Der Duke, der mich verführte

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Ausgerechnet mit dem arroganten Duke of Wolfingham soll Mariah zusammenarbeiten und im Auftrag der Krone ein Komplott aufklären. Das Schlimmste dabei: Sie fühlt sich unwiderstehlich zu dem attraktiven Duke hingezogen. Dabei hat sie sich nach dem Tod ihres Mannes eins geschworen: Niemals wieder ihre Freiheit aufzugeben!


  • Erscheinungstag 31.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734725
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

März 1815, White’s Club in London

Du wolltest mit mir sprechen?“

Darian Hunter, Duke of Wolfingham, hatte soeben die Tageszeitung in dem ansonsten menschenleeren Privatsaal seines Klubs durchgeblättert und las jetzt einen Artikel zu Ende, bevor er die Zeitung ordentlich faltete und auf dem Beistelltisch neben sich legte. Erst dann schaute er zu den modisch gekleideten jungen Gentleman hoch, der ihn so angriffslustig angesprochen hatte. „Auch dir einen schönen Tag, Anthony“, begrüßte er seinen jüngeren Bruder in ruhigem Ton.

Ungeduldig sah Anthony ihn an. „Vor mir brauchst du nicht den hochmütigen Duke zu geben, Darian! Schließlich bist du derjenige, der mit mir reden wollte, und nicht umgekehrt. Du hast in der ganzen Stadt Nachrichten für mich hinterlassen“, fügte er hinzu, als Darian fragend die Augenbrauen hochzog. „Ich ging davon aus, dass es etwas Dringliches sei.“

„Hast du deshalb zwei ganze Tage gebraucht, um auf meine Nachrichten zu reagieren?“ Keine Sekunde lang ließ sich Darian vom forschen Auftreten seines Bruders hinters Licht führen. Er wusste, dass Anthony immer zum Angriff überging, wenn er offenkundig im Unrecht war, es jedoch nicht zugeben wollte.

„Ich habe Besseres zu tun, als den Duke of Wolfingham ausfindig zu machen, was meistens ohnehin nicht möglich ist – auch wenn du zufällig mein großer Bruder und in den nächsten drei Monaten noch mein Vormund bist. Aber das hat ja zum Glück bald ein Ende.“

„Jetzt setz dich erst mal, Anthony“, erwiderte Darian schroff. „Du bringst hier noch alles durcheinander.“

Anthony grinste zufrieden, da er es offenbar geschafft hatte, Darian aus der Reserve zu locken, und ließ sich auf dem Stuhl gegenüber nieder. Er war wie immer überaus modisch gekleidet und trug einen königsblauen Frackrock, darunter eine hellblaue und grüne Paisley-Weste sowie gelbbraune Pantalons. Sein dunkles, längeres Haar fiel ihm in die Stirn. „Seit wann bist du wieder in der Stadt?“

„Seit zwei Tagen“, entgegnete Darian gedehnt.

„Und du hast sofort versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen?“ Spöttisch zog Anthony die Brauen hoch. „Ich fühle mich geschmeichelt, Bruder.“

„Dazu besteht kein Anlass“, antwortete Darian gereizt.

Sein Bruder richtete den Blick gen Himmel.

„Was habe ich diesmal getan, um dich zu verärgern? Habe ich zu viel Geld bei meinem Schneider gelassen oder es beim Kartenspiel etwas übertrieben?“

„Wenn es wie sonst um dein verantwortungsloses Verhalten ginge, hätte ich gar nicht erst das Gespräch mit dir gesucht“, erklärte Darian gelangweilt. „Ich bin mir sicher, dass wir beide wissen, warum ich mit dir reden möchte, Anthony“, fügte er leise hinzu.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Doch es war offensichtlich, dass er nicht die Wahrheit sagte, da er unbehaglich auf dem Stuhl hin und her rutschte und Darian nicht in die Augen sah.

Darian grinste freudlos. „Zwing mich nicht dazu, den Namen der Dame auszusprechen.“

Anthony kniff die Augen zusammen, die genauso smaragdgrün waren wie Darians. Die beiden Brüder hatten dieselbe Haarfarbe und sahen sich auch sonst sehr ähnlich, obwohl Darian mit seinen zweiunddreißig Jahren acht Jahre älter war als Anthony. „Wenn du die Schauspielerin meinst, mit der ich letzten Monat verkehrt habe, dann kann ich mich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern …“

„Nein, die meine ich nicht.“

Anthony zuckte übertrieben mit den Schultern. „Dann gib mir einen Hinweis, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, worauf – oder auf wen – du anspielst.“

Darian verzog den Mund zu einer dünnen Linie. Offenbar war sein Bruder fest entschlossen, es ihm nicht gerade leicht zu machen. „Es ist mir zu Ohren gekommen, dass du in Begleitung einer gewissen Dame gesehen worden bist – öfter, als gesellschaftlich hinnehmbar wäre.“

Anthony verharrte reglos. „Tatsächlich?“

Darian nickte. „Es gäbe nichts dagegen einzuwenden, wenn du gewissen Vergnügungen diskret nachgehen würdest, aber diese bestimmte Dame ist auf Dauer alles andere als akzeptabel. Vielmehr ist sie …“

„Vorsicht, Darian“, warnte Anthony ihn leise.

