Dein Bett oder meins?

– oder –

 

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Nie wieder Männer! schwört Tori, als sie ihren Freund mit einer anderen erwischt. Sie flieht zu ihren besten Freundinnen in deren Apartment nach Notting Hill. Hier kann sie sich ausheulen und in dem leer stehenden Zimmer gemütlich schlafen. Allein! Doch als sie ins Bett schlüpft, trifft sie fast der Schlag: Da liegt schon wer. Jemand, dessen Haut warm und weich ist, der unverschämt gut duftet und der sie verschlafen murmelnd an sich zieht … Fast könnte Tori bei diesem Fremden vergessen, was sie sich geschworen hat: Nie wieder Männer! Aber nur fast?


  • Erscheinungstag 12.10.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719517
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Oh, ja … ooh … oh Baby!“

Oh, bitte, kein Porno, war alles, was Tori Phillips denken konnte, als sie nach einem höllischen Arbeitstag die Tür zu Marks Apartment hinter sich ins Schloss drückte. Nicht an einem Freitagabend um halb sieben, wenn sie nichts anderes wollte, als sich in einem kuscheligen Pyjama auf der Couch zu lümmeln, eine Tasse heißen Tee zu trinken und sich irgendeine alberne Reality-Show im Fernsehen anzusehen, um bestätigt zu bekommen, dass es Menschen gab, die noch verrückter waren als sie.

Und wenn sie schon dabei war … könnten sie heute mal auf den Sex verzichten? Sie war zu müde, um die Hauptrolle in Marks Kamasutra-Fantasien zu übernehmen.

„Mark?“

„Im Schlafzimmer.“

Seine Stimme war nicht gerade die sonorste, selbst wenn er sich Mühe gab. Und wenn er erregt war, hatte er eine regelrechte Fistelstimme. Herrgott, was sah er sich da nur an? Mit einem sehnsüchtigen Blick auf den Wasserkocher durchquerte Tori die Küche.

„So gut … ja, Baby … ooh …“

Definitiv ein Porno. Tori schnitt eine Grimasse. Verdammt. Das hieß, Mark stand in den Startlöchern, aber ihr platzte wirklich fast der Schädel vor Kopfschmerzen.

Sie öffnete die Schlafzimmertür … und blinzelte.

Die Laute kamen nicht aus dem Fernseher – der war schwarz –, sondern vom Bett. Für einen Moment weigerte sich ihr Verstand, das Bild zu verarbeiten, das sich ihr bot. Eine Frau mit bläulich-weißer Haut und riesigen Brüsten saß rittlings auf Mark und wippte auf ihm auf und ab wie eine verrückte Fee. „Fee“, weil sie auf ihren Pobacken ein Paar Flügel tätowiert hatte. Tori rechnete damit, dass sie jeden Moment abheben und in die Luft flattern würde …

„Ooh … ja … so gut, Baby …“

Die irre Fee konnte also sprechen, und ihr Wortschatz bestand aus fünf Wörtern. Beeindruckend.

Mark drehte den Kopf und bemerkte ihre schockierte Miene. „Tori! Wurde auch Zeit, dass du nach Hause kommst. Wir hatten keine Lust mehr, auf dich zu warten, und dachten uns, wir fangen schon mal an. Komm, zieh dich aus. Cinnamon wird dir zeigen, was du zu tun hast.“

Cinnamon? So heißt sie also? Zimt? Ernsthaft? Tori wünschte, sie könnte sich die Augen mit antibakterieller Seife auswaschen.

„Komm schon, Tori, beeil dich.“

Die irre Fee sah über die Schulter zu ihr hin, ohne ihren wilden Ritt zu unterbrechen. „Hey, Süße, nur nicht schüchtern. Ich werde auch ganz sanft sein.“

Äh … nein. Danke, aber nein danke. Sollte man sie ruhig für prüde halten, aber sie stand nicht auf Frauen. Und mit einer verlebt aussehenden Frau mit tätowierten Feenflügeln auf dem Hintern würde sie sich ganz bestimmt nicht einlassen.

