Die Leidenschaft hält uns gefangen

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Cari kann die kurze Affäre mit Declan Montrose nicht vergessen. Seine lustvollen Küsse waren unwiderstehlich. Und seine Leidenschaft, die das Feuer in ihr erst entfachte - und dann wieder und wieder stillte … Aber noch aus einem anderen Grund ist Declan für sie unvergesslich: Der heißt DJ und ist fast neun Monate alt. Als ausgerechnet Declans Unternehmen die Firma ihrer Familie übernimmt und er in der Chefetage erscheint, weiß Cari: Der Moment der Wahrheit ist gekommen. Er muss erfahren, dass er einen Sohn hat! Wie wird der sexy Milliardär reagieren?


  • Erscheinungstag 20.09.2016
  • Bandnummer 1943
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723118
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cari Chandler blieb im Türeingang zum Konferenzraum stehen und betrachtete das Porträt ihres Großvaters Gregory in jungen Jahren an der gegenüberliegenden Wand. Auf dem Bild wirkte er energisch und streng, so wie er tatsächlich gewesen war. Und am heutigen Tag hätte er bestimmt schlechte Laune gehabt, denn der Enkel seines Erzfeindes hielt sich im Firmensitz der Familie Chandler auf.

Seit den späten Siebzigerjahren hatten sich die Familien Chandler und Montrose verbittert bekämpft und versucht, sich gegenseitig aus dem Markt für Videospiele zu verdrängen. Damals hatte ihr Großvater diesen Streit vorerst für sich entschieden, denn er war eine Kooperation mit einer japanischen Firma eingegangen, und Thomas Montrose hatte das Nachsehen gehabt. Doch heute war die Situation eine andere. Die Montrose-Erben hatten mit ihrer Firma Playtone Games einen Überraschungscoup gelandet und die feindliche Übernahme von Infinity Games, dem Unternehmen der Chandlers, betrieben. Cari und ihre beiden Schwestern, Emma und Jessi, konnten nur versuchen, den Schaden zu begrenzen und eine Einigung zu erzielen, die ihre Jobs und das Familienerbe rettete.

Als leitende Geschäftsführerin hatte Cari die Aufgabe, mit Declan Montrose zu verhandeln. Zwar war das operative Geschäft ihre Stärke, doch das Geheimnis, das sie schon so lange mit sich herumtrug, lastete schwer auf ihren Schultern. Sie bereute es, ihre Schwestern bisher nicht eingeweiht zu haben, denn dann hätte sie sich heute vielleicht nicht mit Dec auseinandersetzen müssen.

Der überlange Konferenztisch aus dunklem Holz wurde von edlen Lederstühlen eingerahmt. Cari konzentrierte sich lieber auf die Details der Einrichtung als auf den Mann, der am Fenster stand. Er hatte sich in den achtzehn Monaten, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, kaum verändert.

Declan trug seine braunen Haare jetzt etwas länger. Seine sportlich schlanke Gestalt mit den breiten Schultern rief ihr ins Gedächtnis, wie sie damals in seinen Armen gelegen hatte. Allein die Vorstellung bewirkte schon, dass ihr ganz heiß wurde.

Schluss damit, ermahnte sie sich. Konzentriere dich auf die Übernahme – ein Problem nach dem anderen.

„Hallo, Dec. Ich habe nicht damit gerechnet, dich jemals wiederzusehen.“ Innerlich bebte sie, doch ihre Stimme klang zu ihrer Erleichterung deutlich und beherrscht.

„Ich bin sicher, du bist freudig überrascht.“ Er grinste spöttisch, während er vom Fenster weg- und auf sie zutrat.

Der vertraute Duft seines herben Rasierwassers wehte zu ihr herüber und brachte die Erinnerung an ihre Affäre zurück. Sie riss sich zusammen und machte sich bewusst, dass er aus rein beruflichen Gründen hier war. Als es plötzlich an die Tür klopfte, war sie froh über die willkommene Ablenkung.

