Mylord, Sie sind gefährlich!

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Tagsüber spielt Miss Roselie Stratton die tugendhafte Lady. Im Dunkel der Nacht verwandelt sie sich in die maskierte Meisterspionin Asteria, um einen Verräter der Krone zu fassen. Dabei kreuzt immer wieder ihr Jugendfreund Brody, Lord Rimswell, ihren Weg - und bringt ihr Herz gewaltig zum Beben. Bei ihren nächtlichen Begegnungen kommt der tollkühne Adelige dem Geheimnis um Roselies Identität gefährlich nahe. Nichts würde die brünette Schönheit lieber tun, als ihm zu offenbaren, wen er in sinnlichen Stunden in den Armen hält … aber die feine Gesellschaft darf nichts von ihrem riskanten Doppelleben erfahren, sonst wäre Roselie für immer ruiniert! Er riss sich los von ihrem Mund, bedeckte ihr Kinn, ihren Hals, den zarten Ansatz ihrer Brüste mit Küssen. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut, seine Lippen, seine Zunge … " "


  • Erscheinungstag 14.12.2018
  • Bandnummer 109
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779863
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Frauen können nicht für das Innenministerium arbeiten.“

„Nein, Roselie, Mädchen werden keine Spione, niemals.“

„Diplomatin willst du werden? Das, mein liebes Kind, wird nicht möglich sein.“

Da machte es gar nichts, dass Miss Roselie Stratton sechs verschiedene Sprachen sprach. Und einige mehr lesen konnte.

Dass sie sämtliche Briefe entziffern konnte, die ihr Vater aus aller Welt erhielt – Berichte über die Zustände in Paris, den russischen Zarenhof und die noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika.

Unbemerkt heftete sie sich ihrem großen Bruder Piers an die Fersen und erstattete ihrem Vater über all seine Missetaten Bericht. Wenn der Bruder sich über ihren naseweisen Verrat beschwerte, beschied sie ihm, dass ihrer beider Schwester Margaret nun wahrlich keine würdige Gegnerin sei, und was könne sie denn dafür, dass Piers und sein bester Freund Poldie sich nicht mehr anstrengten, um der Aufdeckung zu entgehen.

Ein Argument, dem niemand widersprechen konnte.

Doch ihrem unbestrittenen Talent zum Trotz, das ihr an sich einen Platz in jener diplomatischen Riege hätte sichern sollen, der ihr Vater ganz selbstverständlich angehörte, bekam Roselie immer nur wieder dieselben zwei Worte zu hören.

Niemals war das eine, unmöglich das andere, und sie wusste nicht, welches der beiden ihr mehr verhasst war.

Und als ihr geliebter Vater, dieser weise Mann, der stets ihre Meinung zu den Weltereignissen hatte wissen wollen und ihr freie Hand gelassen hatte, eines plötzlichen Todes verstarb, schlossen diese beide Worte sich wie ein Zaun um ihr Leben.

Niemals. Unmöglich.

Wie ein unüberwindlicher Wall ragten sie vor ihr auf, verteidigt von ihrer Mutter, ihrer Schwester, ihren Gouvernanten, ja, selbst von Piers, auch wenn er ihr längst verziehen hatte, dass sie eine so unverbesserliche Quasselstrippe war.

Irgendwann hörte Roselie auf, Fragen zu stellen.

Sie versagte sich ihre Träume.

Bis zu ihrer ersten Saison in London. Gleich während ihrer ersten Woche als Debütantin sollte sich an einem schicksalshaften Abend alles ändern.

Roselie blieb gar keine andere Wahl, als alle Ermahnungen, dass es unmöglich sei, dass es niemals geschehen würde, in den Wind zu schlagen.

Denn jetzt galt es, das Böse abzuwehren und einen Krieg zu gewinnen.

Sie wusste, was zu tun war, und sie würde ihrer Pflicht nachkommen.

Auch wenn niemand ihre Hilfe wollte.

1. KAPITEL

„Eine Agentin in unseren Reihen? Sie belieben zu scherzen. Eine Frau könnte niemals das tun, was wir tun.“

Lord Howers

London, 1811

Lächeln, liebe Miss Stratton“, ermahnte Lady Essex Marshom sie nicht zum ersten Mal.

Weshalb Roselie sich redlich mühte zu lächeln.

Eine wahre Herkulesaufgabe, und selbst das war noch untertrieben.

Sie besah sich das muntere Treiben bei Almack’s und wünschte, sie wäre mehr wie die anderen jungen Damen. Wenn ihre einzige Sorge bloß wäre, wer sie zum Tanz auffordern würde! Ob sie besser grüne oder blaue Bänder trug. Oder ob sie neue Tanzschuhe bräuchte.

Aber sie war nicht wie andere junge Damen.

Zum einen, weil dies bereits ihre vierte Saison war – eine halbe Ewigkeit in den Augen des ton –, und zum anderen, weil ihr Interesse an Mode, eitlem Tand und Heiratskandidaten betrüblich gering war.

Insgeheim war sie gar ein wenig stolz darauf, mit welchem Geschick sie Verehrer in die Flucht zu schlagen verstand. Und sie wollte gerade so weitermachen, würde scharfzüngig und vorlaut und burschikos sein und was es sonst noch brauchte, um sich ihre Freiheit zu bewahren.

Eine Heirat würde alles ruinieren, so einfach war das.

Sie hatte einen weit wichtigeren Auftrag zu erfüllen.

Verstohlen prüfte sie, ob die Nachricht, die einer der Diener ihr heimlich zugesteckt hatte, sich noch in ihrem Handschuh fand. Dummerweise würde sie sie erst lesen können, wenn sie einen Moment für sich hatte, sich unauffällig aus dem Saal entfernte oder, wahrscheinlicher noch, erst wenn sie wieder zu Hause war … und herrje, das dürfte noch Stunden hin sein.

Dabei könnte diese Nachricht die Antwort auf all ihre Gebete sein. Das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Der letzte Beweis, den es brauchte, um ihren Feind zu Fall zu bringen, den Marquess of Ilford.

Denn das war er, ihr Todfeind und der von ganz England noch dazu. Nichts würde sie davon abhalten, ihn seiner gerechten Strafe zugeführt zu sehen.

Doch derweil …

Ihr Verdruss ging mit ihr durch, und sie seufzte. Ein Stöhnen mehr, recht laut und vernehmlich und ganz und gar nicht schicklich.

„Miss Stratton!“, tadelte Lady Essex. „Das Aufgebot mag heute Abend bescheiden sein, aber eine Dame lässt sich ihre Langeweile nie anmerken. Schauen Sie sich nur Miss Taber an! Lady Muscoates kann wahrlich von Glück sagen, eine Schutzbefohlene zu haben, die jeden Raum erstrahlen lässt.“ Ihre Ladyschaft klopfte sich nachdenklich mit dem Fächer ans Kinn, während sie die einnehmende junge Dame von oben bis unten musterte. „Wenngleich“, räumte sie ein, „vielleicht sollte ein Mündel doch nicht gar so einnehmend sein – fast schon unziemlich einnehmend, meinen Sie nicht auch, Mariah?“

Miss Mariah Manx, ihre Gesellschafterin, nickte zustimmend. „Lady Muscoates ist doch Französin, nicht wahr?“

Lady Essex seufzte, als wäre diese Erklärung nicht nur korrekt, sondern auch ein Ärgernis ohnegleichen. „Gewiss, wie konnte ich das vergessen. Sie würde sich natürlich niemals dazu herablassen, irgendein armseliges Geschöpf unter ihre Fittiche zu nehmen.“

Mariah zwinkerte Roselie zu, nachdem sie ihr Möglichstes getan hatte, das Thema zu wechseln.

Aber das Ablenkungsmanöver war nur von kurzer Dauer, denn Lady Essex konnte wie ein kleiner Terrier sein und ließ nicht locker, wenn sie sich erst einmal in etwas verbissen hatte. Insbesondere dann nicht, wenn es galt, einen ihrer Schützlinge unter die Haube zu bringen. Nicht dass die arme Frau noch große Hoffnungen hegte, die mittlerweile berüchtigte Miss Stratton unter ihrer Ägide in den Hafen der Ehe einlaufen zu sehen, aber Lady Essex gab auch dann nicht auf, wenn es schier aussichtslos zu sein schien.

Weshalb sie einmal mehr ihr altes Lied anstimmte: „Lächeln, Miss Stratton.“

„Ich gebe mein Bestes, Mylady“, versicherte Roselie ihr und lächelte ganz reizend.

Mariah musste sich ein Lachen verkneifen – was Ihrer Ladyschaft glücklicherweise entging.

Roselie wünschte, sie könnte wie Mariah sein, die ihre eigenen Geheimnisse hatte und diese mit bewundernswerter Leichtigkeit zu verbergen wusste.

Doch ausgerechnet an diesem Abend wurde ihre ohnehin nicht allzu strapazierfähige Geduld auf eine weitere Probe gestellt, als doch noch vier weitere Gentlemen den Saal betraten und Lady Essex sogleich aufmerkte.

Der kleine Trupp wurde angeführt von einem schneidigen Burschen in Uniform, bei dem es sich vermutlich um Captain Benedict Hathaway handelte, wie Roselie aus seiner auffallenden Ähnlichkeit zu Mr. Chauncy Hathaway schloss, der hinter ihm in den Saal trat. Während Mr. Hathaway selbst nicht weiter Beachtung fand – auch er stattlich anzusehen, aber eben ein nachgeborener Sohn ohne Aussichten –, sorgte Captain Hathaway für reichlich Aufregung. Mehr noch als Lord Budgey, der den beiden folgte. Vermögend war Budgey, gewiss, aber dabei ein solch eitler Geck, dass niemand, der es sich leisten konnte, ihn ernsthaft als Heiratskandidaten in Betracht zog.