Es gab also doch gewisse Dinge, die sie nicht für die Liebe tat. Gut zu wissen.

„Komm endlich, Vicky. Das wird lustig“, drängte Mark ungeduldig.

„Nenn mich nicht Vicky“, fauchte Tori. Als ob das jetzt wichtig wäre. Großer Gott. Reglos starrte sie auf die beiden vor sich und spürte ätzende Wut in ihrer Kehle aufsteigen. Am liebsten hätte sie laut geschrien.

Es kostete sie endlose Mühe, sich zu beherrschen und ein schmales Lächeln aufzusetzen. „Sekunde noch, Süße … Ich muss nur etwas holen. Mach ruhig weiter. Eine kleine Warnung noch … er verschießt sein Pulver ziemlich schnell.“

Der Ritt auf dem Bett kam zum Stillstand.

„Gott, wirst du jetzt stutenbissig?“ Mark tat, als hätte sie ihn dabei ertappt, dass er aus der Flasche statt aus dem Glas trank – und nicht in flagranti mit einer wasserstoffblonden Schlampe im Bett erwischt. „Vielleicht hätte ich dich vorbereiten sollen, bevor du nach Hause kommst …“, gestand er immerhin zu.

Der Würgereiz wurde stärker. „Möchtest du das wirklich jetzt ausdiskutieren, während du mitten in Aktion bist?“

Das Ganze war vollkommen surreal. Wie die Katastrophen, die man in den Nachrichten sah, man war entsetzt und gefesselt zugleich. Tori sah zu, wie Mark der irren Fee die Hüfte tätschelte. Sie rollte sich von ihm, und er setzte sich auf die Bettkante. Seine Erektion war der offenkundige Beweis, dass er bereit war, die Party weiterzufeiern.

Kurz schloss Tori die Augen, dann ging sie zu dem großen begehbaren Schrank, griff nach ihrer Reisetasche, stopfte T-Shirts und Jeans und ein paar Sachen fürs Wochenende hinein.

„Was treibst du da?“, kam es von Mark, als sie, die Tasche in der Hand, ins Bad stapfte.

„Ich backe Cupcakes!“, blaffte sie. „Wonach sieht es denn aus?“

„Danach, dass du überreagierst, Vicky.“

Mit einem vernichtenden Blick auf ihn nahm sie die Kulturtasche, die sie ihm geschenkt hatte, packte ihr Make-up und Hygieneutensilien hinein, quetschte die Kulturtasche in die Reisetasche, zog den Reißverschluss zu und schwang sich die Tasche über die Schulter.

Mark zog sich seinen Bademantel über und fuhr sich mit den Fingern durch das blonde Haar. „Das ist nur deine Schuld, das weißt du, oder? Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich es oft und abwechslungsreich brauche, und …“

„Dein ‚oft‘ ist ein Witz, und dein ‚abwechslungsreich‘ grenzt an pervers. Und das …“, sie zeigte auf das Bett mit der Blondine, „… ist unverzeihlich!“

„Du liebst mich nicht genug.“

Ich liebe dich überhaupt nicht. Der Gedanke kam aus dem Nichts und überraschte Tori. Sie hatte gedacht, sie würde ihn lieben. Aber dann müsste sie jetzt am Boden zerstört sein statt einfach nur angeekelt, oder?

„Du benimmst dich unvernünftig, völlig grundlos.“ Mark gähnte ausgiebig, ohne sich die Mühe zu machen, die Hand vor den Mund zu halten.

„Wirklich, Süße. Du machst die ganze Stimmung kaputt“, stimmte die irre Fee ernst zu.

Sie musste hier raus, bevor sie einen Doppelmord beging. Häftlingsorange war so gar nicht ihre Farbe.

Die Tasse Tee ist inzwischen überlebenswichtig geworden, dachte Tori, als sie auf der Rückbank des Taxis saß, das sie nach Hause bringen würde. Nach Hause in die Lancaster Road. Nach Hause zu Poppy und Izzy.

