Herzensgeheimnisse

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Drei Jahre Fernehe - das ist genug für den Arzt Cal! Bis zu ihrem Hochzeitstag - dem Valentinstag - muss eine Entscheidung fallen. Er möchte seine Frau Ashley am Tag der Liebe überraschen. Doch auch sie hat besondere Pläne. Und so beginnt ein kleines Versteckspiel …


  • Erscheinungstag 20.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719180
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Wie lange soll das mit dir und Ashley eigentlich noch so weitergehen?“, fragte Mac Hart.

Cal zuckte zusammen. Mac hatte ihn dazu eingeladen, sich das Footballspiel im Fernsehen zusammen mit ihren drei Brüdern und ihrem Schwager anzuschauen. Von einer Krisensitzung war keine Rede gewesen.

Aus der Schale auf dem Couchtisch griff Cal sich eine Handvoll Chips und zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, was du meinst.“

„Zum Beispiel, dass du zu den letzten drei Hochzeiten in unserer Familie ohne Ashley aufgetaucht bist? Janey und Thad im August, Fletcher und Lily im Oktober und Dylan und Hannah im November – zumindest zu einer der Feiern hätte sie es wohl schaffen können, oder?“

Missmutig runzelte Cal die Stirn. Alle wussten, dass Ashley ihre Assistenzzeit absolvierte, und zwar als Ärztin im Kreißsaal an einem Krankenhaus in Honolulu.

„Sie wollte ja dabei sein, aber der Flug von Hawaii nach Raleigh dauert mindestens zwölf Stunden. Das ist einfach zu lang, um nur für zwei Tage zu kommen. Abgesehen davon hat sie nur ganz selten mal ein ganzes Wochenende frei“, verteidigte Cal seine Frau.

Und da er genauso wenig Zeit hatte, trafen sie sich meistens in San Francisco, das für sie beide sechs Flugstunden entfernt lag.

Die anderen wirkten nicht überzeugt. „Sie war aber auch zu Thanksgiving, Weihnachten und Silvester nicht hier!“, bemerkte Dylan.

Wieder zuckte Cal die Achseln und hoffte, das Spiel im Fernsehen würde bald anfangen. „Sie musste über die Feiertage arbeiten.“

Musste sie? Oder hat sie freiwillig angeboten, die Feiertagsschichten zu übernehmen?“

Das kam von Fletcher, und damit traf er mehr ins Schwarze, als Cal lieb war. Diese Frage hatte er sich nämlich auch schon gestellt. Trotzdem fühlte er sich verpflichtet, seine Frau in Schutz zu nehmen.

„Wir haben uns im November in San Francisco getroffen und alle drei Feste auf einmal gefeiert.“

Es war ein leidenschaftliches, viel zu kurzes Wochenende gewesen. Danach hatte er sich noch einsamer gefühlt als vorher und sich immer öfter gefragt, ob ihre Ehe nicht nur noch auf dem Papier bestand.

Die anderen wechselten besorgte Blicke. Cal wusste, er tat ihnen leid, und das war schlimmer als alles andere.

„Und wann kommt Ashley jetzt nach Hause?“, fragte Dylan.

Wieder ein Volltreffer – Cal konnte selbst noch kein genaues Datum nennen, denn darüber wollte Ashley nicht reden.

„Bald“, schwindelte er.

Thad hob die Augenbrauen. „Ich dachte, ihre Assistenzzeit war schon im Dezember zu Ende!?“

„Im Dezember war die mündliche Prüfung und der Abgabetermin für ihre Doktorarbeit, aber ihr letzter Arbeitstag im Krankenhaus ist der 15. Januar.“

Übermorgen.

„Und dann kommt sie nach Hause, oder?“

So war es jedenfalls abgemacht gewesen, als Ashley vor zweieinhalb Jahren die Stelle in Hawaii angenommen hatte. Jetzt war sich Cal da leider nicht mehr so sicher, aber das ging seine Brüder nichts an.