Und dann kam der Letzte im Bunde. Man musste es Roselie hoch anrechnen, dass sie nicht wieder laut aufstöhnte.

Denn das Schlusslicht bildete kein anderer als Bradwell Garrick, siebzehnter Baron Rimswell.

Ihr zweiter Gegenspieler. Und dies nicht, weil er ein schändlicher Verräter gewesen wäre wie Ilford, weit gefehlt. Doch wenn es jemanden gab, der sie enttarnen könnte, dann Brody, der alte Freund aus Kindertagen.

Was zum Teufel hatte er hier verloren?

Nicht dass es ihm nicht zugestanden hätte. Seit er vor zwei Jahren das Erbe seines Bruders angetreten hatte, galt er als ziemlich gute Partie. Zudem war er zu einem teuflisch gut aussehenden Mann herangewachsen. Mit seinem dunklen Haar wirkte er zwar wie ein schwärmerischer Poet, doch eilte ihm der Ruf voraus, im Boxring bei Gentleman Jim einen ausgesprochen harten Haken zu haben und noch dazu ein furchtloser Reiter zu sein, der sein Ross nicht schonte. Für beides sprach sein hoher, schlanker Wuchs und seine athletische Gestalt.

Reihum hörte man verzücktes Seufzen, als er den Saal betrat.

Roselie hätte es den Damen nachtun können, doch sie behielt ihre Gefühle für sich. Es ging niemanden etwas an, dass sein bloßer Anblick wildes Verlangen in ihr weckte, dass ihr das Herz raste, wann immer sie sich mit ihm in einem Raum aufhielt. Weshalb sie ihm auch nach Kräften aus dem Weg zu gehen versuchte.

Mit angehaltenem Atem wartete sie, während er seinen Blick schweifen und dann etwas zu lang auf ihr ruhen ließ, sie mit der Andeutung eines Nickens bedachte, das kaum erahnen ließ, wie nah sie einander einmal waren.

Als sein Blick schließlich weiterwanderte, seufzte sie doch.

Was Mariah natürlich nicht entging. „Du solltest es ihm sagen.“

Roselie schüttelte den Kopf. „Nein, bloß das nicht“, erwiderte sie etwas zu schnell. Denn Brody sah nicht nur teuflisch gut aus und war eine ebensolche Partie, er war auch als Agent Seiner Majestät für das Innenministerium tätig, wenngleich Letzteres nicht weithin bekannt war.

Aber Roselie war es bekannt. Und Mariah ebenso, hatten sie es sich doch beide zur Aufgabe gemacht herauszufinden, wem zu trauen war und wer ihre Pläne durchkreuzen könnte.

Da Lady Essex sich entfernt hatte, um einen kleinen Plausch mit einer Bekannten zu halten, trat Mariah näher, sodass niemand mithören konnte. „Langsam wird es zu gefährlich“, raunte sie.

Das sah Roselie genauso, aber sie hätte es niemals zugegeben. „Du klingst genauso ermüdend wie Lord Howers.“

„Vielleicht solltest du besser auf seinen Rat hören“, meinte Mariah. „Wenigstens dieses eine Mal.“

Roselie ignorierte die Worte ihrer Freundin. Genauso wie sie auch Lord Howers keine Beachtung schenkte.

Aber Mariah war noch nicht fertig. Herrje, es war nicht auszuhalten! Ihre Freundin stand einfach schon zu lang bei Lady Essex in Diensten. Allmählich wurde sie dem alten Drachen immer ähnlicher. „Du solltest ihn um Hilfe bitten“, beharrte sie.

„Er wird mir aber nicht helfen“, erwiderte Roselie. „Er wird mir sagen, dass ich die Sache sein lassen soll, und zwar unverzüglich. Dann wird er mir eine Standpauke halten, wie ungehörig das alles sei, und am Ende wird er noch behaupten, dass ich überhaupt nicht wisse, was ich da eigentlich tue.“

Mariah war anderer Ansicht. „Warte es doch einfach ab. Du wirst von ihm überrascht sein.“

„Das wage ich zu bezweifeln.“ Um ihre Bedenken zu zerstreuen, wählte Roselie eine andere Taktik. „Wenn Abigail nach dem heutigen Abend aus dem Spiel ist, droht ihr keine Gefahr mehr. Wir nehmen alles, was sie herausgefunden hat, und werden Lord Howers noch vor Ende der Woche Bericht erstatten. Und dann …“

Eine ältere Dame kam vorbei und warf ihnen merkwürdige Blicke zu; sie lächelten freundlich zurück und warteten, bis sie außer Hörweite war. „Und dann wird sich auch Asteria unauffällig zurückziehen.“

„Davon gehe ich aus“, entgegnete Mariah, klang aber nicht überzeugt.

„Doch, das wird sie“, bekräftigte Roselie und ließ ein strahlendes Lächeln sehen, da just in diesem Augenblick Lady Essex herüberschaute.

Asteria.

Oh, welch alberne Decknamen diese Trottel im Innenministerium sich einfallen ließen!

Sie hätte den Herren ja zu gern gesagt, dass sie weder eine Göttin und ganz gewiss nicht unsterblich war. Aber lieber einen närrischen Namen tragen, als dass die Londoner Halbwelt ihre wahre Identität herausfand.

Oder Brody. Sie wusste nicht, wie oft sie ihm nur knapp entgangen war, und zweimal hätte er sie beinah durchschaut. Aber nur beinah.

Auch wenn es der Sache zuträglich war, so fand sie es doch recht ernüchternd, dass er sie kein einziges Mal erkannt hatte.

Sie, Roselie Stratton!

Ja, ja, es war in höchstem Maße widersprüchlich, dass sie ihn über ihr Tun im Unwissen lassen wollte, ihn dabei aber am liebsten bei den Schultern gepackt und geschüttelt hätte, dass ihm die Zähne nur so aufeinanderschlugen. Wie konntest du mich nicht erkennen?

Vielmehr schien er geradezu hingerissen von Asteria zu sein, doch von ihr? Oh, sie wusste nur zu gut, was er von ihr – Roselie – hielt.

Aber was wollte man erwarten, er würdigte sie ja seit Jahren kaum noch eines Blickes. Wie anders es doch gewesen war, als sie beide noch Kinder waren. Aber dann hatte man ihn nach Eton geschickt und später dann sie auf ein Pensionat in Bath.

Das Schlimmste vielleicht war, dass sie ihn immer und überall erkannt hätte. Und dass sie wusste, was sie nicht hätte wissen sollen.

Sie wusste, wie es war, von ihm geküsst zu werden – innig und voller Leidenschaft. Sie wusste, wie es war, von ihm berührt zu werden, bis sie am ganzen Leib erbebte.

Zweimal hatte er sie gestellt, und zweimal war sie ihm entkommen.

Aber nicht, ehe sich ihr Erinnerungen an diese gestohlenen Augenblicke eingebrannt hatten. An seine Lippen, seine Berührung. Daran, wie er sie um Sinn und Verstand brachte, bis sie vor Wonne erschauerte.

Nun, genau genommen nicht sie, sondern Asteria. Die wohlanständige Roselie Stratton sollte derlei ruinöse Erfahrungen selbstredend niemals gemacht haben.

Es ist mein Fluch, meine gerechte Strafe, sagte sie sich. Nach außen musste sie die sittsame, unschuldige junge Dame geben, während in ihr das Herz einer Kurtisane schlug und ihr das Blut in Wallung brachte.

Aber oh, wie sehr sie sich danach sehnte, in Brodys Blick nur einmal solches Verlangen zu sehen, das ihr galt!

Wie sie sich danach sehnte, dass er sie, Roselie, sah.

Wenn sie Asteria so weitermachen ließ, würde Brody ihr eines Nachts auf die Schliche kommen, das war ihr bewusst.

Aber noch war es nicht so weit. Nicht heute, schwor sie sich. Es war … unmöglich.

Zumindest wollte sie sich das glauben machen.

„Liege ich falsch, oder sind wir komplett in der Unterzahl?“, fragte Captain Benedict Hathaway, der ganz selbstverständlich die Führung übernahm und zuerst den Saal betrat.

„Heute ist St. Johns Freudenfest“, warf Chaunce ein, als er neben seinen Bruder trat und sich die Szene mit der ihm eigenen Gelassenheit und Geringschätzung betrachtete, die furchtsamere Gemüter bisweilen einschüchternd fanden.

Auf jeden Gentleman kamen ungefähr fünf junge Damen, allesamt auf der Suche nach einem Ehemann. Natürlich hatten auch alle ihre nicht minder entschlossenen Mütter als Verstärkung mitgebracht.

„Sehe ich das richtig, dass sämtliche Herren der Gesellschaft sich beim Earl mit halbseidenen Schönheiten vergnügen, während wir hier sind?“ Der Captain blickte über die Schulter. „Rimswell, ich verlange eine Erklärung für dieses fragliche Manöver.“

Brody, der, seit er das Erbe seines verstorbenen Bruders angetreten hatte, allerlei Avancen gewohnt war, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn selbst er das ungute Gefühl hatte, in die Höhle des Löwen geraten zu sein.

Oder vielmehr der Löwinnen.

