Ein Traum von dir, verboten und sinnlich

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Im Glanz der Abendsonne seine Finger durch ihre kastanienbraunen Locken gleiten lassen … Das Funkeln in ihren Augen sehen, während er sie voller Begehren in seine Arme zieht … Wünsche, die sich Cole Richardson nie erfüllen darf - denn die schöne Paige ist die Witwe seines Bruders Craig. Obwohl die beiden Männer seit ihrer Kindheit stets Rivalen waren, gilt für Cole jetzt nur eins: Craigs Andenken zu ehren, um jeden Preis! Noch kann er Paiges sinnlichen Blicken widerstehen. Aber wird er seine Liebe weiter leugnen, als er entdeckt, dass sein Bruder ihn immer nur belogen hat?


  • Erscheinungstag 22.03.2016
  • Bandnummer 1916
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721305
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Colby Richardson, Cole, wie er von Familie und Freunden genannt wurde, schob sich den breitkrempigen Stetson in den Nacken und fluchte laut. Normalerweise ließ er sich nur unter Freunden so gehen, aber in diesem Moment konnte er einfach nicht anders. Kopfschüttelnd sah er sich auf der Double R Ranch um. Verbittert presste er die Lippen aufeinander, als sein Blick auf den Platz fiel, wo bis vor einem guten halben Jahr noch die große Scheune gestanden hatte. Wie oft hatten sein Bruder und er darin als Kinder gespielt. Und jetzt war da nichts mehr außer ein paar zersplitterten Balken.

Sechs Monate zuvor hatte ein Monstertornado die kleine Stadt Royal in Texas heimgesucht und große Teile dem Erdboden gleichgemacht. Und auch die Ranch von Coles Familie, die etwas außerhalb der Stadt lag, hatte es böse erwischt. Seiner Familie … Die Ranch gehörte ihnen nicht mehr. Als ein paar Jahre zuvor sein Vater gestorben war, hatte Coles Zwillingsbruder Craig die Ranch übernommen. Und nun war sie das Eigentum von Craigs Witwe Paige.

Cole seufzte tief auf. Jetzt war es zu spät. Er hatte immer gehofft, dass er und Craig eines Tages Zorn und Enttäuschung hinter sich lassen und sich wieder versöhnen würden, es zumindest schafften, einigermaßen miteinander auszukommen. Schließlich waren sie erst zweiunddreißig und hatten ihr Leben noch vor sich. Nie hätte er damit gerechnet, dass Craig so jung sterben würde. Aber auch er war dem Tornado zum Opfer gefallen.

Dass so vieles zerstört worden war, war eine Sache. Aber Craig und noch sechs weitere Bürger der kleinen Stadt zu verlieren, hatte Cole tief getroffen. Die Stadt ließ sich wieder aufbauen, und Cole und sein Geschäftspartner Aaron Nichols von R&N Builders aus Dallas hatten großen Anteil daran. Aber Craig und die anderen sechs konnte er nicht wieder lebendig machen. Auch wenn er es sich noch so sehr wünschte.

Langsam zog er sein Handy aus der kleinen Gürteltasche und rief seinen Vorarbeiter an. An diesem Abend sollte die Baucrew mit dem Restaurant Lone Star Bar und Grill fertig werden, sodass sie am folgenden Tag mit den Reparaturarbeiten auf der Double R Ranch beginnen konnten. Bisher hatte Cole diese Arbeit aufgeschoben, weil ihm anderes wichtiger erschienen war.

Während er das Telefon wieder in die Tasche schob, sah er, wie seine Schwägerin Paige das Haus verließ. Als sie quer über den Hof auf ihn zuging, klopfte sein Herz schneller. Sowie er von dem Tod des Bruders erfahren hatte, war er von Dallas nach Royal gefahren, um Paige nach Kräften beizustehen. Doch schon nach der ersten Begegnung war ihm klar geworden, dass er ihr in Zukunft aus dem Weg gehen sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, welche Wirkung sie immer noch auf ihn hatte. Nach dem Tod ihres Mannes war sie verständlicherweise verwirrt und besonders verletzlich, und er durfte sie nicht noch zusätzlich durch seine Gefühle belasten.

