So heiß brennt meine Leidenschaft

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"Küss mich", haucht die bezaubernde Lark und erschauert, als Keaton Holt ihre Lippen erobert. Der attraktive Texaner ist aber auch zu heiß. Außerdem zärtlich und fürsorglich - ein absoluter Traummann! Innerhalb kürzester Zeit hat er Lark das Herz gestohlen, und das, obwohl sie ihn früher für arrogant hielt und ihre Familien seit Jahrzehnten verfeindet sind. Doch all das ist vergessen! Jetzt lodert das Feuer der Leidenschaft zwischen ihnen, und Lark träumt schon von Hochzeit und Kindern. Da taucht ein verschollenes Dokument auf. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war …


  • Erscheinungstag 29.12.2015
  • Bandnummer 1904
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721480
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Fahrstuhltür öffnete sich, und Lark Taylor atmete einmal tief durch, nahm die Schultern zurück und setzte ein freundliches Lächeln auf. Na dann … Mit der Kuchenschachtel in beiden Händen ging sie den kurzen Flur hinunter und schob die Tür zum Schwesternzimmer mit der Hüfte auf. Die drei Frauen schienen sie nicht bemerkt zu haben. Und wenn doch, dann ignorierten sie sie geflissentlich.

„Daraufhin habe ich zu ihm gesagt, wenn er glaubt, zwei Wochenenden hintereinander auf die Jagd gehen zu müssen, sollte er sich lieber nach einer neuen Freundin umsehen.“ Marsha Todd, vierzig, geschieden, keine Kinder, hielt wie üblich Hof. Frauen wie sie mit perfektem Make-up und lackierten Fingernägeln hatten Lark schon auf dem College genervt. „Also ist er natürlich zu Hause geblieben“, fuhr Marsha voller Genugtuung fort. „Er ist vielleicht nicht superintelligent, aber schlau genug, um zu wissen, was er sich erlauben kann.“

Jessa und Chelsea, die beiden anderen Krankenschwestern, die zusammen mit Marsha Schicht auf der Intensivstation hatten, lachten pflichtschuldig. Die beiden waren eigentlich ganz in Ordnung und hatten es in ihrem Leben auch nicht gerade einfach. Jessa hatte einen drei Jahre alten Sohn, den sie allein aufzog. Und Chelseas Mann arbeitete auf dem Bau, hatte aber wohl ein Alkoholproblem. Wenn sie jedoch mit Martha zusammen waren, hatten sie Angst vor ihrer scharfen Zunge und pflichteten ihr in allem bei. Das tat Lark natürlich nicht, und deshalb war sie die unterste in der Hackordnung.

„Du kommst heute aber früh“, bemerkte Marsha spitz, als Lark die Tortenschachtel auf den Tresen stellte.

„Ich möchte noch ein bisschen Zeit für Grace haben. Wollte das hier nur vorher vorbeibringen.“

„Was ist das denn?“ Neugierig beugte Jessa sich vor.

„Ein Kuchen für Marsha. Sie hat doch morgen Geburtstag.“

„Du hast mir einen Kuchen gekauft?“

„Nein, ich habe ihn selbst gebacken.“

Chelsea hob vorsichtig den Deckel ab und riss die Augen auf. „Den hast du selbst gemacht?“

„Ja. Backen ist ein Hobby von mir.“

„Sieht ja super aus.“ Jessa warf Lark einen bewundernden Blick zu. „Wie lange hast du denn dafür gebraucht?“

„Mit der Verzierung schon über eine Stunde.“

Marsha warf nur einen kurzen Blick auf die prachtvolle Torte, die mit Marzipanrosen verziert war. „Wenn du kein glutenfreies Mehl benutzt hast, kann ich das nicht essen.“

Erschrocken schaute Lark sie an. „Oh, das wusste ich nicht.“

„Wieso denn nicht? Ich rede doch die ganze Zeit davon.“

Aber nicht, wenn ich dabei bin. „Tut mir leid, das habe ich nicht mitgekriegt. Wahrscheinlich war ich zu sehr mit den Patienten beschäftigt.“ Das hätte ich nicht sagen sollen. Hört sich ja an wie ein Vorwurf.