Aber Angst durfte man nicht zeigen, niemals, und so grinste er Chaunce Bruder an, als wäre er vollkommen sorglos. „Für einen Mann, der sich rühmt, noch keine Schlacht verloren zu haben, sind Sie recht blass um die Nase, Captain“, feixte er. „Angst vor ein paar jungen Füllen?“

Ein paar? Guter Mann, Sie belieben zu scherzen! Ich habe mich nie in solcher Unterzahl befunden“, gab der Captain zu. „Die Franzosen besitzen wenigstens so viel Anstand, auf einen zu schießen.“

Lord Budgey reckte sich hinter dem Captain und spähte ihm, der einen ganzen Kopf größer war, über die Schulter. „In der Unterzahl, sagen Sie? Das kann doch nur zu unseren Gunsten sein.“ Er schob sich an den anderen vorbei und bewies damit mehr Mumm, als man dem sanftmütigen Viscount zugetraut hätte.

„Das sind ja ganz neue Töne“, meinte Brody und fragte sich, wie viel Budgey schon im White’s getrunken hatte, um eine solche Verwegenheit an den Tag zu legen. „Budgey, mein Guter, wollen wir uns etwa eine Braut nehmen?“

Ein alter Witz zwischen ihnen, aus dem nun anscheinend Ernst geworden war.

„Mutter ist recht erpicht darauf, dass ich endlich heirate, und da kann ich die Sache auch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Wer weiß, ob ich jemals wieder so gefragt sein werde wie heute Abend.“ Und damit zog er triumphierend in den Londoner Heiratsmarkt ein.

Brody und Chaunce warfen sich fragende Blicke zu und schlossen sich dem Freund schnell an. Im Zweifel war es immer besser, Budgey nicht sich selbst zu überlassen.

„Ich dachte, du wolltest nicht heiraten“, sagte Chaunce, kaum dass sie ihn eingeholt hatten und vermutlich in der Hoffnung, ihn zur Einsicht und zum Rückzug zu bewegen.

Budgey stockte kurz. „Nein, das will ich auch nicht. Aber …“

„… Mutter hat gesagt“, kam es wie aus einem Mund von Chaunce und Brody.

Budgey stimmte nicht in ihr Lachen ein. „Spart euch euren Spott, die Zeit drängt. Ich wüsste gern euer Urteil über die fraglichen Damen und würde mich freuen, der künftigen Lady Budgey dann freundlichst vorgestellt zu werden.“

„Ich fürchte nur, du hast das nicht gut durchdacht, Budgey“, wandte Brody ein. „Jede der jungen Damen weiß doch längst über dich Bescheid.“

Budgey spitzte die Lippen. „So? Das wäre natürlich dumm.“

„Wieso?“, fragte Captain Hathaway seinen Bruder mit gesenkter Stimme.

Budgey hörte es dennoch. „Oh, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist – ich bin ein ziemlich eitler Geck.“

Captain Hathaway schützte höflich Verwunderung vor. „Nein, wirklich? Das wäre mir nie aufgefallen.“

Budgey winkte ab. „Kein Wunder. Vermutlich lasse ich es heute ein wenig an Engagement mangeln.“ Er schaute sich wenig begeistert um und fügte dann mit gesenkter Stimme hinzu: „Ob Sie es glauben oder nicht – mein närrisches Betragen ist eine ziemlich clevere Tarnung.“

Brody und Chaunce wechselten einen vielsagenden Blick, denn sie hörten diese Erklärung nicht zum ersten Mal.

„Aber ja“, fuhr Budgey mit neuer Zuversicht fort, „je närrischer ich mich gebe, desto geringer die Aussichten, von jungen Damen belästigt zu werden, die darauf aus sind, die nächste Lady Budgey zu werden. Eine beneidenswerte Position. Ich habe sozusagen Narrenfreiheit, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Er schaute zu Captain Hathaway auf. „Das sollten Sie auch probieren, Sir, wenn Sie den Abend unbeschadet überstehen wollen.“

Chaunce grinste und wollte noch etwas hinzufügen, doch sein Bruder schnitt ihm das Wort ab. „Untersteh dich“, warnte er ihn.

„Aber …“, beharrte Chaunce, dem sich die vielleicht einmalige Gelegenheit bot, seinen aufgeblasenen kleinen Bruder wieder etwas auf Normalmaß zurechtzustutzen.

„Ein Wort“, beschied Benedict, „und ich gehe zu dieser Dame dort drüben – die mit dem prächtigen Gefieder auf dem Kopf …“

„Lady Nafferton“, warf Brody hilfreich ein.

„Ah ja, danke“, erwiderte der Captain, ehe er sich wieder seinem Bruder zuwandte. „Ich werde zu dieser Lady Nafferton gehen und ihr sagen, dass ein entfernter Onkel von uns gestorben ist und dir sein Anwesen und ein ordentliches kleines Vermögen hinterlassen hat.“ Benedict zwinkerte Chaunce zu. „Und dann viel Glück.“

Die bloße Vorstellung ließ Chaunce erbleichen. So viel zu seinem Ruf, der furchtloseste Agent des Innenministeriums zu sein! „Das würdest du nicht wagen …“

Benedict verschränkte die Arme und wippte vor und zurück. Diebisches Vergnügen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Lass es drauf ankommen, schien er zu sagen.

Aber Chaunce wäre nicht Chaunce gewesen, wenn er nicht immer noch ein Ass im Ärmel gehabt hätte. „Wenn du das tust, bestelle ich Mutter nach London.“

Nun wurde der furchtlose und verwegene Captain Benedict Hathaway aber blass um die Nase! „Das ist nicht fair“, stellte er tonlos fest.

Brody beugte sich vor und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: „Aber Captain, wen fürchten Sie mehr – Ihre Mutter oder die Franzosen?“

Bevor der Captain zu seiner Verteidigung ansetzen konnte, mischte sich auch Budgey ein. „Entschuldigt, aber ich würde meine Braut gern binnen der nächsten Stunde finden, damit wir beizeiten zu St. John’s kommen. Wenn wir nach Mitternacht eintreffen, sind die besten Mädchen nämlich vergeben.“

Das war ein Plan, mit dem Captain Hathaway sich anfreunden konnte, sehr sogar. Er rieb sich hellauf begeistert die Hände. „Na, dann mal los!“ Sein Eifer rührte vermutlich daher, dass nicht er es war, der in die Ehefalle tappen würde.

Budgey nahm es gelassen. „Irgendwann müssen wir alle in den sauren Apfel beißen. Brody, wie sieht es aus? Bist du mit von der Partie?“

„Ah, einen Moment, Budgey“, meinte Chaunce, „gewiss hast du vergessen, dass unser guter Lord Rimswell seine Hoffnungen schon auf jemanden gesetzt hat.“ Er zwinkerte verschwörerisch, und Budgey lachte schallend.

„Verstehe, Sie haben schon jemand im Blick“, sagte Benedict, auch wenn er den Witz nicht verstand. „Ist sie heute Abend hier?“

„Könnte sein“, kam es von Chaunce. „Wenn er bloß wüsste, wer sie ist!“

„Die betörende Asteria“, schwärmte Budgey und sah sich um. „Wo sind die Gläser? Wir sollten anstoßen auf diesen edelsten aller Diamanten.“

„Asteria?“, wiederholte Benedict. „Meine Kenntnis der antiken Klassiker ist etwas angestaubt, aber war sie nicht die letzte Titanentochter, die mit einem Sterblichen zusammen war?“

„Sehr gut“, lobte Chaunce ihn. „Ich weiß überhaupt nicht, warum Mutter immer meint, die Kosten für den Hauslehrer wären an dich und Benjamin verschwendet gewesen.“

Benedict überhörte es und wandte sich an Brody. „Wer ist diese Asteria? Ihre Mätresse?“

„Mätresse!“, prustete Budgey und stieß Chaunce an. „Unser Brody ist viel zu anständig und respektabel, um sich eine Mätresse zu halten.“

„Bin ich nicht …“, widersprach Brody, aber es ging in der allgemeinen Erheiterung unter.

„Nun, wer ist sie denn, dieses Juwel?“, hakte Benedict nach.

„Kein Juwel“, stellte Chaunce klar. „Ein Mythos.“

„Ich würde sie ja selbst heiraten, wenn sie nicht bloß ein Hirngespinst wäre“, kam es von Budgey.

„Sie ist kein Hirngespinst“, sagte Brody gereizt, auch wenn er sich auf solche Diskussionen eigentlich gar nicht mehr hatte einlassen wollen. „Sie ist genauso real wie wir.“

„Dann stell sie uns doch vor.“ Chaunce lächelte sein hochmütiges Hathaway-Lächeln.

„Allerdings, ich würde sie auch gerne kennenlernen“, stimmte Budgey ein wie der Chor klassischer Tragödien. „Wenn das nicht möglich ist, schuldest du uns allen eine Runde, weil wir uns den Unsinn jahrelang anhören mussten.“

„Lasst es gut sein“, sagte Brody. „Wenn ich sie endlich erwische, seid ihr mir was schuldig.“

„Worum geht es?“, fragte Benedict, dem es gar nicht gefiel, außen vor zu sein.

Chaunce schnaubte. „Lord Rimswell glaubt, dass eine Dame für das Innenministerium arbeitet oder …“

„… für die Russen“, warf Budgey ein. „Ich setze immer noch auf die Russen.“

„Sie ist keine Russin“, gab Brody zurück.

„Wenn du das sagst“, meinte Budgey unbeeindruckt.

„Die Sache ist doch die“, versuchte Chaunce zu vermitteln, „dass Howers niemals eine Frau verpflichten würde. Das hat er selbst gesagt.“

„Wir wissen nicht, in wessen Diensten sie steht“, erinnerte Brody ihn.

„Ja, aber wir wissen, wer sie sich gern zu Diensten machen würde“, feixte Budgey und erntete Gelächter.