„Aufgrund ihrer vergangenen und gegenwärtigen Verbindungen ist sie keine Frau, mit der sich ein Mann deines Ranges derartigen Vergnügungen hingeben sollte“, beharrte Darian entschieden. „Du …“ Er machte eine Pause, als Anthony – die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt – aufsprang und seinen Bruder finster ansah. „Ich bin noch nicht fertig.“

„In Bezug auf diese bestimmte Dame kann ich dir versichern, dass es nichts mehr zu sagen gibt“, rief Anthony ungestüm. „Und ausgerechnet du musst mir Vorhaltungen machen! Wahrscheinlich hast du die letzten zwei Wochen selbst mit irgendeiner Bettgefährtin verbracht, denn du warst wie vom Erdboden verschluckt!“

Darian senkte den Blick und strich sich einen imaginären Fussel vom Ärmel seines Frackrocks, um dem vorwurfsvollen Blick seines Bruders auszuweichen.

Nicht weil er die vergangenen beiden Wochen mit seiner neuesten Geliebten verbracht hätte. Neuesten Geliebten? Er konnte sich nicht einmal entsinnen, wann er zuletzt bei einer Frau gelegen hatte.

Nein, er vermied Anthonys bohrenden Blick, weil er in den letzten beiden Wochen mit seinem Freund Zachary Black, dem Duke of Hawksmere, im fernen Frankreich als Geheimagent für die Krone gearbeitet hatte.

Doch selbst sein Bruder wusste nichts von dieser Tätigkeit. Auch konnte Anthony nicht wissen, dass er vor wenigen Tagen eine Schusswunde an der Schulter erlitten hatte – ein Mitbringsel von seinem letzten Einsatz in Frankreich. Und dass diese Wunde ihm immer noch Schmerzen bereitete.

Er war daher alles andere als guter Dinge. „Würde es dir etwas ausmachen, deine Stimme zu senken?“

„Warum sollte ich? Niemand sonst kann uns hier hören“, erwiderte Anthony herausfordernd, während er sich in dem leeren Saal umschaute.

Darian seufzte. „Ich kann mir schon denken, dass diese Dame, die du und die meisten anderen Gentlemen reizend findet, über gewisse Vorzüge verfügt. Aber wie es heißt, ist sie alles andere als verschwiegen. Die Leute reden schon darüber, wie viel Aufmerksamkeit du ihr schenkst.“

„Sollen sie doch reden.“ Anthony machte eine wegwerfende Geste.

Darian seufzte. „Das reicht leider nicht, Anthony.“

„Sagt wer? Du?“, fragte sein Bruder grimmig. „Ich bin fast fünfundzwanzig Jahre alt und keine fünf mehr, Darian. Auch schätze ich deine Einmischung in diese Angelegenheit nicht.“

„Selbst wenn ich nur das Beste für dich will?“

„Auch dann nicht – nicht, wenn ich in die Dame verliebt bin.“

Darian fiel es schwer, an sich zu halten. Nie hätte er gedacht, dass die Zuneigung seines Bruders für diese Frau ernsthafter Natur sein könnte. „Ich bin mir sicher, dass die Dame einen gewissen Charme und Erfahrungsschatz zu bieten hat, was sie offenbar sehr anziehend für dich macht. Aber es wäre ein Fehler, Lust mit Liebe zu verwechseln.“

„Wie kannst du es wagen?“, antwortete Anthony hitzig, auf dessen Wangen sich rote Flecken bildeten. „Meine Absichten gegenüber dieser Dame sind vollkommen ehrenhaft!“

Dann steht es noch schlimmer, als ich befürchtet habe, dachte Darian. „Mein Gott, dann teil weiter das Bett mit ihr, wenn du es so wünschst, Anthony. Ich bitte dich lediglich, die Liaison nicht öffentlich zu machen.“

„Ich soll weiter das Bett mit ihr …“ Anthony sah aus, als würde er jeden Moment vor Wut platzen. „Ich habe die Dame kein einziges Mal unsittlich berührt. Und das habe ich auch nicht vor, solange sie nicht meine Frau ist.“

Jetzt stand Darian auf – zu entsetzt von Anthonys Worten, als dass er sich weiter hätte bezähmen können. „Denk nicht mal im Traum daran, solch eine Frau zu heiraten!“

„Solch eine Frau? Du verdammter Heuchler! Wer hat sich denn die letzten beiden Wochen im Bett irgendeiner Frau vertrieben? Du hast kein Recht, mir vorzuschreiben, wie ich mein Leben zu führen habe. Das werde ich mir nicht mehr gefallen lassen, Darian.“ Anthony funkelte ihn aus dunklen Augen an. „In wenigen Wochen werde ich selbst über mein Leben und mein Vermögen bestimmen und dann entscheide ich allein darüber, wen ich heirate.“

Ungeduldig schüttelte Darian den Kopf. „Diese bestimmte Frau ist …“

„Ein Schatz. Ein Engel.“ Sein Bruder hob verärgert die Stimme. „Wie gut, dass du ihren Namen nicht ausgesprochen hast, denn unser Gespräch hat mir gezeigt, dass du dazu nicht würdig bist.“

Darian zuckte zusammen. Nach allem, was ihm über diese Dame zugetragen worden war, war sie weder ein Schatz noch ein Engel. Ganz im Gegenteil.

Auch hatte er nicht die Absicht, seinem Bruder zu erlauben, diese zwielichtige Person zu heiraten.

