Der Tycoon und die schöne Rivalin

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Rache am Imperium der Familie Di Sione! Das wünscht sich der russische Selfmade-Milliardär Liev Dragunov über alles. Und mit dem kostbaren Armband, das Bianca Di Sione unbedingt in ihren Besitz bekommen will, hat er endlich einen wunden Punkt entdeckt: Natürlich kann die unnahbare Schönheit die Juwelen haben - wenn sie dafür seine Verlobte spielt! So kann er die schillernde PR-Lady am besten für seine Zwecke einsetzen! Doch je näher sie sich kommen, desto gefährlicher wird dem Tycoon seine schöne Rivalin. Denn plötzlich fühlt er keine Rache mehr, sondern nur noch Begehren …


  • Erscheinungstag 01.08.2017
  • Bandnummer 0016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708542
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Besorgt hielt Bianca Di Sione im Konferenzraum Ausschau nach ihrer Schwester Allegra. Während sich der große Saal mit Menschen füllte, stieg der Geräuschpegel permanent, doch Bianca war viel zu besorgt, um das zu registrieren.

Sie wurde das Gefühl nicht los, dass mit Allegra etwas nicht stimmte. Gesagt hatte sie zwar nichts, doch spätestens, als sie zögernd, fast schleppend die Stufen zum Rednerpult hinaufschritt, sah sich Bianca in ihrer Vorahnung bestärkt. Hinter der perfekt gestylten Fassade wirkte Allegra unglücklich und schrecklich angespannt.

Und sie musste ihr noch mehr Kummer und Stress aufbürden, als sie ohnehin zu empfinden schien. Aber es half nichts, Bianca musste mit ihr über ihren todkranken Großvater reden. Allegra war ihre engste Vertraute, seit sie nach dem Unfalltod ihrer Eltern eine Art Mutterrolle für Bianca und die anderen Geschwister übernommen hatte, obwohl sie damals selbst erst sechs gewesen war.

Gerade wurde der letzte Redner angekündigt. Bianca aber dachte nur daran, was ihr Nonno von ihr verlangt hatte, als sie ihn letzte Woche besucht hatte. Es hatte sie entsetzt, ihren Großvater so schwach und zerbrechlich zu sehen, weshalb sie sich auch zurückhielt, ihn mit Fragen zu seiner seltsamen Bitte zu bombardieren. Jetzt wünschte sie, sie hätte es getan.

Die einzige Information war das ominöse Märchen von Giovannis Verlorenen Geliebten, mit dem sie und ihre Geschwister aufgewachsen waren. Viel mehr erfuhr Bianca nicht. Doch sie wusste, dass sie nicht Giovannis einziges Enkelkind war, das er auf eine geheimnisvolle Mission schickte, um eine seiner Lost Mistresses wiederzubeschaffen. Die Bedeutung dieser Schätze jedoch kannten sie alle bis heute nicht.

Nonno hatte häufiger angedeutet, dass er allein dank dieser Kostbarkeiten in der Lage gewesen war, das riesige Di Sione Schifffahrtsunternehmen aufzubauen, nachdem er als junger Mann nach Amerika ausgewandert war.

„Miss Di Sione, was für ein unerwartetes Vergnügen …“

Diese Stimme! Dieser Akzent mit dem rauen Unterton! Zögernd wandte Bianca den Kopf und blickte wie paralysiert in das markante Gesicht von Liev Dragunov.

Er sah einfach umwerfend aus in dem maßgeschneiderten schwarzen Anzug. Was für eine perfekte Unterstreichung für den kalten Glanz in den stahlgrauen Augen. Das dunkle kurzgetrimmte Haar wirkte ebenso ungezähmt und störrisch wie sein Gesichtsausdruck.

Was hatte dieser Mensch nur an sich? Auch jetzt wurden ihre Knie wieder genauso weich wie bei ihrer ersten Begegnung. Liev hatte sich vor Kurzem an ihre Firma gewandt, damit sie die PR für sein Unternehmen übernahm.

Selbst an das versteckte Lächeln, das sie mehr ahnte als sah, erinnerte Bianca sich noch sehr gut. Ihr Herz schlug in einem wilden Stakkato.

Verdammt! Sie brauchte das nicht … und schon gar nicht heute! Kann der Mann denn kein klares Nein akzeptieren?