„Herein“, rief sie.

Es war ihre Assistentin Ally, die ihnen zwei Tassen Kaffee servierte, ehe sie sich umgehend wieder verabschiedete. Cari ging zum Kopfende des Tisches und fühlte sich schon durch die größere Distanz zu Dec wesentlich selbstsicherer.

„Bitte, nimm doch Platz.“ Sie wies auf den Stuhl ihr gegenüber.

„Ich habe dich gar nicht so förmlich in Erinnerung“, sagte er und setzte sich hin.

Sie ignorierte seine Bemerkung. Was hätte sie auch antworten sollen? Seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt. Selbst nachdem sie erfahren hatte, dass er ein Montrose und damit praktisch ein Feind ihrer Familie war, hatte sie ihn noch immer begehrt.

„Ich nehme an, du bist hier, um über die Neustrukturierung meiner Firma zu reden“, sagte sie.

Er nickte. „Während der kommenden sechs Wochen will ich mir zunächst einen Überblick verschaffen. Stimmt es, dass es hier drei Abteilungen für Spieledesign gibt?“

Verdammt! Sie hätte damit rechnen müssen. Er hatte seine Emotionen komplett ausgeschaltet und war ohne Umschweife zum Geschäftlichen übergegangen. Cari wünschte sich, genauso handeln zu können, aber es war noch nie ihre Stärke gewesen, Gefühle zu verstecken. Ihn hingegen bezeichneten viele in der Branche als einen Cyborg, ein kalt funktionierendes Mischwesen aus Mensch und Maschine. Und diesen Spitznamen hatte er sich redlich verdient.

Sie bemerkte erst jetzt, dass sie ihn die ganze Zeit über wie in Trance angestarrt hatte. So konnte das nichts werden. Sobald er wieder weg war, würde sie Emma, ihre älteste Schwester und Hauptgeschäftsführerin von Infinity, anrufen und ihr eröffnen, dass sie oder Jessi mit Dec weiterarbeiten mussten. Allerdings war Jessi als Chefin des Marketingbereichs zugegebenermaßen nicht gerade die beste Besetzung für diesen Job.

„Cari?“

„Entschuldigung. Ja, stimmt, die Teams von Online, Konsole und Mobil erstatten mir Bericht.“

„Es müssen Gespräche mit allen Mitarbeitern der Firma geführt werden, um jeden Einzelnen zu bewerten. Danach werde ich eine gemeinsame Vorstandssitzung beider Firmen einberufen und meine Empfehlungen abgeben.“

„Gut. Emma hat bereits erwähnt, dass du mit unseren Angestellten sprechen willst. Dafür wirst du doch bestimmt nur ein oder zwei Tage in der Woche vor Ort sein müssen, oder?“, fragte sie und hoffte inständig, dass sie richtiglag.

„Nein. Ich will mir hier ein Büro einrichten, um in der heißen Phase permanent anwesend sein zu können. Siehst du darin ein Problem?“

„Überhaupt nicht.“ Cari rang sich ein Lächeln ab. Sie würde ihn am liebsten gar nicht mehr treffen, aber das lag wohl fern jeder Realität. Als Dec lachte, begriff sie, dass er sie durchschaut hatte.

„Du hast es noch nie geschafft, deine Emotionen zu verbergen“, sagte er amüsiert.

Sie schüttelte verständnislos den Kopf. Obwohl es stimmte, konnte sein Wissen nicht auf eigener Erfahrung beruhen. Sie hatten nur einen One-Night-Stand gehabt, keine Beziehung. „Du hast kein Recht, das zu behaupten, denn du kennst mich ja überhaupt nicht. Wir waren lediglich einmal verabredet und eine Nacht lang zusammen.“

„Das hat mir gereicht, um dich einschätzen zu können“, erwiderte er.