Wenn Anthony keine Vernunft annehmen wollte, dann müsste es eben jene Dame tun …

1. KAPITEL

Zwei Tage später, der Ballsaal im Carlisle House, London

Würden Sie das noch einmal wiederholen, Wolfingham? Ich befürchte, aufgrund der Musik und des lauten Geredes konnte ich Sie nicht richtig verstehen.“

Darian musste der elegant gekleideten Frau, mit der er gerade tanzte, gar nicht erst ins Gesicht sehen, um zu wissen, dass Mariah Beecham, die Dowager Countess of Carlisle, ihn sehr wohl richtig verstanden hatte. Ihr Unmut war mehr als offensichtlich – sowohl in Bezug auf ihren frostigen Ton als auch ihre steife Haltung.

„Das bezweifle ich doch sehr, Madam“, erwiderte er in ebenso eisigem Ton, während sie einander anlächelten, um den Schein vor möglichen Beobachtern zu wahren. In perfekter Abstimmung mit den anderen Tanzpaaren bewegten sie sich über die Tanzfläche. „Aber dennoch kann ich meine Aussage gerne wiederholen: Ich wünsche, dass Sie auf der Stelle damit aufhören, meinen Bruder in seiner Schwärmerei für Sie zu bekräftigen.“

„Wollen Sie damit andeuten, dass ich ihn absichtlich ermutigt hätte, um mich zu werben?“ Darians Gastgeberin zog herablassend eine blonde Augenbraue über ihren außergewöhnlich schönen türkisblauen Augen hoch.

Diese Farbe kannte Darian bisher nur vom Mittelmeer an einem klaren Sommertag.

Natürlich wusste er seit Langem, dass diese Dame in der gehobenen Gesellschaft verkehrte – zuerst als erheblich jüngere Gattin des Earl of Carlisle und in den letzten fünf Jahren als überaus wohlhabende und skandalöse Witwe dieses verstorbenen Herrn.

Doch zum ersten Mal verbrachte Darian etwas längere Zeit mit ihr. Erst jetzt konnte er die Zuneigung seines Bruders für die Countess nachvollziehen; sie war zweifellos eine Frau von einmaliger Schönheit.

Ihr Haar war so golden wie die Farbe reifen Korns, ihre Haut so blass und zart wie Alabaster. Sie hatte cremefarbene Augenbrauen, sanft geschwungene Wangen und einen langen Nacken. Durch den tiefen Ausschnitt ihres Kleides wurden ihre schön gerundeten Schultern betont. Jene ungewöhnlichen türkisblauen Augen wurden von dichten dunklen Wimpern umrahmt. Sie hatte eine kleine und überaus wohlgeformte Nase und sinnliche Lippen. Ihr seidenes Kleid war vom gleichen dunklen Türkis wie ihre Augen und gab den Blick auf die verführerischen Hügel ihrer vollen Brüste frei.

Nein, an Anthonys Vorliebe für Frauen hatte Darian nichts auszusetzen, denn Mariah Beecham war wahrhaftig ein Juwel – sowohl in Bezug auf ihre Schönheit als auch ihre üppigen Brüste.

Leider war sie jedoch auch eine Witwe von vierunddreißig Jahren und Mutter einer siebzehnjährigen Tochter, Lady Christina Beecham, die in dieser Saison in die Gesellschaft eingeführt worden und heute Abend ebenfalls anwesend war. Sie sah ihrer Mutter verblüffend ähnlich.

Allerdings hatte die junge Lady Christina Beecham noch nicht denselben skandalösen Ruf wie ihre Mutter.

Aufgrund jenes Rufs hatte Darian angefangen, sich um das zukünftige Glück seines Bruders zu sorgen. Nur deshalb hatte er den für ihn ungewöhnlichen Entschluss gefasst, sich in Anthonys Belange einzumischen.

Er hätte Verständnis dafür gehabt, wenn Anthony für ein paar Wochen – oder auch Monate – das Bett mit der Dame geteilt hätte. Schließlich wusste er, dass alle jungen Männer sich diesen Vergnügungen hingaben, um ihr körperliches Verlangen zu stillen und die für das Ehebett als nötig erachtete Erfahrung zu sammeln. Auch Darian hatte sich in diesem Alter so verhalten.

Leider war diese Dame jedoch keineswegs akzeptabel. Zudem hatte Anthony bei ihrem Gespräch vor zwei Tagen klargestellt, dass er sie nicht nur als Geliebte betrachtete.

Als Anthonys älterer Bruder und einziger Verwandter konnte Darian ihm nicht erlauben, eine zum Scheitern verurteilte Ehe einzugehen. Für Darian, der als Anthonys Vormund zumindest noch für ein paar Monate über dessen beträchtliches Vermögen verfügen würde, war das Ganze nicht mehr als eine unangemessene Schwärmerei.

Vergeblich hatte er bisher versucht, Anthony davon zu überzeugen, diese Frau nicht weiter zu umgarnen. Sein Bruder konnte genauso stur sein wie er selbst, wenn er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Daher war Darian nichts anderes übrig geblieben, als an die Frau heranzutreten und mit ihr zu sprechen. Genau aus diesem Grund war er heute Abend auf dem Ball der Countess erschienen, obwohl er in den vergangenen Jahren nur selten in der gehobenen Gesellschaft verkehrt hatte.