Deshalb sagte er nur: „Sie ist auf Jobsuche.“

„Hier in North Carolina?“

Das hoffte er stark, denn er selbst war an seine Stelle im Medical Center von Holly Springs noch für die nächsten anderthalb Jahre gebunden.

„Also, wenn sie meine Frau wäre …“, murmelte Mac.

„… das sagt gerade der Richtige!“, schnitt Cal ihm das Wort ab. Er war ein geduldiger Mensch, aber was zu weit ging, ging zu weit. „Mac, du bist nicht mal verheiratet!“

„Also, ich an deiner Stelle“, fuhr Mac seelenruhig fort, „würde den nächsten Flug nach Honolulu nehmen, sie mir schnappen und nach Hause bringen.“

Als Sheriff von Holly Springs war Cals ältester Bruder ziemlich erfolgreich mit seinem entschlossenen Durchgreifen. Bei den Frauen kam er damit weniger gut an, weshalb er für Beziehungsratschläge der völlig Falsche war.

„Mit Machogehabe kommt man bei Ashley nicht weit“, erwiderte Cal. Das wusste er aus Erfahrung.

„Aber irgendwas musst du unternehmen“, drängte Joe.

Alle schauten ihn erwartungsvoll an, und Cal ahnte schon – das dicke Ende kam noch.

„Die Frauen in der Familie finden, es muss dringend etwas geschehen“, sagte Joe schließlich. „Du bist jetzt seit drei Jahren verheiratet, und die meiste Zeit davon habt ihr beide getrennt verbracht.“

„Ja und?“

„So kann es nicht weitergehen. Jeder sieht, wie unglücklich du bist“, nahm Dylan den Faden auf. „Die Frauen haben euch ein Ultimatum gestellt. Ihr habt bis zum Valentinstag Zeit, eure Ehe in Ordnung zu bringen.“

Der Valentinstag war zugleich Cals und Ashleys Hochzeitstag.

„Und wenn wir das nicht tun?“, fragte Cal.

„Dann werden die Frauen die Sache in die Hand nehmen.“

2. KAPITEL

„Wenn du so weitermachst, wird dein neuer Titel Dr. Ashley Drückeberger Hart lauten.“

Als Ashley die leise sexy Stimme mit dem verführerischen Südstaatenakzent hörte, begann ihr Herz vor freudiger Überraschung schneller zu schlagen. Cal. Was machte er hier, im Aufenthaltsraum für das Personal des Honolulu General Hospital? Langsam drehte sie sich um und stellte fest, dass sie sich nicht getäuscht hatte: Im Türrahmen stand der Mann, mit dem sie schon fast drei Jahre verheiratet war.

Und wie immer sah er umwerfend aus.

Cal trug ein Seidenhemd mit tropischem Aufdruck, das seine breiten Schultern äußerst vorteilhaft zur Geltung brachte. Die Bundfaltenhose betonte seine schlanke Taille und die langen Beine. Das aschblonde Haar war kurz geschnitten und aus dem Gesicht gekämmt, seine leicht gebräunte Haut ließ ihn gut erholt aussehen. Sein markantes Kinn – ein sichtbares Zeichen dafür, wie stur alle Harts waren – bedeckte ein Bartschatten.

Cal war kein Modeltyp, denn dafür waren seine Züge zu unregelmäßig. Die Nase zierte eine Narbe von einem Sportunfall, und seine Augenbrauen und Wimpern waren so hell, dass man sie kaum sah. Doch in Kombination mit den dunkelgrauen Augen und dem entschlossenen Mund ergab sich ein Bild, für das Ashley immer noch alles stehen und liegen ließ. Ganz zu schweigen davon, wie geschmeidig er sich bewegte. Mit federnden Schritten, die seine Kraft und Fitness verrieten, kam er auf sie zu. Er konnte es ganz offensichtlich nicht abwarten, sie in die Arme zu schließen – und dann möglichst schnell ein ruhiges Plätzchen und ein bequemes Lager zu finden.