„Meinst du wirklich? Wie konntest du mich dann allein im Hotelzimmer zurücklassen?“

Er trank in aller Ruhe von seinem Kaffee, ehe er sich erhob und zu ihr herüberkam. „Eine feste Bindung passt nicht zu mir“, erklärte er. „Du glaubst, ich würde dich nicht kennen. Aber ich müsste schon blind sein, um nicht zu sehen, dass du ein zu weiches Herz hast.“

Cari wollte es abstreiten, aber was er sagte, entsprach der Wahrheit. Sie engagierte sich ehrenamtlich, setzte ihr Geld für wohltätige Zwecke ein und war bereits auf mehr als eine rührselige Mitarbeiterstory hereingefallen. Anfangs hatte sich Emma darüber aufgeregt, bis sie schließlich erkannte, dass die Angestellten loyaler geworden waren, seit die Geschäftsleitung sich um sie kümmerte.

„Ich hätte mich jedenfalls nicht an dich geklammert und dir ewige Liebe geschworen“, protestierte sie. Nach einer einzigen gemeinsamen Liebesnacht hatte sie ihn ja noch kaum gekannt. Natürlich hätte sie ihn gern wiedergesehen. Allerdings hatte er ihr einen gehörigen Denkzettel verpasst, indem er sich einfach aus dem Staub gemacht hatte. „Es war nur eine Nacht.“

„Und die war großartig.“ Er drehte ihren Stuhl so herum, dass er ihr direkt ins Gesicht schauen konnte. „Vielleicht sollte ich dir in Erinnerung rufen, wie fabelhaft wir zusammenpassen.“

Cari schob den Stuhl energisch zurück und erhob sich. Es war an der Zeit, die Situation unter Kontrolle zu bringen. „Danke, nicht nötig. Ich habe die Einzelheiten unseres Dates nicht vergessen. Trotzdem war es eher der Morgen danach, der mir im Gedächtnis geblieben ist.“

Er lächelte milde. „Genau das ist der Grund, warum ich gegangen bin. Es gehört nicht zu meinen Stärken, mit den Folgen einer solchen Nacht umzugehen.“

„Welche Folgen?“, fragte sie verdutzt.

„Na ja, Frauen werden danach meist sentimental und anhänglich.“

Die Einsicht, dass sie für ihn nichts weiter als ein Abenteuer gewesen war, traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Irgendwann würde sie ihm ihr Geheimnis preisgeben müssen, aber auf keinen Fall am heutigen Tag. Jetzt musste sie vor allem einen Weg finden, um ihr Traditionsunternehmen vor der Zerschlagung zu bewahren.

Doch sie musste sich eingestehen, dass seine Worte sie traurig machten. Viel lieber hätte sie von ihm gehört, dass er es bereute, sie damals verlassen zu haben und seitdem ständig an sie denken musste …

„Enttäuscht?“ Er riss sie aus ihren Gedanken.

„Ich verstehe allmählich, warum ein so begehrter Millionär wie du immer noch Single ist.“ Cari versuchte, ihren Frust darüber zu verdrängen, dass er genauso oberflächlich war, wie sie befürchtet hatte. Bisher hatte sie noch gehofft, ihn damals lediglich auf dem falschen Fuß erwischt zu haben.

„Vielleicht hat die Frau meiner Träume nur noch nicht die richtige Strategie angewandt, um mich umzupolen.“

„Du scheinst mir nicht der Typ Mann zu sein, der seine Meinung so leicht ändert“, erwiderte sie.

„Du hast recht, ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben. Aber das bedeutet nicht, dass ich eine tolle Frau wie dich links liegen lasse, wenn sich unsere Wege kreuzen.“

Eigentlich hätte sie die Beleidigte spielen müssen, aber er war ehrlich, und das konnte sie ihm nicht vorwerfen. Schon bei ihrer ersten Verabredung vor achtzehn Monaten hatte sie gewusst, dass er nur an einer Affäre interessiert gewesen war.

„Eher friert die Hölle zu, als dass du dich von mir umkrempeln lassen würdest“, bemerkte sie spitz.

„Begleite mich zum Dinner, und wir werden sehen, was passiert“, antwortete er augenzwinkernd.