Er kannte sie schon aus der Highschool, wo er sich gleich in sie verknallt hatte. Schlank und groß, wie sie war, bewegte sie sich geschmeidig wie eine Tänzerin. Und als sie jetzt auf ihn zusteuerte, war er von ihr fasziniert wie am ersten Tag. Wie gern hätte er sie in die Arme gezogen und die Finger in ihren langen kastanienbraunen Haaren vergraben …

„Ich wusste gar nicht, dass du heute kommen wolltest, Cole“, sagte sie lächelnd. Cole – so wurde er von der Familie genannt. Und plötzlich wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er außer ihr keine Familie mehr hatte.

„Ich … äh … ich“, er räusperte sich, „ich wollte dir nur sagen, dass wir morgen hier bei dir anfangen. Die Scheune muss wieder aufgebaut werden, und an den anderen Gebäuden ist auch allerlei zu reparieren.“

„Seid ihr denn mit den Bauarbeiten in der Stadt schon fertig?“ Paige hatte sich sehr dafür eingesetzt, dass die anderen Projekte vorgezogen wurden – vor allem die Arbeiten an den Wohnhäusern, deren Besitzer nach dem Tornado behelfsmäßig untergebracht worden waren. Ihr Ranchhaus war noch gut bewohnbar, und so hatte sie darauf bestanden, dass erst den anderen Familien geholfen wurde.

Cole war gerührt von ihrer Selbstlosigkeit, hatte aber nichts anderes erwartet. „Ja. Aaron meint, bis Ende des Monats hätten wir alle Aufträge erfüllt.“

„Gut.“ Mit ihren schönen grauen Augen sah Paige ihn dankbar an. „Stella und ich haben uns gerade gestern darüber unterhalten, wie wichtig es ist, dass die Familien endlich in ihre Häuser zurückkönnen. Erst dann wird wieder so etwas wie Normalität in die Stadt einkehren.“ Stella Daniels war Royals Bürgermeisterin und seit Kurzem mit Coles Geschäftspartner Aaron Nichols verheiratet. „Vor allem die Kinder müssen wieder wissen, wo sie hingehören. Nach allem, was sie durchgemacht haben.“

Immer schon hatte Paige sich sehr in andere hineinversetzt, hatte mit ihnen gefühlt, gelitten und nach bestem Wissen versucht, Menschen in Not zu helfen. Das hatte Cole schon früher sehr angezogen. Offenbar hatte sie sich in den letzten Jahren nicht sehr verändert. Vor allem für Kinder hatte sie immer ein großes Herz gehabt. Zu schade, dass Craig und sie keine Kinder hatten. Sie war zwar schwanger gewesen, als sie seinen Bruder heiratete, hatte einige Wochen danach jedoch eine Fehlgeburt erlitten. Und soweit Cole wusste, hatten sie es danach nie wieder versucht. Eigentlich seltsam, aber Cole hatte sie nie gefragt, warum nicht, und würde dieses schwierige Thema auch jetzt nicht anschneiden. Was in der zehnjährigen Ehe mit Craig gelaufen war, war allein ihre Sache und ging ihn nichts an.

„Ja, ganz besonders Kinder brauchen das Gefühl der Sicherheit“, stimmte er ihr zu.

„Wie wir alle.“ Sie lächelte traurig. „Besonders nachdem der Tornado so viel zerstört hat, was uns lieb und teuer war.“

„Wie geht es dir?“ Am liebsten hätte er sie umarmt und tröstend an sich gedrückt. In ihrem Alter den Mann zu verlieren, musste ein schwerer Schlag sein.