Lieber ging er abends in seinen Privatklub oder in Spielhallen – stets in Begleitung der vier Herren, mit denen er seit seiner Schulzeit eng befreundet war. In den vergangenen zehn Jahren waren sie in der Gesellschaft als die „Durchtriebenen Dukes“ bekannt geworden. Diesen Ruf hatten sie sowohl ihren Eroberungszügen auf dem Schlachtfeld als auch in den Schlafgemächern zu verdanken – obwohl sich Darian in den letzten Jahren sehr diskret verhalten hatte.

Sie alle waren eiserne Junggesellen gewesen, doch vor Kurzem waren zwei seiner Freunde der Versuchung erlegen und hatten sich verliebt – der eine hatte bereits geheiratet, und der andere stand kurz davor.

Allerdings waren Worthingham und Hawksmere mit ihren zweiunddreißig Jahren im gleichen Alter wie Darian und daher alt genug, um selbst über ihren Lebensweg zu entscheiden. Sein Bruder Anthony hingegen war noch zu jung, um etwas über das Leben, geschweige denn über die wahre Bedeutung von der Liebe zu einer Frau zu wissen.

Insbesondere da Anthony bisher keinerlei Erfahrung mit einer Frau hatte, die in Mariah Beechams Alter war und der ein skandalöser Ruf vorauseilte. Auch hatte sich Darians Beunruhigung über die Verbindung nicht gerade gemindert, als er früher am heutigen Abend auf dem Ball eingetroffen war und gesehen hatte, wie sein jüngerer Bruder mit der Countess getanzt und sie – sichtlich hingerissen – angelächelt hatte.

Es bestand kein Zweifel daran, dass ihr Darians Einmischung in die Freundschaft genauso widerstrebte wie Anthony, als er jetzt in ihre kalten und herausfordernden türkisfarbenen Augen schaute.

Es war lange her, dass jemand es geschafft hatte, Mariah so sehr gegen sich aufzubringen, wie Darian Hunter es soeben getan hatte. Das musste zuletzt wohl noch zu Lebzeiten ihres Mannes Martin passiert sein. Doch Darian Hunter, der überhebliche Duke of Wolfingham, hatte es zweifellos fertiggebracht, sie maßlos zu verärgern.

Wie konnte dieser Mann es wagen, in ihr Haus zu kommen und sie derart zurechtzuweisen? Als wäre sie für ihn nicht mehr als ein aufmüpfiges und beeinflussbares Schulmädchen, das er nach eigenem Gutdünken tadeln konnte!

Ganz zu schweigen davon, dass sie in dieser Angelegenheit vollkommen unschuldig war.

Natürlich hatte Mariah in den letzten Wochen bemerkt, dass sich der junge Anthony Hunter um ihre Gunst bemühte. Allerdings hatte sie ihn weder bestärkt noch zurückgewiesen. Einerseits würde sie in Anthony nie mehr sehen als einen unterhaltsamen Jüngling, andererseits wollte sie die Gefühle des jungen Mannes nicht verletzen.

All das hätte sie Anthonys arrogantem Bruder auch gerne versichert, wenn sich Wolfingham ihr gegenüber nicht bereits zu Beginn des Tanzes so ungehobelt verhalten hätte.

Sie hätte wissen sollen, dass Darian Hunter, der bekanntermaßen alle gesellschaftlichen Anlässe mied, die Einladung zu ihrem Ball nicht ohne Hintergedanken angenommen hatte. Dass er sie auch noch zum Tanzen aufforderte, sorgte für Furore. Für gewöhnlich stand der Duke abseits der Menge und schaute mit kühlem Blick von oben herab auf das Geschehen.

So viel dazu, dass sie mit seinem Erscheinen einen gesellschaftlichen Clou gelandet hatte! Denn jetzt wusste Mariah, dass Darian nur deshalb auf ihren Ball gekommen war und sie um diesen Tanz gebeten hatte, um sich ihr gegenüber höchst ungalant zu benehmen.

Hätte er dabei nicht noch so unglaublich gut ausgesehen, hätte sie ihm vielleicht verzeihen können. Schließlich war seine Sorge um das Wohlergehen seines jüngeren Bruders lobenswert; ihre Tochter Christina hätte Mariah auf dieselbe Art und Weise beschützt.

Auch konnte keine Frau – nicht einmal eine so gewiefte wie sie selbst – behaupten, vollkommen gefeit gegen Wolfinghams überhebliches Auftreten und seine Attraktivität zu sein.

Das machte Mariah mehr zu schaffen als all die beleidigenden Vorwürfe, die Wolfingham ihr soeben entgegengeschleudert hatte.

Der Duke war überaus groß und überragte sie um einen ganzen Kopf. Sein rabenschwarzes Haar fiel ihm in leichten Locken in die Stirn und über die Ohren. Sein Gesicht war von einer unbestreitbar faszinierenden männlichen Schönheit: smaragdgrüne Augen mit dichten schwarzen Wimpern, eine lange aristokratische Nase, markante Wangenknochen, so fein geschwungene Lippen wie die einer Michelangelo-Statue und ein kräftiges, ausgeprägtes Kinn.

Seine tadellos geschnittene schwarze Abendgarderobe betonte die breiten Schultern und die kräftige Brust dieses Mannes – ebenso wie seine schlanken, muskulösen Oberschenkel und seine langen Beine und Waden.