„Cal.“ Noch immer völlig überrascht starrte sie ihn an.

„Na, immerhin erinnerst du dich an meinen Namen“, witzelte er.

Doch hinter dem scherzhaften Ton verbarg sich noch etwas anderes. Er war eindeutig verärgert oder, schlimmer noch, verletzt. Es überforderte sie, urplötzlich mit seinen Gefühlen konfrontiert zu sein, denn sonst gab er fast nie etwas von sich preis. Nicht einmal ihr gegenüber.

Aber vielleicht würde sich das jetzt ändern!?

Ashley schluckte und legte den Kopf in den Nacken, um ihn ansehen zu können. Mit seinen eins fünfundachtzig überragte er sie um gut zehn Zentimeter.

„Was machst du hier?“, fragte sie. „Ich dachte …“

Cal hob eine Augenbraue. „… dass ich geduldig warte, bis es der Lady in den Sinn kommt, mir mitzuteilen, ich könne sie endlich abholen?“

Er stand jetzt so dicht vor ihr, dass sie den verführerischen Duft seines Rasierwassers einatmen konnte, doch seine Worte machten sie nervös.

Sie duckte sich unter einem Banner mit der Aufschrift Herzlichen Glückwunsch, Ashley! hindurch und ging zu ihrem Schrank, um den Rest ihrer Sachen in einen Umzugskarton zu packen.

„Wer hat denn was von Abholen gesagt?“, fragte sie gedehnt.

Eigentlich hatte sie sich in Ruhe auf dieses zweifellos schwierige Gespräch vorbereiten wollen. Sie hatte vorgehabt, die richtigen Argumente zu wählen und sich ihre Worte genau zurechtzulegen.

Cal kam wieder auf sie zu. „Eben. Wir haben bis jetzt noch gar nicht darüber gesprochen, wie es weitergehen soll. Und dabei ist heute dein letzter Tag hier. Deshalb habe ich jetzt einfach die Initiative ergriffen, um meine Frau nach Hause zu holen.“

Er sprach mit leiser, verführerischer Stimme.

Ashley atmete tief durch und wandte sich ihm zu. „Was ist nur los mit dir?“

Seine geballten Gefühle überforderten sie im Moment. Wie ein Schutzschild hielt sie unwillkürlich eine Regenjacke vor sich, die sie gerade zusammenlegen wollte.

Cal nahm sie ihr aus der Hand und warf die Jacke in den Karton. „Was soll die Frage?“

Ihr Herz klopfte immer noch heftig, jetzt aber aus anderen Gründen. Sie wandte sich wieder dem Schrank zu und griff nach einigen Büchern.

„Sonst bist du immer umgänglich und geduldig, wenn es um solche Sachen geht“, sagte sie, als sie die Bücher in die Kiste legte.

Heute allerdings nicht.

In seinen Augen blitzte es gefährlich, als er sich mit einer Hand am Schrank daneben abstützte und ihr ganz nahekam.

„Und genau da liegt wahrscheinlich das Problem, Ash. Vielleicht habe ich zu viel Talent zum Warten und zu wenig darin, mir das zu holen, was ich haben will.“

Ach du liebe Güte. „Und das wäre?“, fragte sie.

Cal zog sie in die Arme und drückte Ashley eng an sich. „Das hier zum Beispiel“, murmelte er und küsste sie.

Der erste Kuss nach einer so langen Trennung löste immer einen Sturm von Gefühlen aus. Und dieser hier machte da keine Ausnahme. Cals Lippen schmeckten nach Pfefferminz, denn er hatte immer Kaugummi bei sich. Als sie seine starken Arme um sich spürte, fühlte sie sich endlich aufgehoben. Wie jedes Mal, wenn sie in seiner Nähe war.