„Dann weißt du es jetzt.“ Marsha stand auf und sah Jessa und Chelsea streng an. „Dann wollen wir mal beweisen, wie sehr wir uns um unsere Patienten kümmern.“

Ohne Lark auch nur eines Blickes zu würdigen, verließen die drei das Schwesternzimmer. Traurig ließ Lark die Schultern hängen. Sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr einfach nicht, ein gutes Verhältnis zu den anderen Schwestern aufzubauen. Marsha bestimmte, was hier lief, und sie konnte Lark nun mal nicht leiden.

Na gut, wenn Marsha den Kuchen nicht haben wollte, dann eben nicht. Lark würde ihn einfach ihren früheren Kolleginnen in der Chirurgie vorbeibringen. Das Schwesternzimmer dort war leer. Also schrieb sie ihrer Freundin Julie eine kurze Notiz und ließ die Torte da. Schnell lief sie die Treppe zu der Entbindungsstation hinunter, die ein Stockwerk tiefer lag. Obwohl sie schon seit drei Jahren in dem Krankenhaus arbeitete, hatte Lark diese Abteilung erst kennengelernt, als ihre bewusstlose und hochschwangere Schwester Skye dort eingeliefert worden war. Während des Tornados, der die Stadt gut drei Monate zuvor verwüstet hatte, hatte es sie böse erwischt.

Da Lark seit vier Jahren keinen Kontakt mehr zu der Schwester gehabt hatte, wusste sie auch nicht, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten war. Per Kaiserschnitt wurde Skye vorzeitig von einer kleinen Tochter entbunden, die sich in den letzten Wochen prächtig auf der Frühchenstation entwickelt hatte. Und Lark liebte die kleine Grace schon jetzt von Herzen.

Mit Schwung wollte sie die verglaste Tür zu der Entbindungsstation aufdrücken, stieß aber auf Widerstand in Form von breiten Schultern. Ein Mann mit dunkelbraunem Haar, der dringend mal wieder zum Friseur gehen sollte, blockierte die Tür. War das nicht …? Ja, genau: Keaton Holt, der Bruder von Jacob Holt, mit dem Skye vier Jahre zuvor durchgebrannt war. Er hielt sich selten in Royal auf, da er die große Familienranch außerhalb der Stadt bewirtschaftete. Nur wenn er an den Sitzungen des Texas Cattleman’s Clubs teilnahm, war er in Royal.

Doch seit die schwangere Skye drei Monate zuvor in ihrem Auto, das im Tornado umgekippt war, gefunden worden war, weilte Keaton häufiger in der Stadt. Jetzt hielt er das Handy ans Ohr gepresst und war so in sein Gespräch vertieft, dass er Lark nicht bemerkte. Gerade als sie beschlossen hatte, sich zurückzuziehen, um ihn nicht auf sich aufmerksam zu machen, sagte er etwas, was Lark aufhorchen ließ.

„Genau deshalb war ich für den DNA-Test. Du bist schließlich die Großmutter von Grace. Du solltest Zutritt zu der Station haben.“ Es folgte eine kurze Pause. Dann fuhr Keaton noch aufgebrachter fort: „Natürlich ist Grace seine Tochter! Skye und Jake waren doch sehr verliebt, als sie Royal verlassen haben. Schließlich war sie ihm wichtiger als seine eigene Familie. Er ist ein sturer Kerl. Außerdem bin ich ganz sicher, wir hätten es erfahren, wenn die beiden sich getrennt hätten.“

Keatons arrogante Selbstsicherheit ging Lark auf die Nerven. Dennoch sperrte sie die Ohren auf. Wusste Keaton Genaueres über die letzten vier Jahre? Wie oft hatte sie über diese verlorene Zeit nachgegrübelt, wenn sie am Bett der bewusstlosen Schwester saß.

„Ich weiß auch nicht, wo Jake ist“, reagierte Keaton jetzt verärgert auf etwas, das seine Mutter gesagt hatte.