Izzy ist ja gar nicht mehr da, erinnerte sie sich. Sie war ja mit ihrem Harry zusammen. Die beiden waren so verdammt glücklich miteinander, dass es manchmal richtig wehtat, sie anzusehen. Aber Poppy würde zu Hause sein …

Sie musste einfach nur wieder nach Hause zurück, dann würde sie sich schnell wieder besser fühlen. Sie brauchte Menschen um sich, die sie wirklich liebten.

Liebe. Ihr heiliger Gral. Ihre ewige Suche. Es musste nicht die perfekte Liebe sein, nicht unbedingt ein Märchen. Sie brauchte keinen Traumprinzen, aber sie wäre gern jemandes Prinzessin.

Für Mark allerdings nicht mehr.

Sie hörte Izzys spöttische Stimme in ihrem Kopf. Bei Männern hast du wirklich ein todsicheres Händchen, Toz. Du suchst dir unter Garantie immer den schrägsten Typen von allen aus.

Schon möglich. Aber das lag daran, dass sie immer darauf hoffte, dass vielleicht gerade dieser Mann sie lieben könnte. Tief, wahrhaft, für immer.

Im Wunschdenken war sie Meisterin.

Sie hätte Mark längst den Laufpass geben sollen. Aber sie hatte immer noch gehofft, ihn ändern zu können. Und wenn sie ehrlich war, hatte es ihr geschmeichelt, Zentrum seines Begehrens zu sein. Es mochte nicht die Liebe gewesen sein, nach der sie sich sehnte, aber immerhin …

Es hatte gereicht, um die Textnachrichten auf seinem Handy zu ignorieren, genau wie das Teenie-Girl, das neulich fast die Tür eingeschlagen hatte, und die konstanten Anrufe seiner Exfreundin. Natürlich hatte sie ihn verdächtigt, mehrgleisig zu fahren, aber einen handfesten Beweis hatte sie nie gefunden. Sie hatten sich deswegen gestritten – sie hatten sich wegen allem gestritten! –, aber Tori hatte ihre Rechtfertigung gehabt: lieber dieses laute, verrückte Auf und Ab als der Kalte Krieg, den sie bei ihren Eltern miterlebt hatte. Lautstarkes Streiten war besser als sarkastische Kommentare, verletzende Beleidigungen und abfälliges Lächeln. Sie würde laut und explosiv immer vorziehen, so war man wenigstens gewarnt, bevor es zu emotionalem Blutvergießen kam.

Mark war sicher nicht perfekt, aber sie auch nicht. Er war auch nicht der Traummann, aber … er war jemand gewesen, mit dem man abends einschlafen und morgens aufwachen konnte. Mit dem man zusammen sein konnte.

Nur hat er jetzt nicht nur den Beweis geliefert, sondern eine Bombe platzen lassen, dachte sie, als das Taxi vor ihrem früheren Zuhause, der Wohnung im obersten Stock der alten umgebauten Feuerwache mit dem Café im Parterre, hielt.

Sie wischte sich die Tränen von den Wangen, holte tief Luft, stieg aus und zog ihre Reisetasche vom Rücksitz.

Wie soll ich es dieses Mal erklären, überlegte sie, als sie zu den Fenstern hochblickte. Seit ihrer Kindheit war Poppy immer diejenige gewesen, zu der sie gerannt war, wenn das Leben ihr wieder einmal übel mitgespielt hatte.

Poppy und Izzy. Ihre ältesten Freundinnen. Die Menschen, die sie am meisten liebten. Sie würden sie mit offenen Armen empfangen, so wie immer. Und dann würden sie ihr zuhören, wenn sie ihre Geschichte erzählte, so wie immer. Tori wünschte, sie hätte die Courage, die Wahrheit ein einziges Mal beim Namen zu nennen – dass sie sich ausgehöhlt und leer und traurig fühlte. Dass sie maßlose Angst hatte, nie das zu finden, wonach sie sich am meisten sehnte.

