Ein süßes Geschenk für den Cowboy

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Cowboy Wilder ist fassungslos, als er am Weihnachtstag ein Baby vor seiner Tür findet. „Cody ist dein Sohn“ steht in einem Brief. Er – ein Daddy? Das passt nicht, findet Beth, die hübsche Tante des Kleinen. Sie will Cody sofort mitnehmen. Doch Wilder schlägt ein Fest zu dritt vor …


  • Erscheinungstag 23.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536394
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Dallas, Texas

Heiligabend

Beth Ames musste das Weihnachtslied im Radio einfach mitträllern. Weihnachten war schon immer ihre liebste Zeit im Jahr und in diesem Jahr war es sogar noch schöner, weil es das erste Weihnachtsfest ihres Neffen war. Der vier Monate alte Cody war ihre große Liebe und sie war dankbar – wenn auch etwas überrascht –, dass ihre Schwester sie zum Fest eingeladen hatte.

Die Beziehung zwischen Beth und Leighton war nämlich oft schwierig gewesen. Beth hätte ihrer Schwester gern nähergestanden, doch das hatte Leighton nicht zugelassen. Erst nachdem Leighton ihr ihre Schwangerschaft gebeichtet hatte, hatte sich das Verhältnis verbessert.

Die Aussicht, allein ein Kind großziehen zu müssen, hatte Leighton erschreckt. Beths Fragen zu dem Vater hatte sie immer konsequent abgeschmettert.

„Falls du an meinem Leben teilhaben möchtest, wenn das Baby auf der Welt ist, hör auf, nach einem Kerl zu fragen, der nicht das mindeste Interesse daran hat, Vater zu sein.“

Beth war zwar der Ansicht, auch ein werdender Vater habe ein Recht, von seinem Kind zu erfahren, wollte jedoch die neu gewonnene Nähe zu ihrer Schwester nicht gefährden und hielt sich daher zurück.

Stattdessen hatte sie Leighton während der ganzen Schwangerschaft beigestanden, war während der Wehen nicht von ihrer Seite gewichen und hatte in Codys ersten Lebenswochen jede freie Minute bei der frischgebackenen Mutter und dem Baby verbracht – bis Leighton auf Abstand gegangen war.

Das hatte Beth respektiert und sich bemüht, für ihre Schwester da zu sein, ohne ihr auf die Füße zu treten. Trotzdem schien Leighton im Laufe der Wochen und Monate immer unglücklicher zu werden.

Doch nun war Beth voller Vorfreude unterwegs zu ihr und Cody mit dem Rücksitz voller hübsch verpackter Geschenke und einem Karton voller Lebensmittel für das Weihnachtsessen.

Dass Leightons Auto nicht auf seinem Parkplatz stand, erklärte Beth sich damit, dass diese sicher schnell vor Geschäftsschluss noch etwas hatte besorgen müssen. Kein Problem, sie hatte ja einen Schlüssel.

Also parkte sie ihren Wagen, trug die Sachen in die Wohnung und packte die Lebensmittel in den Kühlschrank. Anschließend schaltete sie die Lichterkette des Weihnachtsbaumes und im Radio ihren Lieblingssender mit Weihnachtsliedern ein.

Irgendwann rief sie ihre Schwester auf dem Handy an, um zu fragen, wann sie heimkommen würde. Zu ihrer Überraschung klingelte es im Schlafzimmer, wo sie verblüfft Leightons Handy auf seiner Ladestation vorfand.

Kopfschüttelnd über die Zerstreutheit ihrer Schwester wollte sie gerade wieder rausgehen, als ihr Blick auf einen Zettel neben der Ladestation fiel.

Beth,

ich habe meine Pläne geändert – tut mir leid! Ich erkläre es dir, wenn ich kann.

Frohe Weihnachten.

In Liebe,

L.

Was zum Teufel bedeutete das?

Wo steckte Leighton?

Und noch viel wichtiger: Wo war Cody?

1. KAPITEL

Rust Creek Falls, Montana

Erster Weihnachtstag

Und wieder hat es einen erwischt!, dachte Wilder, als alle am Tisch seinem Bruder Hunter und Merry zu ihrer Verlobung gratulierten.

