Ich will immer noch nur dich!

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Beth Wingate! Er kann nicht aufhören, sie anzustarren. Ihr langes, goldschimmerndes Haar, die grünen Augen – alles an ihr raubt Cam Guthrie den Atem. Vor Jahren waren Cam und Beth ein Paar, bis sie mit ihm Schluss machte und ihm das Herz brach. Diese Verletzung hat Cam nie überwunden. Als der Selfmade-Millionär in seine Heimatstadt zurückkehrt, um sich ein neues Leben aufzubauen, steht Beth unvermutet wieder vor ihm. Was soll er nur tun? Er will immer noch nur sie … aber er kann ihr nicht mehr vertrauen!


  • Erscheinungstag 22.06.2021
  • Bandnummer 2190
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503716
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

In Royal, Texas hatte sich nicht viel verändert.

Camden Guthrie freute sich darüber. Gut, die Stadt war ein wenig größer, als er sie in Erinnerung hatte, und ein paar neue Geschäfte gab es auch. Aber sie war immer noch die Stadt, in der er aufgewachsen war. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie sehr er sie vermisst hatte. Fünfzehn Jahre lang war er im selbstauferlegten Exil in Südkalifornien gewesen. Jetzt strömte die warme texanische Luft in seine Lungen, und jeder Atemzug fühlte sich nach Heimat an.

Niemals würde er hier wieder weggehen.

„Cam?“

Er drehte sich um und lächelte den Sheriff an. Nathan Battles war älter als er, weshalb sie als Kinder nicht viel miteinander zu tun gehabt hatten, aber in einer Kleinstadt kannte eben jeder jeden.

„Schön, dich zu sehen, Nate.“ Cam reichte ihm die Hand, und Nate ergriff sie beherzt.

„Hab gehört, du hast die alte Circle-K-Ranch gekauft.“

„Das war klar.“ Cam schüttelte den Kopf. Gerüchte verbreiteten sich in einer Kleinstadt wie Lauffeuer, und Royal war da keine Ausnahme. Außerdem gehörte Nates Frau das Royal Diner – die Brutstätte aller Gerüchte. Amanda Battles hielt ihren Ehemann vermutlich über alles auf dem Laufenden, was ihr zu Ohren kam.

Nate grinste. „Wer Natalie Barnes als Immobilienmaklerin engagiert, muss damit rechnen. Sie hat jedem brühwarm erzählt, dass du die Ranch gekauft hast, auf der du mit deiner Familie früher gearbeitet hast.“

Cam nickte. Die Circle-K-Ranch war ein großer Teil seines Lebens gewesen. Seine Eltern hatten beide als Pferdetrainer für die ehemaligen Besitzer gearbeitet. Er selbst hatte sich als Jugendlicher um alles gekümmert, was so anfiel: Er hatte Tiere gefüttert, Ställe ausgemistet und Reparaturarbeiten übernommen.

Mit dem Ort verband er viele gute Erinnerungen, aber auch einige schlechte. Er hatte lange daran gearbeitet, Letztere zu verdrängen. Zum Beispiel die, wie er seine Eltern bei einem Brand verloren hatte, als er siebzehn gewesen war. Ein defektes Kabel hatte im Stall ein Feuer verursacht, und seine Eltern hatten alle Pferde aus ihren Boxen befreien wollen. Als das Dach des Gebäudes eingebrochen war, hatten sie in der Falle gesessen.

Trotzdem war die Ranch sein Zuhause geblieben. Er hatte bis zum Schulabschluss weiter dort gelebt und gearbeitet. Vor zwei Jahren hatte Cam dann entschieden, nach Royal zurückzukehren, und ein Gebot auf das Grundstück abgegeben. Dass er den Zuschlag jetzt bekommen hatte, war sicher Schicksal gewesen. So schloss sich der Kreis.

Jetzt war er wieder hier und hatte viele Ideen für den Ausbau der Ranch und viele Pläne für die Zukunft. Für seine Zukunft. Eine Zukunft, in der Beth Wingate früher die Hauptrolle gespielt hatte.