„Wärst du bereit, darüber zu verhandeln, dass Playtone Games stiller Teilhaber von Infinity wird?“

Er lächelte herablassend. „Ausgeschlossen!“

„Dann hat sich das Abendessen erledigt.“ Sie durfte seinem Drängen auf keinen Fall nachgeben, denn sie brauchte Abstand und Bedenkzeit, anstatt wieder eine Dummheit zu begehen.

„Wir sind Geschäftspartner, und deshalb halte ich es für nicht zielführend, wenn wir privat miteinander verkehren“, ergänzte sie kühl. Vor nicht allzu langer Zeit war sie wesentlich impulsiver gewesen, doch das hatte sich grundlegend geändert. Die flüchtige Affäre mit diesem Mann hatte ihr auf schmerzliche Weise bewusst gemacht, dass gedankenlose Taten manchmal gravierende Folgen haben konnten.

„Früher hast du deine Entscheidungen nicht nur aus Vernunftgründen getroffen.“

„Ich habe mich eben verändert“, erwiderte sie unverblümt und überlegte, ob das auch passiert wäre, wenn sie damals seinen Verführungskünsten widerstanden hätte.

„Das finde ich großartig“, sagte er mit arrogantem Unterton.

Cari musste der Tatsache ins Auge sehen, dass der Mann, mit dem sie ein kurzes Liebesabenteuer gehabt hatte, wieder in ihrer Nähe war. Und dass die bevorstehende feindliche Übernahme noch ihr kleinstes Problem darstellte. Sie würde ihm von seinem Sohn erzählen müssen, ihrem gemeinsamen Kind.

Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.

Cari hatte sich verändert. Selbst ein Kerl wie er, der nur eine Nacht mit ihr verbracht hatte, konnte das mühelos erkennen. Ihre Beziehung war von Anfang an verzwickt gewesen, und das hatte sich bis zum heutigen Tag noch verstärkt. Ihre Familien waren bis aufs Blut verfeindet, und sein Cousin Kell Montrose, der Firmenchef von Playtone Games, würde erst lockerlassen, wenn Gregory Chandlers Erbe dem Erdboden gleichgemacht wäre.

In diesem Gerangel würde die hübsche Blondine, die ihm jetzt gegenüberstand, lediglich als Kollateralschaden zu Buche schlagen.

Er hatte sie zu keinem Zeitpunkt gehasst. Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, wollte er sie näher kennenlernen – und nicht etwa, um dadurch leichter an Informationen über ihre Firma zu kommen.

Als Adoptivkind hatte er sich nie wirklich als Teil des Montrose-Clans gefühlt. Trotzdem hatte er unablässig beweisen wollen, dass er genauso dazu gehörte wie Kell und der dritte Cousin, Allan McKinney.

Durch seine Rückkehr nach Kalifornien hatte er nun die Möglichkeit, seinen Job zu erledigen und dafür Anerkennung vonseiten seiner Familie zu ernten. Außerdem bestand die Chance, wieder mit der Frau anzubandeln, die er nicht hatte vergessen können. Ihr Erscheinungsbild – kräftige, naturgewellte Haare und strahlend blaue Augen – hatte ihn bis in seine Träume verfolgt. Er musste oft daran denken, wie sie ihn angeschaut hatte, als sie miteinander geschlafen hatten.

Nun stellte er fest, dass sie in den eineinhalb Jahren seit ihrer Trennung merklich an Ausstrahlung gewonnen hatte. Sie trug hübsche Stöckelschuhe, und ihre Fesseln waren nach wie vor schlank, während die Waden kräftiger wirkten. Ihr Rock verbarg ihre Beine, aber durch den Stoff hindurch schienen ihre Hüften jetzt voller und runder zu sein. Während Cari nach wie vor eine Wespentaille hatte, war ihr Busen mittlerweile beeindruckend voluminös geworden. Sie war immer schlank und klein gewesen, aber jetzt sah sie …

„Schau hierher, Freundchen.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf ihr Gesicht.