Nur nicht von Brody, der den Witz nicht zum ersten Mal hörte. So langsam war er mit seiner Geduld am Ende. „Letzten Monat erst war sie auf dem Ball der Setchfields“, erklärte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit Monaten keine Spur von ihr, und dann hatte er sie im Ballsaal entdeckt, aber das clevere kleine Biest war ihm wieder mal entwischt, ehe er sie stellen konnte. „Sie war da, so wahr ich hier stehe.“

„So auch Napoleon, wenn man Lady Maugham glaubt“, ergänzte Chaunce, der von Lord Howers geschickt worden war, um der greisen, halb erblindeten Marchioness zu versichern, dass der französische Kaiser es nicht auf die besten Kreise Londons abgesehen hatte.

Budgey meldete sich mit der heikelsten Frage von allen zurück. „Aber selbst, wenn es sie gibt – was dann, mein Freund? Willst du sie deiner Mutter vorstellen? Ihr erklären, dass ihre Schwiegertochter ihre besten Jahre in den übelsten Ecken und Spielhöllen Londons zugebracht hat? Das möchte ich sehen!“

So weit hatte Brody gar nicht gedacht. Er wollte die Frau ja nicht heiraten. Da war nur dieser drängende Wunsch, ihr noch einmal zu begegnen. Sie zu enttarnen, zu wissen, wer sie wirklich war.

Nur einmal noch.

Zwei Jahre zuvor

Brody hatte reichlich Gerüchte über die mysteriöse Dame gehört, doch er schenkte ihnen keinen Glauben.

Bis er sich eines Nachts an der Tür zu Lord Howers’ Büro fand und die zarte, in einen Umhang gehüllte Gestalt sah, die sich über den Schreibtisch seines Vorgesetzten beugte und eilig Notizen machte. Es konnte nur eine Frau sein, zumal unter ihrem dunklen Umhang ein gelber Rocksaum hervorblitzte, der sich deutlich vom Dunkel des Raums abhob.

Eine solche Farbe schien hier ebenso fehl am Platz zu sein wie die Frau selbst.

Was hatte sie in Howers’ Büro zu suchen?

Brody holte tief Luft. Das musste sie sein. Sie, über die man seit Monaten sprach.

Asteria.

Eine ganze Flut von Fragen ging ihm durch den Kopf. Wer zum Teufel ist sie? Was treibt sie hier? Und wie ist sie überhaupt hereingekommen?

Das vor allem – wie war sie unbemerkt in die Räume des Ministeriums gelangt?

Zwar war es mitten in der Nacht, fast schon früher Morgen, aber irgendjemand hätte sie doch sehen müssen.

Kein Wunder, dass Staatsgeheimnisse allerorten kursierten, wenn jeder einfach so ins Allerheiligste marschieren konnte!

Wer also war sie, verdammt?

Die einzige Lichtquelle war eine heruntergebrannte Kerze auf dem Schreibtisch, deren flackernder Schein ebenso wenig dazu angetan war, ihm dieses Rätsel zu erhellen wie das Grau des heraufziehenden Tages, das sich noch kaum vom Dunkel der Nacht unterschied.

Nichts war mehr klar und eindeutig. Aber es passte zu dieser Nacht, die er mit der Suche nach einem Beamten der Admiralität verbracht hatte, von dem es hieß, dass er hochvertrauliche Unterlagen an die Franzosen verkaufe. Vor einer Stunde hatte Brody ihn dann gefunden, tot in einer dunklen Gasse, ein glatter Stich durchs Herz.

Und die fraglichen Unterlagen? Spurlos verschwunden.

Die Feinde Englands standen vor der Tür, die Franzosen stifteten Unfrieden auf der ganzen Welt.

Zumindest aber in seiner.

Und nun sie. Die mysteriöse Asteria. Spazierte hier einfach mittenhinein in das Chaos.

Zusammen mit den verschwundenen Unterlagen der Admiralität, denn da lagen sie, so wahr er hier stand, ordentlich verschnürt auf dem Schreibtisch, wie ein verdammtes Weihnachtsgeschenk.

„Wer sind Sie und was treiben Sie hier?“, herrschte er sie an.

Sie schrak zusammen. Anscheinend hatte auch sie das Gebäude verlassen geglaubt.

Langsam richtete sie sich auf, sah ihn schließlich an, doch half ihm das nicht weiter, denn ihr Gesicht war halb unter einer schwarzen Seidenmaske verborgen.

„Mylord“, sagte sie und neigte den Kopf, doch zu spät. Ihm war nicht dieser Blick entgangen. Bedauern hatte darin gelegen, Mitgefühl.

All das fand er darin gespiegelt, was ihm derzeit zusetzte: Trauer, Wut, Verzweiflung.

Verdammt, sie wusste, wer er war.

Sie wusste es ganz genau.

Auch ihre Anrede sprach dafür. Mylord. Doch der Titel war ihm keine Ehre, mehr eine offene Wunde.

Du bist jetzt Rimswell, dein Bruder ist tot.

Brody hatte es noch immer nicht recht begriffen und so unerwartet die Nachfolge seines Bruders antreten zu müssen – keine zwei Wochen war das her –, lastete wie ein Fluch auf ihm. Eine Bürde, die ihn beständig daran erinnerte, was er verloren hatte.

„Mylord, ist Ihnen nicht wohl?“

„Hören Sie auf, mich so zu nennen“, meinte er knapp und schloss die Tür hinter sich.

Ihr Blick huschte von der Tür zurück zu ihm. Falls sie Angst hatte, hier in der Falle zu sitzen, ließ sie es sich nicht anmerken. „Es tut mir leid um Ihren Bruder.“

Beileidsbekundungen? Von einer Diebin? Er verstand die Welt nicht mehr.

Aber eines verstand er wohl. Diese Stimme – die hatte er schon einmal gehört.

Er sah sie an und bemerkte den Anflug von Angst in ihren Augen. Sie kannte ihn, gar kein Zweifel.

Was wiederum hieß, dass er sie kennen sollte.

„Sprechen Sie nicht von ihm.“ In seinen Worten lagen aller Zorn, alle Verbitterung, die in ihm tobten, seit die Nachricht London erreicht hatte. Und sie verfehlten ihre Wirkung nicht: Er sah sie das Kinn heben, ihre Augen schmal werden.

Gut. Sie hatte allen Grund, sich unwohl zu fühlen.

Er deutete auf ihre Maske. „Die können Sie jetzt abnehmen.“

Sie neigte den Kopf, fast schon kokett. „Weshalb sollte ich? Mir scheint, Ihnen ist lieber, dass ich sie trage.“ Sie hatte einen Akzent, den er nicht recht einordnen konnte.

Nein, das war keine Feststellung – es war ein Angebot, und ein sehr unlauteres dazu.

Eines, das sein Blut in Wallung brachte und eine Leidenschaft in ihm weckte, die nur danach verlangte, den Schmerz auszulöschen.

Wenn sie sich so aus der Affäre ziehen wollte, wenn sie ihn betören, bezirzen, verführen wollte – bitte, er würde mitspielen. Und den Sieg davontragen.

Dachte sie wirklich, sie käme hier unerkannt weg? Dass er ihre Maske nicht lüften könnte, sie nicht lüften würde?

Die Krux an der Sache war nur, dass er ihr dazu näher kommen musste. Sehr nah. Auf Tuchfühlung.

Nicht dass er abgeneigt gewesen wäre, weit gefehlt, aber der Tote, den er vor Stunden erst gefunden hatte, spukte ihm noch durch den Kopf – kaltblütig hingemeuchelt, aus nächster Nähe.

„Wollten Sie die entwenden oder was führt Sie sonst her?“, fragte er und zeigte auf die Unterlagen, trat dabei langsam auf sie zu, denn der Wunsch, sie auffliegen zu lassen war größer als alle Vorsicht und alle Vernunft.

„Aber nein, wo denken Sie hin? Ich habe sie zurückgebracht“, erwiderte sie, und in einem Anflug von Verärgerung ließ sie ihren Akzent fallen, ganz kurz nur, doch ihm genügte es.

Aber ja, diese Stimme! Bei Gott, er kannte sie. Wenn er nur wüsste … Es würde ihm schon noch einfallen, da war er sich ganz sicher. Und ihren schreckensweiten Augen nach zu urteilen war sie zu demselben Schluss gelangt.

Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Doch sie ließ sich nicht beirren, wich nicht zurück, ließ stattdessen mit einer fließenden Bewegung, die einer Kurtisane würdig war, ihren Umhang fallen und enthüllte ein tief ausgeschnittenes Kleid in einem so strahlenden Gelb, dass es fast die Nacht erhellte, und das ihr so eng auf den Leib geschnitten war, dass kein Zweifel mehr daran war, warum sie anderen Agenten als Göttin auf Erden erschienen war.

Unsinn, hatte er seinerzeit gedacht.

Aber hier war sie nun und wahrlich von göttlicher Gestalt. Lange, schlanke Glieder, eine Büste, die das Mieder kaum halten mochte, und Rundungen an all den richtigen, lockenden Stellen. Die schwarze Maske endete knapp über einem Mund, der geküsst werden wollte – volle, sinnliche Lippen, um die ein belustigtes Lächeln spielte.

Denn ja, sie lächelte tatsächlich, als wüsste sie genau um ihre Wirkung. Ein Lächeln, das jeder Mann sogleich als Einladung zu unermesslichen Freuden verstehen mochte.

Oh ja, diese Asteria – wer immer sie sein mochte – war ein Bild der Götter, ein Anblick so lockend, dass einem Sinn und Verstand schwinden konnten. Eine Geheimwaffe, fürwahr.

