Die schönen Schwestern

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Aufgeregt wie noch nie fliegt die bezaubernde Caroline Temple auf die Insel Agnes. Wird Prinz Michel de Marigny merken, dass sie anstelle ihrer Zwillingsschwester Eleanor gekommen ist? Vor Jahren wurden Eleanor und er miteinander verlobt, doch ihre Schwester hat längst einen anderen. Carolins Traum aber bleibt es, Michels Herz zu erobern. Wird er sich erfüllen?


  • Erscheinungstag 18.12.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774400
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Unfähig, den Blick abzuwenden, betrachtete Seine Königliche Hoheit, Prinz Michel de Marigny, die Zeitschrift, die sein Bruder, Prinz Lorne, ihm hingelegt hatte. Auf der Titelseite posierte ein Model vor der eindrucksvollen Skyline von Manhattan, Tausende von Kilometern entfernt vom Inselkönigreich Carramer.

Eleanor Temple besaß ein faszinierendes herzförmiges Gesicht, gerahmt von einer blonden Löwenmähne. Die bernsteinfarbenen Augen hätten einer Katze gehören können und funkelten herausfordernd unter goldenen Wimpern.

Prinz Michels persönlicher Sekretär Andre trat an den Schreibtisch und legte ihm eine Unterschriftenmappe hin. Er warf einen Blick auf das Foto.

„Sie ist schön, Euer Hoheit. Wer ist sie?“

„Meine zukünftige Frau.“

Andre konnte den Schock schlecht verbergen. Sicher fragte er sich, wie der Playboyprinz des Landes, einer der begehrtesten Junggesellen der Welt, zu einer Braut kam, die sich in Amerika ihr Geld als Model verdiente.

„Sir?“

Michel seufzte. „Das ist eine lange Geschichte, Andre. Ich erzähle sie Ihnen bei Gelegenheit.“

Sein Sekretär verließ den Raum, und Michel griff nach den Dokumenten. Doch seine Gedanken schweiften ab zu einem sonnigen Tag vor fünfzehn Jahren, und er ließ die Hand wieder sinken. Damals war Dr. Temple, ein amerikanischer Anthropologe, mit seinen beiden eineiigen Zwillingstöchtern Eleanor und Caroline Gast der de Marignys gewesen. Während seines zwei Jahre dauernden Aufenthalts in Carramer hatte er sich mit den alten Sitten und Gebräuchen befasst. Besonders hatte ihn der uralte Brauch fasziniert, dass das älteste weibliche Kind eines Clans einem der Söhne der königlichen Familie als Frau versprochen wurde.

Der Monarch war selbst Hobbyhistoriker gewesen, und als Dr. Temple bat, eine solche Verlöbniszeremonie zwischen seiner Tochter und einem der Prinzen nach altem Ritus zu feiern, hatte er ihm seinen Wunsch erfüllt. Michel war nicht überrascht gewesen, dass sein Vater einverstanden gewesen war, nur wusste er nicht, dass er der Glückliche sein sollte.

„Aber steht das nicht Lorne zu? Er ist der Ältere. Ich bin doch erst dreizehn“, hatte er eingewandt, als sein Vater ihm alles erklärte.

„Lorne bereitet sich auf ein wichtiges Examen vor. Sein Studium geht vor“, hatte sein Vater erwidert. „Außerdem, ich dachte, du magst Eleanor Temple.“

Michel rümpfte die Nase. „Caroline mag ich lieber. Es macht Spaß, mit ihr zusammen zu sein, und sie mag dieselben Dinge wie ich. Aber ich werde sie auch nicht heiraten. Es sind Mädchen.“

Sein Vater sah ihn amüsiert an. „Normalerweise heiratet man Mädchen.“ Dann wurde er wieder ernst. „Es ist beschlossen. Die Zeremonie wird stattfinden.“

Michel wusste, wenn sein Vater diesen Ton anschlug, war Widerspruch zwecklos. Aber eine Frage wagte er doch noch zu stellen, bevor er hinausging. „Es ist doch nur gespielt, oder? Ich werde doch nicht mit Eleanor verheiratet?“

„Natürlich wirst du nicht mit ihr verheiratet. Ein Verlöbnis ist etwas anderes als eine Hochzeit.“ Dass es ein Heiratsversprechen war, erwähnte sein Vater nicht. Und Michel war zu jung und zu respektvoll gewesen, um weitere Fragen zu stellen.