Er lächelte sie bewundernd an. „Es ist mir nicht entgangen, dass du dich verändert hast. Deine Figur ist weiblicher geworden, was mir übrigens sehr gut gefällt.“

Geschmeidig ging er auf sie zu, woraufhin sie zurückwich. Als sie an die Wand stieß, hob sie abwehrend die Hände und hielt ihn sich so auf Armeslänge vom Leib. Ihm fiel auf, dass sie ihn viel eindringlicher musterte, als sie es früher getan hatte.

Sie sah müde aus, was er darauf zurückführte, dass Playtone das Konkurrenzunternehmen momentan in der Hand hatte und sie höchstwahrscheinlich in großer Sorge um ihren Job war.

Er trat einen Schritt zurück. „Verzeihung, ich wollte dich nicht bedrängen. Bestimmt war es ein Schock, die Firma an uns zu verlieren.“

„Das beschreibt es nicht annähernd.“

Er amüsierte sich über ihre Ausdrucksweise. „Ich schätze, mein Jetlag wirkt noch nach.“

„Jetlag? Seit wann liegen Zeitzonen zwischen dem Firmensitz von Infinity und den Büros von Playtone Games?“, fragte sie schnippisch.

Cari ließ sich anscheinend nicht unterkriegen. Es war ihm ein Rätsel, warum er ihre Charakterstärke nicht schon vor achtzehn Monaten bemerkt hatte. Doch damals war es ihm nur um Sex gegangen, deswegen hatte sich wahrscheinlich sein Verstand ausgeschaltet.

„Ich war über ein Jahr in Australien, um die Eingliederung von Kanga Games zu organisieren.“

„Ihr habt ihnen ihre Eigenständigkeit gelassen“, bemerkte sie trocken.

„Diese Leute haben meinen Großvater jedenfalls nicht ausgetrickst.“

„Genauso wenig wie meine Schwestern und ich. Wir haben euch stets fair behandelt.“

„Leider spielt das keine Rolle, wenn es um Rache geht“, sagte er.

„Aber sicherlich spielt der Profit eine Rolle.“

„Natürlich.“

Sie nickte, und beide gingen zum Tisch zurück, um wieder Platz zu nehmen. Als sie ihre Hände verschränkte, bemerkte er, dass sie jetzt einen Platinring mit eingravierten Herzchen am Finger trug. Es war der Typ Ring, den ihr ein Liebhaber geschenkt haben könnte. War sie wieder mit jemandem liiert?

Möglicherweise bezog sie ihr gestiegenes Selbstbewusstsein aus einer neuen Beziehung. Dazu konnte er sie nur beglückwünschen, obwohl er es natürlich bedauerte, sie vielleicht nie wieder küssen zu dürfen.

„Wann bist du aus Australien zurückgekommen?“, fragte sie.

„Letzten Samstag, aber die Zeitumstellung macht mir immer noch zu schaffen. Außerdem war es eine große Überraschung, dich wiederzusehen.“

„Weshalb hat dich das überrascht? Mir war jedenfalls bekannt, dass du heute Morgen hier erscheinen würdest. Hat dir niemand gesagt, dass ich deine Gesprächspartnerin sein würde?“, fragte sie verwundert.

„Doch, Emma hat mich per E-Mail darüber informiert.“ Es lag ihm fern, ihr zu gestehen, wie unerwartet tief sie ihn beeindruckt hatte. Er hatte gedacht, dass die Anziehung zwischen ihnen abgeflaut wäre, seit sie damals miteinander geschlafen hatten – aber er hatte sich gründlich getäuscht.

Ihren wunderbaren Körper hatte er bereits erforschen dürfen. Es gab daran keine Stelle, die er noch nicht kannte, und doch wurde ihm schlagartig bewusst, dass seine Erinnerung lediglich ein fader Abklatsch dessen war, was jetzt leibhaftig vor ihm stand.