„Ganz gut.“ Sie blickte an Cole vorbei in die Ferne. „In den letzten Jahren war Craig viel geschäftlich unterwegs, sodass ich daran gewöhnt bin, allein zu sein. Aber natürlich wusste ich immer, dass er wiederkommen würde.“ Sie wandte den Kopf und sah Cole unglücklich an. „Aber das wird nie mehr passieren. Ich bin jetzt ganz allein auf der Welt. Das ist grausam und schwer zu ertragen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Cole leise. Insgeheim fragte er sich, was sein Bruder als Rancher wohl so viel außerhalb der Stadt zu tun gehabt hatte. Aber im Grunde kannte er Craig kaum, wusste nur, dass er Mitglied im Texas Cattleman’s Club von Royal gewesen war, dem TCC, dem Cole in Dallas angehörte. Auch Aaron war auf Empfehlung von Cole im TCC von Royal aufgenommen worden, nachdem sie beide Freunde und dann Geschäftspartner geworden waren. Inzwischen war R&N Builders eins der führenden Bauunternehmen in Texas.

Ein paar lange Sekunden sahen Cole und Paige sich schweigend an, dann wies sie auf seinen Pick-up. „Hast du deine Sachen mitgebracht? Du bleibst doch über Nacht?“

„Nein, ich wohne im Cozy Inn. Ich muss morgens früh raus und will dich nicht stören.“

Sechs Monate zuvor war er zum ersten Mal nach langer Zeit in seine Heimatstadt zurückgekehrt, um beim Wiederaufbau zu helfen. Auch damals hatte Paige ihm angeboten, auf die Ranch zu kommen und dort zu übernachten. Doch er hatte abgelehnt. Die Begründung, er könne vom Cozy Inn aus die Baustellen schneller erreichen, war etwas fadenscheinig. Doch auf keinen Fall wollte er zusammen mit Paige in einem Haus wohnen, nicht wenn sein Herz bereits schneller schlug, sobald er sie nur sah.

Paige schaute ihn an, als hielte sie ihn für leicht beschränkt. „Das ist doch Unsinn, Cole. Dies ist eine Rinderranch. Da muss ich schon vor Sonnenaufgang aufstehen, um mit den Leuten zu besprechen, was zu tun ist.“

„Hast du denn keinen Vorarbeiter?“

„Doch. Aber er ist in dem Tornado schwer verletzt worden und kann noch nicht wieder arbeiten. Er war damals in der Scheune, als sie zusammenfiel. Es ist ein wahres Wunder, dass er überlebt hat. Ich habe ihm versprochen, dass er seinen alten Job zurückbekommt, sowie er wieder auf den Beinen ist. Bis dahin übernehme ich einen Teil seiner Arbeit.“

Missbilligend schüttelte Cole den Kopf. „Kann denn nicht einer der anderen Männer vorübergehend für ihn einspringen?“

„Doch, sicher. Aber nach Craigs Tod kann ich unmöglich nur zu Hause rumsitzen. Ich muss etwas tun. Außerdem will und muss ich mich schlaumachen, wie man eine Ranch führt. Jetzt, wo ich allein dafür verantwortlich bin.“

„Du könntest sie doch verkaufen und in die Stadt ziehen.“

Sie nickte. „Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber die Ranch ist mein Zuhause. Außerdem liebe ich das Landleben. Eine quirlige laute Stadt ist nichts für mich.“

Das konnte Cole gut nachvollziehen. Er war auf der Ranch aufgewachsen und hatte später bestimmt ein Semester gebraucht, um sich an das hektische Leben in der Großstadt zu gewöhnen. Auch jetzt versuchte er, sooft es ging, Dallas zu entfliehen, und verbrachte die meisten Wochenenden außerhalb der Stadt in seiner Hütte am See.