Sie hatte ihn vom allerersten Blick an geliebt, als sie Cal im ersten Collegejahr kennenlernte. Vielleicht lag es am Altersunterschied – er war vier Jahre älter als sie und damals schon mit dem Grundstudium fertig gewesen –, aber sein Selbstvertrauen und sein lässiger Südstaatencharme waren für sie eine unwiderstehliche Kombination. Bei ihm fühlte sie sich vollkommen sicher und gleichzeitig unglaublich begehrt. Wie die wunderbarste Frau der Welt.

Wenn sie getrennt waren, stellten sich allerdings immer wieder Zweifel ein, ob ihre Liebe wirklich für die Ewigkeit geschaffen war. Doch wenn er sie so wie jetzt küsste, wusste sie einfach, sie gehörte zu ihm.

Sie hätte ewig so weitermachen können, doch leider öffnete sich die Tür, und jemand räusperte sich diskret.

„Ich brauche wohl nicht zu fragen, was Sie hier bei uns machen“, bemerkte die Krankenschwester leise lachend.

Nur widerwillig hob Cal den Kopf. „Wir feiern!“, verkündete er.

Entspannt schmiegte sich Ashley an ihn und legte den Kopf an seine Schulter.

Die Krankenschwester strahlte. „Ach, dann haben Sie ihm von der Stelle auf Maui erzählt. Ist das nicht perfekt?“ Sie wandte sich an Cal. „Wissen Sie, wie viele von uns für den Rest ihres Lebens auf Urlaub verzichten würden, wenn sie dort arbeiten dürften?“

Nach ihren Worten breitete sich Stille aus. Cal blickte finster, und die Krankenschwester wirkte bestürzt. Ashley hob eine Hand, bevor sie sich entschuldigen konnte.

Die Schwester schaute von einem zum anderen, lächelte etwas gezwungen und zog sich in Richtung Tür zurück.

„Ihr beide habt bestimmt noch viel zu besprechen“, sagte sie beim Hinausgehen.

Doch auch nachdem sie außer Hörweite war, sagte Cal nichts. An seinem Gesichtsausdruck erkannte Ashley allerdings deutlich, dass er verletzt war und sich ausgeschlossen vorkam.

Das hatte sie nicht gewollt. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich heftig. Aber wie immer befand sie sich in einer Zwickmühle. Wenn sie das attraktive Stellenangebot auf Maui ablehnte, würden alle schrecklich enttäuscht sein – ihre Eltern und ihre Mentorin hier in Honolulu, Dr. Connelly, und alle anderen, die sie auf ihrem Weg unterstützt hatten. Und Cal konnte sie es sowieso nicht recht machen. Natürlich erwartete er, dass sie in ihrem Beruf erfolgreich war, aber er wollte auch nicht, dass die Arbeit ihnen ihre gemeinsame Zeit stahl – allerdings wurde sie als Geburtsärztin mindestens ebenso oft zu ungeplanten Notfällen gerufen wie er als Chirurg. Von daher war dieser Anspruch allein schon kaum zu erfüllen.

Da er auf eine Erklärung zu warten schien, sagte sie schließlich: „Ich hätte es dir schon noch erzählt.“

Kühl blickte er sie an. „Das bedeutet wohl, du hast das Angebot noch nicht abgelehnt!?“

Ashley zuckte die Schultern. Sie fühlte sich schlecht vorbereitet und unwohl in ihrem hellblauen Arztkittel und der lockeren Baumwollhose. Eine andere Kleidung wie ein sexy Sommerkleid hätte ihr vielleicht mehr Selbstvertrauen gegeben.

Sogar ihre Frisur war zerzaust. Sie löste den Knoten im Nacken, strich sich die losen Strähnen aus dem Gesicht und drehte das Haar wieder ordentlich zusammen.

„Ich habe es erst letzte Woche erfahren“, sagte sie lahm.