Verdammt. Sein Herz schlug schon schneller, wenn er nur an sie dachte. Fünfzehn Jahre waren vergangen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Fünfzehn Jahre, seit er sie berührt hatte. Und trotzdem war Beth da. Immer. Sie war immer in seinem Kopf und in einer kleinen, dunklen Ecke ganz tief in seinem Herzen.

„Stimmt“, antwortete er schließlich auf Nates Bemerkung. „Aber es ist schön, wieder hier zu sein.“

Ob es wohl immer noch schön wäre, wenn er Beth erst einmal wiedergesehen hatte?

Allein beim Gedanken an sie kochten so viele verschiedene Emotionen in ihm hoch. Er hatte sie lange unterdrückt, um überhaupt klar denken zu können. Cam war nicht ihretwegen nach Royal zurückgekommen. Er war zurückgekommen, weil das hier seine Stadt war. Sein Zuhause. Texas floss durch seine Adern, und Royal schlug in seinem Herzen. Den Wunsch heimzukehren hatte er die ganzen Jahre über ignoriert. Er und seine verstorbene Frau Julie hatten es in Kalifornien zu einem gewissen Wohlstand gebracht und sich ein Leben aufgebaut. Die Sehnsucht nach Texas hatte trotzdem immer in ihm geschlummert. Jetzt war er zurück, und um nichts in der Welt würde er wieder gehen.

Nicht mal wegen der Frau, die ihn immer noch verfolgte.

Nate zog die Krempe seines Hutes tiefer ins Gesicht. „Ich habe auch gehört, dass du dir ein paar Longhorns auf die Ranch holen willst, und Black Angus Rinder.“

Cam lachte. „Du hörst ja so einiges.“

„Allerdings.“ Der Sheriff grinste unverfroren. „Ich hoffe, es stimmt. Texas ohne Longhorns – kaum vorstellbar. Gut, wenn du dazu beiträgst, dass die Rasse überlebt.“

Cam hatte größere Pläne als nur die Longhorns, aber er war noch nicht bereit, jemand anderen daran teilhaben zu lassen. Trotzdem musste er lächeln beim Gedanken an das, was er vorhatte.

„Es stimmt. Eine kleine Herde mit ein paar Hundert Tieren kommt Ende nächster Woche.“ Cam erfüllte sich endlich seinen Kindheitstraum: seine eigene Ranch. „Aber wir trennen sie vom Angus. Ich will keine Kreuzungen riskieren.“

Nate lachte. „Hauptsache, du kümmerst dich drum. Ich habe schon genug damit zu tun, die Herde hier in der Stadt im Zaum zu halten.“

Cam nickte und sah sich auf der Main Street um. Royal war eine ruhige Stadt. Die nächste größere Stadt war Dallas, aber hier in Royal gab es alles, was man brauchte. Verwaltungsgebäude umgaben einen Park mit gepflegten Blumenbeeten, Eichen und akkurat geschnittenem Rasen. In der Straße befanden sich Restaurants, eine Bank und Dutzende Geschäfte – alles vom Friseur bis zur Fleischerei.

Auf den Gehwegen war zwar viel los, sie waren aber nicht überlaufen. Was für eine Erleichterung. Wenn man in Kalifornien mal ein wenig Privatsphäre haben wollte, musste man sich schon in einem Schrank einschließen.

Es war die erste Juniwoche, der Sommer war noch nicht ganz angekommen, und man konnte die Luftfeuchtigkeit auch ohne Klimaanlage gerade noch so ertragen.

„Ich wollte dir noch sagen, dass mir das mit Julie wirklich leidtut“, sagte Nate.

Ein kurzer, scharfer Schmerz durchfuhr Cam, verschlug ihm den Atem und klang dann langsam wieder ab. Inzwischen kam er mit dem Tod seiner Frau klar. Dass er Julie verloren hatte, war im Endeffekt ausschlaggebend für seine Entscheidung gewesen, nach Royal zurückzukommen. Aber wenn er aus dem Nichts an sie erinnert wurde, warf es ihn doch noch sehr aus der Bahn.