„Mr. Dragunov. Darf ich davon ausgehen, dass Sie aus einem … seriösen Grund hier sind?“, fragte sie betont gelassen. Doch sie spürte dasselbe Kribbeln entlang ihrer Wirbelsäule wie in der letzten Woche, als er plötzlich unangemeldet in ihrem Büro aufgetaucht war. Normalerweise hatte sie ein gutes Gespür für Menschen und konnte sie schnell einschätzen. Doch bei diesem Mann schien ihr Instinkt sie im Stich zu lassen.

„Alles, was ich tue, hat einen seriösen Hintergrund“, erwiderte er geschmeidig.

Bianca hob bezeichnend die feinen Brauen und wünschte, sie wäre immun gegen seinen Bad-Boy-Charme.

Während Liev Dragunov sich im Saal umschaute, scannte Bianca unauffällig seine eindrucksvolle Erscheinung. Sie registrierte, wie er die schneeweißen Hemdsmanschetten zurechtzupfte, als bereite er sich auf einen Angriff vor. Reflexartig straffte sie die Schultern. „Das kann ich nicht beurteilen. Aber was für einen Grund könnten Sie haben, gerade jetzt hier aufzutauchen, Mr. Dragunov? Von New York nach Genf ist es nicht gerade ein Katzensprung.“

Abrupt wandte er sich ihr wieder zu.

Bianca hielt seinem kalten Blick tapfer stand. Die gelassene Miene, hinter der sie ihr Unbehagen verbarg, verdankte sie jahrelangem Training.

„Da ich der Di Sione Foundation eine beträchtliche Spende habe zukommen lassen, ist es wohl legitim, mich persönlich davon zu überzeugen, ob das Geld auch sinnvoll eingesetzt wird. Denken Sie nicht auch, Miss Di Sione?“ Mit jedem Wort war er ein wenig näher an sie herangerückt.

Bianca schluckte trocken. „Dann sind Sie also daran interessiert, Frauen in unterprivilegierten Ländern mehr Rechte zu verschaffen?“, fragte sie herausfordernd und sah, wie sich seine Kinnlinie verhärtete. Wie dreist von ihm, die Stiftung ihrer Schwester vorzuschieben, nur um ihr seinen Willen aufzuzwingen. Und das, nachdem sie ihm mehr als deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass ihre Firma sich nicht in der Lage sah, ihn bei seiner geplanten Kampagne zu unterstützen.

Bianca hielt ihr Clip Board an sich gepresst wie ein Schild. Liev Dragunov berührte einen Nerv in ihr, der sie schwach machte. Hilflos und neugierig zugleich – eine gefährliche Kombination. Er provozierte sie allein durch seine Anwesenheit und weckte in ihr den instinktiven Drang, sich zu verteidigen. Aber wogegen?

Wahrscheinlich war es nur eine Überreaktion nach dem Schock über Nonnos beängstigenden Zustand und seine flehentliche Bitte.

Ihr Gegenüber ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen, und Bianca weigerte sich, dem kalt forschenden Blick auszuweichen. Sie durfte diesem russischen Nabob keine Macht über sich einräumen. Nicht ihm und auch sonst niemandem – diese Lektion hatte sie schon früh in ihrem Leben lernen müssen.

„Nein“, sagte er als verspätete Reaktion auf ihre Frage. „Aber ich bin an Ihnen interessiert. Sehr sogar …“

Seine Dreistigkeit machte sie sprachlos. Nur ein Mann vor ihm hatte derart unverfroren sein Interesse an ihr bekundet, und damals wäre sie fast auf diese Masche hereingefallen. Selbst heute noch, zehn Jahre später, litt Bianca unter der demütigenden Erinnerung an ihren Highschool-Abschlussball. Und jetzt stand wieder jemand vor ihr, dem sie nicht traute und von dem sie sich trotzdem unwiderstehlich angezogen fühlte wie die Motte vom Licht.

„Ich habe Ihnen doch bereits letzte Woche erklärt, dass ich mich außerstande sehe, für Sie und Ihre Firma …“

„Nur glaube ich Ihnen das nicht“, unterbrach er sie brüsk und kam näher. So nah, dass sie ein Hauch seines Aftershaves streifte – herb und dominant wie er selbst.

Bianca brachte es nicht fertig, den Blickkontakt mit Liev zu lösen.