„Aber in Royal könntest du dich intensiver deinen ganzen Wohltätigkeitsaufgaben widmen. Du wärst näher dran“, versuchte er es wieder. Bisher hatte er mit ihr noch nie über ihre Zukunft gesprochen. Zum einen war er Paige möglichst aus dem Weg gegangen, als ihm klar war, wie sehr er sich noch immer zu ihr hingezogen fühlte. Zum anderen war es ihr Leben, und er hatte kein Recht, sich einzumischen.

„Und wenn deine Leute jetzt hier arbeiten, wärst du sehr viel näher an der Baustelle dran, wenn du hier und nicht im Cozy Inn wohnst“, gab sie lachend zurück. „Du hast doch selbst gesagt, dass du das besser findest, weil du die Arbeit dann überwachen kannst.“

Damit, dass sie seine Ausrede jetzt gegen ihn verwandte, hatte er nicht gerechnet. Er lächelte verlegen. „Aber ich möchte dir nicht zur Last fallen.“

„Sei nicht albern, Cole. Dies ist dein Zuhause. Hier bist du aufgewachsen. Du hast hier sehr viel länger gelebt als ich.“

Schon möglich. Aber er hatte durchaus nicht nur gute Erinnerungen an diese Zeit. Wie oft hatte er sich mit seinem Bruder gestritten, und wie erleichtert war er gewesen, aufs College gehen zu können, auch wenn er sich an das Leben in der Großstadt erst einmal gewöhnen musste. „Aber es ist jetzt dein Zuhause“, beharrte er.

„Gut. Dann lade ich dich hiermit ausdrücklich ein.“ Sie warf ihm ein Lächeln zu, bei dem ihm ganz heiß wurde. „Damit wir auch mal über all das reden können, was in den letzten Jahren passiert ist.“

Was konnte er noch dagegen vorbringen? Ihm fiel nichts mehr ein. Den wahren Grund konnte er ihr nicht nennen. Und wenn, würde sie ihn wahrscheinlich für verrückt erklären. Womit sie vielleicht gar nicht mal so unrecht hätte. Es war ja auch reiner Wahnsinn, die Frau seines verstorbenen Bruders zu begehren.

Also blieb ihm nichts anderes übrig, als nachzugeben. „Okay.“ Schnell wandte er sich zu seinem Pick-up um. „Ich bringe meine Sachen morgen früh mit, wenn ich mit der Crew komme.“

„Sehr gut.“ Sie begleitete ihn zu seinem Wagen. „Möchtest du nicht zum Dinner bleiben?“

„Danke, aber Stella hat eine Sitzung, und ich habe Aaron versprochen, ihn zum Essen im Clubhaus zu treffen. Wir haben noch allerlei Geschäftliches zu besprechen.“

Paige schien enttäuscht zu sein, und Cole hatte gleich wieder ein schlechtes Gewissen. Aber dann lächelte sie. „Gut. Bis morgen früh.“

„Ich werde übrigens ein paar Wochen hier sein“, sagte er schnell. Vielleicht hatte sie nur mit wenigen Tagen gerechnet und würde ihre Einladung wieder zurückziehen. „Wahrscheinlich bist du danach froh, mich endlich wieder los zu sein.“

Aber das schien sie nicht zu entmutigen. „Das glaube ich nicht. Und für unser Dinner morgen Abend werde ich mir was ganz Besonderes ausdenken. Um die Rückkehr in dein Elternhaus zu feiern.“

„Bis morgen dann.“ Er sah ihr hinterher, wie sie die Stufen zur Haustür hinaufstieg. Wieder meldete sich sein schlechtes Gewissen. Warum hatte er sich in dem letzten halben Jahr nicht um sie gekümmert? Sie war doch bestimmt sehr einsam. Ihre Eltern waren schon vor einigen Jahren gestorben. Und nun war auch Craig tot. Sicher, sie war in einer Reihe von Wohltätigkeitsorganisationen aktiv. Aber damit konnte man auch nicht den ganzen Tag füllen. Wahrscheinlich freute sie sich darauf, jemanden bei sich wohnen zu haben, mit dem sie auch mal ein paar Worte wechseln konnte.

