Neuanfang unter dem Himmel Australiens?

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Zwei Wochen soll Dr. Forbes sie einarbeiten, dann übernimmt Allie seinen Job in Sydney, und er fliegt zurück nach England. Das ist der Plan. Doch als der attraktive Doc sie am Flughafen abholt, schlägt das Herz der jungen Kinderärztin schneller. Zwei Wochen sind niemals genug …


  • Erscheinungstag 06.02.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751536813
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Reise hatte vierundzwanzig Stunden gedauert. Als sie über das Landesinnere von Australien flogen, war Dr. Allie Maitland-Hill durch den Kopf gegangen, dass sie nirgendwohin mehr fliehen konnte, wenn sie jetzt nicht weit genug von London entfernt war.

Der Gedanke hatte sie in ihrem Entschluss bestärkt. Als die Gerüchte im Krankenhaus aufkamen und dann durch eine knappe offizielle Erklärung bestätigt wurden, war sie übers Wochenende nach Hampshire gefahren. Das gemeinsame Wandern mit ihrer Tante Sal hatte ihr bisher immer dabei geholfen, alle Probleme zu lösen, doch diesmal war es ihr absolut nicht gelungen.

Als sie am Montagmorgen ins Krankenhaus zurückkehrte, hatte es eine weitere, ausführlichere offizielle Ankündigung gegeben. Die Chatgruppe, in der die Mitglieder Fotos und Videos gepostet hatten – beim Gedanken an die Videos war ihr das Blut in den Adern gefroren –, war nun Realität. Man hatte die treibenden Kräfte identifiziert und sofort suspendiert. Man hatte keinen Namen genannt, doch James war die ganze Woche nicht an seinem Arbeitsplatz im Krankenhaus gewesen.

Am darauffolgenden Wochenende hatte sie noch etwas weiter zu fliehen versucht, diesmal nach Yorkshire. Allerdings hatte es ihr nicht weitergeholfen, denn sie hatte die zwei Tage auf der Suche nach einer Alternative überwiegend im Hotel verbracht.

James war nett und charmant, fast schüchtern gewesen, hatte aber keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich für sie interessierte. Zu ihrer Freude hatte sich in den drei Monaten mehr zwischen ihnen entwickelt. Zuerst hatten sie nur Blicke gewechselt und sich angelächelt, sich dann zum Kaffee und schließlich zum Abendessen getroffen. Sie hatte die versteckten Andeutungen einer Freundin ignoriert, dass er nicht so wäre, wie es schien, denn alle anderen schienen ihn zu mögen, und er hatte sie nie unter Druck gesetzt.

Und in ihrer gemeinsamen Nacht hatte er so perfekt gewirkt. Er hatte das Licht angelassen und gesagt, er wollte alles sehen, und sie hatten sich stundenlang geliebt.

Am nächsten Tag hatte er sie angerufen und ehrlich bestürzt gewirkt. Sie hätten eine wunderschöne Zeit zusammen verbracht, doch momentan hätte er viel um die Ohren und könnte nicht weitermachen. Er war ausweichend und anders als sonst gewesen, doch sie hatte die aufkommenden Fragen hinuntergeschluckt und es als Erfahrung abgehakt. Nachdem er gesagt hatte, er würde sich immer gern an die Zeit mit ihr erinnern, hatte er aufgelegt.

Während sie traurig in ihrem Hotelzimmer saß, hatte sie sich gefragt, ob er mehr als nur schöne Erinnerungen an sie hegte. Vielleicht hatte er eine Gedächtnisstütze, von der sie nichts wusste. Die Vorstellung hatte sie fertiggemacht, und als Allie nach London zurückkehrte, hatte sie die vertrauliche Hotline angerufen, die das Krankenhaus für diejenigen eingerichtet hatte, die befürchteten, dass intime Fotos von ihnen heimlich ins Internet gestellt wurden.

Das alles lag inzwischen achtzehn Monate zurück. Zeit, in der sie sich mit der Wahrheit auseinandergesetzt hatte. Schließlich hatte sie dem Druck nachgegeben und entschieden, dass sie eine Veränderung brauchte. Dass sie Anonymität brauchte, ohne sich ständig fragen zu müssen, wer was im Internet gelesen hatte. Als sie sich an ihren direkten Vorgesetzten wandte, hatte dieser eine Alternative vorgeschlagen. Dr. Zac Forbes hätte die letzten zwei Jahre im Rahmen eines Austauschprogramms in einer Klinik in Sydney verbracht und würde bald zurückkehren. Da man noch keinen Ersatz für ihn gefunden hätte, würde man ihre Bewerbung zügig bearbeiten. Später könnte sie an ihren Arbeitsplatz in London zurückkehren.