„Und Sie selbst glauben es ebenso wenig …“, fuhr er fort, während sie immer noch um eine Antwort rang. Wieder sah er sich im Raum um und gab Bianca damit Gelegenheit, sich zu fassen.

Als Liev Dragunov sich ihr wieder zuwandte, fühlte sie sich gestählt und kampfbereit. „Ich meinte es genauso, wie ich es gesagt habe, Mr. Dragunov. Und leider habe ich im Moment nicht die Zeit, mich Ihnen näher zu erklären. Wenn Sie möchten, können Sie einen Termin mit meiner Sekretärin abmachen, sobald Sie wieder in New York sind.“

Applaus brandete auf und lenkte ihre Aufmerksamkeit in Richtung Bühne. Gleichzeitig war sich Bianca seines eindringlichen Blickes sehr bewusst und konnte das Gefühl nicht abschütteln, Liev Dragunov sehe sich ihr gegenüber trotz eindeutiger Zurückweisung immer noch im Vorteil.

„Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss mit meiner Schwester sprechen.“

„Ich lade Sie heute Abend zum Dinner ein.“

Schon halb im Gehen wandte Bianca den Kopf und blinzelte irritiert. „Pardon?“

„Wenn Sie den Auftrag danach immer noch ablehnen, haben Sie Ruhe vor mir.“

Dinner? Mit diesem Mann? Allein der Gedanke, mit ihm bei einem Glas Wein und fantastischem Essen an einem Tisch zu sitzen – womöglich bei Kerzenschein – ließ ihr Blut schneller durch die Adern fließen. „Meine Antwort wird stets dieselbe sein.“

„Dann ist nichts verloren, und wir hätten wenigstens das Vergnügen an der Gesellschaft des anderen genossen“, argumentierte er mit einem Lächeln, das sich schon wieder bedenklich auf ihre Knie auswirkte.

„Wenn … falls ich zustimmen sollte, werden Sie den Abend für sich schnell als vergeudet ansehen.“ Woher kam das denn jetzt? Bianca kannte sich selbst nicht mehr.

„Ein Risiko, das ich gern eingehe.“

„Seien Sie gewarnt, Mr. Dragunov. Ich werde meine Meinung unter gar keinen Umständen ändern.“ Warum sage ich nicht klipp und klar Nein? fragte Bianca sich und hoffte inständig, dass er ihre demütigende Wankelmütigkeit nicht bemerkte.

„Dann also nur ein schlichtes Dinner“, lenkte er anscheinend ein. „Sie logieren hier im Hotel?“, fragte er und sah auf die Uhr.

„Ja, so ist es“, gab sie widerstrebend zu. Für ihren Geschmack war Mr. Dragunov etwas zu gut über sie informiert.

„Dann treffen wir uns um halb acht in der Lobby.“

Sein knapper, sachlicher Ton duldete keine Widerworte, doch Bianca war wild entschlossen, sich nicht dominieren zu lassen. „Ich halte das für keine gute Idee.“

Unmittelbar nachdem Liev Dragunov ihr Büro letzte Woche verlassen hatte, hatte sie die gewohnte Klientenrecherche gestartet, aber nichts von Bedeutung gefunden. Es gab keinen Grund, sein Anliegen abzulehnen, außer einen: Dragunovs Firma war ein potenzieller Konkurrent von ICE, dem Unternehmen ihres Bruders Dario.

„Geben Sie sich einen Ruck, Miss Di Sione“, forderte er mit der Andeutung eines Lächelns, gegen das sie kein Gegenmittel hatte. Offenbar wusste er das, hätte er sein Glück sonst noch einmal versucht? „Vielleicht wird es ja doch noch ein Business-Dinner?“

Als Antwort bedachte Bianca ihn mit einem sengenden Blick, bevor sie sich suchend im Saal umsah.

Liev Dragunov beobachtete sie scharf und lächelte zufrieden. Kein Zweifel, die Eisprinzessin begann langsam aufzutauen, wenn auch wider Willen.

Sein erster Versuch, sie professionell für sich zu gewinnen, hatte nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Doch wie bei den meisten Frauen – und ganz besonders bei einer bestimmten in seiner Vergangenheit – zeigte ein avisiertes Dinner inklusive Wein und Kerzenschein doch noch die gewünschte Wirkung.

Während sie verhandelt hatten, hatte Liev sein Bestes getan, um sich Bianca Di Sione nicht mit offenem Haar vorzustellen … ihm gegenüber am Tisch, im sanften Kerzenlicht, das ihre Schönheit noch unterstrich. Allein der Gedanke bescherte ihm ein schmerzhaftes Ziehen in den Lenden.