Im Grunde steht Wolfingham für all das, was ich an Männern nicht mag, dachte Mariah, während sie sein Erscheinungsbild in Augenschein nahm.

„Ich will überhaupt nichts andeuten, Madam“, verächtlich kräuselte er seine fein geschwungenen Lippen, „sondern lediglich auf eine Tatsache hinweisen.“

Mariah sah ihn mit kühlem Blick an. „Ist das so?“

Wolfingham nickte kurz. „Ich weiß zum Beispiel, dass mein Bruder seit mindestens drei Wochen dieselbe unverhältnismäßige Anzahl an Veranstaltungen besucht hat wie Sie. Und dass er dabei fast nie länger als ein paar Minuten von Ihrer Seite gewichen ist. Dass er Ihnen drei-, manchmal viermal pro Woche Besuch abstattet und länger bleibt als alle anderen Besucher. Und dass Sie wiederum …“

„Sie lassen mich beobachten?“ Mariah schnappte nach Luft – so beunruhigt über die Vorstellung, dass sie beim Tanzen beinahe gestolpert wäre.

„Ich lasse meinen Bruder beobachten“, korrigierte Wolfingham sie grimmig – seinen Griff um ihre behandschuhte Hand verstärkend, um sie vom Stolpern abzuhalten. „Es ist ein unglücklicher … Zufall, dass Sie immer dort sind, wo Anthony sich gerade aufhält. Daher sind auch Sie unter Beobachtung geraten.“

Es war schlichtweg dreist, dass der hochmütige und verächtliche Duke of Wolfingham so offen zugab, dass er jene unschuldigen Treffen hatte überwachen lassen. Für Mariah war das einfach nicht hinnehmbar – unabhängig davon, welche Gründe Wolfingham für sein Verhalten anführen mochte.

Lord Anthony Hunter war vielleicht jung, aber dennoch alt genug, um so zu leben, wie es ihm beliebte, ohne dass sich sein arroganter und verurteilender Bruder derart vehement hätte einmischen dürfen.

Zudem missfiel es Mariah, dass ihr Privatleben so genau durchleuchtet wurde.

„Nun, Madam, wie lautet Ihre Antwort auf meine Bitte?“, fragte Darian ungeduldig, da der Tanz bald enden würde und er nicht länger, als unbedingt nötig war, auf dem Ball der Countess bleiben wollte. Seine kürzlich durch die Schusswunde verletzte Schulter bereitete ihm jetzt, nachdem er sich auf der Tanzfläche so verausgabt hatte, große Schmerzen.

Mariah Beecham entzog ihm ihre Hand und trat einen Schritt zurück, als die Musik verklungen war. „Meine Antwort lautet, dass ich Sie selbst um etwas bitten möchte: nämlich dass Sie mein Haus auf der Stelle verlassen!“

Darian weitete die Augen, bevor er seine Überraschung verbergen konnte. Sein ganzes Leben war er der Marquess of Durham gewesen und seit sieben Jahren war er der Duke of Wolfingham. Noch nie hatte jemand so herablassend zu ihm gesprochen wie soeben Mariah Beecham.

Er wusste nicht, ob er wütend oder belustigt darüber sein sollte. „Und wenn ich das nicht tue?“

Ihr aufgesetztes Lächeln galt offensichtlich nicht ihm, sondern den anderen Gästen. Mit eiskaltem Blick sah sie ihn an, während sie seinen Arm ergriff, um sich von ihm von der Tanzfläche geleiten zu lassen. „In diesem Fall bleibt mir nichts anderes übrig, als zwei meiner Diener zu beauftragen, Sie mit Gewalt hinauszubefördern“, antwortete sie ihm zuckersüß, während sie ihn losließ und sich zu ihm drehte.

Darians Lächeln war hingegen vollkommen aufrichtig. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt so gut amüsiert hatte. Das musste sehr lange her sein. Falls es überhaupt je geschehen war! „Sind Sie sicher, dass zwei Diener ausreichen würden?“, fragte er verächtlich.

Ihre alabasterfarbenen Wangen verfärbten sich bei seinem offensichtlichen Spott dunkelrot. „Es ist mir gleichgültig, wie viele Diener es braucht, Euer Gnaden. Ich wünsche, dass Sie auf der Stelle mein Haus verlassen, damit ich Ihre unverschämte Art nicht länger ertragen muss.“ Ihre großen Brüste hoben und senkten sich schnell.

„Ich denke, ich habe lediglich das Offensichtliche ausgesprochen, Madam.“ Provokant hob Darian eine Augenbraue.

„Nämlich dass Sie es für vollkommen unpassend halten, dass Ihr Bruder um mich wirbt?“

„Ich würde sogar sagen, Madam, dass ich Sie als Person als unpassend für meinen Bruder erachte. In seinem Leben dürfte es überhaupt keinen Platz für Sie geben.“ Bei der Erkenntnis, dass er sich jetzt selbst von dieser betörenden Frau angezogen fühlte, verzog er missbilligend den Mund zu einer dünnen Linie. In den letzten paar Minuten hatte er erkannt, dass diese Dame vollkommen anders war als alle anderen, die er bisher kennengelernt hatte.