Und Australien könnte ein Neuanfang sein. Jedenfalls eröffnete es Möglichkeiten für eine Zukunft, die ihr zunehmend weniger zu bieten schien, weil sie sich momentan nur von Tag zu Tag quälte.

Erschöpft folgte Allie den anderen Passagieren aus der Maschine und durch den Zoll. In der Ankunftshalle beobachtete sie eine Gruppe, deren Mitglieder herzlich von ihren Angehörigen und Freunden empfangen wurden.

Da Zac sie abholen wollte, versuchte Allie, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Er hatte hellbraunes Haar und … Sie wusste nicht mehr, welche Augenfarbe er hatte.

Den Griff ihres Koffers umklammernd, setzte sie sich auf eine Bank und ließ den Blick über die Menschen in der Ankunftshalle schweifen. Sie konnte ihn nicht entdecken, vielleicht war er im Krankenhaus aufgehalten worden … Es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten. Plötzlich entdeckte sie neben der Kasse auf einem Kaffeewagen ein Schild mit der Aufschrift Dr. Alexandra Maitland-Hill.

Im nächsten Moment nahm der Mann, der sich offenbar gerade einen Kaffee gekauft hatte, das Schild in die Hand und drehte sich um. Zac?

Er wirkte muskulöser, als sie sich an ihn erinnerte. Er war gebräunt und sein Haar von der Sonne aufgehellt, und er trug ein dunkelblaues T-Shirt und eine lässige helle Hose. Irgendetwas an ihm erinnerte sie an den schüchternen, liebenswerten Mann von damals, der so zurückhaltend gewesen war und sich anscheinend nur auf seinen Job konzentriert hatte. Vieles allerdings auch nicht.

Australien tat ihm offenbar gut. Als sie ihm zuwinkte, schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln, das sie daran zweifeln ließ, ob er es wirklich war.

Blau. Seine Augen waren blau. Und Zac Forbes sah absolut fantastisch aus.

Er hatte viel darüber nachgedacht. Als es im Krankenhaus bekannt wurde, hatte die Polizei sich mit ihm in Verbindung gesetzt und ihn gefragt, ob er etwas über die Schmutzkampagne wusste. Obwohl er den Beamten gern geholfen hätte, war er erleichtert gewesen, sagen zu können, dass er von den Vorfällen nichts geahnt hatte. Er hatte alles aus der Ferne verfolgt und mitbekommen, wie tapfer Allie sich alldem stellte und andere Frauen ermutigte, auch damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Dabei war ihm klar gewesen, was es ihr abverlangte.

Und nun sah er es ihr an. Sie lächelte und schien sich erst einmal orientieren zu müssen. Aber da war noch mehr. Vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein, wirkte sie wachsam. Er erkannte die fröhliche, energiegeladene Frau von damals kaum wieder.

Und jetzt hatten ihre Courage und vermutlich der Wunsch nach einem Neuanfang sie hierhergeführt, und er wollte ihr die fünfwöchige Übergabe und das Einleben so angenehm wie möglich machen.

Zac setzte sich neben sie, ließ den Platz zwischen ihnen dabei jedoch frei. „Wie war Ihr Flug?“

„Gut“, erwiderte Allie prompt. „Ich muss jetzt unbedingt an die frische Luft.“

Er nickte. „Möchten Sie vorher einen Kaffee? Wir können ihn draußen trinken.“

Als sie zögerte, überlegte er, ob sie so misstrauisch geworden war, dass sie selbst einer derart harmlosen Frage nicht traute.

Dann blitzte jedoch jene Wärme auf, die er von damals kannte. Er hatte Allie immer ein wenig um ihre Offenheit und Unbeschwertheit beneidet, und als sie nun lächelte, setzte sein Herz einen Schlag aus.

„Ja. Danke, das wäre schön. Es sei denn, Sie haben es eilig.“

„Ich fahre heute Nachmittag ins Krankenhaus, aber wir haben genug Zeit.“ Zac stand auf, während sie sich ihre Handtasche umhängte. „Ich nehme Ihren Koffer.“

Auch diesmal zögerte Allie. Sie fühlte sich in dieser ungewohnten Umgebung offensichtlich unwohl, bemühte sich allerdings, seine Freundschaftsangebote anzunehmen. Der Impuls, sie zu beschützen, ihr zu sagen, dass er alles dafür tun würde, bewirkte, dass sein Herz sich zusammenkrampfte.