Lark hatte versucht, den Gedanken, Jacob Holt könne der Vater von Grace sein, weit von sich zu schieben. Schließlich hatte Jacob sich in den letzten drei Monaten nicht gemeldet, war also offenbar nicht daran interessiert, zu erfahren, wie es Skye ging. Deshalb hatte sie sich auch gegen den DNA-Test gewehrt. Denn Jacob hatte eine so süße Tochter wie die kleine Grace nicht verdient. Kein Mann, der seine Frau und sein Kind liebte, würde sie in einer solchen Notlage im Stich lassen. Aber das war wieder typisch für die Holts. Aus der Familie kam einfach nichts Gutes.

„Nein, bisher habe ich ihn nicht finden können“, sagte Keaton ungeduldig. „Ich habe ein paarmal in seiner Firma angerufen, aber seine Assistentin tat völlig ahnungslos. Andere Mitarbeiter meinten, er sei außer Landes, aber Genaueres wollten sie mir auch nicht sagen.“

Erst jetzt kam Lark der Gedanke, dass Jake vielleicht gar nichts von Skyes Zustand wusste. Hätte er sie sonst nicht mal besucht? Vielleicht hatten sie sich auch getrennt. Zumindest trug Skye keinen Ring. Aber das Kind, das war sicher von ihm. Und wenn sie vier Jahre zusammen waren, warum hatten sie dann nicht geheiratet, insbesondere da Skye schwanger gewesen war?

„Natürlich habe ich denen erzählt, dass Skye schwer verletzt ist. Seine Assistentin …“ Keaton brach ab und schwieg frustriert. Aber er war auch irgendwie verletzt, das hörte sie seiner Stimme an. „Um ehrlich zu sein, als ich das letzte Mal angerufen habe, behauptete sie, Jake habe gar keinen Bruder. Zumindest hätte er das gesagt.“

Das schnitt Lark ins Herz, auch wenn sie sonst keinerlei Sympathie für die Holts hegte. Aber war es bei ihr und Skye denn anders? Auch sie hatte die Schwester vier Jahre lang aus den Augen verloren. Als sie damals nach Royal zurückgezogen war, war sie überrascht gewesen, dass Skye und Jake, die sich schon aus der Highschool kannten, immer noch befreundet waren. Auch wenn sie ihre Liebe sehr geschickt vor den verfeindeten Familien verbargen. Sie hatte die Schwester damals oft gewarnt. Sie mache einen großen Fehler, denn einem Holt sei nicht zu trauen. Und dann waren Skye und Jake eines Tages verschwunden.

Lark war wütend auf die Schwester gewesen. Wie hatte sie den Eltern nur so etwas antun können! Doch mit der Zeit merkte sie, dass sie Skye eigentlich beneidete. Sie hatte den Mut gehabt, sich gegen die Eltern und für ihr Glück zu entscheiden.

„Ich weiß, Mom“, fing Keaton jetzt wieder an. „Jake wird es mir ewig übel nehmen, dass ich ihn damals quasi gezwungen, zumindest aber nicht davon abgehalten habe, die Stadt zu verlassen. Damit kann ich leben. Aber deshalb mache ich mir trotzdem Gedanken um seine Familie. Auch wenn er und Skye nicht verheiratet sein sollten, gehört sie doch zur Familie. Deshalb möchte ich beweisen, dass Grace Jakes Tochter ist. Die Testergebnisse sollten eigentlich heute oder morgen in der Post sein. Und ich habe bereits einen Privatdetektiv engagiert, der herausfinden soll, wo Jake steckt.“

„Entschuldigung, kann ich mal vorbei?“

Er nickte und trat einen Schritt zur Seite.

Die Tür gab nach, und Lark, die nicht damit gerechnet hatte, stolperte vorwärts. Sie versuchte sich zu fangen, wäre aber gefallen, wenn sie nicht eine kräftige Hand am Arm gepackt hätte. Sie sah hoch, direkt in Keaton Holts blaue Augen. Da sie selbst eins fünfundsiebzig war, geschah es nicht oft, dass sie zu einem Mann aufschauen musste. Er musste mindestens einen Meter neunzig groß sein.