Mariah Beecham war zweifellos von außergewöhnlicher Schönheit. Für einen Mann war es schier unmöglich, nicht von dem Anblick ihrer vollen cremefarbenen Brüste fasziniert zu sein. Doch während des Tanzes hatte er festgestellt, dass sie mehr zu bieten hatte als ein schönes Gesicht und einen begehrenswerten Körper.

Ihre unverblümte Art und ihre offenkundige Verachtung gegen ihn erschienen ihm wie eine erfrischende Abwechslung nach all den Jahren, in denen die Frauen so geziert mit ihm kokettiert hatten – in der Hoffnung, seine Aufmerksamkeit zu wecken und eines Tages die Duchess an seiner Seite zu werden.

Mariah Beecham war unverkennbar eine reife, erfahrene Frau und eine vermögende, unabhängige Countess, die nicht nur dazu in der Lage war, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, sondern auch ihre junge Tochter allein großgezogen hatte. Außerdem hatte sie deutlich vermittelt, dass sie sich von niemandem Vorschreibungen machen ließ.

Ihre Erfahrenheit und Unabhängigkeit übten eine überaus seltsame Wirkung auf Darians Libido aus. Tatsächlich erregte diese Frau ihn so sehr, dass sich seine Männlichkeit aufgerichtet hatte und jetzt schmerzhaft gegen seinen Hosenbund drückte – als Reaktion auf das Verlangen, das er für diese Dame empfand. Ganz im Gegensatz zu der Absicht, mit der er heute Abend auf den Ball gekommen war.

Er räusperte sich. „Ich werde nur zu gerne gehen, Madam, wenn Sie sich einverstanden erklären, meinen Bruder nicht länger zu betören.“

Mariah stockte der Atem, da dieser Mann die Frechheit besaß, sie weiterhin zu beleidigen. „Ich glaube, das sollten Sie lieber Ihrem Bruder statt mir sagen, Wolfingham.“

„Anthony ist zu sehr von Ihnen hingerissen, als dass er Vernunft annehmen würde.“

„Das hört sich so an, als hätten Sie es bereits versucht?“, fragte sie spöttisch.

Angesichts ihres Hohns schnitt Wolfingham eine unwirsche Grimasse. „Ich schätze es nicht, dass Sie sich darüber lustig machen, Madam.“

Sie funkelte ihn an. „Und ich schätze keineswegs Ihren beleidigenden Tonfall, Sir.“

„Dann sind wir anscheinend in einer Sackgasse angekommen“, erwiderte er kühl.

Mariah kniff die Augen zusammen. „Wenn Sie mich entschuldigen würden … Lassen Sie meinen Arm los, Wolfingham“, warnte sie ihn mit gefährlich leiser Stimme und schaute zuerst auf seine langen, eleganten Finger, mit denen er sie am Oberarm festhielt, bevor sie mit kühlem, herausforderndem Blick in das hochmütige Gesicht des Dukes sah.

Darian hatte nicht vorgehabt, Mariah Beecham auch nur anzurühren, da er sich ihrer Nähe bereits viel zu bewusst gewesen war. Vollkommen gedankenlos hatte er ihren Arm ergriffen, als sie von ihm weglaufen wollte.

Es hatte ihm keineswegs gefallen.

„Ich glaube, wir sollten unsere Unterhaltung besser auf der Terrasse fortsetzen“, brachte er mürrisch hervor und hielt ihren Arm weiterhin fest, um mit ihr den Ballsaal zu durchqueren und auf die menschenleere Terrasse zu treten.

Dort ließ er sie so abrupt los, wie er sie zuvor ergriffen hatte, und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, während er sie von oben herab musterte.

„Wie können Sie es wagen, so grob gegen mich zu werden?“, fragte Mariah Beecham aufgebracht.

„Sie werden noch sehen, wozu ich imstande bin, um meinen leicht beeinflussbaren Bruder zu schützen, Madam.“ Abfällig schaute Darian sie an. „Vor allem, da ich guten Grund zu der Annahme habe, dass eine Frau wie Sie es mit einem so jungen und unerfahrenen Mann wie Anthony niemals ernst meinen könnte.“

„Eine Frau wie ich?“, wiederholte sie leise.

Darian nickte kurz. „Wir wissen wohl beide um Ihren Ruf, Madam.“

Sie blickte ihn abweisend an. „Ach ja?“

Bei ihrem Tonfall wurde sein Blick hart. „Abgesehen von Ihrem Ruf waren Sie mit einem Mann verheiratet, der mindestens fünfundzwanzig Jahre älter war als Sie, und jetzt vergnügen Sie sich mit einem Mann, der mindestens zehn Jahre jünger ist.“ Darian zuckte mit den Achseln. „Haben Sie vielleicht Angst davor, mit einem Mann Ihres Alters zu verkehren?“

Mariah wusste, dass dieser Mann keinerlei Vorstellung von ihrer unglücklichen Ehe mit dem weitaus älteren Martin Beecham haben konnte. Um ihrer Tochter Christina willen hatten sie und ihr Mann sichergestellt, dass die Gesellschaft nichts von der tiefen Abneigung erfuhr, die sie füreinander empfanden.

Dass der Duke of Wolfingham ihr jetzt unterstellte, sich mit seinem jüngeren Bruder zu vergnügen, war vollkommener Unsinn. Den jungen Lord Anthony hatte sie mit Sicherheit nicht ermuntert, falls er überhaupt eine Schwärmerei für sie hegte, wie der Duke zu glauben schien.