„Aber deine Kollegen wissen schon Bescheid.“

Natürlich wollte er der Erste sein, dem sie von solchen großen Neuigkeiten erzählte. Da die Stelle auf Maui bisher ihr einziges Jobangebot war, hatte sie damit noch gewartet. Sie hatte in den letzten Wochen einfach keine Zeit gehabt, sich irgendwo zu bewerben, und diesen mangelnden Elan würden weder ihre Eltern noch Cal verstehen. Er konnte zwischen sechs Angeboten entscheiden, als er mit seiner Assistenzzeit fertig geworden war. Allerdings hatte er sich auch die ersten fünf Monate ihrer Ehe ausschließlich um Bewerbungen und Vorstellungsgespräche gekümmert. Im Gegensatz dazu hatte sie im letzten halben Jahr ihre wenigen freien Tage nur dafür verwendet, Zeit mit Cal zu verbringen.

„Einige der Schwestern waren zufällig dabei, als ich den Anruf aus Maui bekam“, erklärte sie.

„Aha. In North Carolina haben wir mittlerweile auch schon Telefon.“ Es klang verärgert und enttäuscht.

Ihm zu missfallen, hatte ihr schon immer schlimm zugesetzt. „Ich wollte das lieber persönlich mit dir besprechen“, erwiderte sie mit zitternder Stimme.

Doch ihre Bemerkung schien alles noch schlimmer zu machen. „Du denkst doch wohl nicht ernsthaft daran, die Stelle anzunehmen?“

„Ehrlich gesagt weiß ich das noch nicht.“

Er nickte stumm.

Es lag ihnen wohl beiden daran, dieses Gespräch in einem etwas privateren Umfeld weiterzuführen. Ashley packte ihre restlichen Sachen in den Umzugskarton und verabschiedete sich dann von ihren Kollegen.

Cal trug die Kiste zum Auto, und sie fuhren in ihre Einzimmerwohnung, die in einem Hochhaus mit Blick auf den Strand von Waikiki lag. Die Wohnung war nur mit dem Nötigsten ausgestattet, denn Ashley war es in den vergangenen zweieinhalb Jahren aus Zeitmangel kaum gelungen, sie wirklich einzurichten. Sie hatte die Wohnung eigentlich nur zum Duschen und Schlafen genutzt und den Rest der Zeit im Krankenhaus verbracht.

An einer Wand lehnten noch zusammengefaltete Umzugskisten für ihre Kleidung und Bücher, auf dem Couchtisch lag ein Stapel Post. Normalerweise fand sie das große Zimmer kalt und fühlte sich darin einsam, doch jetzt kam es ihr viel zu klein für sie beide vor angesichts der gereizten Stimmung – Cal schwieg beharrlich.

„Willst du nicht noch mehr zu dem Jobangebot wissen?“, fragte sie schließlich.

Wenn er sie doch nur mehr daran teilhaben lassen würde, was in ihm vorging. Das Einzige, was er immer sehr klar kommunizierte, war seine Lust. Aber ich bin ja auch nicht besser, musste sie widerwillig zugeben.

„Eigentlich würde ich gern erst mal eine Runde im Meer schwimmen“, erklärte er, als er seine Reisetasche abstellte. „Wir können ja beim Abendessen über alles reden.“

Ashley schluckte. Wenn sie sich schon streiten mussten, wollte sie es am liebsten so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Aber …“

Er ließ sie gar nicht erst ausreden. „Wenn es schon schlechte Nachrichten gibt, will ich sie lieber erst später hören, wenn du nichts dagegen hast.“

Damit war die Sache offenbar für ihn erledigt, denn er begann, seine Taschen zu leeren. Sein Handy klingelte genau in dem Moment, als er es auf den Tisch legte, und er reichte es nach einem Blick aufs Display an Ashley weiter.

„Fragst du Mac bitte, was er will?“

Er nahm seine Badehose aus der Tasche, ging ins Bad und ließ Ashley mit dem noch immer klingelnden Handy allein. Bis sie auf der für sie ungewohnten Tastatur den richtigen Knopf gefunden hatte, um den Anruf anzunehmen, hatte sich bereits die Mailbox eingeschaltet, und sie hörte die Nachricht mit.