Dec sehnte sich danach, ihre weiblichen Attribute neu zu entdecken, war aber noch mehr darauf erpicht, die Geheimnisse zu lüften, die sie vor ihm verbarg. Das wäre vielleicht eine gute Methode, die lästige Grübelei über sein eigenes Leben zu beenden.

Er brauchte Zerstreuung, und prompt hatte ihn das Schicksal wieder mit genau der Frau zusammengeführt, die er einfach nicht hatte vergessen können. Die bevorstehende Übernahme sollte laut Plan in sechs Wochen über die Bühne gehen, und in dieser Zeit musste er auch im Hinblick auf Cari Chandler vorankommen. Allerdings würde es nicht einfach sein, sie mitten in diesem Prozess zu verführen. Tatsächlich wäre es viel schlauer, die Finger von ihr zu lassen und sich auf das Geschäftliche zu konzentrieren. Doch ihr Bild hatte ihn achtzehn Monate lang bis in seine Träume verfolgt, und jetzt bot sich die einmalige Chance, den Grund dafür herauszufinden. Lag es daran, dass er nur eine Nacht mit ihr verbracht hatte? Oder verband sie beide etwa mehr als das?

„Wo liegt dann das Problem?“ Sie lächelte ihm keck ins Gesicht.

„Es gibt kein Problem.“

Als sie sich erhob, spannte sich ihre Kostümjacke eng um ihre beachtliche Oberweite. Er genoss es, dass sie ein bisschen mit ihm flirtete.

„Wirklich nicht? Macht es dir denn gar nichts aus, dass unsere Familien sich seit ewigen Zeiten bekriegen?“, fragte sie skeptisch.

Er hätte ihr in diesem Punkt gern zugestimmt, doch er vermutete, dass seine Probleme mehr mit seiner eigenen Persönlichkeit zu tun hatten. Seit er Cari zum letzten Mal gesehen hatte, war er nonstop unterwegs gewesen und sehnte sich nun nach einem echten Zuhause. Und das war nicht etwa die schmucke Jacht, die im exklusiven Clubhafen von Marina del Rey vor Anker lag. Auch das Anwesen in Beverly Hills, das er von seiner Mutter geerbt hatte, entsprach nicht seinen Bedürfnissen. In Wirklichkeit gab es keinen Ort, an dem er sich je zu Hause gefühlt hatte.

Vor drei Monaten war diese Sehnsucht nach Beständigkeit erstmals aufgetaucht. Er musste darüber hinwegkommen, denn eine solche Schwäche passte überhaupt nicht zu ihm. Der schmutzige Scheidungskrieg seiner Adoptiveltern, in dessen Verlauf er der Leidtragende gewesen war, hatte ihn gelehrt, besser allein zu bleiben. Als er fünfundzwanzig war, hatte er seinen Vater durch einen Sportunfall verloren, und zwei Jahre später war seine vom Leben enttäuschte Mutter ihrer Alkoholsucht erlegen.

Dec verscheuchte seine Gedanken, um ihre Frage zu beantworten. Im Grunde war er mit diesem Konflikt aufgewachsen und empfand ihn als normal. Statt die Wahrheit auszusprechen, sagte er jedoch kleinlaut: „Irgendwie schon.“

Obwohl seine eigenen Firmenanalysen unparteiisch sein würden, wusste er, dass Kell vorhatte, alle drei Damen der Chandler-Dynastie zu feuern, um sich auf diese Weise dafür zu rächen, was ihrem Großvater einst angetan worden war.

Unter diesen Umständen mit Cari anzubandeln war idiotisch. Um sich das stets vor Augen zu halten, würde er hart an sich arbeiten müssen. Denn so wie sie ihn jetzt anstrahlte, war er geneigt zu glauben, dass eine Beziehung durchaus funktionieren könnte.

„Bitte, gib mir die Chance, dich davon zu überzeugen, dass Infinity Games als Ganzes bestehen bleiben sollte“, forderte sie.