Ein Gedanke, und ein recht nüchterner noch dazu, blieb ihm dennoch: Die Nafferton-Schwestern konnte er von der Liste der möglichen Verdächtigen streichen, so viel war sicher.

Wer also ist sie? Die Frage ließ ihn nicht los.

„Ich bin hier, um Ihnen zu helfen“, sagte sie, als wäre seine unausgesprochene Frage damit beantwortet. Dummerweise warf ihre Antwort nur weitere Fragen auf, erschien sie ihm doch wie eine kaum verhohlene Einladung, die ihm kalte Schauer über den Rücken jagte.

Helfen … ihm helfen. Ihm helfen, sie aus diesem Kleid zu bekommen … ihre Maske vom Gesicht zu reißen. Ihm zu dem verhelfen, was er wollte.

„Das wage ich zu bezweifeln“, gebot er seinen Gedanken Einhalt, konnte sich einen kurzen Blick auf ihr Dekolleté aber doch nicht versagen.

Kein Wunder, dass die Agenten, die schon einmal das Glück hatten, ihr zu begegnen, so erpicht darauf waren, ihr auf die Spur zu kommen … sie zu enttarnen … zu entkleiden … sie zu …

„Sie müssen es wissen, Mylord“, entgegnete sie, verschränkte die Arme und maß ihn mit demselben Blick, den er soeben über sie hatte gleiten lassen.

Noch immer lächelte sie spöttisch, und er meinte, unter ihrer Musterung kläglich zu versagen.

Verdammt, was war bloß los mit ihm? Kein Grund, sich so in die Defensive drängen zu lassen, immerhin war er es, der sie ertappt hatte.

Brody straffte die Schultern. Genug, er war es leid, wie sie mit ihm spielte, ihn lockte und verwirrte. Darauf würde er sich nicht einlassen.

Er deutete auf die Papiere vor ihnen. „Ich weiß, was das ist“, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Wie sind Sie daran gekommen?“

„Das geht Sie nichts an“, erwiderte sie mit einem gleichmütigen Schulterzucken und stieß sich vom Schreibtisch ab, als wollte sie gehen.

Dazu müsste sie aber erst einmal an ihm vorbeikommen. Und er gedachte nicht, sie so einfach ziehen zu lassen.

„Und ob es mich etwas angeht. Ich werde dafür sorgen, dass Sie des Hochverrats angeklagt werden.“ Nachdem ich Sie enttarnt habe. Nachdem ich …

Sie lachte bloß. „Hochverrat war es, bevor ich dem einen Riegel vorgeschoben habe.“

„Dann eben Mord. Der Beamte, der diese Unterlagen entwendet hat, ist tot.“

Ihr Blick flog zu ihm, und das spöttische, selbstgefällige Lächeln war wie weggewischt. „T…tot?“, stammelte sie.

Brody nickte knapp. „Haben Sie ihn umgebracht?“

„Nein!“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Natürlich nicht. Ich …“ Sie streckte die Hand nach dem Schreibtisch aus, als suchte sie Halt.

Brody pirschte sich an sie heran, alle Sinne geschärft. „Und warum sollte ich Ihnen glauben?“

Sie richtete sich wieder auf und ließ den Blick durch den Raum wandern, sondierte die Lage. „Warum können Sie sich nicht einfach mit dem Gedanken anfreunden, dass ich auf Ihrer Seite bin? Warum sollte ich sonst hier sein? Ich habe die Unterlagen der Admiralität zurückgebracht.“

„Hier mögen Sie sein, aber um uns zuträglich zu sein oder etwas zu entwenden, wird sich noch zeigen.“ Mit zwei schnellen Schritten war er bei ihr und schnitt ihr den Weg ab. „Wer auch immer Sie sind, Sie sollten mit dieser Sache nichts zu tun haben.“

Eine ihrer Brauen hob sich belustigt über der Maske. „Weshalb?“

Herrje, musste er es wirklich aussprechen, da es doch offensichtlich war? Anscheinend ja. „Weil Sie eine Frau sind.“

Sie lachte kurz auf. „Das wurde auch Zeit, dass Sie es merken.“

Was zum Teufel sollte das denn heißen? Er ignorierte die leise Ahnung, die ihn befiel, und ließ sich nicht beirren. „Eine Dame hat in diesem Geschäft nichts verloren.“

„Und was, wenn ich keine Dame bin?“, entgegnete sie so seelenruhig, als wollte sie auch dieses Terrain sondieren.

Aber er würde sich nicht ablenken lassen. „Gehen Sie. Gehen Sie nach Hause und überlassen Sie das hier …“

„Den Männern?“ Sie schüttelte den Kopf. „Falls es Ihnen entgangen ist, es war eine Frau, die diese Papiere geborgen hat, ehe sie in die Hände der Franzosen gelangen konnten. Meine Arbeit ist wichtig. Sie ist unerlässlich. Sie brauchen mich.“

Sie brauchen mich.

Oh, diese Selbstgewissheit, diese Unbeugsamkeit! Sie schien sich ihrer Sache wirklich sicher zu sein. Wenn sie so weitermachte, würde es sie als Nächste treffen.

Die mörderischen Geschehnisse der Nacht mischten sich in seinen jüngst erlittenen Verlust, seine Wut, seine Verzweiflung – ein ungutes Gebräu, das rasch überkochte. In letzter Zeit kannte er sich selbst kaum noch in seinem alles verzehrenden Zorn, seinem Verdruss. Er hatte sich geschworen, der vernichtenden Trauer nicht nachzugeben, die die Nachricht von Poldies Tod in ihm geweckt hatte … aber nun …

Diese Frau, sie trieb ihn zur Weißglut mit ihrer Unverfrorenheit, ihrem Spott. Sein Blut hatte sie in Wallung gebracht, seinen Zorn geweckt, und er wollte Antworten haben, verdammt!

Sie wollte er haben.

Er packte sie und riss sie an sich.

Sie erstarrte und funkelte ihn mit mörderischem Blick an.

„Sie sollten das nicht tun, hören Sie?“, sagte er eindringlich.

Wieder hob sie das Kinn, wieder diese sture Entschlossenheit. „Dann sollten Sie es aber auch nicht tun.“ Ihr Blick fiel auf seine Arme, die sie noch immer gepackt hielten.

„Was nicht tun?“, fragte er, als wüsste er nicht genau, was sie meinte. Wenn sie mit ihm spielen wollte, bitte. Ihm sollte es recht sein, auch wenn die Chancen nicht zu seinen Gunsten standen, denn so nah war sie gar noch begehrenswerter als gedacht.

„Nicht“, flüsterte sie. „Es wäre falsch.“

Weich und sanft schmiegte sie sich an ihn, wie für ihn geschaffen. Er wusste genau, wie sie sich unter ihm anfühlen würde, nackt. Er drängte sich an sie.

„Was sollte daran falsch sein?“, erwiderte er, seine Lippen so dicht an den ihren, dass er ihren Atem spürte.

Hinter ihrer Maske schlug sie die Augen nieder. „Mich so zu halten“, sagte sie und schluckte. „Es gehört sich nicht. Ja, es ist geradezu ruinös.“

„Dem muss ich widersprechen“, sagte er. „Um ruiniert zu werden, braucht es doch noch etwas mehr. Zudem müsste man uns dabei ertappen.“

Gut möglich, dass sie etwas erwidern wollte, aber er ließ es nicht so weit kommen. Schon war sein Mund auf dem ihren und ließ allen Einwand verstummen.

Alles, was sich in den letzten beiden Wochen angestaut hatte, aller Schmerz und aller Zorn über Poldies Tod, brach sich in diesem Kuss Bahn.

Er küsste sie hart und ungestüm. Das Blut pochte ihm in den Adern, sein Herz hämmerte ihm in der Brust, und er dachte gar nicht daran, von ihr zu lassen. Mit der einen Hand fasste er ihr an den Busen, mit der anderen an den Hintern und zog sie an sich, dass sie sich an ihn drückte, wo es ihn am meisten nach ihr verlangte.

Genug, rief von fern die Vernunft. Enttarne sie und lass es gut sein.

Gemach, alles zu seiner Zeit. Denn im Augenblick trieb ihn nur ein Bedürfnis: sich seines Schmerzes zu entledigen.

Er drängte sie gegen die Wand, drängte sich an sie und verfluchte seine Breeches, ihr Kleid, alles, was ihm im Weg war.

Sein gebrochenes Herz.

Sie wand sich unter ihm, wehrte sich und hieb gegen seine Brust.

Zumindest am Anfang. Dann geschah etwas ganz und gar Unvorhergesehenes. Nicht mit Zorn und Entrüstung erwiderte sie seinen wütenden Ansturm, sondern mit Vergebung.

Vergebung und Hingabe. Sie schloss ihre Finger um sein Revers und gab sich ihm hin, als wüsste sie um seinen Schmerz. Als wüsste sie, was ihn trieb, und nahm es hin. Sie bot sich ihm an als sicheren Hafen, in den er steuern konnte.

„Es tut mir so leid um Poldie, Mylord“, flüsterte sie, als er sich über sie beugte, um ihren Hals zu liebkosen. „Ich wünschte …“

Poldie? Nicht Leopold, nicht Lord Rimswell, sondern Poldie. Als wäre sie …

Er wich zurück. Das Blut rauschte ihm in den Ohren, sein Blick war verschwommen.

Und diesen Moment des Zögerns nutzte sie; sie stieß ihn zurück, dass er taumelte. Während er noch versuchte, das Gleichgewicht zu halten, hörte er ein Schloss schnappen, und als er aufschaute, sah er ungläubig eines der Paneele aufschwingen, genau an der Stelle, wo er sie an die Wand geschoben hatte. Im Nu war sie verschwunden, und die Geheimtür schloss sich hinter ihr, als wäre sie nie hier gewesen.