Doch er lächelte, denn Hunter freute sich, die zukünftige Braut strahlte und die sechsjährige Wren war überglücklich, dass ihr Weihnachtswunsch nach einer neuen Mami sich erfüllt hatte. Wilder gönnte der neuen Familie ihr Glück von Herzen – war aber gleichzeitig erleichtert, nicht selbst Verantwortung für Frau oder Kind tragen zu müssen.

Auch wenn seine Brüder Logan, Xander, Knox, Finn und jetzt auch Hunter zweifellos glücklich waren, ihr Leben mit einer Partnerin teilen zu können, hatte Wilder es damit nicht eilig. Er war höchst zufrieden mit seinem Single-Dasein und hatte nicht vor, etwas daran zu ändern.

„Ich habe wirklich Glück mit diesem Mann“, hörte er Merry zu einem ihrer Schwager sagen.

„Und Hunter hat Glück mit dir“, bemerkte Max, ihr Schwiegervater in spe. Als er vor einem halben Jahr mit seinen sechs Söhnen von Dallas nach Rust Creek Falls gezogen war, hatte er alle Hebel in Bewegung gesetzt, Partnerinnen für sie alle zu finden, und war noch nicht mal davor zurückgeschreckt, der örtlichen Heiratsvermittlerin eine Million Dollar anzubieten, damit sie seine Jungs unter die Haube brachte. Mit der Verlobung von Hunter und Merry waren es jetzt fünf von sechs und Max schien auf der Zielgeraden zu sein.

Auf den sechsten wirst du aber verzichten müssen!, dachte Wilder überzeugt.

Allerdings stand zu befürchten, dass er jetzt im Zentrum der Aufmerksamkeit seines Vaters stehen würde. Verdammt!

Offenbar hatte er das laut ausgesprochen, denn Hunter maßregelte ihn. „Pass auf, was du sagst!“

„Tut mir leid. Mir ist nur gerade klar geworden, dass ich jetzt der letzte Crawford-Junggeselle bin“, rechtfertigte sich Wilder.

„Ich bin ja auch noch zu haben“, warf Max ein.

„Sagt ausgerechnet der Mann, der dafür bezahlt hat, uns alle zu verkuppeln“, stellte Wilder fest.

„Halt die Klappe, Kleiner“, rief Finn, der sich auf die Geburt seines ersten Kindes mit seiner Frau Avery in zwei Monaten freute. „Dann seid ihr also das nächste Crawford-Paar, das sich des geheimnisvollen Tagesbuchs annehmen wird“, fuhr er an Hunter und Merry gewandt fort.

Das Tagebuch war kurz nach dem Umzug der Crawfords im Haupthaus der Ambling A Ranch unter einem losen Dielenbrett entdeckt worden. Da das A von Ambling A für Abernathy, den Namen der Vorbesitzer der Ranch stand, in Edelsteinen auf dem Tagebuch zu finden war, gingen die Crawfords davon aus, dass es einem Mitglied jener Familie gehört hatte.

„Ich habe dazu noch etwas herausgefunden …“, setzte Merry an, wurde jedoch von einem Klopfen an der Tür unterbrochen.

Hunter ging gefolgt von Wilder zur Tür.

Als Hunter die Tür öffnete, sahen sie ein rotes Auto sehr schnell davonfahren, von dem Wilders Blick nur noch erhaschte, dass das Kennzeichen aus Texas stammte.

„Da hat sich wohl jemand in der Adresse geirrt“, vermutete Wilder, obwohl ihn das Auto an irgendetwas erinnerte.

„Oder jemand hat sein Vorhaben bereits erledigt“, vermutete Hunter und zeigte auf einen Kindersitz und das darin schlafende Baby auf der Türschwelle. Daneben lag eine große Wickeltasche.

„Was zum Teufel …“, begann Wilder.

„Da ist ein Zettel!“ Hunter bückte sich, zog eine Notiz aus der blauen Decke, die um das Baby gewickelt war, und las vor: „Wilder …“, Hunter hielt inne und blickte seinen Bruder prüfend an, „… dies ist dein Kind. Ich habe vier Monate lang mein Bestes getan, doch jetzt kann ich nicht mehr. Cody braucht seinen Vater und der bist nun mal du. Jetzt bist du dran. Bitte pass gut auf ihn auf. L.“

„Tja, kleiner Bruder“, fuhr Hunter fort und fixierte Wilder, „sieht ganz so aus, als sei dies dein Weihnachtsgeschenk.“

Wilder riss ihm den Zettel aus der Hand und starrte darauf. Das war doch nicht möglich!