„Danke.“

Leicht widerstrebend schob sie den Koffer zu ihm, bevor sie aufstand. Dann führte er sie zu dem Getränkewagen.

„Hm …“ Stirnrunzelnd überflog sie die Tafel.

Zac überlegte. Plötzlich fiel ihm ein, dass sie immer Kaffee mit Milch getrunken hatte.

„Ein Flat White ist ein Mittelding zwischen einem Cappuccino und einem Latte. Aufgeschäumte Milch ohne Schaum“, fügte er jungenhaft lächelnd hinzu.

„Das klingt gut.“ Als sie in ihre Handtasche langte, reichte er ihr einen Zehn-Dollar-Schein. „Danke.“ Nachdem sie den Schein betrachtet hatte, lächelte sie ihn an, und die Schatten unter ihren Augen schienen für einen Moment zu verschwinden.

Sie hatte so schöne Augen, groß und braun mit goldenen Sprenkeln, wenn sie das Gesicht zum Licht wandte. Ihre dunklen Locken und ihr Lächeln hatten ihm in London immer den Tag versüßt, obwohl er grundsätzlich nie über private Dinge mit ihr gesprochen hatte.

Er musste damit aufhören. Wenn er Allie zum Lächeln bringen wollte, würde er ihr zwangsläufig näherkommen. Und das wäre eine ganz neue Herausforderung für sie nach allem, was sie durchgemacht hatte. Er musste den Wunsch verdrängen, alles, was ihr in den letzten zwei Jahren widerfahren war, rückgängig und irgendwie ungeschehen zu machen.

An der frischen Luft bekam Allie allmählich wieder einen klaren Kopf. Hier auf der Bank neben Zac und mit einem Kaffee in der Hand konnte sie sich umblicken und ihre Umgebung auf sich wirken lassen. Sie zog ihren Hoodie aus und hielt das Gesicht in die Sonne. Alles erschien ihr hier heller und klarer.

„Ich glaube, es wird mir hier gefallen.“ Da dies wirklich ein Neuanfang war, sollte sie optimistisch sein.

„Mir gefällt es hier. Wenn man auf die andere Seite der Welt zieht, rückt alles in die richtige Perspektive.“

Wusste er Bescheid? Es lag nahe. Sicher hatte er im Krankenhaus Freunde, obwohl er wenig unter Menschen gegangen war, weil er sich zu Hause anscheinend immer in seine Bücher vergraben hatte. Die Vorstellung widerstrebte ihr. Andererseits musste sie damit aufhören, sich zu fragen, was die Leute, denen sie begegnete, wussten. Was sie im Internet lesen könnten, wenn sie recherchierten.

„War es bei Ihnen denn der Fall?“, fragte Allie betont lässig, bevor sie einen Schluck Kaffee trank.

„Ich glaube schon. Etwas weniger Arbeit und etwas mehr Vergnügen. Allerdings gibt es immer noch viel zu tun und eine Menge zu lernen.“

Darauf hatte sie gezählt – dass sie so viel um die Ohren haben würde, dass sie endlich richtig schlafen konnte. Momentan interessierte sie sich allerdings für die zweite Seite an seinem neuen Ich, denn Arbeit gab es immer, sowohl hier als auch zu Hause. Und nun, da sie draußen saßen, fiel Allie umso mehr auf, wie sehr Zac sich verändert hatte. Er wirkte locker und eins mit sich und der Welt.

„Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit?“

Lachend streckte er die Beine aus. „Na ja … Ich habe Surfen gelernt.“

„Surfen! Dann sind Sie jetzt ein waschechter Australier, nicht?“

„Nein. Ich bin immer noch offenkundig Engländer. Fragen Sie die Leute im Krankenhaus.“ Nun zuckte er die Schultern. „In Cornwall soll man gut Surfen können.“

„Dann fahren Sie also am Wochenende runter, wenn Sie wieder zu Hause sind?“

„Wer weiß. Vielleicht probiere ich es.“ Nachdem er ausgetrunken hatte, warf er seinen Becher in den Mülleimer neben der Bank, und Allie gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Wollen wir los?“