Die nächsten beiden Tage hatte er mit seinem Privatlehrer die alten Worte der Zeremonie auswendig gelernt. Als dann der Augenblick gekommen war, wurde er in ein Kostüm gesteckt, das er persönlich ziemlich blöd fand, eine enge Hose und eine Lederweste, mit dem traditionellen Federumhang der Mayat um die Schultern.

Es war ihm reichlich peinlich, in diesem Aufzug ins Freie zu treten, wo zu diesem Anlass extra ein Baldachin aufgebaut worden war. Und Eleanors Kostüm trug auch nicht gerade zu seiner Beruhigung bei. Sie trug ein fließendes, langes weißes Kleid, dazu eine Girlande aus Wildblumen im Haar. Trotz der Versicherung seines Vaters sah sie für seinen Geschmack viel zu sehr nach Braut aus. Bis sie ihn erblickte und eine Grimasse schnitt, was ihr einen Tadel ihres Vaters eintrug.

Michel warf einen Blick auf Eleanors Zwillingsschwester Caroline, die an der Seite stand und zuschaute. Sie sah so unglücklich aus, wie er sich fühlte. Sie und Eleanor glichen sich wie ein Ei dem anderen, und er konnte sich nicht erklären, warum er sich mehr zu Caroline hingezogen fühlte. Er wusste nur, dass es so war. Sie unterhielt sich interessiert mit ihm über sein Hobby Delfine, und nur zu gern kam sie mit an den Strand zum Muschelsuchen. Anders als Eleanor beschwerte sie sich niemals, wenn sie Sand in die Schuhe bekam.

Michel wusste, warum Eleanor für die Zeremonie ausgesucht worden war. Sie war die Ältere, auch wenn es nur um ein paar Minuten ging. Aber mit Caroline hätte es viel mehr Spaß gemacht, und sie hätten hinterher herzlich über all dies lachen können. Eleanor aber sah so ernst aus, dass Michel sich daran erinnern musste, dass es nur eine Art Aufführung war. Die Zeremonie war nicht echt.

Allerdings verhielten sich sein Vater und Dr. Temple ebenso ernst wie Eleanor. Erst viele Jahre später fand Michel heraus, dass er sich getäuscht hatte – die gesamte Veranstaltung war von vorn bis hinten ernst gemeint gewesen.

Michel zwang seine Gedanken zurück in die Gegenwart und an die Unterhaltung mit Lorne am Morgen. Die beiden Brüder wussten seit Langem, dass dieses Verlöbnis bindend war. Michel vermutete, sein Vater hatte es inszeniert in der Hoffnung, seinen willensstarken jüngsten Sohn damit zu zähmen.

Vergebliche Hoffnung, dachte Michel. Sein Ruf als Playboy war nicht völlig unbegründet, auch wenn die Medien alles aufbauschten. Und wie Lorne am Morgen diskret andeutete, diente die Adoption eines Kindes, von dem die Leute sagten, es sei Michels eigenes, nicht gerade dazu, solchen Gerüchten den Nährboden zu entziehen. Aber Michel liebte den Jungen viel zu sehr, um sich durch die öffentliche Meinung von seinen Plänen abbringen zu lassen. Und niemals hatte er seine prinzlichen Pflichten verletzt, das konnte ihm niemand vorwerfen.