Oder etwa doch?

„Was ist denn hier los?“ Max schob sich zwischen seine Söhne. „Du lieber Gott – das ist ja ein Baby!“

„Wilders Baby“, ergänzte Hunter und ging zurück zu den anderen.

Sein Vater sah ihn streng an. „Würdest du das bitte mal erklären?“

„Würde ich gern – wenn ich könnte. Aber ich habe dieses Kind noch nie zuvor gesehen. Ich bin genauso perplex wie du.“

„Aber es ist deins“, stellte Max fest. Es war keine Frage.

„Na ja, das steht zumindest auf dem Zettel …“

„Glaubst du es nicht?“

„Ich weiß nicht, was ich glauben oder denken soll.“ Wilder fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Falls das ein Scherz sein soll, ist es jedenfalls ein schlechter. Wer setzt denn mitten im Winter sein Kind auf einer Türschwelle aus?“

„Ist ja nicht irgendjemandes Türschwelle, sondern offenbar die des Vaters“, wandte Max ein.

„Das kann nicht sein“, widersprach ihm Wilder.

„Wieso? Hast du noch nie mit einer Frau geschlafen?“ Was natürlich eine rhetorische Frage war, denn auch wenn Wilder nichts darüber erzählte, war dem Rest der Familie nicht verborgen geblieben, wie oft er erst morgens nach Hause kam und in sein Zimmer schlich.

„Ich passe immer auf“, versicherte ihm Wilder.

„Unfälle passieren trotzdem“, kommentierte Max trocken. „Auf dem Zettel steht, der Kleine sei vier Monate alt. Plus neun macht dreizehn, also muss es ungefähr letztes Jahr im November passiert sein. Wo hast du dich letzten November rumgetrieben?“

„Wie soll ich das denn jetzt noch wissen?“

„Du musst ja nicht jede lieben, mit der du ins Bett steigst“, zischte Max, „aber du solltest wenigstens so viel Respekt vor den Frauen haben, dich an sie und ihre Namen zu erinnern!“

„Lass mir einen Moment Zeit, Dad. Ich bin gerade so durcheinander, dass ich froh bin, meinen eigenen Namen noch zu wissen.“

„Aussehen tut das Baby jedenfalls wie ein Crawford“, stellte Max fest.

„Das Baby sieht aus wie ein Baby“, widersprach ihm Wilder, für den alle Babys gleich aussahen.

Prompt begann das Exemplar im Kindersitz zu brüllen. Wilder wich zurück.

„Nimm ihn hoch und bring ihn rein“, ordnete Max an.

„Was, ich?“, fragte Wilder entsetzt.

Seufzend ergriff Max den Kindersitz mit der einen und die Wickeltasche mit der anderen Hand.

„Du lieber Himmel, da ist ja wirklich ein Baby“, rief Avery, die aus dem Esszimmer in die Küche kam, als Max und Wilder vom Flur aus eintraten. „Weshalb hast du uns nicht erzählt, dass du Vater geworden bist, Wilder?“

„Weil ich es nicht bin“, beharrte Wilder.

Inzwischen waren so ziemlich alle in der Küche.

„Der Kleine nuckelt an seiner Faust“, stellte Hunter fest. „Er hat Hunger.“

„Lasst uns mal sehen, ob ein Fläschchen in der Tasche ist“, schlug Merry vor und fand dort außer einer vorbereiteten noch eine leere Flasche und eine Dose Milchpulver.

Avery schnallte den Kleinen los und nahm ihn hoch. Augenblicklich hörte er auf zu schreien.

Ohne das Gebrüll fand Wilder das Baby etwas weniger furchteinflößend, doch er war trotzdem heilfroh, dass seine Brüder und ihre Frauen sich des Problems annahmen. In all dem Trubel wagte er einen näheren Blick und fühlte sich gleich wieder unbehaglich, weil das Baby ihn ebenfalls in Augenschein zu nehmen schien.

„Wo kommt denn das Baby her?“, wollte Wren wissen.

„Jemand hat es auf der Türschwelle abgestellt“, erklärte ihr Vater.

„Dann ist es vielleicht ein Geschenk vom Weihnachtsmann“, vermutete Wren.

Hunter feixte. „Ja, für Onkel Wilder. Aber auf dessen Wunschzettel stand es bestimmt nicht.“

„Er sieht fast so aus wie Wilder auf seinen Babyfotos“, merkte Logan an, der älteste der Crawford-Brüder.