„Danke, Nate. Nett von dir.“ Höflich, aber distanziert verdeutlichte er seinem alten Bekannten so, dass er nicht weiter darüber sprechen wollte.

Nate verstand sofort und nickte. „Du hast bestimmt noch eine Menge zu erledigen. Ich lasse dich jetzt mal in Ruhe.“

„Stimmt, ich wollte gerade zur Bank.“ Er musste ein neues Konto eröffnen und sein Geld von L.A. hierher überweisen lassen.

„Ich mache mich auf den Weg zurück aufs Revier. Aber lass uns bald mal was unternehmen. Ein bisschen quatschen.“

Cam grinste. Er war froh, dass das Gespräch wieder unverfänglich war. „Das klingt gut.“

Mit einem kurzen Anflug von Neid sah er dem Sheriff hinterher. Nathan Battles hatte schon vor Jahren rausgefunden, wo er hingehörte. Heute lief er durch die Straßen von Royal und war im Reinen mit sich und dem Leben, das er sich aufgebaut hatte.

Cam war nach Royal zurückgekehrt, um sich ebenfalls so ein Leben aufzubauen.

Bis er die Bank endlich erreichte, war fast eine halbe Stunde vergangen. Alle paar Meter liefen ihm alte Bekannte über den Weg. In Kalifornien war er ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen. Ein Selfmade-Millionär. Doch in Royal war er eine einheimische Erfolgsgeschichte. Die Leute waren von Natur aus neugierig und wollten ganz genau wissen, was er die letzten Jahre getrieben hatte. Hartnäckig, wie Texaner nun mal waren, würden sie nicht zulassen, dass ihre Fragen unbeantwortet blieben.

Schon komisch, denn als Kind mit indigenen Wurzeln und Eltern, die auf einer Ranch arbeiteten, hatte Cams einziger Anspruch auf Ruhm früher daher gerührt, dass er Mitglied des Baseball-Teams an der Highschool gewesen war. Damals hatte er sogar davon geträumt, irgendwann in der Major League zu spielen. Sein Pitch war so gut gewesen, dass er Stipendienangebote bekommen hatte. Doch er hatte keins der Angebote angenommen, denn nach seinem Highschoolabschluss hatte seine Welt plötzlich kopfgestanden.

Trotzdem war er jetzt hier: ein Multimillionär, der in seine Heimatstadt zurückkehrte und jetzt sogar die Ranch sein Eigen nennen konnte, auf der seine Eltern früher gearbeitet hatten. Das Leben war schon seltsam – aber auf eine gewisse Art auch befriedigend.

Er betrat die Bank und blieb kurz stehen, um alles auf sich wirken zu lassen. Selbst in diesem großen Gebäude sah man auf den ersten Blick, dass man sich in Texas befand. Der Boden war mit großen, roten Fliesen ausgelegt, an den Wänden hingen Landschaftsbilder, dunkle Holzbalken liefen unter der Decke entlang. Bankangestellte arbeiteten hinter einer Wand aus dickem Plexiglas. Gegenüber standen Tische, und in der Ecke führte eine Treppe hoch in die erste Etage. Cam hielt nach dem Filialleiter Ausschau. Als er ihn entdeckte, blieb sein Blick jedoch nicht an ihm hängen, sondern an der Frau, die ihm gegenübersaß.

Beth Wingate.

Ihm stockte der Atem, und er konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Fast so, als wäre die gesamte Welt in Dunkelheit versunken, während von ihr ein Strahlen ausging.

Hätte sein Leben davon abgehangen, es wäre Cam nicht möglich gewesen, den Blick abzuwenden. Denn es hatte eine Zeit gegeben, in der sie sein Leben gewesen war. Offensichtlich erinnerte sich sein Körper nur zu gut an diese Zeit. Er wurde hart, atmete schwer, sein Herz raste. Seine Hände kribbelten, wollten sie unbedingt wieder berühren. Bei dieser Erkenntnis durchlief ihn eine Welle der Schuldgefühle.