Liev presste die Kiefer zusammen. Verdammt! Er musste sich zusammenreißen. Nichts und niemand durfte sein Vorhaben durchkreuzen, erst recht nicht eine attraktive Frau. Wie gefährlich und zerstörerisch das sein konnte, wusste er schließlich aus erster Hand. Bianca Di Sione zu begehren und zu erobern, gehörte nicht zu seinem Plan.

Seine Strategie zielte darauf ab, dass ihre Firma sein Unternehmen repräsentierte, was ihn seinem Masterplan ein gehöriges Stück näherbringen würde. Miss Di Sione war nur Mittel zum Zweck. Nicht mehr und nicht weniger.

„Dinner, sonst nichts“, bekräftigte Bianca, als hätte sie seine Gedanken gelesen und schaute auf ihre Armbanduhr.

„Sie haben mein Wort.“

Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Warum sollte ich Ihnen trauen, Mr. Dragunov? Ich weiß so gut wie gar nichts über Sie. Für einen Mann mit einem derart erfolgreichen Unternehmen wie dem Ihren ziemlich seltsam.“

Innerlich lächelte Liev zufrieden. Trotz rigoroser Ablehnung seines mehr als großzügigen Angebots hatte sie also Recherchen über ihn angestellt. Womit er sich in seiner These einmal mehr bestärkt sah: Geld regierte eben doch die Welt. „Dasselbe könnte man von Ihnen sagen.“ Er kannte alle Tricks, um quasi unter dem Radar zu fliegen und keine unliebsamen Informationen zu streuen. Gemessen an der zurückhaltenden Art, mit der Bianca Di Sione ihre Agentur führte, agierte sie nach dem gleichen Prinzip.

„Was heißt, Sie haben meinen Hintergrund durchleuchtet?“ Jetzt spielte ein amüsiertes Lächeln um ihren Mund. Liev fragte sich, wie es sein mochte, diese vollen Lippen zu küssen. Zu spüren, wie sie unter seinem fordernden Druck nachgaben …

Energisch rief er sich zur Ordnung. „Geht es im Business nicht genau darum? Zu erkennen, wer seine Feinde sind?“ Wobei er das nur zu gut wusste.

Und zwar ziemlich genau seit seinem zwölften Lebensjahr, als er seine beiden Eltern innerhalb weniger Monate verloren hatte. Nach dem Verlust seines Unternehmens und der großen Villa hatte sich sein Vater in Alkoholexzesse geflüchtet. Er war zu selbstbezogen und depressiv, um zu bemerken, wie schwer krank seine Frau war. Liev als ihr einziger Sohn musste der vernichtenden Abwärtsspirale hilflos zusehen und endete als Waise ohne einen Penny auf der Straße. Er musste stehlen, um zu überleben. Nichts war geblieben von der kleinen, glücklichen Familie.

Schreckliche Erinnerungen, tief in seinem Unterbewusstsein verankert, lebten weiter in ihm. Die Narben waren zu schmerzhaft, um sie vergessen zu können. Damals war er von der haltlosen Wut seines Vaters ebenso schockiert gewesen wie seine Mutter. Heute verstand er ihn fast.

Oh ja, er wusste, wer seine Feinde waren!

Ob Miss Bianca Di Sione überhaupt den Hauch einer Ahnung hatte, was ein Feind war? Aufgewachsen im Schutz ihres berühmten Familiennamens, verwöhnt und abgeschottet von der großen, bösen Welt? Bestimmt gab es in ihrem Leben nichts, wonach sie sich sehnte, bei all dem dekadenten Luxus, der sie umgab.

Einzig der Verlust ihrer Eltern verband sie.

„Feinde …“, wiederholte Bianca und riss ihn damit aus seinen trübsinnigen Gedanken. „Ist es das, was wir sind?“

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihr, entgegen seiner Absicht, viel zu viel Einblick in seine privaten Gedanken gewährt hatte.

„Wie könnte irgendein Mann aus Fleisch und Blut eine so schöne Frau wie Sie jemals als Feindin ansehen?“, rettete Liev sich geschmeidig. Er entlockte seinem Gegenüber damit allerdings nur ein leises, warmes Lachen, das nebulös glückliche Erinnerungen in ihm wachrief, die weit zurücklagen.