Er stieg in seinen Pick-up und ließ den Motor an. In den nächsten Wochen würde sich zeigen, wie standhaft er war. Denn seit er ihr damals in der Highschool begegnet war, hatte er sie für sich gewinnen wollen. Aber dazu war es jetzt längst zu spät. Sie hatte seinen Bruder geheiratet. Und obwohl er mit Craig nie besonders gut ausgekommen war und in den letzten zehn Jahren kaum mit ihm gesprochen hatte, schuldete er dem Toten Respekt. Und das galt auch für dessen Ehe mit Paige.

Als Paige am nächsten Morgen aufstand, freute sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit auf den neuen Tag. Was sie Cole tags zuvor erzählt hatte, war nur allzu wahr. Zwar war Craig mehrere Tage im Monat auf Geschäftsreisen gewesen, oft auch über Nacht, aber er war doch immer wieder nach Hause gekommen. Da Craig nachts sehr unruhig schlief, war sie schon einige Jahre zuvor aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen und in eins der Gästezimmer übergewechselt. Doch er war da gewesen und sie nicht allein in dem großen Haus.

Seit er tot war, hatte sie häufiger über die letzten zehn Jahre nachgedacht und sich auch eingestanden, dass sie sich in dieser Ehe schon lange einsam gefühlt hatte. Alles war längst nicht so abgelaufen, wie sie es sich als junges Mädchen erträumt hatte. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn die Umstände andere gewesen wären. Wenn Craig und sie nicht zu der Heirat gezwungen worden wären und dann auch noch das Kind verloren hätten. Aber sie hatten keine Wahl gehabt. Sobald Craigs Vater von Paiges Schwangerschaft erfuhr, hatte er darauf bestanden, dass Craig sie heiratete. Dazu sei der Sohn moralisch verpflichtet.

Ihre eigenen Eltern waren sehr konservativ und entsetzt, dass die Tochter schwanger war, ohne verheiratet zu sein. Da hatte Paige es nicht übers Herz gebracht, die alten Eltern zu enttäuschen, und hatte sich auf die Ehe eingelassen.

Leider war sie nach der Fehlgeburt nie wieder schwanger geworden. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn sie sich von Craig getrennt hätte, weil sie beide nicht aus Liebe geheiratet hatten. Aber sie hatte ihr Eheversprechen ernst genommen und sich bemüht, Craig eine gute Frau zu sein.

Leise seufzend trat sie in die Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Es hatte keinen Sinn, immer wieder darüber nachzudenken, wie ihr Leben hätte verlaufen können. Was geschehen war, war geschehen. Craig war tot, und obwohl sie nie die Nähe zu ihm gespürt hatte, die sie sich wünschte, hatten sie eine ziemlich gute Ehe geführt, eine bessere zumindest als viele andere Paare.

Wenig später ging sie in die Küche hinunter und stellte die Kaffeemaschine an. Sie warf einen Blick aus dem Fenster und musste lächeln. Coles Pick-up stand bereits auf dem Hof. „Wenn er früh sagt, meint er wohl auch früh“, murmelte sie halblaut vor sich hin. Die Sonne ging gerade erst auf, und er war schon startbereit.

Als der Kaffee durchgelaufen war, goss sie zwei Becher voll und trat aus dem Haus. Cole stand neben seinem Auto und studierte Baupläne. „Hier. Du kannst doch sicher einen Kaffee gebrauchen.“ Sie reichte ihm einen Becher.