Verdammt, seine Frau war erst vor zwei Jahren gestorben! Und er stand hier und verzehrte sich nach einer früheren Liebe, die ihm das Herz aus der Brust gerissen und ihn in Julies Arme getrieben hatte.

Als würde sie spüren, dass er sie anstarrte, drehte Beth sich langsam um und schaute ihm direkt in die Augen. In ihrem Blick lagen so viele Erinnerungen. Früher einmal, da waren diese grünen Augen seine ganze Welt gewesen. Jetzt fühlte sich ihr Blick an wie ein Schlag in die Magengrube. Warum musste sie immer noch so wunderschön sein? Die langen, glatten Haare fielen ihr über den Rücken. Sie war immer noch blond, hatte jetzt aber Strähnchen, sodass ihr Haar golden schimmerte, wenn sie den Kopf bewegte. Obwohl sie groß und schlank war, hatte sie trotzdem noch die Kurven, an die er sich so gerne erinnerte.

Noch während er sie ansah, erhob sie sich, stolz wie eine Königin. Eigentlich hätte er sich darüber ärgern müssen, denn natürlich tat sie das. Immerhin war sie eine Wingate und stand damit an der Spitze der Hierarchie in Royal. Ihre Mutter Ava hatte als Innenarchitektin den Texas Cattleman’s Club entworfen. Nichts repräsentierte Royal besser als dieser Club. Der TCC war berühmt für seine Mitgliederliste. Jeder wohlhabende, mächtige Mann aus dieser Ecke von Texas war Mitglied. Und die, die es noch nicht waren, versuchten, es zu werden. Genau wie Cam es versuchen würde.

Beth starrte ihn an, er betrachtete sie langsam von oben bis unten. Sie trug ein ärmelloses, blaugraues Sommerkleid mit blassgelben Streifen. Ihre nackten Beine hatten einen sommerlichen Teint, und an den schmalen Füßen trug sie Sandalen mit hohen Absätzen.

Sie sah einfach unverschämt gut aus. Er selbst wirkte wahrscheinlich genau so, wie er sich fühlte: sprachlos vor Lust und Verlangen. Warum musste er ihr ausgerechnet in der Öffentlichkeit über den Weg laufen? So wie er die Leute in Royal kannte, beobachteten gerade alle in der Bank dieses Treffen. Und alle warteten gespannt auf eine Gefühlsexplosion oder ein Feuerwerk der anderen Art.

Cam schwor sich, dass es keines von beiden geben würde. Er würde Beth mit Sicherheit nicht zeigen, wie sehr sie ihm immer noch den Kopf verdrehen konnte.

Sie kam auf ihn zu, und er bewunderte, wie anmutig sie sich bewegte. Wenn er sie ansah, hatte er schon immer an seidene Bettlaken im Mondschein denken müssen.

„Hallo, Cam.“ Ihre Stimme klang tief und rau. Er fühlte sich, als würde er in warmes Wasser eintauchen.

„Beth.“ In ihren Augen sah er etwas aufblitzen.

„Ich habe schon gehört, dass du wieder da bist.“

„In Royal ist es immer schwierig, etwas geheim zu halten“, antwortete er. Genauso schwierig, wie ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Da blitzte wieder etwas in ihren Augen auf – aber was? Erinnerungen? Verlangen? Ärger? Wenn er nur wüsste …

„Hast du denn versucht, es geheim zu halten?“

„Nein, warum sollte ich?“

„Weiß ich auch nicht. Aber du bist schon seit einer Woche wieder hier und heute zum ersten Mal in der Stadt.“

Er musste grinsen. „Beobachtest du mich?“

„Unsinn.“ Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre goldenen Haare schimmerten. Dann zuckte sie leicht mit einer Schulter. Der Stoff ihres Kleides spannte über ihren perfekten Brüsten. „Du hast es gerade selbst gesagt. In Royal ist es schwierig, etwas geheim zu halten. Also, hast du dich auf der Ranch versteckt?“

„Vor wem sollte ich mich verstecken?“

Sie neigte den Kopf und sah ihn durchdringend an. „Interessante Frage.“

Er wusste ganz genau, dass sie dachte, er wäre ihr aus dem Weg gegangen. Tatsächlich war er nicht ganz sicher, ob sie damit falschlag. Obwohl eigentlich sie diejenige war, die sich hätte rechtfertigen müssen, schaffte sie es, die Dinge so zu drehen, dass am Ende er im Kreuzfeuer stand. Zum Teufel damit.