In Wahrheit war Mariah an keinem Mann interessiert. Seit der Ehe mit Martin konnte sie keinen Gefallen mehr an der Vorstellung finden, zu viel Zeit in der Nähe eines Mannes zu verbringen. Ihrer Meinung nach waren alle Männer selbstherrlich und kontrollsüchtig. Nie wieder würde sie sich von irgendjemandem bevormunden lassen.

Erst recht nicht von Wolfingham!

„Sie meinen, mit einem Mann wie Ihnen?“, fragte sie leichthin.

„Ja, ich würde dieses Kriterium wohl erfüllen“, entgegnete er barsch.

Sie lächelte freudlos. „Ich glaube, Sie sind ein oder zwei Jahre jünger als ich, Wolfingham. Nach unserem heutigen Gespräch wäre es dumm von mir, zu glauben, dass Sie jemals ernsthaft an mir interessiert sein könnten.“

Da liegt sie falsch, dachte Darian widerwillig. Denn die letzten Minuten in ihrer Gegenwart hatten ihm klargemacht, dass er sehr interessiert an Mariah Beecham war – sowohl auf intellektueller als auch auf körperlicher Ebene.

Allerdings war das nicht nur töricht, sondern in Anbetracht von Anthonys Gefühlen für diese Frau auch verboten. Darian durfte seinem Bruder nicht in den Rücken fallen, indem er ausgerechnet der Frau nachstellte, in die Anthony sich vermeintlich verliebt hatte.

„Sie tun wohl richtig daran, das zu hinterfragen“, antwortete er lakonisch.

„Dann ist dieses Gespräch jetzt zu Ende?“ Hochmütig zog sie eine Braue hoch. „Es ist kalt hier draußen, und ich habe noch andere Gäste, um die ich mich kümmern muss.“

„Zuerst möchte ich wissen, ob Sie beabsichtigen, Anthony weiterhin zu treffen.“

„Da er anscheinend auf die meisten – wenn nicht gar alle – Veranstaltungen geht, die auch ich besuche, wüsste ich nicht, wie es sich umgehen ließe.“

So viel zu meiner Absicht, sie zur Vernunft zu bringen, dachte Darian ungeduldig. Anscheinend hatte er alles noch schlimmer gemacht. Indem er Mariah Beecham aufgesucht und ihr seine Sorge um Anthony mitgeteilt hatte, schien er die Dame so verärgert zu haben, dass sie jetzt beabsichtigte, genau das Gegenteil von dem zu tun, worum er sie gebeten hatte.

Aber damit nicht genug! Offenbar empfand er jetzt auch noch selbst ein körperliches Verlangen nach dieser Frau!

Im Mondschein sah sie besonders reizend aus: Ihr Haar schimmerte hell, und ihre makellose Haut hob sich wie Elfenbein von der dunkleren Seide ihres Kleides ab. Und ihr Parfüm! Es war eine Mischung aus Blumen und irgendeinem schweren, exotischen Duft, den Darian nicht recht einordnen konnte. Doch er nahm ihn mit jeder Faser seines Körpers wahr und spürte, wie seine Sinne angeregt wurden. Seine ganze Wahrnehmung war wie gebannt von der Frau, die so stolz und schön vor ihm stand.

„Müssen wir uns weiter darüber streiten, Mariah?“ Seine Stimme klang heiser, als er einen Schritt auf sie zuging.

Argwöhnisch schaute sie ihn an, während sie den Kopf in den Nacken legte, um ihn weiterhin ansehen zu können. „Ich habe Ihnen keine Erlaubnis gegeben, mich beim Vornamen zu nennen“, erwiderte sie kühl. „Ich finde auch nicht, dass wir gestritten hätten. Sie haben mich um etwas gebeten, und ich habe Ihnen gesagt, dass keine Verbindung zwischen Ihrem Bruder und mir besteht. Was mich betrifft, ist die Angelegenheit damit erledigt.“

Darian holte tief Luft. „Das bezweifele ich. Schließlich ist Anthony nicht davon abzubringen, Sie für sich zu gewinnen.“

Mariah war alles andere als erfreut darüber, wie nahe Darian Hunter an sie herangetreten war. So nahe, dass sie das Gefühl hatte, er wolle ihr auf den Leib rücken. Es fühlte sich jedoch nicht nur unangenehm an.

Ihre Ehe mit Martin war so schwierig gewesen, dass sie die ersten Jahre nach der Hochzeit lieber auf dem Land verbracht hatte. Mit zunehmendem Alter hatte sie ein gewisses Selbstvertrauen entwickelt: das Wissen um die Macht, die sie als Frau zwar nicht auf ihren Mann, aber auf andere Herren ausübte. Sie hatte gelernt, sich in der Gesellschaft zu bewegen und zu kokettieren, ohne den Gentlemen dabei je allzu große Hoffnungen zu machen.

Sie gab vor, eine erfahrene Frau zu sein. Das hatte seit Martins Tod vor fünf Jahren Wunder gewirkt, denn viele Herren hatten in der verwitweten und überaus vermögenden Countess of Carlisle eine passende Partie gesehen.

Als ob Mariah die neu entdeckte Freiheit als Witwe aufgegeben hätte, um sich durch eine erneute Heirat wieder einem Mann unterordnen zu müssen!