Immer noch starrte sie ihn an, unfähig, sich zu bewegen. Dabei sollte sie möglichst bald verschwinden, bevor er noch auf die Idee kam, dass sie das Telefongespräch mit seiner Mutter belauscht hatte. Aber er hielt sie mit eisernem Griff fest. Wie warm seine Hand war. Lark wurde rot. Ihr war heiß, und ihr Herz schlug schneller. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie oft ihr Vater ihr von den Übeltaten der Holts erzählt und sie vor der Familie gewarnt hatte. Nein, Keaton Holt kam für sie auf keinen Fall infrage …

„Danke“, stieß sie schließlich hervor und entzog ihm den Arm. „Jetzt entschuldige mich, bitte.“

„Lark!“, rief Keaton ihr hinterher. „Warte. Wir müssen unbedingt miteinander reden.“

An der Tür zur Frühchenstation blieb Lark stehen, wandte sich um und sah Keaton fragend an.

„Die Ergebnisse des DNA-Tests kommen in den nächsten Tagen.“

„Ich weiß“, murmelte sie. Die Vorstellung, Grace mit den Holts teilen zu müssen, war unerträglich. Andererseits hatte sie auch Verständnis für deren Wunsch. Denn wenn ihr jemand verbieten würde, ihre kleine Nichte zu sehen … Die Vorstellung war einfach entsetzlich.

„Wir müssen besprechen, wie es weitergehen soll“, sagte er und kam näher.

„Wieso denn?“

„Das ist doch klar. Wenn sich herausstellt, dass Grace Jacobs Tochter ist, habe ich dieselben Verpflichtungen wie du.“

„Verpflichtungen?“ War er wirklich der Meinung, sie kümmere sich aus einer Art Pflichtgefühl um Skye und Grace? Sie liebte ihre Schwester und würde alles für Grace tun. „Du glaubst, es sei deine Pflicht, dich zu kümmern? Weil dein Bruder nicht aufzufinden ist? Keine Sorge, ich habe alles im Griff.“

„Pflicht ist sicher der falsche Ausdruck. Aber ich fühle mich verantwortlich, weil Jake nicht da ist.“

„Und warum ist er nicht da?“

„Wahrscheinlich hat er keine Ahnung, was passiert ist. Denn sonst wäre er ganz sicher hier bei Skye.“

„Meinst du wirklich?“ Lark runzelte die Stirn. „Wie kommst du auf die Idee, dass die beiden noch zusammen sind?“

„Mein Bruder liebt Skye, das weiß ich. Und Grace ist seine Tochter. Das ist mir Beweis genug.“

„Hast du ihm gesagt, dass Skye schwer verletzt ist?“

„Ich habe nicht direkt mit ihm sprechen können. Und seine Assistentin weigert sich, ihn zu informieren.“

„Hm, das hört sich nicht gut an. Kommt mir alles sehr merkwürdig vor.“ Lark verzog die Lippen zu einem ironischen Lächeln. „Wenn die beiden wirklich noch zusammen wären, hätte Jake sicher Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um in dieser Situation bei Frau und Kind zu sein. Nein, ich bin überzeugt, dass Jake nicht der Vater ist.“

Na ja, nicht so ganz. Ihr war schon jetzt aufgefallen, dass die kleine Grace die typischen Augen der Holts hatte. Deshalb hatte Lark sich auch so lange gegen einen DNA-Test gewehrt. Instinktiv wusste sie, dass Grace Jakes Tochter war. Aber wegen der Feindschaft zwischen den Holts und den Taylors wollte sie das nicht zugeben.