Sie nickte. „Ich könnte ein paar Stunden Schlaf gebrauchen. Und dann schaffe ich es hoffentlich, heute Nachmittag nicht einzunicken und heute Abend zu schlafen …“

Zac hatte ihr Gepäck im Kofferraum eines ziemlich ramponierten SUV verstaut, der perfekt zu seinem neuen Ich zu passen schien. Er hielt ihr die Tür auf und wischte etwas Sand vom Sitz, bevor sie einstieg. Bei ihrer Ankunft hatte sie einen schüchternen Mann erwartet. An einem Ort, der ihr in vieler Hinsicht so vertraut und in anderer so fremd erschien, musste sie vielleicht mit Widersprüchen rechnen.

Die Fahrt dauerte eine halbe Stunde – über mehrere Highways und anschließend durch Wohngegenden, in denen die Häuser etwas weiter zurück lagen und von Bäumen beschattet waren. Schließlich bog Zac auf eine Küstenstraße.

„Hier leben Sie?“ fragte Allie.

Er lächelte. „Von Cronulla ist es nicht weit zum Krankenhaus, weil es auf derselben Seite der Stadt liegt. Und wenn man abends ausgehen will, braucht man bis in die Innenstadt nur eine halbe Stunde mit dem Wagen oder eine mit dem Zug.“

Ausgehen. Noch vor zwei Jahren hätte sie Lust dazu gehabt. Nun allerdings konnte Allie sich nicht einmal daran erinnern, wann sie es das letzte Mal getan hatte.

„Und es liegt am Meer.“

„Ja. Und nicht allzu weit vom Royal National Park entfernt, falls Sie Rad fahren oder spazieren gehen wollen.“

Beides hatte sie in letzter Zeit ebenfalls kaum gemacht. Und sie war auch nicht am Strand gewesen, obwohl der tiefblaue Himmel, der am Horizont ins Wasser überzugehen schien, hier einladend wirkte. Doch sie wollte sich in ihre vier Wände zurückziehen, denn sie war müde. Allerdings bezweifelte sie, dass sie Schlaf bekommen würde, als er neben einem bunt gestrichenen Geschäft auf einen überdachten Parkplatz fuhr.

„Sie wohnen über einem Surfshop?“ Beim Aussteigen konnte sie ihre Überraschung und Enttäuschung nicht verbergen. Das hatte er während ihres kurzen Mailwechsels nicht erwähnt.

„Ich bin mit den Inhabern befreundet. Sie haben dort gewohnt, haben jetzt aber Nachwuchs bekommen und brauchten mehr Platz. Aber warten Sie erst mal ab, bis Sie es gesehen haben …“ Zac nahm ihren Koffer aus dem Wagen und führte sie dann über einen Weg an der Seite zu einer Treppe, über die man in den ersten Stock gelangte. Nachdem er aufgeschlossen hatte, ließ er ihr den Vortritt.

Die Vorhänge waren zugezogen, und es war angenehm kühl. Der Holzfußboden und die neutralen Farben ließen den großen Wohnraum mit der offenen Küche noch großzügiger erscheinen. Alles war ordentlich und sauber, doch Allie konnte keine persönlichen Gegenstände entdecken.

„Ich habe meine Sachen schon zusammengepackt und in das Gästezimmer gestellt.“ Offensichtlich wartete Zac nun auf ihr Urteil.

„Das wäre nicht nötig gewesen …“ Aber plötzlich war sie froh darüber. Sie hatte sein Angebot, zuerst hier zu wohnen, angenommen, weil es ihr vernünftig erschienen war. Allerdings war sie inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich als Erstes ein eigenes Domizil suchen musste. Dennoch konnte sie sich nun eher mit dem Gedanken anfreunden, für eine Weile zu bleiben.

„Es ist sehr ruhig hier.“

Zac zog die Brauen hoch. „Dachten Sie, Sie müssten sich den Weg zur Haustür durch eine Horde biertrinkender Strandgammler bahnen? Mark und Naomi verkaufen High-End-Surfausrüstung, sprechen also eine andere Zielgruppe an. Und sie veranstalten auch keine Mitternachtspartys am Strand, denn sie haben kleine Kinder.“

„Das freut mich zu hören. Es ist wirklich schön hier.“

Unvermittelt lächelte er. „Das Beste haben Sie noch gar nicht gesehen.“ Nachdem er ihren Koffer an der Tür abgestellt hatte, ging er zu den Gardinen und zog sie zurück.