Selbst Lorne war gezwungen gewesen, es einzugestehen. „Das habe ich auch nicht gesagt. Aber da du ein Kind adoptiert hast, musst du ihm eine stabile Familie bieten. Ich will dich nicht dazu drängen, nur deswegen zu heiraten“, sagte er und wanderte in Michels Büro auf und ab. „Meine eigene Ehe hat mir gezeigt, was passieren kann, wenn man die falsche Person heiratet. Aber bevor Chandra starb, schenkte sie mir einen wundervollen Sohn – wie kann ich da behaupten, es war ein Fehler? Nun habe ich Allie und das Baby, und ich wünsche mir, dass du das gleiche Glück wie ich findest.“

Michel unterdrückte ein Lächeln. Diesmal hatte der besorgte Bruder gesprochen, nicht der Herrscher von Carramer. „Und wo findet man eine zweite Allie?“

„Vielleicht hast du sie bereits.“ Lorne ließ die Zeitschrift auf seinen Schreibtisch fallen und deutete auf die amerikanische Schönheit auf der Titelseite. „Du bist schließlich offiziell mit ihr verlobt.“

„Keinem von uns beiden war damals klar, was wir taten“, verteidigte sich Michel.

„Deswegen ist das Verlöbnis nicht weniger bindend.“

„Sicherlich gibt es einen Weg, die Vereinbarung aufzulösen.“

„Warum schickst du nicht nach Eleanor und erinnerst sie an eure gegenseitige Verpflichtung, statt dir darüber den Kopf zu zerbrechen?“

Michel runzelte die Stirn. „Eleanor wird mich kaum heiraten wollen, nur weil wir als Kinder miteinander verlobt wurden.“

„Dann bring sie dazu, dich heiraten zu wollen.“ Es war ein königlicher Befehl. Doch dann lächelte er schwach. „So wie Eleanor aussieht, sollte es eine interessante Herausforderung sein, denke ich.“

Michel lächelte trocken. „Ich kann niemals einer Herausforderung widerstehen, wie du sehr gut weißt.“ Und seltsamerweise konnte er sich vorstellen, dass sie ihm sogar Spaß machen würde.

1. KAPITEL

Die Limousine, die an der Rollbahn des Aviso Airport wartete, trug den blaugrünen Wimpel des Königshauses von Carramer. Sie wurde flankiert von einer Motorradeskorte der Polizei und erinnerte Caroline Temple daran, dass es nun kein Zurück mehr gab. Sie verspürte einen leichten Druck im Magen bei dem Gedanken an das, was sie vorhatte.

Niemals werde ich Prinz Michel davon überzeugen können, dass ich Eleanor bin, dachte sie in plötzlicher Panik. Nachdem Eleanor den Brief des Prinzen erhalten und erkannt hatte, er meinte es ernst, dass sie nach Carramer kommen und ihn heiraten sollte, hatte Eleanor sie angefleht, ihre Rollen zu tauschen. Und nun war Caroline sich gar nicht mehr sicher, ob sie das Spiel weiterspielen sollte.

Da Eleanor sich in Kürze mit dem Mann, den sie liebte, einem reichen kalifornischen Erben, verloben wollte, konnte sie kaum selbst kommen.

Es ist alles nur Vaters Schuld, dachte Caroline frustriert. Diesmal war er zu weit gegangen. Sie alle hatten es damals nur als harmloses Spiel angesehen, und nun stellte sich das zeremonielle Verlöbnis als echte Verlobung heraus. Als Resultat war Eleanor nun mit Prinz Michel förmlich verlobt – zuletzt hatte sie ihn gesehen, als er dreizehn und sie und ihre Schwester elf Jahre alt gewesen waren.

„Ich bin wohl wirklich nicht mehr in Kansas“, murmelte Caroline und drückte unbewusst den Rücken durch, als sie von der Eskorte quer über die Rollbahn zur Limousine begleitet wurde.

Von der Luft aus hatte sie die ausgeprägte Form der Isle des Anges gesehen, die der Insel ihren Namen gegeben hatte. Sie war geformt wie die Flügel eines Engels. Auch hatte sie die Hauptinsel Celeste entdeckt, wo sie, ihre Schwester und ihr Vater fast zwei Jahre lang gelebt hatten, in der Hauptstadt Solano. Auf Nuee, an der Spitze der Isle des Anges gelegen, war sie noch nie gewesen.

Als sie das Flugzeug verlassen hatte, wurde sie von einem Beamten an den anderen Passagieren vorbeigeführt. Man warf nur einen flüchtigen Blick auf ihren Pass. Aber Caroline wusste, sie glich ihrer Schwester aufs Haar, niemand konnte etwas bemerken.