„Wer ist denn dann der Vater von Grace?“, wollte Keaton wissen. „Und warum ist er nicht hier?“

Darauf wusste Lark keine Antwort. „Ich habe keine Ahnung. Seit Skye mit Jake durchgebrannt ist, haben wir keinen Kontakt mehr.“ Als Keaton sie überrascht ansah, fügte sie schnell hinzu: „Es war eine blödsinnige Idee, mit deinem Bruder abzuhauen, und das habe ich ihr auch sehr deutlich gesagt.“

„So? Weil du der Meinung warst, dass ein Holt nicht gut genug für sie ist?“

„Nein. Es war eher …“ Lark machte eine vage Handbewegung. Schon lange ging ihr diese blöde Fehde zwischen den beiden Familien auf die Nerven. „Ich wusste, dass mein Vater sie enterben würde.“ Und das, obwohl Skye immer der Liebling der Eltern gewesen war – hübsch und unkompliziert, wie sie war, und ganz anders als Lark, die man ständig mit einem Buch antraf. Die Eltern kümmerten sich nicht darum, dass Skye keine besonders guten Noten hatte. Sie waren stolz auf sie, weil sie überall beliebt war und wegen ihres Aussehens von allen bewundert und beneidet wurde.

„Hm, dann haben wir wohl mehr miteinander gemein, als wir bisher dachten“, sagte Keaton lächelnd.

„Sieht so aus.“ Dass sie sich vier Jahre lang nicht um die Schwester gekümmert hatte, lastete Lark schwer auf der Seele. Mit den Eltern hatte sie nicht über Skye reden können. Und sich Freundinnen anzuvertrauen, hatte sie nicht gewagt. Zu sehr schämte sie sich. Sie hätte Verständnis für die Schwester haben müssen. Stattdessen hatte auch sie sie aus dem Haus getrieben.

„Ich bin froh, dass du mich den Test schließlich doch hast machen lassen“, fing Keaton wieder an. „Meine Mutter freut sich schon sehr darauf, ihr Enkelkind zu besuchen.“

Meine Mutter leider nicht. Lark seufzte leise. „Meine Eltern haben Grace auch noch nicht gesehen.“

„Sowie die Kleine aus dem Krankenhaus raus ist, können sie sie so oft sehen, wie sie wollen.“

„Aber sie wollen gar nicht.“ Zwar hatten sie Skye anfangs im Krankenhaus besucht, aber als die Tochter nicht aus dem Koma aufwachte, zogen sie sich wieder zurück. Und an dem Kind waren sie schon gar nicht interessiert.

„Aber wieso denn nicht?“ Verblüfft sah Keaton Lark an.

„Sie können Skye immer noch nicht verzeihen, dass sie damals mit deinem Bruder durchgebrannt ist.“

„Das kann doch wohl nicht wahr sein! Diese Fehde zwischen unseren Familien ist einfach lächerlich und dauert schon viel zu lange. Findest du nicht?“

„Möglich.“ Wenn wahr war, was ihre Eltern ihr über die Holts erzählt hatten, musste sie Skye und Grace unbedingt vor dieser Familie schützen. Aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass Keaton recht hatte. Grace war Jakes Tochter, und die Holts hatten genauso das Recht, die Kleine zu sehen, wie die Taylors. „Jahrzehnte des Misstrauens und der Feindschaft lassen sich eben nicht so schnell überwinden.“

„Skye und Jake haben doch schon den Anfang gemacht. Und wir anderen hätten diese alberne Feindschaft in den letzten vier Jahren auch überwinden sollen.“

Recht hatte er. Aber war sie nicht in der Überzeugung aufgewachsen, dass den Holts nicht zu trauen war, dass sie schlechte Menschen waren? Dabei ging es bei dem ganzen Streit um ein Stück Land, das beide Familien für sich beanspruchten. Ihr Großvater und auch ihr Vater hatten ihr immer wieder gepredigt, dass die Holts Lügner und Betrüger seien und dass sie immer wieder versucht hätten, etwas an sich zu reißen, das ihnen gar nicht gehörte.

Lark hing die ganze Sache schon längst zum Halse heraus, und sie konnte nicht begreifen, dass ihre Eltern nicht endlich bereit waren, den Streit zu begraben. Dass sie selbst noch vier Jahre zuvor so von diesem Hass infiziert war, dass sie die eigene Schwester aus ihrem Herzen verstoßen hatte, tat ihr heute unendlich leid. Wenn sie es doch nur wiedergutmachen könnte. Wenn Skye doch nur aus dem Koma aufwachen würde!