Brody blinzelte ungläubig. Nicht einmal er hatte von dieser Tür gewusst, und nun …

Asteria war verschwunden, einfach so. Wie ein Stern, der noch ein letztes Mal am nächtlichen Firmament funkelte, ehe der Tag anbricht, war auch sie ihm entschwunden, als der Morgen heraufzog. Wohin konnte er nur raten, während sie genau wusste, wer er war. Sie würde ihn sehen, ihn erkennen, während er noch immer im Dunkeln tappte, zumindest bis er erneut Gelegenheit fand, sie zu enttarnen.

2. KAPITEL

London, 1811

Aus alter Gewohnheit ließ Brody noch einmal seinen Blick durch den Saal bei Almack’s schweifen, nahm jede der jungen und nicht mehr gar so jungen Damen ins Visier.

Es hätte jede sein können. Nun ja, außer vielleicht den Nafferton-Schwestern, sagte er sich.

„Aussichtsreiche Anwärterinnen entdeckt?“, fragte Budgey.

„Anwärterinnen?“

„Na, um meine Braut zu werden“, rief Budgey ihm in Erinnerung.

Ach ja, Budgeys Brautschau. Brody straffte die Schultern und hielt noch einmal Ausschau, und sei es nur, um sich den Anschein der Hilfsbereitschaft zu geben.

„Wie wäre es denn mit einem dieser reizenden Geschöpfe?“, schlug Captain Hathaway vor, dem es reichlich Vergnügen zu bereiten schien, über das Schicksal eines anderen zu entscheiden.

Budgey musste die Augen zusammenkneifen, um die beiden zu erkennen. „Bloß das nicht. Das sind Lady Naffertons Töchter!“

„Auf ihre Art ganz hübsch“, fand Benedict und schien die Sache zu bedenken, als gälte es eine Angriffsstrategie zu planen. „Wo liegt das Anwesen ihres Vaters?“

„In Norwich“, sagte Brody.

„Und der Sitz Ihrer Familie, Brody?“

„Nahe Plymouth.“

„Nun, das scheint doch nicht aus der Welt zu sein.“

„Du hast Lady Nafferton noch nicht kennengelernt“, wandte Chaunce ein.

„Außerdem kann man die eine nicht von der anderen unterscheiden“, bemerkte Budgey. „Stelle ich mir ziemlich kompliziert vor.“

Benedict suchte bereits wieder den Saal ab. „Wer ist denn die aparte junge Dame dort drüben bei Lady Essex?“ Er stutzte, dann blieb ihm fast der Mund offen stehen. „Das ist doch nicht etwa Miss Manx?“

Chaunce nickte bloß.

Der Captain schüttelte den Kopf. „Wer hätte gedacht, dass Lady Essex einer ihrer Gesellschafterinnen so lange die Treue halten würde.“

„Miss Manx hat ungeahnte Stärken“, versicherte Chaunce ihm.

„Die braucht sie auch“, bemerkte Benedict. „Aber wer ist diese junge Dame neben ihr? Mit dem dunklen Haar sieht sie aus wie eine spanische Duquesa.“

„Wie viele spanische Duquesas kennst du denn?“, schnaubte sein Bruder.

„Mehr als du denkst“, gab sein Bruder zurück. „Und wenn sie kein spanisches Blut hat, dann Piratenblut. Welch ein prächtiges Geschöpf.“

„Mit dem Piratenblut könntest du recht haben“, murmelte Brody. Er wusste auch so, wer gemeint war, da brauchte er gar nicht in ihre Richtung zu schauen. Gleich als er den Saal betreten hatte, hatte er die Lage sondiert und festgestellt, dass Roselie zugegen war.

Sie war ja auch kaum zu übersehen. Oder lag es an ihm? Wie kam es, dass sie immer die Erste war, die ihm ins Auge fiel? Allein an ihrem dunklen Haar und der ranken, schlanken Gestalt konnte es nicht liegen.

Wohl eher daran, dass es immer diesen kurzen Augenblick der Irritation für ihn gab, wenn er versuchte, Miss Roselie Stratton mit seinen Kindheitserinnerungen an sein Röschen in Einklang zu bringen.

Chaunce lachte – ob über seinen Bruder oder über Brody ließ sich nicht genau sagen. „Das ist Miss Stratton.“ Er wandte sich an Brody. „Euer Anwesen grenzt an das ihrer Familie, oder?“

Brody nickte. „Ja. Wir sind zusammen aufgewachsen.“ Unzertrennlich waren sie einst gewesen. Und dann hatte er alles kaputt machen müssen. Mittlerweile herrschte höflicher Waffenstillstand zwischen ihnen.

„Miss Stratton, sagen Sie? Reizend, ganz reizend“, wiederholte Captain Hathaway.

„Miss Stratton? Aber ja, Howers ist auch ganz hingerissen von ihr“, mischte Budgey sich ein. Als alle sich ungläubig nach ihm umdrehten, warf er sich noch ein wenig mehr in die Brust, sichtlich erfreut, dass er etwas über den Chef des Innenministeriums wusste, wovon sie keine Kenntnis hatten. „Jeden Freitag ist sie bei ihm und seiner Frau zum Tee.“

„Das spricht nicht unbedingt für sie“, wandte Brody ein. „Howers hat bekanntlich auch eine Schwäche für kalten Hammeleintopf und akkurat verfasste Berichte.“

„Das heißt aber nicht, dass sie keine passende Kandidatin für unseren Budgey wäre“, meinte Captain Hathaway, der sich langsam für seine Wahl zu erwärmen schien. „Sie werden doch wohl zugeben, dass Miss Stratton ganz entzückend anzusehen ist.“

Da konnte Brody nur lachen. „Ansehen – ja. Heiraten? Niemals. Miss Stratton dürfte so ziemlich die letzte Frau auf Erden sein, die ich heiraten würde. Und ich würde auch keinem anderen dazu raten.“

Etwas überraschend pflichtete Budgey ihm bei. „Oh ja, sie kommt nicht infrage. Mutter würde sie niemals gutheißen.“

„Ich wusste schon immer, dass deine Mutter eine kluge Frau ist, Budgey“, sagte Brody. Seine Mutter hielt auch nichts von Miss Stratton. Oder überhaupt von den Strattons. In ihren Augen trugen sie allesamt Schuld an Poldies vorzeitigem Tod in Spanien.

Benedict trat einen Schritt vor. „Nun, ich will mich zwar nicht verheiraten, trage mich aber mit dem Gedanken, das Mädchen um einen Tanz zu bitten.“

„Dann viel Glück“, wünschte Chaunce ihm. „Das ist ihre vierte Saison.“

Benedict hielt inne und nahm sie noch einmal in Augenschein. Nachdem er kurz nachgerechnet hatte, fragte er ungläubig: „Die vierte? Was stimmt denn nicht mit ihr?“ Dann, mit einem fragenden Blick zu seinem Bruder: „Keine Mitgift, hab ich recht?“

„Keineswegs, sie bringt ein stattliches Sümmchen mit“, versicherte Brody ihm.

Der Captain zog die dunklen Brauen zusammen. „Was ist es dann? Muss ich fürchten, dass sie mir die Stiefel ruiniert?“

„Keine Sorge, Captain“, kam es erneut von Brody. „Ich habe kürzlich erst mit ihr getanzt.“ Eine Bemerkung, die ihm derart erstaunte Blicke von Budgey und Chaunce einbrachte, dass er sich genötigt sah, anzufügen: „Nur um Rowland einen Gefallen zu tun.“

Chaunce nahm es mit einem Achselzucken hin und wandte sich herausfordernd an seinen Bruder. „Dann bitte sie um einen Tanz, Benedict. Wenn du dich traust.

Die Worte genügten, um den Kampfgeist des Captains zu wecken.

Brody musste ein Stöhnen unterdrücken. Was hatte es bloß mit diesen Hathaways auf sich? Da brauchte der eine dem anderen nur zu sagen, dass er etwas nicht tun solle, und schon …

„Ich denke, genau das werde ich tun“, verkündete Captain Hathaway und zog seinen Rock zurecht. „Kommen Sie mal mit, Rimswell. Sie scheinen die Kleine am besten zu kennen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich vorstellen würden.“

Diesmal stöhnte Brody dann doch, ehe er sich mit einem knappen Nicken der Bitte fügte, denn dabei zu sein, wenn Roselie dem Captain einen Korb gab, dürfte unterhaltsamer sein, als weiterhin nach Bräuten für Budgey Ausschau zu halten.

Als die beiden losmarschierten, konnte Budgey sich eines Tadels nicht enthalten. „Wie kannst du bloß, Chaunce – deinen eigenen Bruder. Nicht sehr sportlich. Sie wird ihn einen Kopf kürzer machen.“

Chaunce lachte. „Darauf setze ich.“

„Lady Essex, ich weiß nicht, ob Sie sich an mich erinnern …“, begann der Mann in seiner schmucken Uniform.

„Benedict Hathaway, wie könnte ich Sie vergessen? Sie haben mir, als Sie ein Knirps von sechs Jahren waren, meine liebste Vase zerbrochen.“ Lady Essex musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle, sichtlich unbeeindruckt von Uniform und Orden an der Brust, ehe sie dem Captain über die Schulter spähte: „Und wen haben Sie da mitgebracht? Oh, sind Sie das, Rimswell? Aber ja, wer sollte es denn sonst sein.“

Brody lächelte bemüht.

Roselie musste sich ein Lachen verkneifen. Lady Essex hätte noch den Premierminister an seinen Platz verweisen können.