Ihr schulterlanges Haar hatte sie absichtlich so frisiert, dass es Eleanors Löwenmähne glich, und ihre bequeme Kleidung gegen einen maßgeschneiderten Hosenanzug aus auberginefarbenem Leinen getauscht. Ihre Lederkoffer waren mit Eleanors Kleidern gefüllt.

„Wann haben wir eigentlich aufgehört, die gleichen Kleider zu tragen?“, hatte sie ihre Schwester gefragt. Bewusst hatten sie diese Entscheidung nicht getroffen, soweit sie sich erinnerte.

„Als mir bewusst wurde, es gibt reiche Männer“, erwiderte ihre Zwillingsschwester lässig. Als Teenager hatte sie sich geschworen, einen wohlhabenden Mann zu heiraten, um nie wieder ein ungesichertes Leben führen zu müssen wie damals als Kind in der Obhut ihres Vaters. In Danny O’Hare-Smith hatte sie den Mann ihrer Träume gefunden.

Danny bot ihr ein leichtes Leben und jeden nur erdenklichen Luxus. Zusätzlich vergötterte er sie. Eleanor musste nur das tut, was sie am besten konnte: toll aussehen und Danny ebenfalls vergöttern. Das Leben einer Prinzessin brachte hingegen für Eleanors Geschmack zu viele Pflichten und Verpflichtungen mit sich.

Caroline hingegen hätte einem Leben allein von Luxus bestimmt nichts abgewinnen können. Von ihrem Vater hatte sie die Bereitschaft mitbekommen, sich das zu erarbeiten, was sie haben wollte. Alles, was etwas wert war, hatte seinen Preis.

Und jetzt bezahlte sie den Preis für die Täuschung. Das wurde ihr deutlich bewusst, als sie die Limousine erreichten. Ein uniformierter Fahrer öffnete den hinteren Wagenschlag, und Prinz Michel stieg aus und hielt ihr die Hand entgegen.

„Willkommen in Carramer, Eleanor.“

Als er sich aufrichtete und seine Finger ihre Hand berührten, durchfuhr es sie wie ein elektrischer Schlag. Die Fotografie, die er zusammen mit der Einladung geschickt hatte, übertrieb nicht. Eher untertrieb sie Michels männliche Ausstrahlung noch. Der Junge, mit dem sie damals im Palastgarten von Solano gespielt hatte, war in diesem Mann kaum wiederzuerkennen. Er hatte einen verwegenen Blick und volle dunkle Haare, die ihm in die Stirn fielen. An den Schläfen waren sie früh grau geworden, was ihn aber ausgesprochen distinguiert aussehen ließ.

Er hatte zudem eine beeindruckende Figur, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, perfekt unterstrichen von einer maßgeschneiderten Hose und einem weißen Sporthemd.

Sie fühlte, dass ihre Wangen brannten, als sie sich zwang, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. Es zeigte deutlich die typischen Züge der de Marignys, aber sein starkes Kinn wies auf einen ebenso starken Charakter hin. An seine Dickköpfigkeit erinnerte sie sich nur zu gut. Es sah aus, als hätte sie noch zugenommen.

Sie zwang sich, nicht einen Schritt zurückzutreten. „Hallo, Michel, lange nicht mehr gesehen.“

„Viel zu lange.“ Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und küsste sie auf die Wange. Es war kaum ein romantischer Kuss, aber sie wurde leicht benommen im Kopf, was wenig mit der Hitze zu tun hatte. Es fiel ihr schwer, ihre Hände dekorativ an den Seiten zu lassen.

Als er den Kopf hob, wirkte er überrascht, als wäre der Kuss auch auf ihn nicht ohne Wirkung gewesen. Sehr wahrscheinlich war er einfach nur verblüfft, dass das Mädchen von damals zur Frau geworden war. Sie hatte doch selbst Schwierigkeiten, sich die innere Hitze und den jagenden Puls zu erklären, nur weil er sie flüchtig küsste.