„Ich habe gehört, dass Grace in den nächsten Tagen entlassen werden soll.“

Aus ihren Gedanken gerissen, sah Lark erschrocken hoch und nickte dann. „Ja, das stimmt.“

„Hast du vor, sie mit zu dir zu nehmen?“, fragte er leise.

Warum wollte er das wissen? „Äh … ja … selbstverständlich.“

„So selbstverständlich ist das gar nicht. Sie ist schließlich auch meine Nichte.“

„Das ist noch gar nicht raus. Wenn du so sicher wärst, hättest du doch nicht so eisern auf dem Test bestanden.“

„Den Test habe ich nicht meinetwegen in Auftrag gegeben. Ich selbst bin absolut sicher, dass Skye und Jake noch zusammen sind und Grace Jakes Tochter ist. Aber ich möchte, dass auch alle anderen es wissen.“

„Weshalb bist du so sicher?“

„Deine Schwester liebt meinen Bruder. Sie würde ihn nie verlassen.“

Aber warum war Skye dann nach Royal zurückgekommen? Und wo war Jake? Das war alles sehr mysteriös. „Ich muss jetzt los“, meinte Lark schließlich. „Mein Dienst beginnt in einer Dreiviertelstunde. Und ich möchte noch ein bisschen Zeit für Grace haben.“

„Wo willst du sie denn lassen, wenn du arbeitest?“, fragte er.

Damit hatte sie nicht gerechnet. Zwar hatte sie schon überlegt, wie und wo sie die Kleine unterbringen könnte, hatte auch an ihre Mutter gedacht, aber sie war ziemlich sicher, dass sie da auf Granit beißen würde. Ihre Mutter hatte Skye immer noch nicht verziehen, dass sie die Familie wegen eines Holt verlassen hatte. „Das steht noch nicht ganz fest“, wich sie aus.

„Gut.“

„Wieso ist das gut?“

„Weil ich darauf bestehe, in die Planung einbezogen zu werden.“

Dass Lark das nicht passte, erkannte Keaton sofort. Sie runzelte die Stirn. „Inwiefern einbezogen?

„Ich will mich um Grace kümmern, wenn du arbeitest.“

Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Du? Persönlich? Was weißt du denn von Babys?“

„Was ich nicht weiß, kann ich lernen.“

„Hast du denn nicht genug mit deiner Ranch zu tun? Ihr habt doch ganz schön was abgekriegt, oder?“

„Ja, das stimmt.“ Das große Farmhaus der Holts war in dem Tornado fast vollständig zerstört worden. Glücklicherweise waren Keatons Eltern nicht zu Hause gewesen. Aber Keaton und sein Vorarbeiter Jeb hatten sich gerade in der Scheune aufgehalten und waren nicht so glimpflich davongekommen. Keatons Schulter war durch einen herunterkrachenden Balken verletzt worden, und trotzdem hatte er Jeb, der eine leichte Gehirnerschütterung hatte, und zwei andere noch ins Krankenhaus gefahren. Dort traf er auf Lark, die in der Notaufnahme arbeitete. Und er erinnerte sich noch gut daran, wie es zwischen ihnen gefunkt hatte, als sie sich ansahen.

Die drei Jahre jüngere Lark hatte ihn schon immer interessiert, gerade weil sie so anders war. Aber die Feindschaft zwischen den Familien ließ nicht zu, dass sie näher in Kontakt kamen.