Sie wusste genau Bescheid über ihren gesellschaftlichen Ruf als eine Dame, die sich nach Belieben Liebhaber nahm. Diesen Ruf hatte sie sich absichtlich zugelegt, denn solange alle davon ausgingen, dass Mariah Beecham nicht die Absicht verfolgte, erneut zu heiraten, hielt das mögliche Mitgiftjäger fern.

Sie hatte Mauern um sich und ihr Privatleben errichtet. Manchmal – so wie jetzt – versuchte ein Gentleman, diese Mauern zu durchbrechen, doch bisher hatte sie es immer geschafft, sein Interesse abzuwehren, ohne dass er es ihr übel genommen hätte.

Auch wenn sie Darian Hunter, den mächtigen Duke of Wolfingham, nur flüchtig von ihrem heutigen Gespräch kannte, wusste sie, dass sie ihn weder mit ein paar Schmeicheleien noch – falls das nicht funktionieren sollte – mit einer klaren Aussage loswerden konnte.

Jetzt gerade stand er viel zu nahe vor ihr.

„Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Sie mit Ihrem Bruder darüber sprechen müssen, Wolfingham.“ Energisch reckte Mariah das Kinn. „Wenn Sie jetzt bitte zur Seite treten würden? Wie gesagt, möchte ich zu meinen anderen Gästen zurückkehren.“

Anstatt ihr Platz zu machen, ging Darian noch einen Schritt auf sie zu. Augenblicklich spürte er Mariah Beechams Wärme und nahm den Duft ihres exotischen, einzigartigen Parfüms noch intensiver wahr. „Bekommen Sie immer, was Sie möchten, Mariah?“, fragte er rau.

An ihrem schlanken Hals pochte deutlich ihr Puls – der einzige äußerliche Hinweis darauf, dass seine Beharrlichkeit ihr Unbehagen bereitete. „Wenn Sie es so sehen möchten, ja, dann bekomme ich immer alles, was ich will!“

„Und was wollen Sie wohl jetzt, frage ich mich?“, sagte Darian grüblerisch, während er weiterhin ihr schweres Parfüm einatmete. „Kann es sein, dass Ihre desinteressierte und distanzierte Haltung nur Fassade ist? Dass Sie sich insgeheim nach einem Mann sehnen, der Entschlossenheit zeigt und die Führung übernimmt? Der Ihnen sagt, wo es langgeht?“

„Nein!“ Die Countess schüttelte resolut den Kopf; ihr Gesicht war im Mondschein ganz blass geworden.

Er zog eine Braue hoch. „Ihr Widerspruch klingt etwas zu vehement.“

„Ich widerspreche, weil ich wahrhaftig so empfinde“, versicherte sie ihm nachdrücklich. „Ich bin nicht das Spielzeug irgendeines Mannes, mit dem er verfahren kann, wie es ihm beliebt.“

„Nicht?“ Unwillkürlich streckte Darian den Arm aus, um die weiche Rundung ihrer Wange zu umfassen.

„Rühren Sie mich nicht an!“ Sie zuckte zurück, die türkisblauen Augen in ihrem bleichen Gesicht weit aufgerissen.

Angesichts ihrer Heftigkeit runzelte Darian die Stirn. „Aber ich würde Sie sehr gerne berühren, Mariah.“

„Ich habe gesagt, Sie sollen mich nicht anfassen!“ Ihre Miene war hart, als sie Darian von sich wegstieß.

Jetzt war es Darian, der nach Luft rang, denn er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Als er ihre Hand auf seiner kürzlich verletzten und schmerzenden Schulter spürte, durchfuhr ihn ein heißer, stechender Schmerz, so wie er ihn nie zuvor erlebt hatte.

Er umklammerte seine Schulter, während er zurücktaumelte. Vor lauter Schmerzen drohten seine Beine unter ihm nachzugeben. Schwarze Flecken tauchten in seinem Blickfeld auf, bevor alles um ihn herum undeutlich und dunkel wurde.

„Wolfingham? Sagen Sie mir, was los ist.“

Mariah Beechams Stimme schien von sehr weit herzukommen, während die Dunkelheit um Darian immer größer wurde und ihn schließlich ganz umhüllte.

2. KAPITEL

Darian war verwirrt, als sich die Dunkelheit nach und nach lichtete und er langsam aufwachte.

Er wusste nicht, wo er war, und schaute sich von dem Bett, auf dem er lag, in dem unbekannten Schlafgemach um.

Es war zweifellos das Gemach einer Frau, da es in hellen Lavendel- und Cremetönen gehalten und mit eleganten weißen Möbeln eingerichtet war. An den Fenstern hingen passende Brokatvorhänge in den gleichen Farben. Die Kissen und die Bettwäsche des Himmelbetts waren mit hellem lilafarbenem Satin und mit Spitze bezogen.

Er musste in der weiblichen Hölle gelandet sein!

Auf jeden Fall kam er sich in all den Rüschen lächerlich vor. Auch konnte er sich nicht daran erinnern, wie er hierhergekommen war.

Er erinnerte sich noch, wie er auf dem Ball der Countess of Carlisle eingetroffen war, mit der Countess getanzt und mit ihr jene brisante Unterhaltung auf der Terrasse geführt hatte. Anschließend hatte er jenen alles in den Schatten stellenden Schmerz gespürt und dann – nichts. Er konnte sich nicht daran erinnern, was danach passiert war.

Autor

Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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