„Es ist schön, dich wiederzusehen“, sagte er mit dunkler, sexy Stimme.

Ein lustvoller Schauer lief ihr über den Rücken. Rasch erinnerte sie sich daran, dass er sich freute, Eleanor wiederzusehen, und sie empfand einen schmerzlichen Stich dabei. Sie hatte gewusst, dies hier würde nicht einfach werden, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie wieder so heftig auf ihn reagieren würde. Damals war sie heimlich in ihn verliebt gewesen. Eigentlich sollte sie sich freuen, dass er sie für Eleanor hielt, aber irgendwie war das Gegenteil der Fall.

In der kurzen Zeit, die ihnen nach Michels Brief zur Verfügung stand, hatte Eleanor ihr beigebracht, wie sie zu gehen, zu reden und sich zu benehmen hatte. Aber natürlich fühlte sie sich immer noch wie Caroline Temple, und ein Teil von ihr wünschte sich, der Prinz hätte sich über ihre Ankunft gefreut. Aber davon kannst du nur träumen, ermahnte sie sich streng. Sie wusste, wohin solche Fantasien gehörten.

Und doch hatte sie das Gefühl, sich mitten in einem Traum zu befinden, als Michel ihr galant in die luxuriöse Limousine half. Als der schwere Wagen gleich darauf fast lautlos dahinglitt, war sie nur froh, dass er genügend Platz bot, Abstand zu Michel zu halten. Es war nicht nur seine körperliche Gegenwart, die fast überwältigend war, sondern er strahlte so viel Männlichkeit aus, dass sie sich zart und beschützt vorkam. Ein Gefühl, das sie sonst überhaupt nicht kannte. Den größten Teil ihres Lebens hatten sie und Eleanor mehr oder weniger aufeinander aufgepasst, während ihr Vater mit seinen anthropologischen Studien befasst war. Einen Mann wie Michel hatte sie noch nicht kennengelernt.

Fühle ich mich in seiner Gegenwart deswegen wohler als bei unzuverlässigen Männern wie Ralph Devonport? ging es ihr durch den Kopf. Sie hatte geglaubt, Ralph zu lieben – bis er sie mit einer anderen Frau betrog.

„Hattest du einen guten Flug?“, riss Michels Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Für meinen ersten Flug erster Klasse war er großartig“, erwiderte sie ohne nachzudenken.

„Ich hätte gedacht, bei deinem Job würdest du immer erster Klasse fliegen.“

Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie ja ein Jetset-Model war. „Noch bin ich nicht in die Top-Model-Liga aufgenommen“, sagte sie flapsig und lachte dabei.

„Wenn dein Bild auf der Titelseite der World Style zu sehen ist, dauert es bestimmt nicht mehr lange“, meinte er netterweise.

Eleanor würde ein solches Kompliment bestimmt selbstverständlich finden. Also nickte Caroline nur. „Wie ich sehe, hältst du dich auf dem Laufenden.“

„Bist du überrascht?“

Sie hatte sich schon gefragt, wie sie das Thema zur Sprache bringen sollte. „Du meinst, weil wir verlobt sind? Michel, wir müssen uns darüber unterhalten.“

Er kniff leicht den Mund zusammen. „Ich würde es vorziehen, wenn wir uns erst wieder ein wenig miteinander vertraut machen, bevor wir über unser Verlöbnis sprechen.“

Ihre Hoffnung, die Angelegenheit schnell regeln und so bald wie möglich wieder auf dem Rückflug sein zu können, verflüchtigte sich, aber insgeheim gefiel ihr sein Vorschlag. Sie wehrte sich gegen dieses Gefühl. Je länger sie blieb, desto größer war das Risiko, entlarvt zu werden. Dennoch stieg ihre Stimmung bei der Vorstellung, mehr Zeit mit ihm zu verbringen.

„Wie geht es deiner Zwillingsschwester?“, fragte Michel.