„Jetzt tragen Sie eindeutig zu dick auf, Mr. Dragunov“, tadelte Bianca ihn, wobei das amüsierte Zwinkern in den strahlend blauen Augen ihren strengen Ton Lügen strafte.

Er konnte nicht anders als ihr Lächeln zu erwidern. „Dann also bis heute Abend, Miss Di Sione“, murmelte er und zog sich mit einer angedeuteten Verbeugung zurück.

Überzeugt, dass sie noch vor Ende des Abends bereit sein würde, eine ebenso prestigeträchtige wie lukrative Kampagne für sein Unternehmen zu starten, sah Liev Dragunov sich bereits am Ziel seiner Wünsche. Ihn dürstete es nach Rache an der Firma, die seine Eltern und damit ihr Familienglück und sein Leben zerstört hatte.

„Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?“, fragte Bianca besorgt, als Allegra sich seufzend auf einen Sitz in der Veranstalter-Lounge fallen ließ. Keine Frage, die Konferenz durfte als grandioser Erfolg verzeichnet werden, gleichzeitig hatte sie ihre Schwester noch nie so elend und erschöpft gesehen. Normalerweise war sie nach so einer Veranstaltung eher aufgedreht und bis in die Haarspitzen mit Adrenalin versorgt.

Wahrscheinlich setzt Nonnos Krankheit ihr ebenso zu wie mir, dachte Bianca. Oder sein flehentliches Drängen, ihm seine ‚Verlorenen Geliebten‘ zurückzuholen.

Glücklicher Matteo! Ihr älterer Bruder hatte seine Mission bereits erfolgreich abgeschlossen. Und Allegra auch, obwohl sie sich, was die Umstände ihrer Suche betraf, bisher sehr zurückhaltend gezeigt hatte.

Genau wie ihre Geschwister war auch Bianca wild entschlossen, alles zu tun, um Nonno wieder mit dem Armband zu vereinen, nach dem er sich so offenkundig verzehrte.

„Keine Bange, mit mir ist alles in Ordnung“, versicherte Allegra wenig überzeugend. „Davon abgesehen gibt es wesentlich Wichtigeres zu diskutieren als mein Befinden. Wer war der Mann, mit dem du dich vorhin unterhalten hast?“

„Wie es scheint und neben allem anderen einer deiner potentesten Sponsoren“, erwiderte Bianca leichthin und schenkte ihnen beiden Wein ein, immer noch besorgt wegen der durchsichtigen Blässe auf Allegras schmalen Wangen. „Er ist ein russischer Multimillionär, der unbedingt will, dass ich sein Unternehmen repräsentiere. Obwohl ich strikt abgelehnt habe, lässt er nicht locker. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast annehmen, er hat die enorme Spende für deine Stiftung nur lanciert, um einen Grund zu haben, mich bis hierher zu verfolgen.“

„Und weshalb lehnst du seinen offenbar lukrativen Auftrag ab?“

„Wie du weißt, vertrete ich ICE. Liev Dragunov steht in direkter Konkurrenz zu Dario. Aber da ist noch etwas, das ich nicht recht fassen kann.“ Es war dieses Wilde, Animalische, das Bianca hinter der glatten Fassade erahnte. Als wäre es bisher niemandem gelungen, ihn zu zähmen. Ein verrückter Gedanke, der sie schaudern ließ.

„Neben seinem umwerfenden Äußeren?“, neckte Allegra. „Du solltest endlich aufhören, jeden attraktiven Mann aus deinem Leben zu verscheuchen, Schwesterherz. Die Sache mit Dominic liegt mehr als zehn Jahre zurück.“

„Dann freut es dich sicher zu hören, dass ich Liev Dragunovs Einladung zum Dinner für heute Abend akzeptiert habe. Natürlich nur, um ihm erneut einen Korb zu geben …“

„Verstehe.“ Allegra lachte leise, und Bianca atmete innerlich auf. Trotzdem beschloss sie spontan, ihre Schwester nicht auch noch mit ihrer Angst und Sorge um den geliebten Großvater zu konfrontieren. Sobald sie zurück in New York waren, würde sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben, in Ruhe darüber zu reden.