„Kein Problem. Mein Vorarbeiter kann die Aufsicht übernehmen, wenn ich keine Zeit habe.“ Keaton war entschlossen, die Rechte seines Bruders wahrzunehmen. „Ich will mich um Grace kümmern. Darauf bestehe ich.“

„Und wo?“ Misstrauisch sah sie ihn an. „Wo wohnst du denn, während euer Haus wieder aufgebaut wird?“

„In unserer Jagdhütte.“

„Und da willst du mit der Kleinen hin?“ Lark schüttelte energisch den Kopf. „Das kommt gar nicht infrage. Ihre Lungen sind noch sehr empfindlich. Sie braucht eine warme und saubere Umgebung. Auf keinen Fall darf sie Zug oder feuchter Luft ausgesetzt sein.“

„Meine Eltern wohnen vorübergehend bei Freunden in Pine Valley. Ich kann sie dort mit hinnehmen.“

„Das kannst du den Freunden deiner Eltern unmöglich zumuten.“

„Dann komme ich zu dir ins Haus, während du arbeitest.“

Empört riss Lark die Augen auf und holte tief Luft, um zu widersprechen. Doch ein Blick in sein Gesicht reichte, um zu erkennen, dass Keaton nicht nachgeben würde. „Ich weiß nicht recht …“, begann sie zögernd. „Hast du denn überhaupt eine Ahnung, wie man mit Babys umgeht?“

„Nicht viel.“

„Eben.“ Dennoch, er würde auf seinem Recht als Onkel bestehen, das war ihr klar. Also stieß sie seufzend die Tür zu der Station auf und machte ihm ein Zeichen, ihr zu folgen.

Schweigend gingen sie an den Reihen der Brutkästen vorbei, in denen die Winzlinge an Schläuchen hingen. Keaton wurde das Herz schwer, als er an seine Nichte dachte, atmete dann aber erleichtert auf, als Lark vor einem Kinderbett stehen blieb. Wie gut, die Kleine war aus dem Gröbsten heraus!

Ohne auf ihn zu achten, hob Lark Grace vorsichtig aus dem Bettchen und legte sie sich in die Armbeuge. „Hallo, mein Mäuschen. Wie geht es dir heute?“

„Ihr geht es fabelhaft.“ Schwester Ginger war eine etwas füllige Frau Mitte vierzig mit dunklen Augen und einem freundlichen Lächeln. „In ein paar Tagen wird sie entlassen.“

„Das ist wunderbar.“ Zärtlich zog Lark der Kleinen das rosa Mützchen zurecht.

„Dann hast du alles vorbereitet?“

„Noch nicht ganz. Aber morgen habe ich frei und kann alles besorgen.“

Wir können alles besorgen“, warf Keaton schnell ein und fügte auf Gingers fragenden Blick hinzu: „Grace ist auch meine Nichte. Ich möchte mich ebenfalls um sie kümmern.“

Ginger warf ihm einen strahlenden Blick zu. „Das ist ja wunderbar! Denn Grace braucht mehr Fürsorge als ein normales Baby. Wie gut, dass Sie Lark dabei unterstützen wollen. Wir sehen uns also spätestens bei der Entlassung. Bis dann.“ Ginger wandte sich ab.

„Du weißt ja noch gar nicht, ob Jake der Vater ist“, zischte Lark Keaton zu, als die Schwester außer Hörweite war. „Wie kannst du da schon von deiner Nichte sprechen!“

„Heute oder morgen kriegen wir die Testergebnisse. Dann wirst du sehen, dass ich recht habe.“ Als Lark verärgert die Lippen aufeinanderpresste, grinste er kurz. „Und die Verantwortung für meine Nichte lasse ich mir nicht nehmen. Auch wenn es dir nicht passt.“

„Ich wundere mich nur, dass du so scharf darauf bist. Die meisten Männer wären froh, sich nicht um ein Frühchen kümmern zu müssen.“

„Jake würde es wollen. Also ist es selbstverständlich für mich.“

Dazu sagte sie nichts, was ihn nicht verwunderte. Sie war immer sehr zurückhaltend gewesen und hatte sich nie in den Vordergrund gedrängt. Er hatte sich oft gefragt, weshalb sie ihm überhaupt aufgefallen war. Wahrscheinlich weil sie sich ähnlich waren. Auch er war gern für sich und liebte die Einsamkeit seiner Jagdhütte.