„Oh … es geht ihr gut. Sie besitzt ein Geschäft, in dem sie themenbezogene Dekorationen für Hochzeiten und Partys anbietet.“

Er nickte, als wüsste er es bereits. „Ich nehme an, sie ist erfolgreich.“

„Sie liebt ihre Arbeit, und ihre Kunden meinen, das würde man sehen.“

„Caroline hatte immer viel für Blumen übrig.“

Es kam ein wenig wehmütig heraus, und Caroline sah ihn neugierig an. „Ja, nicht wahr? Erinnerst du dich noch, als wir damals im Garten Blumen für Sträuße und Girlanden pflückten?“

„Du hast mich damals immer an eine Waldnymphe erinnert – mit deinen nackten Füßen und bedeckt mit Blüten. Da sie den richtigen Beruf gefunden hat, hat sie bestimmt Spaß am Leben.“

Caroline konnte endlich aufrichtig sein. „Zumindest die meiste Zeit.“

Michel blickte sie an. „Nur die meiste Zeit?“

Seine Stimme verriet, sie hatte seine Neugier erweckt. Sie musste antworten. „In der Liebe war sie nicht ganz so glücklich. Vor gar nicht langer Zeit hat ein Mann ihr ziemlich wehgetan.“

„Wie denn?“

„Sie hat ihn mit einer anderen Frau erwischt“, erklärte sie und wartete auf den vertrauten Schmerz in der Brust. Er kam, aber weitaus schwächer, als sie erwartet hatte.

Michel zog die Stirn kraus. „Arme Caroline. Hat sie sehr darunter gelitten?“

„Ja, aber ich … ich habe ihr gesagt, er wäre es nicht wert, dass ihr seinetwegen das Herz bricht.“ Dabei beließ sie es. Michel hatte sich bestimmt nur aus Höflichkeit erkundigt.

Sie ließ das Fenster heruntergleiten, und die warme, duftende Luft strömte herein. Erinnerungen an die unbeschwerte Zeit, die sie hier als Kind verbracht hatte, überschwemmten sie, zusammen mit dem Duft von Ingwer und wilden Orchideen. Sie holte tief Luft. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass du Gouverneur der Insel bist, wenn ich das nächste Mal nach Anges komme.“

„Und auch von Nuee. Ich verwalte beide Inseln“, erklärte er und wirkte leicht amüsiert. „Was hast du denn gedacht, was ich so tun würde?“

Caroline erinnerte sich an seine Interessen damals und lächelte. „Vielleicht Tauchen an irgendeinem Korallenriff, auf der Suche nach unbekannten Spezies. Oder der Versuch, mit Delfinen zu kommunizieren.“

Er lachte, und der weiche Klang überlief sie wie eine Liebkosung. „All diese Dinge tue ich immer noch, aber Meeresbiologie ist für mich jetzt nur noch ein Hobby. Denn mein Bruder Lorne erinnert mich ständig daran, dass ich als Mitglied des königlichen Hauses bestimmte Verpflichtungen habe.“

„Es fällt mir immer noch schwer, dich als Thronerben zu sehen“, gab sie zu. „Hätte ich dich vielleicht besser mit Königliche Hoheit ansprechen sollen anstatt mit deinem Vornamen?“

Er schüttelte den Kopf. „Du hast damals schon keine Förmlichkeiten gemocht. Fang jetzt bitte nicht damit an. Außerdem, angesichts der Umstände wären Titel kaum angebracht.“

Es war wie ein eiskalter Guss, der Caroline wieder in die Wirklichkeit zurückbrachte. Egal, wie attraktiv sie ihn fand, er war eine verbotene Frucht, solange er mit Eleanor verlobt war. Und selbst wenn es ihr gelang, ihrer Schwester aus der Klemme zu helfen, sodass sie Michel nicht heiraten musste, würde es ihr selbst nichts nützen. Garantiert würde er von ihr und ihrer Schwester nichts mehr wissen wollen, wenn die Täuschung herauskam.

„Wie geht es Lorne und Adrienne?“, fragte sie, um sich abzulenken.