„Tut er nicht“, widersprach Wilder, aber niemand beachtete ihn, außer seinem Vater, der ihm auf die Pelle rückte.

„Die Nachricht war mit L unterzeichnet. Frischt das deine Erinnerung etwas auf?“

Wilder war eher froh, sich nicht zu erinnern, denn das ersparte ihm die Verantwortung für ein Kind, das so plötzlich in sein Leben geschneit war. Doch leider dämmerte ihm allmählich etwas. Verschwommene Bilder einer Vorweihnachtsfeier im Reunion Tower in Dallas, zu viele Cocktails und eine attraktive und sehr unternehmungslustige Blondine namens Leighton Ames.

Sie hatten eine nette Zeit miteinander verbracht, nicht nur an jenem Abend, sondern auch noch einige Wochen länger. Nach Silvester hatte sie allerdings urplötzlich Schluss gemacht. Zuerst war Wilder etwas enttäuscht gewesen, aber es gab so viele Frauen, und so hatte er keinen weiteren Gedanken an sie verschwendet … bis jetzt.

War Leighton die Mutter dieses Babys?

War er dann möglicherweise doch der Vater?

Weshalb hatte sie ihm dann nie gesagt, dass sie schwanger war?

Hatte sie ihm deshalb nichts von der Schwangerschaft erzählt, weil sie nicht sicher war, ob das Kind von ihm war, oder war sie davon ausgegangen, dass er nicht dazu stehen würde?

Dabei hätte er doch trotz aller Panik, in der Falle zu sitzen, das Richtige getan. Allerdings konnte Leighton das nicht wissen, denn über solche Dinge hatten sie nie gesprochen. Ihre Konversationen hatten sich mehr um „Zu dir oder zu mir?“ gedreht und wenn das geklärt war, hatten sie anderes zu tun gehabt, als miteinander zu reden.

Doch wie hatte sie ihn überhaupt gefunden? Als der Kontakt abgebrochen war, hatte er noch gar nicht gewusst, dass er nach Rust Creek Falls ziehen würde.

Nein, das Baby konnte nicht von Leighton sein. Dass sein Name auf dem Zettel stand, verdrängte er.

Damit würde sich sein Vater allerdings nicht zufriedengeben. Daher scrollte Wilder seine Kontakte durch, um zu sehen, ob er Leightons Nummer noch hatte. Tatsächlich! Er startete den Anruf.

„Hallo?“, hörte er eine leicht panische Frauenstimme.

„Äh … ich wollte Leighton Ames erreichen.“

„Damit sind wir schon zwei.“ Sie klang, als sei sie den Tränen nahe.

„Ist dies noch ihre Nummer?“, fragte Wilder irritiert.

„Ja, ist sie. Sie hat ihr Handy vergessen, als sie abgehauen ist.“ Die Frau seufzte leise. „Aber vielleicht hat sie es ja auch gar nicht vergessen.“

Was sollte das heißen? Egal. „Falls du von ihr hörst, sag ihr bitte, sie soll Wilder Crawford anrufen.“

„Weshalb? Was hast du mit meiner Schwester zu tun?“

Schwester?

Eine Schwester hatte Leighton nie erwähnt, aber falls es eine gab, musste diese ja wissen, ob Leighton ein Baby hatte.

Bevor er fragen konnte, fuhr sie allerdings fort: „Moment mal … sagtest du Wilder Crawford?“

„Ja, genau.“

„Deinen Namen und eine Adresse in Montana habe ich auf einer Notiz in Leightons Apartment gefunden. Es könnte also sein, dass sie auf dem Weg zu dir ist.“

Sein Magen zog sich zusammen. „Sie war schon hier und hat … etwas hiergelassen.“

„Was für ein Etwas?“ Die Stimme klang auf einmal alarmiert.

„Ein Baby“, gestand er. „Hat sie …“

„Cody?“, unterbrach sie ihn. „Ist Cody bei dir?“

„Der Name steht zumindest auf dem Zettel, den ich bei dem Baby auf meiner Türschwelle gefunden habe.“

„Aber weshalb sollte sie ihr Baby bei dir lassen?“

„Das wüsste ich auch gern.“

„Bist du etwa Codys Vater?“

„Offensichtlich glaubt sie das.“

„Gesprochen habt ihr nicht miteinander?“

„Seit über einem Jahr nicht mehr.“

„Aber Cody ist bei dir auf einer Ranch namens Ambling A in Montana?“

„So ist es.“

„Okay, ich komme, so schnell ich kann.“

„Moment mal …“

Doch sie hatte bereits aufgelegt.