Während sie sich mit dem Baby beschäftigte, betrachtete er sie nachdenklich. Der grüne Schwesternkittel war nicht sehr kleidsam, und mit dem kurzen blonden Haar wirkte Lark eher unauffällig. Wahrscheinlich würde man sie kaum bemerken, wenn sie nicht so groß wäre. Mit ihren eins fünfundsiebzig wäre sie bestimmt eine gute Basketball- oder Volleyballspielerin geworden. Aber sie hatte sich lieber in ihren Büchern vergraben. Sie war mit Jake in eine Klasse gegangen, aber obwohl er heimlich mit ihrer Schwester befreundet war, hatten sie wenig Kontakt.

Da Keaton drei Jahre älter war als sie, waren sie nur ein Jahr in dieselbe Schule gegangen. Dennoch war sie ihm aufgefallen, wahrscheinlich weil sie sehr intelligent war. Sie hatte fantastische Noten und wäre auch von jedem anderen College angenommen worden, wenn sie nicht in Texas hätte bleiben wollen.

„Kannst du Grace mal eben halten?“

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch. „Was hast du gesagt?“

„Kannst du Grace mal eben halten?“

„Warum?“

Leicht genervt sah Lark ihn an. Donnerwetter, hat sie lange Wimpern … „Weil ihre Windeln gewechselt werden müssen. Und ich dazu feuchte Tücher brauche. Die Schachtel hier ist leer.“

Etwas unsicher starrte Keaton die Kleine an. Mann, war die winzig. Unwillkürlich blickte er auf seine großen Hände, die normalerweise mit widerspenstigen Kälbern hantierten, aber nicht mit einem fünf Pfund schweren Säugling.

„Hier!“ Lark hielt ihm die Kleine hin.

Erschrocken wich er einen Schritt zurück und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Diese feine rosa Haut … und seine rauen schwieligen Hände …

„Keaton?“ Larks Ton war weicher geworden. „Was ist denn?“

„Sie ist so klein. Und ich … ich …“

„Du hast Angst, sie zu halten?“

„Äh … nein.“

„Wie willst du für sie sorgen, wenn du dich noch nicht mal traust, sie auf den Arm zu nehmen?“

„Das wird schon kommen. Ich brauch einfach ein bisschen Zeit, mich an sie zu gewöhnen.“

„Dann wollen wir mal gleich damit anfangen.“ Lark trat auf ihn zu. „Streck den linken Arm aus.“

Er zögerte, aber als sie ihn ansah, tat er, was sie wollte. Wieso hatte er vorher nie bemerkt, was für schöne grüne Augen sie hatte? Doch er konnte nicht länger darüber nachdenken, denn sie ergriff sein Handgelenk, winkelte seinen Arm an und drückte ihn gegen den Oberkörper. Bei der Berührung ihrer warmen Hand schlug sein Herz schneller.

„Du musst ihren Kopf abstützen.“ Vorsichtig legte sie ihm das kleine Bündel in den Arm. Dabei nahm er ihren feinen Duft wahr. Ihm wurde heiß …

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee …“ Doch es war zu spät. Grace lag bereits in seinem kräftigen Arm. Obwohl sie nicht fallen konnte, legte er schützend die rechte Hand auf sie.

„Alles in Ordnung?“ Lächelnd sah Lark ihn an.

„Ja, ich glaube schon.“ Wenigstens solange Grace sich nicht bewegte.

„Sei ehrlich. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn du es lieber nicht tun willst. Für ein Baby zu sorgen ist anstrengend.“

„Anstrengungen bin ich gewohnt.“ Hoffte sie, dass er einen Rückzieher machte? Niemals! „Ich kann das. Muss mich nur erst daran gewöhnen, wie winzig sie ist.“

„Du hast ziemlich große Hände.“ Als Lark der Kleinen mit der Fingerspitze über die rosige Wange strich, stieß sie gegen seine Hand. Die Berührung ließ ihn erschauern … „Dadurch wirkt sie kleiner, als sie ist. Aber du wirst dich wundern, wie viel Kraft sie hat.“

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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