Bianca schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln. „Vergiss es, Allegra! Momentan hat die kuriose Aufgabe, die Nonno mir gestellt hat, absolute Priorität. Ich frage mich nur, was es mit diesen Verlorenen Geliebten tatsächlich auf sich hat.“

„Keine Ahnung. Matteos Halskette und meine Fabergé-Schatulle scheinen jedenfalls in keinem Zusammenhang zu stehen. Außerdem frage ich mich, wie Großvater als blutjunger sizilianischer Auswanderer überhaupt in den Besitz derartig kostbarer Preziosen gekommen ist. Und dann seine Aufregung und sichtliche Rührung, als ich ihm die Schmuckschatulle überreicht habe. Er hat sie liebkost, als wäre es eine echte Geliebte.“

Bianca seufzte gedankenverloren. „Ich habe mein Team angewiesen, etwas über den Verbleib des Armbands herauszufinden. Wie es der Zufall will, soll es nächste Woche auf einer Auktion in New York versteigert werden. Leider ist es mir nicht gelungen, das Geschäft schon vorher mit dem gegenwärtigen Besitzer abzuschließen. Offenbar ist es ein so seltenes, aufsehenerregendes Exponat, dass man es unbedingt anlässlich der Auktion präsentieren möchte.“

„Dann sollte dir nicht schwerfallen, Nonnos Bitte zu erfüllen. Du musst schließlich nur darauf zu bieten“, sagte Allegra.

Nicht zum ersten Mal überlegte Bianca, was ihre Schwester in Dar-Aman erlebt haben mochte, dass sie so verändert hatte. Aber auch um das zu erfahren, würde es in New York einen besseren Zeitpunkt geben als hier und jetzt. „Diese Schnitzeljagd scheint keinen Sinn zu haben, aber wenn ich Nonno mit dem Armband ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, ist mir die ganze Aktion jede Anstrengung wert.“

„Solltest du dich nicht langsam auf den Weg machen?“, mahnte ihre große Schwester in gewohnt mütterlicher Manier mit einem beziehungsreichen Blick auf die Uhr.

Bianca lächelte gutmütig, wurde aber das Gefühl nicht los, dass Allegra in erster Linie eventuellen Fragen ausweichen wollte.

Plötzlich überfielen Bianca Zweifel, ob sie sich tatsächlich mit Liev Dragunov treffen sollte. Zumal sie immer noch entschlossen war, ihn beziehungsweise sein Unternehmen nicht zu vertreten. Außerdem irritierte sie seine Hartnäckigkeit. Irgendetwas an diesem Mann ließ ihre Alarmglocken klingeln.

„Ja, wahrscheinlich ist es besser, einen so reichen und hartnäckigen Mann nicht länger als notwendig warten zu lassen …“, murmelte sie und zog sich strategisch zurück.

Als Bianca jedoch mit Verspätung die Hotel-Bar betrat, hatte sie genau das getan. Sie sah Liev Dragunov sofort. Dass er unter allen anderen Männern hervorstach, lag nicht allein an seiner Größe und unbestreitbaren Attraktivität. Selbst zwischen den einflussreichen Geschäftsleuten dominierte er mit Leichtigkeit den Raum.

Er saß mit dem Rücken zu ihr am Bartresen und gab Bianca damit die Gelegenheit, seine breiten Schultern zu bewundern, die in dem maßgeschneiderten Sakko perfekt zur Geltung kamen. Seine Kopfhaltung und das kurzgeschorene, widerspenstige dunkle Haar, vermittelten ihr den Eindruck von Entschlossenheit und einer gewissen Härte, die sich garantiert hinter der glatten, eleganten Fassade verbarg.

Wahrscheinlich war es genau das, was die Frauen anzog. Denn dass er ein versierter Womanizer und Playboy war, daran hegte Bianca keinen Zweifel. Nicht, dass sie geneigt wäre, auf einen derart destruktiven Charme hereinzufallen. Nicht noch einmal!

„Tut mir leid, ich bin etwas spät dran.“

Ohne Hast drehte sich Liev Dragunov um und begutachtete das kleine Schwarze, für das sich Bianca in letzter Sekunde entschieden hatte. Es war elegant und passend für eine Dinner-Einladung, aber in keiner Weise aufreizend, um ihn nicht auf falsche Ideen zu bringen. Wenn sie überhaupt je das Bedürfnis gehabt hätte, sich gegen einen Mann abgrenzen oder sich vor ihm schützen zu müssen, dann wäre es dieser.