„Was hast du herausgefunden?“, wollte Max wissen, als Wilder an den Esstisch zurückkehrte, wo Lily gerade das Dessert auftrug.

„Die Mutter des Kindes ist Leighton Ames. Ich habe gerade mit ihrer Schwester gesprochen, aber die weiß nicht, wo Leighton ist oder weshalb sie das Baby hiergelassen hat.“

„Weil sie es bei seinem Vater lassen wollte“, vermutete Max.

Hoffentlich nicht, betete Wilder still.

Wenigstens seine Familie schien entzückt über das Baby zu sein.

„Du kannst mir den Kleinen gern geben“, bot Finn seiner Frau an. „Ich bin schon fertig mit meinem Dessert.“

„Hast du dir ein Baby zu Weihnachten gewünscht, Onkel Wilder?“, fragte Wren.

„Nein“, sagte er kurz und bündig.

„Dann hast du einfach Glück gehabt“, fand sie.

Glück?

Bei so viel Glück blieb ihm glatt sein Dessert im Halse stecken.

Nachdem alles aufgeräumt war, leerte sich das Haus rasch und Wilder und sein Vater blieben allein zurück. Dann brach auch Max auf, um eine Wiege auszuleihen, wegen der er bei zahlreichen Verwandten im Ort herumtelefoniert hatte.

Wilder wäre gern selbst gefahren, aber sein Vater hatte darauf bestanden, dass er bei dem Baby blieb. Eine halbe Stunde lang ging das gut, weil der Kleine schlief, doch als er aufwachte, verzog er sein Gesicht und wand sich in seinem Kindersitz. Gleich würde er wieder losplärren …

„Avery hat versprochen, dass du ein paar Stunden schläfst“, redete Wilder dem Baby gut zu. „Das ist noch nicht mal eine Stunde her.“

Der Kleine fixierte ihn mit seinen großen blauen Augen.

„Du kannst doch nicht schon wieder Hunger haben. Du hast doch gerade erst eine ganze Flasche leer getrunken, bevor sie weggefahren sind.“

Das Baby schien nicht überzeugt. Seine Unterlippe begann zu zittern und Wilder machte sich auf einen weiteren Ausbruch gefasst.

„Tut mir leid, aber ich weiß nicht, was ich tun soll“, entschuldigte sich Wilder.

„Du könntest ihn hochnehmen.“

Wilder drehte sich um und sah Hunter auf der Türschwelle stehen.

„Ich dachte, du wärst nach Hause gefahren.“

„War ich auch. Aber ich bin zurückgekommen, weil ich dachte, du möchtest vielleicht mit jemandem reden, der schon mal in einer ähnlichen Lage war.“

Wilder verkniff sich die Bemerkung, dass er sich nicht daran erinnern konnte, dass jemals ein Baby auf Hunters Türschwelle hinterlassen worden war; keinesfalls wollte er riskieren, dass sein Bruder wieder ging.

„Ich brauche eher eine Bedienungsanleitung als eine Ansprache“, gestand er.

„Eine Bedienungsanleitung gibt es leider nicht, denn jedes Baby ist anders.“

„Woher weiß ich dann, was mit ihm los ist?“

„Er hat wahrscheinlich Angst, weil seine Mama nicht hier ist.“

„Damit sind wir schon zu zweit.“

„Wenn Babys Angst haben, muss man sie trösten.“

Wilder machte eine ausladende Handbewegung in Richtung Kindersitz. „Bitte sehr.“

Doch sein Bruder schüttelte den Kopf. „Du musst dich um ihn kümmern.“

„Ich hätte mich schon vor Monaten gekümmert, wenn Leighton mir gesagt hätte, dass sie schwanger ist“, rechtfertigte sich Wilder.

„Weshalb zögerst du dann jetzt?“

„Weil ich keinen Schimmer habe, was man mit einem Baby anfängt.“

„Das geht allen frischgebackenen Eltern so.“

Inzwischen wurde der Kleine immer unruhiger.

Seufzend löste Wilder den Sicherheitsgurt und nahm den Jungen heraus, der zwar kurz still war, aber sichtlich unzufrieden.