„Tja, ich verstecke mich jedenfalls nicht. Hab ich noch nie. Mir ist egal, was die Leute sagen“, erklärte er. „Im Gegensatz zu manchen anderen.“

Er sah ihr die Wut sofort im Gesicht an und gratulierte sich im Stillen selbst für diesen kleinen Sieg. Eigenartig – seine Zuneigung zu ihr war zwar immer noch unverändert stark, aber er empfand auch einen Anflug von Bitterkeit. Offenbar waren fünfzehn Jahre immer noch nicht genug gewesen, um ihren Verrat zu verdauen.

„Das ist schon lange her“, sagte sie leise. Offenbar war auch ihr bewusst, dass die Leute um sie herum neugierig lauschten.

„Fühlt sich aber nicht so an.“ Sie benutzte sogar noch dasselbe Parfum. Der Geruch von Blumen und Sommerregen hing in der Luft, fuhr die Krallen nach seiner Kehle aus und drohte, ihn zu erwürgen. Er konnte es kaum ertragen.

Ihre Augen verengten sich. „Für mich schon.“

Ein, zwei Herzschläge lang sahen sie einander tief in die Augen, und die Spannung war fast greifbar. Cam konnte es spüren. Er wusste, dass Beth es auch spürte, selbst wenn sie es niemals zugeben würde. Bilder flackerten in seinem Kopf auf. Erinnerungen an Nächte, die sie aneinandergekuschelt auf dem Rücksitz seines Trucks verbracht hatten. An Zukunftspläne, die sie nie verwirklicht hatten. Und schließlich an das letzte Gespräch, das sie vor all den Jahren geführt hatten.

Diese Erinnerung jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. So kalt, dass das lodernde Feuer, das durch ihre bloße Nähe entfacht wurde, zu erlöschen drohte.

Beth wandte als Erste den Blick ab. Sie schaute auf die schmale, goldene Uhr an ihrem Handgelenk und sah ihn dann wieder an. Dieses Mal lagen keinerlei Gefühle mehr in ihrem Blick. Kurz fragte er sich, wann sie das wohl gelernt hatte.

„Es tut mir leid, ich habe einen Termin. Aber willkommen zu Hause, Cam.“

Diese Begrüßung war genauso unterkühlt wie ihr Tonfall. Er schaute ihr nach, als sie ging, und sein Blick blieb an den Rundungen ihrer Hüften hängen, die bei jedem Schritt fast hypnotisch wippten. Erregung machte sich in ihm breit, und Cam ärgerte sich darüber, dass Beth Wingate immer noch einen sabbernden Idioten aus ihm machen konnte.

Aber er war jetzt älter. Und auch um einiges vernünftiger. Auf gar keinen Fall würde er zulassen, dass Beth seine Zukunft genauso zerstörte, wie sie es schon mit seiner Vergangenheit getan hatte.

Beth zitterte am ganzen Körper.

Die gesamte letzte Woche über – seit sie gehört hatte, dass er zurück in Royal war – hatte sie sich darauf vorbereitet, Camden Guthrie wiederzusehen. Aber all die Vorbereitungen waren umsonst gewesen, als sein Blick sie traf. Als sie mit dem Filialleiter am Tisch gesessen hatte, hätte sie schwören können, dass die Raumtemperatur durch Cams bloße Anwesenheit um ein paar Grad gestiegen war. Sie hatte seinen Blick so deutlich auf sich gespürt wie eine Berührung. Und in dem Moment, in dem sie ihn gesehen hatte, war ihr das Herz fast aus der Brust gesprungen.