Angst, dass sie bald dreißig und dann vierzig und fünfzig und noch immer allein sein würde. Wegen ihres Unterhaltungswerts und ihres hübschen Gesichts würde man den Kontakt zu ihr halten, aber warf man einen Blick hinter die Fassade, wurde sie nicht geliebt, nicht geschätzt und – was das Schlimmste war – nicht gebraucht.

„Ernsthaft, die Gute hatte ein solches Tempo drauf, dass ich damit gerechnet habe, sie würde jeden Moment die tätowierten Flügel spreizen und in die Luft steigen …“

In der farbenfrohen Unordnung des Wohnzimmers saß Tori in ihrem Lieblingssessel, Poppy ihr gegenüber auf dem alten Ohrensessel und Izzy auf der Ottomane neben ihr. Beide Frauen hielten sich vor Lachen den Bauch.

Bravo, Tori, du hast es mal wieder geschafft, dachte sie müde.

„Oh Tori, hör auf“, schnaubte Izzy kichernd. „Man sollte dein Liebesleben verfilmen, das würde der Kinohit werden.“

„Und wie hat Mark reagiert?“ Poppy wischte sich die Lachtränen aus den Augen

„Er hat mit keiner Wimper gezuckt, sondern nur gemeint, ich solle mich mit dem Ausziehen beeilen und mich dazugesellen, die Tussi würde mir schon zeigen, was ich zu tun habe.“

Den anderen beiden blieb synchron der Mund offen stehen. „Und du hast nichts davon geahnt?“

„Himmel, nein!“ Tori zwang sich zu einem Lächeln. „Dann hätte ich doch wenigstens die Dritte im Bunde aussuchen können, denn sie hätte ich ganz bestimmt nicht gewählt. Sie sah aus wie die wandelnde Matratze. Außerdem machen Frauen mich nicht an.“

„Du hast Melissa Butler geküsst.“

„Da war ich dreizehn, Poppy. Und du hast mit mir gewettet.“ Tori starrte an die Decke.

Poppy musterte sie mit ihrem typisch forschenden Blick. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir, Toz? Du tust, als wäre es dir völlig egal, aber …“

„Mir geht’s gut, ehrlich. Soll Mark doch so vielgleisig fahren, wie er will.“

„Da wir gerade davon reden …“ Poppy war jetzt ganz Ärztin. „Vielleicht solltest du dich besser untersuchen lassen. Du kommst zu uns rein, und ich mache ein paar Tests … nur zur Sicherheit.“

Sie mochte emotional sein, aber blöd war sie nicht. „Entspann dich wieder, Frau Doktor. Wir haben immer Kondome benutzt, keine einzige Ausnahme.“ Auch wenn Mark sich immer beschwert hatte. „Mal was ganz anderes … ich bin obdachlos und muss wieder zurückziehen. Kann ich mein altes Zimmer haben?“

Poppy und Izzy tauschten einen hektischen Blick, und Tori spürte Panik in sich aufsteigen. Wenn sie nicht wieder hier einziehen konnte, wusste sie nicht, wie sie durchhalten sollte, ohne zusammenzubrechen. Sie brauchte diese Menschen jetzt wirklich dringend.

Poppy wirkte leicht gehetzt. „Alex und Lara wohnen in deinem früheren Zimmer, und Izzys ehemaliges Zimmer habe ich an Isaac vermietet …“

„Ist der nicht ständig unterwegs?“

„Ja, schon, aber …“

„Sie kann doch die Abstellkammer haben – jetzt, wo ich bei Harry wohne“, mischte Izzy sich ein.

Himmel, die Abstellkammer. Winzig, vollgestopft, ein superschmales Bett, kein Schrank, kleines Fenster, und man hörte jedes Geräusch aus dem Bad. Einen enormen Pluspunkt hatte das Zimmerchen allerdings: kein Mark.