„Na, worum ging es?“, fragte Cal, als er aus dem Bad kam.

Obwohl Ashley über das Gehörte ziemlich aufgebracht war, lief ihr beim Anblick seines gebräunten muskulösen Körpers regelrecht das Wasser im Mund zusammen.

„Das war nicht nur Mac, sondern auch deine anderen Brüder und dein Schwager.“

Sie widerstand der Versuchung, ihren Blick weiter nach unten wandern zu lassen, um nicht zu verpassen, wie er auf ihre Information reagierte. Doch Cal verriet mit keiner Regung, was in ihm vorging. Unmöglich zu sagen, ob er diesen witzigen Anruf erwartet hatte oder nicht.

„Erzähl weiter.“

Aber gern, dachte Ashley und sah ihm geradewegs in die Augen. „Mac wollte dich daran erinnern, dass Frauen starke Männer mögen. Fletcher meinte, du solltest mich zum Lachen bringen, denn das wirke immer, um jemanden ins Bett zu bekommen.“

Ha, als ob Cal damit jemals Schwierigkeiten gehabt hätte! Jedenfalls nicht bei ihr.

„Dylan hat gesagt, Geduld ist nicht immer der beste Weg, wenn es um Frauen geht.“

Und seit wann wartete Cal geduldig, wenn er etwas von ihr wollte? Er war mehr der Typ, der sich nahm, wonach ihm war, und erst später Fragen stellte.

„Joe hat vorgeschlagen, du solltest offensiv denken.“

In welchem Zusammenhang? fragte sie sich. Meinte er ihre Ehe? Die war doch kein Footballspiel!

„Und Thad hat hinzugefügt, du solltest besser zuhören.“

In diesem Punkt musste sie ihrem Schwager zustimmen – als Personal Coach wusste er, wovon er sprach.

„Verrätst du mir jetzt, was das alles soll?“, fragte sie wütend und warf ihm das Handy zu. „Oder soll ich raten?“

„Sie machen nur wie üblich ihre Witze“, erwiderte Cal nicht sehr überzeugend, öffnete die Balkontür und ging hinaus.

„Und das ist die ganze Erklärung?“, hakte Ashley misstrauisch nach.

Das war für Cal die Gelegenheit, Ashley zu erzählen, wie sich die ganze Familie um ihre Ehe sorgte. Und dass sie schon darüber sprachen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Doch das würde bei seiner Frau nicht gut ankommen. Sie hatte nie so richtig verstanden, wie nahe sich die Hart-Brüder standen und dass sie einander in allem blind vertrauten.

Also sagte er nur: „Sie meinten letztens, wir wären in den drei Jahren seit unserer Hochzeit so lange getrennt gewesen, dass wir praktisch noch als junges Paar durchgehen.“

„Und mir kommt es manchmal so vor, als wären wir überhaupt nicht verheiratet“, sagte Ashley seufzend.

Genau da lag das Problem.

„Aber das wird sich alles ändern, wenn wir erst einmal wieder in derselben Stadt wohnen und im selben Haus“, erwiderte er zuversichtlich. „Das haben wir doch immer noch vor, oder?“

Ihr Zögern ließ erneut Ärger in ihm aufsteigen. „Du denkst doch wohl nicht ernsthaft darüber nach, die Stelle auf Maui anzunehmen!?“

Doch Ashley schien sich nicht so sicher zu sein. „Es ist ein Traumjob, Cal. So ein Angebot bekommt man nicht alle Tage und schon gar nicht am Anfang seiner Karriere. Dass man mir eine solche Chance bietet, wird meine Eltern sehr stolz machen. Und dich auch, denke ich.“

Das Zittern in ihrer Stimme verriet, in welchem Zwiespalt sie sich befand.