Graziös erklomm sie den hohen Barhocker neben ihm und machte den Fehler, Liev Dragunov direkt in die Augen zu schauen. Sie leuchteten in einem stürmischen Grau, ohne den Funken eines verbindlichen Lächelns oder Zwinkerns. Bianca fröstelte innerlich unter seinem kühl kalkulierenden Blick.

„Ist das nicht ein Charakterzug, den alle Frauen auf der Welt gemein haben?“

„Nein, ich für gewöhnlich nicht“, wehrte sie sich entschieden. „Leider wurde ich von Familienangelegenheiten aufgehalten, wofür ich mich hiermit ausdrücklich entschuldige.“

„Ich habe mir die Freiheit genommen, uns Champagner zu bestellen.“ Damit gab er dem Barmann einen Wink, der sofort zur Stelle war und perlenden Champagner in zwei hohe Kristallflöten schenkte, noch ehe Bianca protestieren konnte.

„Sie scheinen weit weniger von Frauen zu verstehen, als ich es Ihnen zugetraut hätte, Mr. Dragunov“, flüchtete sie sich in Ironie.

Mit provokantem Lächeln hob er ihr sein Glas zum Toast entgegen, und anstatt sich zu verweigern, spürte Bianca plötzlich, wie sich etwas in ihr regte, das sie lange vermisst hatte. Sie fühlte sich so angeregt und lebendig wie seit Jahren nicht mehr, und es reizte sie, die unverhohlene Herausforderung anzunehmen. Mit einem süßen Lächeln ließ sie ihr Glas gegen seines klingen.

„Zumindest in einem Fall, wie es scheint …“, murmelte er und trank einen Schluck.

Bianca sah sich durchschaut und errötete. Verdammt! Ihre Konversation drohte aus dem Ruder zu laufen, ehe sie überhaupt begonnen hatte. Er benahm sich, als hätten sie ein Date. Diesen Irrtum musste sie schleunigst klarstellen, trotz unerwarteter Schmetterlinge im Bauch.

„Ich denke, dies ist genau der richtige Zeitpunkt, um mir zu erklären, weshalb Sie immer noch wollen, dass meine Firma Ihr Unternehmen vertritt. Und zwar so sehr, dass Sie deswegen nicht nur extra nach Genf kommen, sondern auch noch der Charity Foundation meiner Schwester eine erkleckliche Summe spenden.“

Liev Dragunov hob die dunklen Brauen, in seinen Mundwinkeln zuckte es amüsiert. „Dann haben wir ja doch etwas zu feiern! Endlich reden wir übers Geschäft.“

Biancas Miene verfinsterte sich. Dieser triumphierende Blick! Genau das hatte sie verhindern wollen, und jetzt lief sie ihm wie ein naives Schaf in die Falle. Sie musste sich konzentrieren. Schließlich hatte sie mehr als genug mit der Mission für ihren Großvater zu tun und mit Darios neuer Produktlinie im nächsten Monat. Hartnäckige, attraktive Russen passten nicht in ihren straffen Zeitplan.

„Ich befürchte, Sie verwechseln Diskussion mit Akzeptanz, Mr. Dragunov.“

„Sie vertreten doch ICE, oder nicht?“, fragte er unerwartet und hatte damit ihre volle Aufmerksamkeit.

„Ja, das ist korrekt.“ Misstrauisch versuchte Bianca, in seinem Blick zu lesen, der jetzt absolut ernst und geschäftsmäßig auf ihr ruhte. „Sehen Sie nicht selbst Ihre Firma als ein Konkurrenzunternehmen zu ICE an?“

„Und wenn? Wäre das ein Problem für Sie?“, gab er den Ball zurück.

„Es würde mich auf jeden Fall in einen Interessenskonflikt stürzen. Dank Ihrer gründlichen Recherche wissen Sie sicher auch, dass ich mit ICE auch meinen Bruder Dario repräsentiere.“

Liev gratulierte sich innerlich dazu, dass er bei der Erwähnung des verhassten Namens nicht mit der Wimper gezuckt hatte. Dario Di Sione, Eigner von ICE und gleichzeitig erste Etappe auf seinem geplanten Rachefeldzug. Auf keinen Fall wollte er sein Blatt zu früh offenlegen, dafür stand zu viel auf dem Spiel. Und nicht umsonst genoss er den Ruf als gnadenloser Zocker.

Autor

Rachael Thomas
Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...
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