Seine braunen Augen waren dunkler als früher, und die schwarzen Haare kürzer, als sie es in Erinnerung hatte. Den maßgeschneiderten Anzug trug er mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der er früher Jeans und abgewetzte Stiefel getragen hatte, als er noch der Mittelpunkt ihrer Welt gewesen war.

Beth atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Das Treffen hätte sie nicht so aus dem Konzept bringen dürfen. Es hätte sich anfühlen müssen, als wäre sie einem alten Freund über den Weg gelaufen – immerhin hatte sie Cam jetzt seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen.

Aber da machte sie sich etwas vor. Cam war nie bloß ein Freund gewesen – er war einfach alles für sie gewesen. Bis zu dieser letzten Nacht. Als sie gelernt hatte, dass das, was ein Mann sagte, und das, was er tat, zwei verschiedene Dinge waren.

Jetzt war er wieder in Royal, und sie würde ihm ständig begegnen. Das war doch nicht fair. Warum war er nicht in Kalifornien geblieben? Vielleicht war der Tod seiner Frau der Grund, warum er Kalifornien verlassen hatte. Immerhin erinnerte ihn dort vermutlich alles an sie. Vermisste er Julie so sehr? Wahrscheinlich hatte er Beth nie so geliebt wie sie. Schließlich war er nach Texas zurückgekommen. Es schien ihm also nichts auszumachen, dass er sie jeden Tag treffen musste.

Von den Gedanken bekam sie Kopfschmerzen. Sie massierte die Stelle zwischen ihren Augen und rief sich in Erinnerung, dass sich nichts ändern musste, nur weil er wieder da war. Sie beide verband nichts außer der bittersüßen Erkenntnis, dass sie damals zu jung und zu unbekümmert gewesen waren, um zu verstehen, dass Liebe eben manchmal nicht genug war.

Fünfzehn Jahre, Beth. Wir sind beide nicht mehr die Menschen, die wir damals waren. Weise Worte. Jetzt musste sie nur noch auf ihren eigenen Rat hören.

In der prallen Mittagssonne hatte sie langsam das Gefühl zu verbrennen. In ihr loderte schon ein Feuer, und die texanische Hitze machte es nicht gerade besser. Beth stellte sich unter eine grün-blaue Markise, die über dem Schaufenster eines Floristen gespannt war. Der Schatten würde ihr hoffentlich helfen, ein wenig abzukühlen.

„Dafür ist schon mehr nötig“, murmelte sie und schaute dann schnell, ob sie auch niemand gehört hatte.

Sie war allein auf der belebten Main Street und fragte sich, wie die Leute alle einfach so normal weitermachen konnten – als hätte die Welt sich nicht gerade auf den Kopf gestellt. Cam war zurück. Er war umwerfend. Und heimtückisch. Sexy. Und gewissenlos.

Beim Blick in seine Augen hatte sie sofort all die Selbstkontrolle verloren, die sie sich über die Jahre so hart antrainiert hatte.

„Hi, Beth!“

Sie zuckte zusammen, schaute auf und nickte Vonnie Taylor zu, die ihre Zwillinge im Kinderwagen vor sich herschob. Beth ignorierte den Anflug von Neid, der in ihr aufkam, als Vonnie über den Gehweg eilte. Stattdessen erinnerte sie sich daran, dass sie ein erfülltes Leben führte und dazu weder Mann noch Kinder brauchte. Das stimmte natürlich – trotzdem sehnte sich ein Teil von ihr danach.

Allerdings nicht nach Cam. Das war ein für alle Mal vorbei. Abgesehen von ein paar gefährlich heißen Hormonreaktionen, die aus der Reihe tanzten, kam sie gut allein klar. Erst vor einem Monat hatte sie Justin McCoy gesagt, dass sie kein Interesse an einer Beziehung hatte. Nicht, dass er das verstanden hätte. Sie waren ein paar Monate lang miteinander ausgegangen, und jetzt wollte Justin, dass die Sache ernster wurde. Deshalb hatte sie ihm auch gesagt, dass sie eine Auszeit voneinander nehmen sollten.