„Schließlich habe ich dich auch unterstützt, als du dich für deinen Job in North Carolina entschieden hast, weil du dort die Spitzenspieler aus dem nationalen Hockeyteam behandeln kannst – und der beste Sportorthopäde im ganzen Süden werden konntest“, fuhr sie fort.

Cal schaute auf das unglaublich blaue Meer hinaus. „Ja, das hast du.“

Als er sich wieder Ashley zuwandte, warf sie mit einer anmutigen Kopfbewegung das dunkle seidige Haar in den Nacken. Ihm stockte der Atem, so umwerfend sah sie aus.

„Aber was ist mit uns?“, fragte er und ärgerte sich über das Verlangen, das deutlich in seiner Stimme mitschwang. Er gab sich wirklich große Mühe, nicht nur an sich zu denken.

Hoffnungsvoll blickte sie zu ihm auf. „Du könntest in anderthalb Jahren nach Maui ziehen, wenn dein Vertrag mit der Klinik in Holly Springs abgelaufen ist. In Hawaii und an der Westküste gibt es jede Menge Spitzensportler.“

„Dass du deine Assistenzzeit in Hawaii verbringst, sollte eine Übergangslösung sein!“, erinnerte er sie kühl.

Sie waren beide nicht glücklich darüber gewesen, aber es hatte sich eben nicht vermeiden lassen.

Ihr plötzlich verschlossener Gesichtsausdruck traf ihn unvorbereitet. Es sah aus, als hätte sie Angst, sich wieder ganz auf ihn und ihre Ehe einzulassen, und anscheinend war es ihr ganz recht, wenn sie weiterhin nur eine Fernbeziehung führten.

„Die Dinge ändern sich manchmal“, sagte sie leise.

Und nicht immer zum Besseren.

Er hatte nie verstanden, warum sich Ashley im ersten halben Jahr ihrer Ehe gefühlsmäßig so entfernt hatte. Sicher, es war keine leichte Zeit gewesen. Das Krankenhaus, in dem sie ihre Assistenzzeit begonnen hatte, war geschlossen worden, und sie hatte von heute auf morgen mitten in der Ausbildung einen neuen Platz finden müssen. Er selbst hatte zu der Zeit in der Vorbereitung für die Facharztprüfung gesteckt und konnte ihr nicht wirklich helfen. Aber da sie selbst Medizin studierte, hätte sie den unglaublichen Leistungsdruck eigentlich verstehen müssen, und das hatte sie ihm auch immer wieder versichert.

Doch den ganzen Sommer über hatte bei ihr Gefühlschaos geherrscht. Sie brach beim kleinsten Anlass in Tränen aus, dann wieder sprach sie tagelang kein Wort. Eine Zeit lang hatte sie deutlich zugenommen und im nächsten Monat dann völlig den Appetit verloren.

Natürlich war der Stress wegen ihrer Ausbildung daran schuld gewesen – und im Nachhinein hatte Cal sich mit schlechtem Gewissen eingestehen müssen, dass er aufgrund der anstrengenden Prüfungsvorbereitung nicht genug für sie da gewesen war. Doch als er nach dem bestandenen Examen wieder Zeit für sie hatte, war das Problem schon gelöst und Ashley auf dem Weg nach Hawaii.

Deshalb hatte er sie danach umso mehr unterstützt und sich nie über die räumliche Trennung beklagt. Trotzdem hatte sich etwas verändert. Wenn sie sich trafen, schliefen sie miteinander, als wäre nichts gewesen, vielleicht sogar noch leidenschaftlicher als früher. Doch sie sprachen nicht mehr über ihre Gefühle oder darüber, was sie bewegte. Es war, als stünde eine Mauer zwischen ihnen, die mit jedem Monat der Trennung wuchs und immer schwieriger zu überwinden war.

Eine Mauer, die sich offenbar auch jetzt nicht durchdringen ließ.