„Mein Bruder ist der beste Herrscher, den Carramer je gehabt hat“, bekannte Michel ohne Probleme. „Er liebt seine australische Frau Allie über alles. Sie hat ihm vor Kurzem eine Tochter geschenkt, Aimee, eine Schwester für Kronprinz Nori, der sechs Jahre alt ist.“

Leichter Neid erfasste Caroline, gegen ihren Willen. „Das freut mich für ihn“, sagte sie aufrichtig. „Und deine Schwester?“

Michels Gesicht wurde weich, und sie erinnerte sich, wie gern er seine jüngere Schwester hatte. „Adrienne ist im Augenblick in Paris. Sie nimmt an einem internationalen Kongress über Pferdezucht teil.“

Caroline war enttäuscht. „Wie schade, dass sie nicht hier ist. Ich hatte mich so gefreut, sie zu sehen.“

Er sah sie neugierig an. „Aber das wirst du doch! Nach dem Kongress macht sie Urlaub in der Bretagne, aber in einigen Monaten wird sie wieder zurück sein.“

So lange hatte Caroline nicht vor, Eleanor zu spielen, aber das konnte sie ihm natürlich nicht sagen. „Ich meinte, ich hatte mich gefreut, sie früher zu sehen“, redete sie sich heraus und wechselte rasch das Thema. „Du hast sicher viel zu tun, die beiden Inseln zu regieren?“

„Ich bin ausreichend beschäftigt“, erwiderte er mit ei­nem seltsamen Unterton.

Caroline hatte den Eindruck, es stecke mehr dahinter.

„Erzähl mir von Eleanor Temple“, forderte er sie nun auf.

Einen entsetzlichen Moment lang dachte sie, er hätte ihre wahre Identität erraten, und sie wurde blass. Aber dann begriff sie, er benutzte die dritte Person nur aus Gewohnheit, mehr nicht. „Was möchtest du denn wissen?“

„Na, das Übliche. Wohin du nach Carramer gingst, was du tatest. Wie es kommt, dass deine Schwester Blumen zu ihrem Beruf machte und du Fotomodell wurdest. Adrienne hat mir erzählt, was Caroline ihr geschrieben hat, so weiß ich einige Details, aber nicht so viel, wie ich wissen möchte.“

Er wusste nicht, dass die Schreiberin der Briefe neben ihm im Wagen saß. Aber sie mochte ihn nicht anlügen. So einfach war das.

So beschloss sie, so dicht wie möglich an der Wahrheit zu bleiben.

„Nachdem wir Carramer verlassen hatten, gingen wir nach Australien, in die Northern Territories, ins Arnhem Land, wo Dad die Kultur der Aborigines und ihre Felskunst studierte. Ich dachte, es wäre dort tropisch wie in Carramer, aber das halbe Jahr herrschte Monsun, und die andere Hälfte war es knochentrocken. Roter Staub war überall, drang durch alle Ritzen. Wir machten einen Witz daraus und behaupteten, wir würden noch zu Rotschöpfen werden.“

„Stattdessen habt ihr euch in wunderschöne Frauen verwandelt“, bemerkte er. Er zog ein Exemplar der World Style hervor. Caroline sah, dass die Seite mit dem Artikel über Eleanor aufgeschlagen war. Eine Fotografie von den Zwillingsschwestern war dabei, aufgenommen vor dem Haus ihrer Großmutter in Kalifornien, das die Schwestern geerbt hatten.

„Du siehst immer noch wie Caroline aus, auch wenn du dein Haar anders trägst“, meinte er und schaute vom Foto zu ihr und zurück.

Es verwirrte sie, dass er sie immer mit ihr verglich, weil er sie für Eleanor hielt. „Caroline hat immer schlichte Dinge vorgezogen.“

Er strich mit dem Zeigefinger über das Bild, und unwillkürlich lief Caroline ein Schauer über den Rücken. „Ich würde ihren Stil eher als natürlich anstatt schlicht bezeichnen.“

„Caroline würde dir wohl zustimmen“, sagte sie und wandte sich schnell ab, damit er nicht sah, dass seine Bemerkung sie irritiert hatte. Verstanden zu werden tat gut, aber zu viel war gefährlich. Schließlich sollte er Eleanor verstehen, nicht Caroline.

Autor

Valerie Parv
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