Allerdings gehörte die alte Dame nicht zu jenen, die einem geschenkten Gaul ins Maul schauten und wenn sie ihn noch so fade finden mochte. „Vermutlich trifft es sich gut, dass Sie hier sind, Captain Hathaway – Sie sind doch Captain, oder? Ich meine, dass Ihre Mutter Ihre Beförderung erwähnte, aber es gibt einfach zu viele von euch Hathaways, um den Überblick zu behalten.“

„Ja, Mylady, das ist korrekt. Ich dachte mir …“

Lady Essex schnitt ihm mit einem Fächerflattern das Wort ab. „Stellen Sie sich nur vor, wie erfreut Ihre Mutter sein wird, wenn ich ihr schreibe, dass Sie bei Almack’s waren! Vielleicht hört sie dann auf zu klagen, dass keiner von euch Jungs sich verheiraten will. Denn mir können Sie nichts vormachen, Captain: Natürlich sind Sie nach London gekommen, um den Heiratsmarkt zu entern.“

„I…ich versichere Ihnen, Mylady, dass ich nicht …“, stammelte der arme Mann.

Doch Lady Essex hatte sich schon ihrer Gesellschafterin zugewandt. „Erinnern Sie mich bitte daran, dass ich Lady Hathaway umgehend schreibe und ihr die frohe Kunde melde.“

„Jawohl, Lady Essex“, sagte Mariah und kramte in dem sackartigen Retikül, das sie stets bei sich trug.

Die alte Dame richtete ihr Augenmerk wieder auf die Herrschaften vor ihr. „Und sehe ich das recht, Ihr großer Bruder ist auch mit von der Partie? Chauncy?“

Captain Hathaway warf einen Blick über die Schulter. „Ja, Mylady.“

Ihr Fächer schnappte zu. „Freudloser Bursche, Ihr Bruder. Man sieht ihn nie tanzen. Es ist mir ein Rätsel, warum er sich überhaupt herbemüht.“

„Er hat durchaus seine Vorzüge“, versicherte Captain Hathaway ihr.

„Wenn Sie das sagen“, erwiderte Lady Essex, längst auf der Ausschau nach geeigneteren Kandidaten, als ihr Blick wieder auf Brody fiel. „Was meinen Sie denn dazu, Lord Rimswell? Sie sind heute Abend wirklich ausgesprochen verstockt, selbst für Ihre Verhältnisse. Ja, Sie haben noch nicht einmal Miss Stratton zum Tanz gebeten!“

Roselie hüstelte. „Das braucht er auch …“

„Unsinn, Mädchen“, beschied Lady Essex ihr und setzte Brody den Fächer an die Brust. „Zu meiner Zeit …“

Captain Hathaway fasste sich ein Herz, und Roselie musste ihm seinen Mut zugutehalten. Seinen Mut oder seine Torheit. „Genau genommen, Lady Essex, kam ich in der Hoffnung, Sie könnten mich Ihrer bezaubernden Begleiterin vorstellen.“

Die alte Dame runzelte die Stirn. „Mariah? Aber die kennen Sie doch bereits. Sie war mit zum Mittsommerball vor zwei Jahren, bei dem auch Sie zugegen waren.“

Der Captain lächelte unverbindlich und ließ den Blick zu Roselie schweifen.

„Ich glaube, er meint Miss Stratton, Mylady“, flüsterte Mariah Ihrer Ladyschaft zu.

Lady Essex stutzte und sah dann zu ihrer Rechten. „Oh. Ja, vermutlich tut er das. Armer Narr. Miss Stratton, wenn ich Ihnen Captain Hathaway vorstellen dürfte?“

Roselie lächelte und knickste artig. Von allen Seiten flogen neidvolle Blicke in ihre Richtung, und sie wusste sehr wohl, weshalb, denn natürlich hatte sie schon von diesem Hathaway reden hören.

So ein fescher, schnittiger Mann. Bereits in so jungen Jahren Captain. Vermögend noch dazu dank der Heldentaten, die er für die Marine leistete. Sogar ein Titel stünde in Aussicht, hieß es.

Sie hätte verzückt sein sollen, dass er ausgerechnet ihr vorgestellt werden wollte. Stattdessen hegte sie einen Groll gegen Brody, dass er ihr den Mann angeschleppt hatte. Ausgerechnet Brody!

Doch statt den Freund aus Kindertagen mit einem mörderischen Blick zu bedenken, lächelte sie ihr Gegenüber an und tat, was sie am besten konnte. „Ah, Captain Hathaway, wie schön, Sie kennenzulernen. Es schmeichelt mir sehr, dass Ihr Auge auf mich fiel …“

Er schien etwas erwidern zu wollen, vermutlich irgendeine Galanterie, auf die sie kein bisschen erpicht war.

Und so fuhr sie rasch fort: „… zumal ich nun den anderen Damen werde sagen können, was wir uns schon so lange über Sie gefragt haben.“

Der Captain warf sich ein wenig in die Brust und schaute sich um, als könnte er kaum glauben, dass er Anlass zu Spekulationen gab.

Eitler Geck!

„Da bin ich aber mal gespannt“, meinte er und konnte sich ein selbstgefälliges Grinsen nicht verkneifen, ja, er zwinkerte gar Lady Essex zu, die ob dieser männlichen Aufmerksamkeit recht charmiert wirkte und dezent errötete.

„Wir fragen uns alle, ob es stimmt, dass Ihr Einkommen zehntausend im Jahr übersteigt, wie Pansy Nafferton behauptet – sie hatte es bei Lady Damerells Nichte aufgeschnappt –, oder ob Lady Comber damit recht hat, dass Sie allenfalls die Hälfte wert sind, da Sie einen Gutteil Ihres Vermögens vorige Woche am Kartentisch verspielt haben.“ Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Das Zucken Ihres Auges lässt mich vermuten, dass Letzteres zutrifft. Sehr bedauerlich.“

Und wieder lächelte sie, denn so, das wusste sie ja mittlerweile, wurde es von einer guten Debütantin erwartet.

Selbst in ihrer vierten Saison.

Oder gerade dann.

Neben ihr zückte Miss Manx bereits das Retikül und hatte das Fläschchen mit dem Riechsalz parat, noch ehe Lady Essex entsetzt nach Luft schnappen konnte.

„Oh … ich … so etwas ist mir noch nie …“, stammelte die alte Dame, während ihre Begleiterin seelenruhig den Korken zog und ihr das Fläschchen reichte.

„Was stimmt denn nun, Captain Hathaway?“, hakte Roselie nach. „Denn sowie Sie außer Hörweite sind, werde ich von allen Seiten mit Fragen nach Ihrem Charakter bestürmt werden, und es wäre mir schrecklich unangenehm, eine arme arglose Dame in die Irre zu führen, indem ich ihr Ihre Gesellschaft empfehle, wenn dem nicht anzuraten sein sollte.“

„Roselie …“

Die leise Warnung kam von Brody, während der Captain auch schon losstotterte: „Ich … ich … also, ich muss sagen … das ist wirklich … das ist …“

Roselie beugte sich vor, als wollte sie, dass ihr Gespräch vertraulich bliebe.

Was, wie jeder wusste, bei Almack’s ein Ding der Unmöglichkeit war.

„So leid es mir tut, aber genau das wird die Frage sein, auf die alle eine Antwort wollen, da bin ich mir ganz sicher, Captain. Und wenn Sie mir ein Sinnbild aus der Seefahrt verzeihen …“

Er nickte und lächelte bemüht, nun längst nicht mehr so selbstbewusst wie eben noch. „Wenn Sie das sagen, Miss Stratton. Fahren Sie ruhig fort. Ich bin ganz hingerissen von Ihrer unverblümten Art.“

Brody hob den Blick zur Decke, als wollte er dem Captain stumm zu verstehen geben, dass er sich zum Narren machte.

Roselie lächelte und ließ den Fächer flattern. „Jede der anwesenden Damen dürfte daran interessiert sein zu erfahren, ob Sie wohl die Sorte Ehemann abgäben, die beim geringsten Anlass sein Pulver verschießt oder, schlimmer noch, seine Munition wahllos in der ganzen Stadt abfeuert.“

Nun half auch kein Riechsalz mehr; Lady Essex schwanden die Sinne.

Roselie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Die alte Dame war unverwüstlich und neigte nur hin und wieder zur Theatralik.

Vermutlich kamen sie deshalb so fabelhaft miteinander aus.

„Nun …“, begann Captain Hathaway, schluckte, ehe ihn die Angst übermannte und er – vermutlich zum ersten Mal in seinem Leben – hastig den Rückzug antrat.

Brody schüttelte bloß den Kopf. „Ach, Roselie. Warum musstest du den armen Mann auf Grund laufen lassen?“

3. KAPITEL

Dieweil Mariah ihr Bestes tat, um Lady Essex auf den Beinen zu halten, fasste Brody Roselie bei der Hand und zog sie mit zur Tanzfläche.

„Halt, was soll das?“, fragte sie und stemmte sich mit den Absätzen in den Boden, aber gegen einen zu allem entschlossenen Brody hatte sie keine Chance.

„Mit irgendjemandem muss ich ja tanzen“, rief er über die Schulter.

„Oh, wie charmant, jetzt bin ich also ‚irgendjemand‘?“ Voll der gerechten Empörung entzog sie ihm ihre Hand, wobei ihr die zusammengefaltete Nachricht aus dem Handschuh glitt.

Brody, ganz der aufmerksame Gentleman, bückte sich sofort danach – vermutlich Macht der Gewohnheit, ebenso wie der prüfende Blick, mit dem er den Zettel betrachtete.