„Danke.“ Er trank einen Schluck. „Der beste Kaffee seit sechs Monaten. Der Weg zum Diner war mir immer zu lang.“

„Aber im Cozy Inn kriegst du doch sicher auch Kaffee?“

„Das schon. Aber das Gebräu kann man kaum Kaffee nennen.“

„Also, zumindest guten Kaffee kann ich dir garantieren, solange du hier bist.“

„Ja … das schon.“ Unsicher sah er sie an. „Weißt du, Paige, ich habe noch mal darüber nachgedacht. Vielleicht ist es irgendwie unpassend, wenn ich hier auf der Ranch wohne.“

Sie zog die feinen Brauen zusammen. „Wie kommst du denn auf die Idee, Cole? Warum solltest du nicht in deinem Elternhaus wohnen – auf der Ranch, die eurer Familie seit fünf Generationen gehört?“

Er blickte sie lange nachdenklich an, dann nickte er. „Ja, wahrscheinlich hast du recht.“

„Nicht wahrscheinlich, sondern ganz bestimmt habe ich recht“, gab sie bestimmt zurück. „Hast du schon aus dem Inn ausgecheckt?“

„Noch nicht. Ich muss sowieso noch mal in die Stadt zu meinen Leuten. Die richten gerade den Krankenhausflügel wieder auf, der beim Sturm eingebrochen ist. Dann checke ich aus und bringe meine Sachen mit.“

Von hinten näherte sich dröhnend ein großer Lastwagen, und beide drehten sich um. Auf dem langen Anhänger war viel Holz aufgeschichtet. Drei Pick-ups folgten.

„Sieht so aus, als seien deine Leute da.“ Paige trat auf Cole zu. „Dann sollte ich mich mal ins Haus zurückziehen und dich nicht länger aufhalten.“

„Danke für den Kaffee.“ Er gab ihr den Becher und berührte dabei leicht ihre Hand.

Paige zuckte kurz zusammen. „Äh … bitte. Und ich habe dann dein Zimmer fertig, wenn du aus der Stadt kommst.“ Als sie zum Haus zurückging, spürte sie Coles Blick wie eine Berührung. Schnell lief sie die Stufen hinauf, stürzte in die Küche und atmete ein paarmal tief durch. Vielleicht hätte ich nicht so darauf bestehen sollen, dass er hier wohnt. In der Highschool war sie ziemlich in ihn verknallt gewesen. Vielleicht war das noch nicht ganz vorbei …

Damals hätte sie schwören können, dass er genauso empfand. Er hatte auch mit ihr ausgehen wollen, aber ihr Vater hatte es nicht erlaubt. Erst solle sie die Schule beenden, bevor sie mit Jungs anfing, hatte er gemeint. Cole war enttäuscht gewesen, hatte ihr aber versprochen, in dem Sommer nach ihrem Schulabschluss mit ihr auszugehen. Dann hatte er Semesterferien, die er normalerweise in Royal verbrachte.

Nicht aber in dem entscheidenden Jahr. Offenbar hatte er sein Versprechen vergessen, denn er hatte ein paar Kurse belegt und kam im Sommer nicht nach Hause. Und Craig, der immer schon hinter ihr her war, überredete sie im Herbst, mit ihm auszugehen. Sie kamen sich näher, und im Frühling darauf heirateten sie. Danach hatte sie Cole nur noch ein einziges Mal wiedergesehen, und zwar auf der Beerdigung seines Vaters.

Sie goss sich noch einen Becher Kaffee ein und setzte sich. Die Spannungen zwischen den Brüdern waren selbst bei diesem traurigen Anlass deutlich spürbar gewesen. Paige hatte nie verstanden, warum das so war. Sie war immer davon ausgegangen, dass Zwillinge, selbst wenn sie nicht eineiig waren, eine ganz besonders enge Beziehung hatten, aber das war bei den Richardsons ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen.

Allerdings waren die beiden auch so verschieden wie Tag und Nacht. Craig war offen und lebhaft gewesen, hatte die Gesellschaft anderer geliebt. Cole dagegen war eher ein Einzelgänger und verschlossen. Auch äußerlich waren sie grundverschieden. Cole hatte dunkelgrüne Augen, hellbraunes Haar, war gut über eins achtzig groß und sehr athletisch gebaut. Craig war etwas kleiner und eher zierlich gewesen, hatte blassgrüne Augen und dunkelblondes welliges Haar gehabt.