Da war es unkomplizierter, gar keinen Mann in ihrem Leben zu haben. Diesen Gedanken hielt sie fest, während sie ihren Weg zum Royal Diner fortsetzte. Klimatisierte Luft hüllte sie ein, als sie das Diner betrat. Erleichtert seufzte sie und sah sich um, bis sie ihre Freundin und Assistentin Gracie Diaz entdeckte. Beth lächelte und ging zu dem Tisch im hinteren Bereich hinüber. Jetzt konnte sie sich wieder ihrem Alltag widmen.

Das Royal Diner hatte sich seit Ewigkeiten nicht verändert. Na ja, ganz stimmte das nicht. Natürlich hatte es hier und da ein paar Modernisierungen gegeben. Aber das Farbschema und die Atmosphäre waren immer gleich geblieben. Schwarz-weißer Schachbrettboden, Sitzbänke aus rotem Kunstleder und in einer Ecke sogar eine funktionierende Jukebox.

Früher oder später landete jeder in diesem Diner. Da war es klar, dass hier das Epizentrum aller Gerüchte lag. Hier erfuhr man einfach alles, was man wissen wollte. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis sie und Cam das Gesprächsthema Nummer eins waren?

Beth winkte Amanda Battles zu. Sie führte das Diner zusammen mit ihrer Schwester Pam.

Als sie auf halbem Weg zum Tisch war, rief Pam: „Hi, Beth! Das Übliche?“

„Ja, danke. Du rettest mir den Tag!“ Sie rutschte auf die Sitzbank gegenüber von Gracie und stellte ihre Tasche neben sich ab.

„Harter Morgen?“, fragte Gracie und grinste.

„Du hast ja keine Ahnung.“ Beth lächelte gequält. Die Zeit mit ihrer Freundin konnte sie jetzt wirklich gut gebrauchen, um sich zu beruhigen. Und um nach der kurzen und niederschmetternden Begegnung mit Cam ihre Fassung zurückzugewinnen.

Sie schaute Gracie in die warmen, braunen Augen. Gracie hatte langes, dunkles Haar, das ihr – genau wie bei Beth – glatt über die Schultern fiel. Sie trug eine ärmellose, hellgelbe Sommerbluse, eine khakifarbene Hose und die Sandalen, um die Beth sie beneidete, seit sie sie das erste Mal gesehen hatte.

Gracie war auf der Wingate Ranch aufgewachsen, denn ihre Eltern hatten für Beths Eltern gearbeitet. Als Kinder hatten die beiden immer miteinander gespielt. In der Schule hatten sie zwar nicht viel miteinander zu tun gehabt, weil Beth drei Jahre älter war. Doch auf der Ranch waren sie enge Freundinnen gewesen und hatten sich immer gegenseitig unterstützt, wenn eine von ihnen wieder mal in einen Jungen verknallt gewesen war. Nach Gracies Schulabschluss hatte Beth sie als Verwaltungsassistentin eingestellt. Die beste Entscheidung, die sie je getroffen hatte, denn Gracie war genauso ein Organisationstalent wie sie selbst. Zusammen schulterten sie die vielen verschiedenen Wohltätigkeitsveranstaltungen, die Beth organisierte.

Gracie beobachtete sie einen Moment lang eindringlich. „Okay, irgendwas ist los. Erzähl schon.“

Beth wartete ab, während Pam ihr das Übliche servierte: ein Club-Sandwich und ein großes Glas ungesüßten schwarzen Eistee. „Danke, Pam.“

„Gern. Willst du noch eine Limo, Gracie?“

„Nein, danke. Ich hab noch.“

„Alles klar.“ Pam sah die beiden an. „Wenn ihr noch was braucht, sagt einfach Bescheid.“

Solche alltäglichen Situationen beruhigten Beth. Das routinierte Leben in Royal. Dass sie die Leute in der Stadt kannte. Dass die Leute sie kannten und sich um sie kümmerten. Also klammerte sie sich an dieses beruhigende Gefühl, während sie an das beunruhigende Treffen mit Cam dachte.