„Einverstanden, ich nehme die Abstellkammer.“ Tori seufzte. „Ich denke trotzdem, du oder Alex, ihr solltet euch überlegen, ob ihr nicht gnädig sein wollt und mir eines von euren Zimmern überlasst. Ich habe nämlich eine traumatische Erfahrung hinter mir und überlege mir ernsthaft, ob ich nicht Chlorreiniger nutzen soll, um wieder sauber zu werden …“

Poppy stand auf, nahm ihr Weinglas in die Hand und klopfte Tori auf die Schulter. „Das nächste Mal, wenn du dir einen Mann aussuchst, versuch, jemanden zu finden, der nicht gerade erst aus dem Urschlamm gekrochen ist, okay?“

„Ja, Mum“, grummelte Tori in sich hinein.

Ernsthaft, die Gute hatte ein solches Tempo drauf, dass ich damit gerechnet habe, sie würde jeden Moment die tätowierten Flügel spreizen und in die Luft steigen …

Matt Cross blieb in der offenen Apartmenttür zu seiner neuen Bude stehen und überlegte ernsthaft, ob er nicht besser umkehren sollte. Natürlich erkannte er sofort, dass sich da Frauen unterhielten. Da wollte er nicht hineinplatzen und die Sache unterbrechen. Vermutlich würde er sich daran gewöhnen müssen, genau wie an Parfüm, das in der Luft hing, Lingerie, die herumlag, und überall abgestellte leere Weingläser.

Es war lange her, dass er sich mit anderen eine Wohnung geteilt hatte. Jetzt mit Poppy und Alex zusammenzuwohnen, würde gewöhnungsbedürftig werden, aber hier würden seine Klienten ihn zumindest nicht finden und zu allen Tages- und Nachtzeiten an seine Tür hämmern.

Er hob eine Augenbraue, als die rauchige Frauenstimme mit der Erzählung fortfuhr. Da Matt sich nicht verraten wollte, spähte er nur vorsichtig um die Ecke und erhaschte einen Blick auf das perfekte Profil einer Frau mit farbigen Strähnen im Haar und ellenlangen Beinen.

Wow. Sexy.

Er lenkte den Blick zu Poppy, seiner Vermieterin, dann zu Izzy, die er schon getroffen hatte. Dann musste die dritte Frau wohl die ehemalige Mitbewohnerin sein.

Poppy wischte sich Lachtränen vom Gesicht, Izzy hielt sich prustend den Bauch. Doch die Erzählerin schien ihre Geschichte keineswegs so lustig zu finden. Er sah, wie fest sie ihr Weinglas umklammerte. Der Stiel konnte jeden Moment brechen.

Jetzt blickte sie zur Decke und blinzelte hektisch. Ihre Augen glitzerten verdächtig. Hoppla. Die Frau war zutiefst aufgewühlt. Instinktiv wollte er zu ihr gehen, sie in die Arme ziehen und ihr versichern, dass alles in Ordnung war und es guttat, sich auszuweinen.

Seine Reaktion ließ ihn stutzen. Er kannte die Frau doch gar nicht. Aber er beobachtete sie weiter, sah, wie sie sich zusammennahm, ein strahlendes Lächeln aufsetzte und die anderen wieder mit großen Augen ansah.

Sie war gut, ein echtes schauspielerisches Talent.

Hat mit keiner Wimper gezuckt. Meinte nur, ich solle mich mit dem Ausziehen beeilen und mich dazugesellen, die Tussi würde mir schon zeigen, was ich zu tun habe. Sie erzählte ihre Geschichte weiter, und Matt hatte plötzlich das Bedürfnis, irgendeinem Clown, den er genauso wenig kannte, einen Schwinger zu verpassen.

Alex trat hinter ihn, Matt drehte sich zu ihm um und sah ihn mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an.

Außerdem machen Frauen mich nicht an. – Du hast Melissa Butler geküsst. – Da war ich dreizehn, Poppy. Und du hast mit mir gewettet.