Er erkannte, wie ernst es ihr war. Innerlich war er sehr aufgewühlt, denn mit ihrem Angebot lieferte sie ihm gleichzeitig die Rechtfertigung dafür, eine Verabredung zu arrangieren.

„Passend dazu möchte ich dich heute zum Abendessen einladen. Du kannst mir bei der Gelegenheit erzählen, wie du dich verändert hast, und ich verrate dir, was mir daran so gut gefällt.“ Wenn sie einen Freund hatte, würde sie seinen Vorschlag zurückweisen.

Sie wurde blass. „Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Die nächsten Wochen werden bestimmt schwierig.“

Er empfand ihre Antwort nicht als explizites Nein. „Das stimmt, aber es ist doch nichts dagegen einzuwenden, dass wir freundschaftlich miteinander umgehen. Ich verlange ja nicht, dass du nach dem Dinner direkt mit in meine Wohnung kommst …“

„Daraus wird auch nichts, denn ich bin mittlerweile viel vorsichtiger geworden“, gab sie ihm nachdrücklich zu verstehen.

„Siehst du, genau darüber möchte ich gern mehr wissen. Wir haben beide ein hartes Stück Arbeit vor uns. Außerdem ist hier nicht der richtige Ort für private Gespräche.“ Er wollte sie noch besser kennenlernen, denn dafür war vor achtzehn Monaten nicht genug Zeit gewesen. Das war jetzt anders, wo er die Aufgabe hatte, ihr Unternehmen zu bewerten.

„Einverstanden.“ Sie schenkte ihm ein kühnes Lächeln, das ihn reizte, sie zu küssen.

„Großartig. Wann soll ich dich abholen?“

Sie räusperte sich. „Ich war nur mit deiner Darstellung der Situation einverstanden.“

Doch sie hatte ihm noch immer keinen Korb gegeben.

Schließlich stand sie auf und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Sag mir, wohin wir gehen, und ich bin um sieben Uhr dort. In der Zwischenzeit werde ich Ally anweisen, dir ein Büro bereitzustellen. Bis es so weit ist, kannst du von diesem Raum aus arbeiten.“

Er sah zu, wie sie mit schwingenden Hüften zur Tür schritt, und stand auf, um ihr zu folgen. Sie wollte ihn offensichtlich abservieren wie einen Diener, und das konnte er auf keinen Fall hinnehmen. Ganz gleich, was sie sich einbildete – er gab den Ton an, sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht.

Sie drehte sich um und schnappte kurz nach Luft, weil er direkt vor ihr stand. Dann richtete sie sich auf, um ihre Fassung zurückzugewinnen.

Oh Mann, er hatte sie nie vergessen können und wünschte sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher, als seinen Mund erneut auf ihren Lippen zu spüren. Bis zu dem Moment, als sie den Konferenzraum betreten und dabei so zielstrebig gewirkt hatte, war ihm nicht einmal bewusst gewesen, wie sehr er sie noch immer begehrte.

Cari hielt ihm die Tür auf. „Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?“

„Nur das hier“, entgegnete er und beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen und sich das zu holen, wonach er sich gesehnt hatte. Seit dem Augenblick, als sie zur Tür hereingekommen war und er zutiefst bereut hatte, sie jemals verlassen zu haben.

2. KAPITEL

Cari hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass er so etwas tun könnte. Und doch wurde ihr schmerzlich bewusst, wie sehr sie seine Zärtlichkeit vermisst hatte. Aber dann tadelte sie sich selbst für ihre Gefühle, denn Dec war damals nur aus einem einzigen Grund an ihr interessiert gewesen.

Sex.

Sie wünschte nur, sein Kuss würde sie kaltlassen. Doch sie hatte zu lang als Single gelebt und ihre weiblichen Instinkte ausschließlich auf die Mutterschaft konzentriert. Und nun brachte Dec ihre feminine Seite, die sie schon verloren geglaubt hatte, zum Vorschein. Sie wurde von einer Welle heißer Lust erfasst, und alles an ihr verlangte nach seiner Berührung.