Sie trank einen Schluck Eistee und platzte dann heraus: „Ich habe in der Bank eben Cam getroffen.“

Mehr brauchte Gracie nicht zu hören. „Oh mein Gott! Das war bestimmt schrecklich. Und alle haben euch beobachtet …“

„Genau.“ Das war tatsächlich das Schlimmste an der ganzen Situation gewesen. Beth hatte die neugierigen Blicke genau gespürt. Wie alle darauf gewartet hatten, dass sie und Cam in Streit gerieten. Sie hatte es ja selbst fast erwartet. Das letzte Mal, als sie miteinander gesprochen hatten, war es nicht gut ausgegangen.

„Wie sah er aus?“, fragte Gracie.

„Zum Anbeißen“, murmelte Beth.

„Oh, oh.“

Schnell sah sie Gracie in die Augen. „Nein, nein. Kein Grund zur Sorge. Er ist umwerfend und groß und sexy und ...“ Sie stockte und atmete tief ein. Wenn sie ihre Hormone wirklich unter Kontrolle bringen wollte, durfte sie nicht mehr darüber nachdenken, wie gut Cam aussah. „Egal, ich habe mich vor fünfzehn Jahren entschieden.“

„Mhm.“

Gracies sarkastischer Unterton ließ Beth aufhorchen. „Entschuldige? Auf wessen Seite bist du noch gleich?“

„Auf deiner, aber ich merke auch, wenn du Mist erzählst.“

Wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich, fiel Beth in sich zusammen. Sie ließ die Schultern hängen und nahm noch einen Schluck von ihrem Eistee. „Na gut. Ich erliege der Guthrie-Magie immer noch.“

„Na also, Einsicht ist der erste Schritt zu Besserung.“

Beth lachte auf. „Gibt es irgendwo ein So-komme-ich-von-Cam-Guthrie-los-Meeting?“

„Wir sind mittendrin. Ich sorge dafür, dass du standhaft bleibst. Ich lenke dich von den Gedanken an sexy Cam ab. Und erinnere dich dran, wie schlecht damals alles gelaufen ist.“

„Als könnte ich das vergessen“, murmelte Beth und nahm eine Hälfte ihres Sandwiches. Obwohl ihr nicht danach war, biss sie ab und kaute mechanisch darauf herum. Dabei dachte sie an das letzte Mal, als sie Cam gesehen hatte. Damals, als sie nur ihn gesehen hatte. Als sie noch dachte, er würde sie lieben. Bevor er die Stadt zusammen mit Julie Wheeler auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte.

Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust, und sie hatte das Gefühl, ein Eisklotz läge ihr im Magen.

„Was soll’s.“ Gracie lächelte sie an. „Cam ist Vergangenheit. Jetzt hast du ja Justin.“

Oh, über Justin wollte sie jetzt wirklich nicht reden. Der war auch Vergangenheit, selbst wenn er das noch nicht akzeptieren wollte.

Um Zeit zu gewinnen, nahm sie noch einen Bissen vom Sandwich und sagte dann: „Jetzt aber Schluss mit meinem bedauernswerten Liebesleben. Hast du die Frau vom Catering für den Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr erreicht?“

„Klar.“ Gracie akzeptierte den Themenwechsel und kramte in ihrer schwarzen Ledertasche. „Sie war wohl wegen einer Familiensache in Galveston.“

„Prima“, murmelte Beth. „Aber sie ist dran, und wir müssen uns wegen Samstag keine Gedanken machen?“

„Auf jeden Fall. Sie hat mir das fertige Menü gemailt, damit du es absegnen kannst. Ich habe es hier.“ Gracie reichte ihr ein Blatt Papier, und während Beth sich das Menü anguckte, fuhr sie fort: „Sie sagt, sie sind gegen zehn Uhr da und starten mit den Vorbereitungen.“

„Okay, das sollte passen.“ Beth gab das Blatt zurück. „Das Menü sieht klasse aus. Fingerfood ist prima, so können die Gäste herumlaufen und sich unterhalten oder sich hinsetzen, wenn sie möchten.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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