„Danke, das gehört mir“, sagte sie, nahm ihm das Papier aus der Hand und schob es wieder in ihren Handschuh, als ob nichts wäre.

Allerdings wagte sie nicht, Brody dabei anzusehen, denn er kannte sie einfach zu gut. Ihm würde der Anflug von Angst in ihren Augen nicht entgehen.

„Ah, von einem Bewunderer?“, neckte er mit leisem Spott, als machte ihr Verhalten dem Captain gegenüber dies doch recht unwahrscheinlich.

„Wohl kaum“, schnaubte sie denn auch, wenngleich es die einfachste Ausrede gewesen wäre. „Oder doch, ja!“, schwenkte sie um. „Genau, ein Bewunderer. Ich weiß mich kaum zu retten vor seinen Aufmerksamkeiten.“

Brody hielt einen Moment nachdenklich inne, aber dann zuckte er gleichgültig mit den Schultern.

Sehr zu ihrem Kummer.

Von ihrem Verdruss ganz zu schweigen.

„Wenn du das sagst“, meinte er fast ein wenig amüsiert. „Aber in der Zwischenzeit lass uns tanzen.“ Und schon zog er sie weiter, und wieder grub sie die Fersen ins Parkett.

„Nein.“ Es weckte einfach zu viele Erinnerungen. Erinnerungen der unschicklichen Art. Ruinös und damit ganz und gar unmöglich.

„Nein?“ Er blieb kurz vor den anderen Paaren stehen, die sich zu Reihen formierten. „Du möchtest nach deiner kleinen Vorstellung eben lieber zurück zu Lady Essex?“

„Das war keine …“, setzte sie an, warf dann jedoch einen Blick zurück auf die alte Dame, die ihr mit grimmiger Miene nachschaute. „Vielleicht wäre ein Tanz doch ratsam.“

„Das will ich meinen“, pflichtete er ihr bei, und sie begaben sich an ihre Plätze. Als die Musik einsetzte, grinste er Roselie an. „Kein Vergleich zu unserem ersten Tanz, weißt du noch?“

„Natürlich musst du jetzt damit anfangen.“ Wie könnte sie das vergessen?

Doch er lachte nur, der Schuft. „Was ist denn so schlimm daran? Letztlich war ich es doch, der nachher die Zehen grün und blau hatte.“

„Du hast mich einen Trampel genannt und keinen meiner Fehler unerwähnt gelassen.“

Er lachte. „Nun ja, verglichen mit deiner Schwester …“

Natürlich, er hatte schon immer gewusst, wie er sie zur Weißglut treiben konnte. „Ja, ja, vergleich mich ruhig mit meiner perfekten Schwester. Das vergesse ich dir nie, wie du mich immer Röschen genannt hast, weil ich niemals …“ Sie verstummte jäh, als ihr bewusst wurde, wie leicht sie sich wieder einmal hatte provozieren lassen.

Und er war noch nicht fertig. „Weil du niemals wie Margaret zu voller Pracht erblühen würdest.“

Sie sah beiseite. Es bedurfte nun wahrlich keiner Erinnerung an den wohl beschämendsten Moment ihres Lebens. Sie war vom Pensionat heimgekehrt, voll der Vorfreude, ihn wiederzusehen. Wie sehr er sich verändert hatte. Und dann …

Oh, es schmerzte noch immer.

Bis er sich zu ihr beugte und leise sagte: „Aber dann hast du es mir gezeigt, was?“

Sie sah ihn an. „Was habe ich dir gezeigt?“

„Wie prächtig auch eine späte Rose blühen kann.“

Roselie stockte der Atem, denn Brody hätte gar nichts Schöneres sagen können. Das Herz sprang ihr vor Freude schier aus der Brust. Oh, zum Henker mit ihm! Er sah sie an mit suchendem Blick, und so gern sie auch gelächelt und sich an ihn gelehnt, ihm gestanden hätte, was seine Worte mit ihr anstellten – sie konnte es nicht.

Du solltest es ihm sagen, hatte Mariah geraten. Aber wie sollte sie? Es war unmöglich. Er würde sein wie alle anderen.

Und so gab sie sich blasiert. „Das wurde auch Zeit, dass du es merkst.“

Er ignorierte den Sarkasmus. „Oh, ich habe es längst bemerkt.“

Ihr Blick schoss zu ihm. Was hatte er bemerkt? Wenn sie nicht aufpasste, geriet sie auf gefährliches Terrain.

Wie eigentlich jedes Mal, wenn sie mit Brody zusammentraf. Besser, sie wechselte das Thema.

„Vermutlich schulde ich dir Dank“, gab sie sich versöhnlich. „Du hättest mich dort drüben meinem Schicksal überlassen können.“

„Dann trifft es sich ja gut, dass ich jemanden zum Tanzen brauchte. Wie gesagt, es wäre schlechter Stil, sich hier zu zeigen und kein einziges Mal zu tanzen.“

Als sie ihn fragend anblickte, sah sie den Schalk in seinen Augen. Derselbe Humor, dem sie auch „Röschen“ verdankte.

Sie nahm sich vor, ihm zum Ende des Tanzes noch kräftig auf den Fuß zu treten. „Und warum fiel deine Wahl dann gerade auf mich?“

Er grinste. „Wegen meiner Mutter.“

„Deine Mutter schätzt mich nicht besonders“, rief Roselie ihm in Erinnerung, und selbst das war noch eine Untertreibung.

Brody beugte sich vor und flüsterte, ganz dicht an ihrem Ohr: „Genau deshalb habe ich dich ja gefragt.“

„Du bist unerträglich“, tadelte Roselie ihn und wich zurück, denn ihm so nah zu sein, machte sie ganz … wirr. Wütend. Berauscht und benommen. „Es gibt keinen größeren Schuft als dich in London.“

„So hast du mir schon mehrmals versichert“, erwiderte er kein bisschen reumütig. „Und jetzt lächle und tanze. Wenn meine Mutter davon erfährt, wird sie mir zwei Wochen aus dem Weg gehen aus Furcht, ich könnte ein unerfreuliches Faible für dich entwickeln, wenn sie auch nur darauf zu sprechen kommt.“

„Jetzt bin ich schon unerfreulich“, bemerkte Roselie und sah beiseite. „Ich wüsste wirklich nicht, warum ich dir einen Gefallen tun sollte.“

„Weil im Augenblick ich dir einen tue“, entgegnete er.

Sie linste hinüber zu Lady Essex, die Captain Hathaway nun Lady Muscoates und Miss Taber vorstellte und kein bisschen erfreut darüber zu sein schien, eine so gute Partie an ein mittelloses hübsches Ding zu verschwenden.

Oh ja, Roselie wusste ganz genau, was ihr blühte, wenn sie zu ihrer Mentorin zurückkehrte.

„Lass uns doch bitte über etwas anderes reden“, schlug sie vor.

„Vielleicht darüber, was dich so schrecklich verstimmt?“, neckte er sie. „Der arme Captain Hathaway.“

„Der arme Captain Hathaway, dass ich nicht lache!“, meinte Roselie schnaubend. „Und ich bin nicht verstimmt.“

„Hat es etwas mit dieser Nachricht zu tun?“

Kurz erstarrte sie, tat dann arglos. „Darüber mach dir mal keine Gedanken.“

„Ich wüsste zu gern, wer er ist“, meinte Brody, nun plötzlich ganz ernst.

„Wozu?“

„Ich sehe es als meine Pflicht an, ihn zu warnen.“

„Du dürftest gemerkt haben, dass ich das ganz gut selbst kann.“ Sie neigte den Kopf und lächelte kokett.

„Allerdings, das kannst du“, entgegnete er, und sie mussten lachen, was ihnen ermahnende Blicke von den anderen Paaren einbrachte.

„Du solltest öfter tanzen, Röschen“, sagte er nach einer Weile.

„Du solltest mich öfter auffordern“, gab sie schlagfertig zurück. Nicht dass sie es wirklich gewollt hätte, war es doch viel zu gefährlich, Brody nah zu sein, aber es war schon ziemlich herrlich, von ihm so im Arm gehalten zu werden.

„Du könntest öfter tanzen“, fuhr er fort, „wenn du die Herren nicht immerzu in die Flucht schlagen würdest.“

„Das tue ich doch gar …“

„Doch, tust du“, bekräftigte er.

„Nun ja, vielleicht“, räumte sie ein und dachte, wenn sie doch bloß ihn vergraulen könnte. Nur ein bisschen. Denn es fühlte sich viel zu gut, wie ihre Hand in der seinen lag, wie er sie in den Armen hielt, so sicher und warm.

„Aber warum?“

Natürlich, er konnte es einfach nicht gut sein lassen.

„Ich habe meine Gründe“, erklärte sie ihm.

Darüber konnte er nur den Kopf schütteln. „Eigensinnig wie eh und je. Aber ein Gutes hat es ja, denn deine Reputation sorgt dafür, dass du mir vorbehalten bleibst.“

Die Worte hingen zwischen ihnen, die unausgesprochene Bedeutung süß und lockend.

Dass du mir vorbehalten bleibst.

„Um mit dir zu tanzen“, fügte er eilig hinzu.

Autor

Elizabeth Boyle
Bereits für ihren ersten historischen Roman erhielt Elizabeth Boyle den RITA Award für das beste Debüt. Auszeichnungen und Bestseller-Nominierungen für weitere siebzehn Romane folgten. Inzwischen hat Elizabeth Boyle ihren Job als Rechtsanwaltsfachangestellte aufgegeben, um hauptberuflich zu schreiben. Die New-York-Times-Bestsellerautorin, die in ihrer Freizeit gern gärtnert, strickt, liest, reist und Rezepte...
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