„Ich mache das falsch, oder?“, fragte Wilder Hilfe suchend.

„Man hält Babys näher als eine Armlänge von sich entfernt“, erklärte Hunter.

Wilder zog den Kleinen näher an sich, sodass sie einander fast Nase an Nase gegenüber waren.

Hunter unterdrückte ein Kichern. „Noch näher. Aber an die Seite, sodass er über deine Schulter gucken kann. Er ist schon groß genug, dass er seinen Kopf allein halten kann.“

„Er ist so winzig“, flüsterte Wilder und in seiner Stimme schwang Ehrfurcht mit.

„Ich hatte auch Angst, als ich Wren das erste Mal in meinen Armen hielt“, gestand ihm Hunter. „Und sie war noch viel kleiner als Cody jetzt.“

„Aber du konntest dich neun Monate lang darauf vorbereiten.“

„Das stimmt.“

Hunter klopfte dem Kleinen auf den Rücken, und wurde mit einem lauten Rülpser belohnt.

„Jetzt, wo das erledigt ist, kannst du ihn so halten“, erklärte Hunter, nahm seinem Bruder das Baby ab und legte es in Wilders Arme. „Setz dich und entspann dich.“

Entspannen? Mit einem Baby im Haus? Hoffentlich holte Leighton es bald wieder ab.

„Wo steckt denn Dad?“, fragte Hunter und setzte sich wieder an den Tisch.

„Der besorgt eine Wiege.“

„Ach ja, er hat erwähnt, dass er einige Sachen bei der Verwandtschaft auftreiben wollte.“

„Eine Nanny gehört wohl nicht dazu, oder?“

Hunter feixte. „Nö. Für ihn steht fest, dass du für das Baby verantwortlich bist.“

„Aber wir wissen doch nicht mal genau, ob es wirklich meins ist.“

„Seine Mutter offensichtlich schon. Wie hat sie dich überhaupt gefunden, wenn ihr nicht in Kontakt geblieben seid?“

„Das frage ich mich auch. Ich tippe auf Malcolm“, sagte Wilder und verdächtigte damit einen Freund aus Dallas. „Er hat mal erwähnt, dass ein Mädchen von der Vorweihnachtsparty letztes Jahr nach mir gefragt hat. Soviel also zum Woher? Bleibt nur noch das Warum?

„Das hat sie doch geschrieben: Er braucht seinen Vater.“

„Was beweist, wie wenig sie mich kennt. Ich habe nämlich keinerlei väterliche Qualitäten.“

„Mitfühlend, wie ich bin, kann ich dir einen Schnellkurs in Wickeln und Füttern geben. Du scheinst ja nicht gänzlich untalentiert zu sein.“

Wilder blickte auf den kleinen Kerl in seinen Armen, dem allmählich die Augen zufielen, und verspürte so etwas wie Zufriedenheit, weil es ihm gelungen war, das Baby zu beruhigen.

„Ich bin noch nicht bereit für so etwas“, erklärte er. „Bis zu einer ernsthaften Beziehung wollte ich mir noch zehn Jahre Zeit lassen und selbst dann wären Kinder noch kein Thema für mich gewesen.“

„Nichts ist wichtiger und wunderbarer und verlangt mehr Respekt, als Kinder zu haben“, entgegnete Hunter.

Cody drehte den Kopf und rieb seine Wange an dem weichen Stoff von Wilders Hemd, genau dort, wo diesem gerade das Herz aufging.

2. KAPITEL

Beth stellte das Autoradio lauter und öffnete das Fenster ein Stück, sodass die eisige Dezemberluft sie wieder munter machen konnte.

Direkt nach dem Telefonat mit Wilder Crawford war sie nach Rust Creek Falls aufgebrochen und hatte nur zum Tanken und für Toilettenbesuche angehalten. Inzwischen war sie fast achtundzwanzig Stunden unterwegs, müde und hungrig, jedoch fest entschlossen, bis zum Ziel durchzuhalten.

Sie konnte es kaum erwarten, Codys knuddeligen kleinen Körper wieder im Arm zu halten und den Duft seines Babypuders zu riechen.

Gegen zehn Uhr abends passierte sie das verblichene Schild Willkommen in Rust Creek Falls. Die Geschäfte der weihnachtlich geschmückten Hauptstraße waren alle geschlossen und die Straßen fast leer.

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