Sie umklammerte seine Schultern, wohl wissend, dass dies der einzige Kontakt zwischen ihnen war, den sie erlauben durfte. Deshalb entschied sie sich, jede Sekunde voll auszukosten und öffnete ihre Lippen. Er stöhnte vor Erregung. Zum ersten Mal, seit er wieder aufgetaucht war, hatte sie den Eindruck, Herrin der Situation zu sein.

Als er sie näher an sich heranzog, spürte sie seine Erektion und, zu ihrem Schreck, wie ihre Brüste unmittelbar darauf reagierten. Besorgt, er könnte etwas gemerkt haben, löste sie sich von ihm und sah erleichtert, dass er die Augen weiterhin genießerisch geschlossen hielt.

Dec war ein knallharter Bursche, aber seine Küsse waren stets sehr zärtlich gewesen. Sie fuhr mit dem Daumen die Kontur seiner Unterlippe nach. Einen Augenblick lang zögerte sie in der Hoffnung, der schwelende Konflikt in ihrem Inneren würde sich in Luft auflösen. Aber dann verstärkte sich sein Griff um ihre Taille, und sie ahnte, dass ihre Probleme in Zukunft nicht weniger werden würden.

Sie raffte ihren Blazer vor der Brust zusammen, denn er sollte nicht am feuchten Stoff ihrer Bluse erkennen können, dass sie ein Baby stillte.

Cari seufzte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass in ihrem Leben Platz für ihn war. Es hatte sie viel Kraft gekostet, den täglichen Spagat zwischen Job und Kind zu organisieren, und nun kreuzte Dec mit seiner Firma auf und warf alles wieder über den Haufen. Am liebsten würde sie den kleinen DJ und ihre Belegschaft nehmen und untertauchen, bis alles vorüber war. Doch ihr war klar, dass sie nicht einfach weglaufen konnte. Sie trug die Verantwortung für das Tagesgeschäft und war im Übernahmeprozess das Bindeglied zwischen ihren Angestellten und Dec. Es war ihre Aufgabe, ihn davon zu überzeugen, möglichst viele Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

„War mein Kuss so schlecht?“, fragte er leicht ironisch.

„Nein, im Gegenteil“, sagte sie ehrlicherweise, denn sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen. Deshalb verheimlichte sie ihren Schwestern bislang den Namen von DJs Vater, was angesichts ihrer Familienfehde der einzig mögliche Weg gewesen war.

„Warum hast du dann geseufzt?“ Er zog sie enger an sich.

Cari hob ihre Hände, um ihn auf Distanz zu halten. Allerdings stellte sich mehr und mehr heraus, dass sie in Wirklichkeit zu keinem Zeitpunkt ihres Treffens die Oberhand gehabt hatte. Sie machte einen Schritt rückwärts und stolperte wie benommen zur Tür.

Er wollte ihr zu Hilfe kommen und sie stützen, doch sie wehrte ihn ab. „Dec, ich kann das nicht. Wir müssen reden, und es gibt da Dinge …“

„Ich mache das nicht, um mich an dir zu rächen“, fiel er ihr ins Wort.

„Was?“ Das wäre ihr nicht einmal im Traum eingefallen. Aber jetzt, wo er es aussprach, erschien ihr der Zusammenhang plausibel: Der Spross von Thomas Montrose machte sich an die Enkelin des Erzfeindes heran, um sich auf besonders miese Art Genugtuung zu verschaffen.

Dec fuhr fort: „Glaub mir, was zwischen uns beiden geschieht, hat nichts mit der Arbeit oder unseren Familien zu tun. Es geht dabei nur um dich und mich.“

„Tja, das ist ein interessanter Aspekt.“ Sie dachte an ihren Sohn und ihre Schwestern und daran, dass sie nicht auf einer einsamen Insel lebten, auch wenn er sich das vielleicht einzureden versuchte. Sie würden niemals nur zu zweit sein.

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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