„Oh Mann, was ist Tori denn jetzt schon wieder passiert?“, seufzte Alex, der ebenfalls um die Ecke spähte.

Tori also. Der Name gefiel Matt. Er rieb sich über die Stirn. „Soviel ich mitbekommen habe, kam sie von der Arbeit nach Hause, um festzustellen, dass ihr Freund ohne ihr Wissen einen flotten Dreier arrangiert hatte, woraufhin sie ihre Sachen gepackt hat.“

Alex fluchte leise. „Und jetzt präsentiert sie das Ganze natürlich als amüsante Anekdote. Typisch Tori. Der Bastard. Vielleicht sollte ich ihm einen Besuch abstatten …“

Interessant, dachte Matt. Er wusste, dass Alex völlig verrückt nach Lara war. Woher kam dann dieser Beschützerinstinkt gegenüber Tori? Und warum sollte mir das aufstoßen? „Das ist dann also die dritte Frau, von der ihr immer redet?“

Alex nickte. „Tori, Poppy und Izzy haben hier jahrelang zusammengewohnt. Aber Tori ist vor ein paar Monaten ausgezogen. Ich wohne jetzt in ihrem Zimmer, und du beziehst Izzys Turm, während Isaac weg ist. Oh Mann, ich hatte Tori vor Mark gewarnt, aber sie wollte ja nicht auf mich hören.“ Alex hob erstaunt die Augenbrauen, als er Tori laut lachen hörte. „Sie scheint es gut wegzustecken. Ich hätte erwartet, dass sie Gläser und Mobiliar gegen die Wand schleudert.“

Matt war dankbar, dass sie es nicht tat. Ihm reichten die Dramen, die seine Klienten veranstalteten. Als Agent für Sportgrößen kümmerte er sich nicht nur um die Businessseite und die Verträge, sondern betätigte sich oft genug auch als Psychotherapeut, großer Bruder und Kummerkastentante. Das war auch der Grund, weshalb er während seines Aufenthalts in London hier in Notting Hill unterkam. Er liebte seinen Job, aber seine Londoner Klienten sollten nicht jederzeit unangemeldet vor der Tür stehen. Es reichte ihm völlig, dass sie ihn telefonisch erreichen konnten. Er war sicher, dass er bereits einen „Telefonarm“ entwickelte – so wie andere einen Tennisarm –, nur weil er sich ständig das Telefon ans Ohr halten musste.

Seine Zeit hier betrachtete er als eine Art Kurzurlaub, eine Pause von der Rolle des Problemlösers. Und was die Frauen anging … Denen würde er auch eine Weile aus dem Weg gehen, da die letzte, mit der er in Kapstadt zusammen gewesen war, sich in den Kopf gesetzt hatte, die erste Mrs Cross zu werden.

Es hatte immer nur eine Mrs Cross gegeben – seine Mutter –, und er hatte nicht vor, das zu ändern.

Nie.

Alex deutete mit dem Kopf nach draußen. „Wenn Tori in einen Raum kommt, hörst du Vögel singen und das Licht strahlt heller – wenn sie glücklich ist. Wenn sie sich jedoch elend fühlt, beginnt Lava zu brodeln und du hörst die Dämonen heulen. Im Moment klingt sie, als wäre sie so weit in Ordnung, doch der Wind kann sich von einer Sekunde auf die andere drehen. Und mal ehrlich … müssen wir uns das noch zusätzlich zu unseren eigenen Problemen antun?“

„Nein“, stimmte Matt ihm zu. So konnten die Frauen sich in Ruhe weiter unterhalten, und die Schönheit, die Lava zum Brodeln und Dämonen zum Heulen brachte, hatte mehr Raum, um sich wieder zu sammeln.

„Gehen wir auf ein Bier in Isaacs Club“, schlug Alex vor. „Auch wenn er im Moment mal wieder unterwegs ist.“

„In welchen? Er hat doch mehrere, oder?“

„Rot. Ist mit der U-Bahn gut zu erreichen. Wir kommen später zurück, wenn die Luft rein ist.“

Das war die beste Idee, die Matt heute gehört hatte. Er warf noch einen letzten Blick auf die schöne Herrin der Lava und der Dämonen

Als sie die Treppen im Hausflur hinabstiegen, warf Alex ganz lässig eine Bombe über die Schulter zurück, die Matt mitten zwischen die Augen traf.