Beide Männer sahen sehr gut aus, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Craig hatte ein klassisch schönes Männergesicht gehabt, während Coles raue und etwas wilde Attraktivität Frauenherzen höher schlagen ließ. Paige ging es auch jetzt noch nicht anders, und verärgert über ihre kindische Reaktion stand sie auf und stellte beide Becher in die Spülmaschine. Was sollte das? Sie sehnte sich nicht nach einem Mann und schon gar nicht nach Cole Richardson. Auch wenn er ganz anders als Craig war – zehn Jahre mit einem der Richardsons waren erst einmal genug.

Als die Bauleute ihre Arbeit für den Tag beendet hatten, holte Cole seine Sachen aus dem Pick-up und ging in Richtung Haus. Die nächsten Wochen gemeinsam mit Paige standen ihm ziemlich bevor. Schließlich hatte er bereits heftig reagiert, als er nur ihre Hand gestreift hatte. Wochenlang mit ihr unter einem Dach, das konnte nicht gut gehen. War sicher die reinste Folter. Hätte er sich bloß nie darauf eingelassen.

Mehr als zehn Jahre war es her, dass er sein Elternhaus das letzte Mal betreten hatte. Daher zögerte er kurz, als er die Stufen hinaufstieg. Mit Grauen dachte er an die letzte Nacht zurück, in der er damals gegangen war. Danach hatte er kaum noch Kontakt zu seinem Bruder gehabt. Auf der Beerdigung des Vaters hatten sie sich beide zusammengenommen. Nach der Trauerfeier war Cole sofort nach Dallas zurückgekehrt. Craig hatte dann noch hin und wieder eine E-Mail geschickt, aber Cole hatte nie darauf geantwortet, hatte die Nachrichten nicht einmal gelesen.

Paige öffnete die Haustür. „Dein Zimmer ist fertig“, sagte sie lächelnd. „Hier entlang.“

Cole hängte seinen breitkrempigen schwarzen Hut an einen Garderobenhaken und folgte ihr. Er konnte nicht anders, er musste ihren leichten Gang bewundern, als sie vor ihm den Flur hinunterging. An die weite gewundene Treppe, die in der Mitte des Hauses in das erste Stockwerk führte, erinnerte er sich sehr gut. Viel hatte sich nicht verändert. Einige der Terrakottafliesen, mit denen die Halle und die Treppe ausgelegt waren, zeigten kleine Risse. Kein Wunder, dachte Cole und musste unwillkürlich lächeln. Wie oft waren Craig und er da hinaufgestürmt, um von oben das Treppengeländer hinunterzurutschen.

„Worüber freust du dich?“ Paige hatte sich umgedreht und betrachtete Cole schmunzelnd.

„Ich musste gerade daran denken, wie oft Craig und ich hier runtergerutscht sind und dass ich mir dabei mal den Arm gebrochen habe. Sechs Wochen musste ich einen Gips tragen.“

„War wohl nicht so eine gute Idee?“

„Wahrscheinlich nicht. Aber ich war erst zehn und noch lernfähig.“

Im ersten Stock öffnete sie die Tür zu dem Raum nahe der Treppe. „Dies ist doch dein altes Zimmer? Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich deine Sachen in Kartons gepackt habe. Sie sind jetzt in dem kleinen Büro neben dem Fernsehzimmer.“

„Die hättest du ruhig wegwerfen können“, sagte er und stellte seine Tasche auf das Bett. „Ich brauche sie nicht.“ Erstaunlich eigentlich, dass Craig nicht alles vernichtet hatte, was ihn an den verhassten Bruder erinnerte.

