christian geschlafen.

Als Christian zu einem Überraschungsbesuch bei Mondelli auftauchte, ohne zu wissen, dass Rocco in New York war, hatte er sie in einer ganz miserablen Stimmung erwischt. Nie hatte sie solchen Schmerz gekannt. Noch heute gab es Momente, da schnitt es durch sie hindurch wie tausend Messer. Mit Christian auszugehen war die perfekte Ablenkung gewesen, um diesen Schmerz für einen Abend zu vergessen. Nur deshalb hatte sie ihn überredet, mit ihr auszugehen. Nie hätte sie vorausgesehen, dass sie zusammen im Bett landen würden.

Aber das waren sie, und nun musste sie die Konsequenzen tragen. Und Christian auch. Immerhin hatte sie ihm genügend vertraut, um ihre Unschuld an ihn zu verlieren. Das musste doch auch etwas bedeuten.

Sie wünschte, er würde endlich etwas sagen. Er saß völlig regungslos da, aber seine Augen blickten extrem wachsam. „Sobald das mit meiner Schwangerschaft herauskommt, wird sich die Presse auf mich stürzen, und das kann ich nicht noch einmal durchstehen. Nicht allein.“ Schon bei der Vorstellung wurde ihr Magen hart wie Stein. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Zeit, als die Paparazzi die Villa Mondelli belagert hatten. Nie wieder hatte sie solche Angst gehabt, nie wieder hatte sie sich so allein gefühlt. „Wenn ich deine Zusage für Unterstützung habe, kann ich vielleicht wieder ruhig schlafen.“

Christian griff nach der Bourbonflasche und seinem Glas, goss einen großzügigen Schluck ein und bot ihr den Drink an. Stumm schüttelte sie den Kopf. „Nein, natürlich nicht, du bist ja schwanger.“ Er stellte beides wieder ab, stand auf und ging zum Fenster zurück, lugte durch den Vorhang.

„Wirst du mich unterstützen?“ Sie musste es wissen, um zur Ruhe kommen zu können. Sollte er ablehnen, wusste sie nicht, was sie tun würde. Zusammenbrechen … oder ins Kloster gehen. Aber nein, um des neuen Lebens willen, das in ihr heranwuchs, würde sie durchhalten. „Wirst du unser Baby unterstützen und ihm ein Vater sein?“

Das Klingeln in Christians Ohren, seit Alessandra ihre Ankündigung gemacht hatte, ließ endlich nach. Christian sah zu ihr, sah auf ihren Bauch, noch immer flach in dem violetten Kleid, nicht einmal eine Andeutung von dem neuen Leben, das sie unter ihrem Herzen trug.

Das Leben, das sie zusammen geschaffen hatten.

Sein Baby.

Er wurde Vater.

Er dachte an seinen Vater, einen Mann, der gegangen war, noch bevor Christian sich überhaupt sein Gesicht hatte einprägen können. Es gab auch keine Andenken an ihn, seine Mutter hatte alles verbrannt. Und tief in ihm ruhte die unerschütterliche Überzeugung, dass sein Kind nicht ohne den Vater aufwachsen sollte.

Von frühester Kindheit an hatte er nur das Bild seiner verbitterten Mutter vor Augen. Sein Vater hatte sie in diese Frau verwandelt, als er die Familie verließ. Christian wollte kein solcher Mann sein.

Er musterte Alessandras Gesicht, sah dann auf ihren flachen Bauch. Sie gab sich alle Mühe, gelassen und ruhig zu wirken, aber er konnte das Zittern ihrer Hände sehen, und sie kaute immer wieder an ihrer Unterlippe, während sie auf seine Antwort wartete.

Er wusste, wie diese Antwort auszufallen hatte.

„Ja.“ Er nickte bekräftigend. „Ich werde dich und unser Kind unterstützen. Ich möchte, dass wir heiraten.“

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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