„Nur zur Info … ich werde den Boden mit dir aufwischen müssen, solltest du dich an Tori heranmachen. Klar?“

Matt nickte stumm. Die Warnung war angekommen.

2. KAPITEL

Tori lag auf dem extrem unbequemen schmalen Bett in dem winzigen Zimmer, sah auf das blinkende Display ihres Handys und ignorierte den Anruf.

Wie oft hatte Mark jetzt schon angerufen? Sechzehn, siebzehn Mal? Sie legte den Arm über die Augen. Sie war so endlos müde und fühlte sich wie ausgebrannt. Sie hatte vorhin eine großartige Show abgeliefert, ahnte jedoch, dass ihre Freundinnen sie ihr nicht wirklich abgekauft hatten. Dafür kannten sie sie zu gut.

Tori bekam Schluckauf. Sie konnte es nicht fassen, dass sie wegen eines Mannes heulte – mal wieder. Das war ein Muster, das mit ihrer Kindheit begonnen hatte, und bisher hatte sie es nicht brechen können. Auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Liebe ließ sie sich auf die unmöglichsten Situationen ein, und wenn es vorbei war, ganz gleich, wie lange es gedauert hatte, fühlte sie sich leer und wertlos.

Sie war es leid, sich leer und wertlos zu fühlen. Aber nicht einmal ihren Eltern hatte sie viel bedeutet, geschweige denn ihren diversen Versager-Freunden. Und Mark erst recht nicht.

Wenn man es von der positiven Seite betrachtete, hatte sie wenigstens nicht zu viele Gefühle in Mark investiert und ihm die unsichere und verletzliche Frau gezeigt, die sich unter der kessen Oberfläche versteckte. Sollte sie je einem Mann begegnen, dem sie einen Blick hinter die Fassade erlaubte, wäre das vielleicht derjenige, in den sie sich verlieben würde. Ein Mann, der ihr die Liebe, Geborgenheit und Stabilität bieten könnte, die sie bisher immer vermisst hatte.

Tori rollte sich auf die Seite und schlug auf das dünne Kissen ein. Das Bett war einfach unmöglich, und in dem winzigen Zimmerchen bekam man Platzangst. In den glücklichen Tagen voller Lachen und Partys, als sie, Poppy und Izzy hier zusammen gewohnt hatten, hatte Izzy den Raum für ihre Kleider benutzt, und Poppy hatte hier ihre medizinischen Utensilien gelagert. Dieses Bett war nur benutzt worden, um Dinge darauf abzulegen. Jetzt schien es ein Auffanglager für verlorene Seelen zu sein – erst Izzy, dann Lara, jetzt sie.

Allerdings hatte auch die Wohnung sich verwandelt: Sie war zu einem Ort geworden, der die Liebe offenbar regelrecht anzog. Erst Izzy und Harry und jetzt Alex und Lara. Die Menschen, die hier in der ehemaligen Feuerwache ein und aus gingen, waren ihr mehr Familie als ihr eigen Fleisch und Blut. Vor allem Poppy, die sie in- und auswendig kannte.

Aber dieses Bett … war eine Zumutung. Sie würde kein Auge zumachen.

Poppy hatte doch gesagt, dass Isaac wieder unterwegs war, oder? Hm … Isaac sah wirklich umwerfend aus. Er wäre genau der Richtige, um Mark schnellstmöglich auszuradieren … nur gab es seltsame Schwingungen zwischen Poppy und ihm. Selbst wenn er hier wäre, würde Tori die Finger von ihm lassen.