„Ich konnte doch nicht ahnen, dass mir die Stelle als Leiterin der Geburtsklinik in Maui angeboten wird!“, sagte Ashley, ließ sich in einen der Plastikstühle sinken und legte die Füße aufs Balkongeländer.

Cal setzte sich ebenfalls.

„Wie schnell musst du dich entscheiden?“, fragte er.

Natürlich war das eine einmalige Chance für sie, und er wäre gern großzügig gewesen. Aber das würde über kurz oder lang das Ende ihrer Ehe bedeuten.

„In einem Monat, aber sie würden gern eher von mir hören.“

„Natürlich.“

Warum lehnt sie nicht einfach ab? fragte er sich im Stillen. Warum denkt sie überhaupt darüber nach, den Job anzunehmen? Lag ihr gar nichts mehr an ihrer Ehe?

„Hör mal, ich weiß, wie wenig Freizeit du hast“, sagte Ashley auf einmal mitfühlend.

Der Themenwechsel behagte ihm gar nicht.

„Ja und?“

Nervös stand Ashley wieder auf. „Wir sollten praktisch denken. Du musst doch nicht hierbleiben, während ich mich noch nach anderen Jobangeboten umsehe und meine Sachen packe.“

Offenbar wollte sie ihn loswerden. Aber er würde nicht mehr den verständnisvollen Ehemann spielen, der seine eigenen Wünsche zurückstellte. Er wollte nicht mehr von Ashley getrennt leben, und das würde er ihr diesmal unmissverständlich klar machen.

„Ich bleibe hier, Ashley.“

Sie blinzelte überrascht. „Wie meinst du das?“

Auch er stand nun wieder auf und blickte sie ruhig an.

„Ich fahre nicht ohne dich nach Hause, diesmal nicht. Und ich lasse auch nicht zu, dass du dich einfach so für ein Jobangebot entscheidest, ohne darüber nachzudenken, was das für unsere Ehe bedeutet.“

„Was ist bloß in dich gefahren?“, fragte Ashley zum zweiten Mal an diesem Tag.

Sie verstand die Welt nicht mehr. Vor zweieinhalb Jahren hatte Cal sie dazu gedrängt, ihre Karriere konsequent weiterzuverfolgen. Wie ihre Eltern hatte er ihr zugeredet, die Assistenzstelle in Honolulu anzunehmen, um eine einjährige Unterbrechung ihrer Ausbildung zu vermeiden. Und anscheinend hatte es niemanden gestört, dass sie selbst weder nach Hawaii ziehen noch von ihrem Mann so lange getrennt sein wollte. Alle hatten gesagt, diese Chance sei jedes Opfer wert.

Schließlich hatte sie sich überzeugen lassen, denn in der Zwischenzeit war etwas passiert, mit dem sie allein fertig werden musste. Bis heute wussten sowohl Cal als auch ihre Eltern nichts davon. Und mit etwas Glück würden sie es auch nie erfahren.

Cal runzelte ungeduldig die Stirn. „Ich habe einfach die Nase voll und will nicht länger ohne dich leben. Wir sind verheiratet, verdammt noch mal, also sollten wir auch zusammen sein.“

Wenn er das doch damals gesagt hätte, dachte Ashley traurig. Jetzt wusste sie nicht, wie sehr sie diesem plötzlichen Sinneswandel trauen konnte.

Auf keinen Fall wollte sie sich ein neues Leben aufbauen, das sie dann doch nur wieder wegen der beruflichen Umstände aufgeben musste.

Autor

Cathy Gillen Thacker
<p>Cathy Gillen Thacker ist eine Vollzeit-Ehefrau, - Mutter und – Autorin, die mit dem Schreiben für ihr eigenes Amusement angefangen hat, als sie Mutterschaftszeit hatte. Zwanzig Jahre und mehr als 50 veröffentlichte Romane später ist sie bekannt für ihre humorvollen romantischen Themen und warme Familiengeschichten. Wenn sie schreibt, ist ihr...
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