„Das kann sein.“ Sie trat ans Fenster, zog die Vorhänge auf und ließ die Nachmittagssonne hinein. „Es sind im Wesentlichen Sporttrophäen und Medaillen, noch aus der Highschoolzeit. Ich wusste nicht, ob du sie nicht behalten willst.“

„Okay, ich sehe die Kartons mal durch.“ Wie schön sie war, jetzt in diesem goldenen Licht, das ihr kastanienbraunes Haar rötlich aufschimmern ließ. Er schluckte. Und diese helle glatte Haut … Jeder Mann musste von ihr entzückt sein.

Beide sahen sich ein paar Sekunden lang tief in die Augen, dann wandte Paige sich ab. „Ich muss mich um unser Essen kümmern. In zwanzig Minuten sollte es fertig sein. Falls du also noch duschen willst …?“

„Ja, auf alle Fälle. Ich muss mir auch unbedingt noch was anderes anziehen.“

Sowie sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete Cole tief durch, nahm ein paar frische Sachen aus seiner Tasche und ging ins Bad. Ihm war jetzt schon klar, dass er ein Vermögen an Überstunden würde bezahlen müssen und seine Leute es ihm wahrscheinlich übelnehmen würden. Aber er würde sie antreiben, was er sonst nie tat, damit sie die Arbeit hier auf der Double R Ranch in Rekordzeit beendeten.

Mit Paige in einem Haus zu wohnen machte ihn schon jetzt nervös, denn er wusste, er würde sich nur schwer auf seine Arbeit konzentrieren können. Aber das war nicht der einzige Grund. Er hatte zu viele schlechte Erinnerungen an dieses Haus, vor allem wegen der Auseinandersetzungen mit Craig. Und nicht nur das. Er war schon lange davon überzeugt, dass es sich damals nicht nur um die üblichen Kabbeleien unter Brüdern gehandelt hatte. Der Bruder hatte ihn wirklich gehasst und versucht, ihm auf jede nur mögliche Weise zu schaden.

Cole drehte das Wasser ab und trat aus der Dusche. Während er sich anzog, musste er daran denken, wie das damals mit Paige gelaufen war. Craig hatte sehr schnell mitbekommen, dass Cole sich für Paige interessierte, hatte ihn verhöhnt und behauptet, er würde sie ins Bett kriegen, noch bevor Cole mit ihr ausgehen konnte. Cole war außer sich vor Wut gewesen, aber ihm waren die Hände gebunden, weil Paiges Vater ihm verboten hatte, sein Haus zu betreten. Also versuchte er, den Bruder davon abzubringen, auch indem er behauptete, gar nicht mehr an Paige interessiert zu sein. Aber das hatte nichts genützt. Als Nächstes hörte er, dass Paige schwanger war und Craig geheiratet hatte.

Um sich zu beruhigen, schloss Cole die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Immer wieder flammte der Zorn in ihm auf, wenn er an Craigs schäbiges Verhalten dachte. Dass der Bruder ihm schaden wollte, war schon schlimm genug. Aber dass er Paige in die Sache mit hineinzog, sie als Trumpf gegen ihn, Cole, einsetzte, war unverzeihlich.

Dennoch, das alles war lange her. Und die Chance, Paige für sich zu gewinnen, war auch längst vorbei. Tatsache war, dass sie den Bruder nicht nur geheiratet hatte, sondern auch zehn lange Jahre bei ihm geblieben war. Das konnte nur bedeuten, dass die beiden gut miteinander ausgekommen waren, ja, offensichtlich eine harmonische Ehe geführt hatten. Und das musste und wollte Cole unbedingt respektieren.

Autor

Kathie De Nosky
<p>Kathie DeNosky stellt ihren Wecker oft auf 2 Uhr morgens, um wenigstens einige Stunden in Ruhe arbeiten zu können, bevor der Rest der Familie erwacht. Während dann in ihrem Büro leise Countrymusik erklingt, schreibt sie an ihren Romances, denen eine ganz besondere Mischung aus Sinnlichkeit und Humor zeigen ist. Sie...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Texas Cattleman's Club: After The Storm