Aber das Bett im Turm war groß und bequem, und das Beste … es war leer! Dort könnte sie wenigstens eine Nacht gut schlafen …

„Du klingst schon besser, Dad.“ Das Smartphone am Ohr, lehnte Matt im Dunkeln am Kopfende des Betts.

„Mir geht’s gut, keine Sorge.“

Matt musste über Patricks ruppigen Ton lächeln. Genau wie er selbst hasste sein Vater jeden Wirbel um seine Person. Aber Matt war keineswegs überzeugt, dass sein Vater die Lungenentzündung wirklich komplett auskuriert hatte. Patrick klang noch immer schwach, auch wenn er versuchte, es zu kaschieren.

Und genau wie er war sein Vater ein Nachtmensch, weshalb sie häufig noch nach Mitternacht miteinander telefonierten. Dann sprachen sie über Sport und das aktuelle Weltgeschehen, und relativ häufig erklärte Matt, welchen komplizierten Deal er gerade ausgehandelt hatte. Patrick hatte jahrelang ehrenamtlich mit behinderten Kindern in Sportorganisationen gearbeitet, ohne je die Nerven zu verlieren. Bewandert mit dem Metier und zudem mit einem messerscharfen Verstand gesegnet, war er auch heute noch auf dem Laufenden über alle Ereignisse in der Sportwelt.

„Wie geht es Angela?“, erkundigte Matt sich nach der Frau, mit der sein Vater seit einigen Monaten ausging.

„Gut. Aber sie ist nicht deine Mutter.“

„Niemand ist wie sie“, stimmte Matt wie immer leise zu. Und wie immer wurde er sofort zurückversetzt in jene schlimme Zeit, als sein Vater nachts von Weinkrämpfen geschüttelt worden war. Patrick hatte geglaubt, Matt würde im Bett liegen und schlafen, doch oft war er aus dem Bett geschlüpft und hatte sich im Flur vor die Schlafzimmertür seines Vaters gelegt, bis dieser endlich aus purer Erschöpfung eingeschlafen war.

„Zweiundzwanzig Jahre, Matt, und ich liebe sie noch immer. Es heißt, die Zeit lässt die Erinnerung verblassen, aber ich erinnere mich an alles. Ihre funkelnden grünen Augen, ihr Lachen, wie sie immer die Zunge zwischen die Lippen geklemmt hat, wenn sie konzentriert bei der Sache war.“

Weil sein Dad so oft von ihr sprach, konnte auch Matt seine Mutter nicht vergessen. Er hatte sie angebetet und um sie getrauert, als sie gestorben war. Und eines hatte ihn ihr Tod gelehrt: Liebe und Ehe brachten auch herzzerreißenden Kummer mit sich. Daher hatte er im reifen Alter von elf beschlossen, sich weder auf das eine noch das andere einzulassen.

Sie wurden morbide, höchste Zeit, das Thema zu wechseln. „Sieht aus, als hätte ich noch eine neue Mitbewohnerin …“

Matt erzählte von Tori und kurz darauf lachte Patrick amüsiert. Sein Vater war nicht prüde. Matt konnte über alles mit ihm reden, was er auch häufig tat.

„Übrigens habe ich gestern deinen Onkel Alfred besucht …“

Matts Gedanken gingen auf Wanderschaft, solange sein Vater von der Gesundheit seines Großonkels berichtete, und lauschte einfach nur auf die beruhigende Stimme seines Dads. Nach dem Tod seiner Mutter hatten sie sich zusammenraufen und lernen müssen, mit dem Alltag fertig zu werden. Patrick hatte kochen und zuhören gelernt, verschüttete Milch aufgewischt und zerbrochene Fensterscheiben ersetzt, die Matt beim Kricketspiel zerschlagen hatte. Aus Kricket war Rugby geworden, und obwohl Matt in beiden Sportarten gut gewesen war, hatte es nicht gereicht, um daraus eine Karriere aufzubauen. Patrick hatte ihm geholfen, die Enttäuschung zu verarbeiten, und ihn ermuntert, dennoch eine Zukunft in der Sportwelt zu suchen.

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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