Ihr stockte der Atem. Durch Glasschiebetüren betrat man einen großen schattigen Balkon mit einem kleinen Tisch und Stühlen. Und dahinter lagen das Meer und auf einer Seite eine bewaldete Halbinsel.

„Das ist ja fantastisch, Zac!“

Zac schien sich zu entspannen und nickte. „Von oben ist die Aussicht noch schöner. Und sie verändert sich praktisch von Tag zu Tag.“ Er wandte sich um, als sich plötzlich von der Tür her eine Frauenstimme vernehmen ließ.

„Klopf, klopf!“

„Hallo, Naomi. Komm rein.“

Die Frau an der Tür trat ein. Sie war etwa so alt wie Allie und hatte blondes Haar und einen goldenen Teint. Sie trug ein Baby in einem bunten Tuch, und neben ihr stand ein etwa vierjähriges Mädchen mit einem großen Blumenstrauß in der Hand.

„Hallo.“ Naomi lächelte sie strahlend an. „Wir wollten Sie nur kurz hier willkommen heißen.“ Als sie die Hand der Kleinen losließ, rannte diese zu Zac.

„Hallo, Izzy.“ Nachdem er sich vor sie gehockt hatte, drückte sie ihm den Strauß in die Hand. Er lachte. „Wie schön. Aber ich glaube, die sind nicht für mich.“

Naomi lachte ebenfalls. „Stimmt, Zac. Izzy, gib sie Allie.“

Daraufhin nahm Izzy ihm die Blumen wieder weg und kam damit zu ihr. Trotz ihrer Rückenschmerzen beugte Allie sich zu ihr hinunter. „Hallo, Izzy. Ich bin Allie.“

„Die sind für dich. Willkommen in Australien.“ Izzy reichte ihr die Blumen.

„Danke, Izzy. Die sind sehr schön.“

Das Mädchen nickte. „Das sind Waratahblüten.“ Sie deutete auf die großen dunkelrosa Blüten. „Ich hab beim Pflücken geholfen.“

„Wirklich? Du hast besonders hübsche ausgesucht.“ Allie lächelte Naomi an. „Vielen Dank.“

„Die Waratah ist das Wahrzeichen von New South Wales.“ Wieder lächelte Naomi sie strahlend an, bevor sie Izzy zunickte. „Wir gehen jetzt wieder, denn Sie sind bestimmt erschöpft. Aber falls Sie etwas brauchen und Zac nicht da ist, finden Sie meinen Mann Mark oder mich tagsüber immer unten. Und unser Haus liegt hinter diesem oben auf dem Hügel, also kommen Sie gern irgendwann mal auf einen Kaffee vorbei.“

„Es ist das Haus mit den Waratahbüschen“, warf Zac ein.

„Ja. Und bevor ich es vergesse – Zacs Mietvertrag läuft in sechs Wochen aus, aber danach können Sie so lange bleiben, wie Sie wollen. Wenn es Ihnen hier gefällt, setzen wir einen Vertrag auf. Aber wenn Sie sich lieber etwas anderes suchen wollen, dürfen Sie so lange bleiben.“

„Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.“ Allmählich schien es Allie, als hätte sie wieder Boden unter den Füßen. Als Naomi und Zac sich anlächelten, überlegte sie, ob er etwas mit dem Vorschlag zu tun hatte.

„Wir freuen uns darüber, Sie hier zu haben.“ Nun nahm Naomi Izzys Hand. „Zac, warum gehst du nicht runter in die Werkstatt zu Mark? Allie möchte bestimmt Zeit für sich, um sich hier einzurichten und etwas zu schlafen.“

„Das geht leider nicht“, winkte Zac ab. „Ich habe versprochen, heute Nachmittag für ein paar Stunden ins Krankenhaus zu kommen. Wenn er danach noch da ist, besuche ich ihn später.“

„Das ist er, er hat eine Menge zu tun“, erwiderte sie lächelnd, bevor sie sich mit den Kindern abwandte.

Allmählich schien es Allie, als würde sie zur Ruhe kommen. Zac hatte die Blumen erst einmal ins Wasser gestellt und ihren Koffer nach oben ins Schlafzimmer gebracht. Dieses ging ebenfalls auf einen Balkon hinaus und bot die gleiche fantastische Aussicht. Nachdem er den Hausschlüssel von seinem Ring abgemacht hatte, reichte er ihn ihr.

„Warum nehmen Sie ihn nicht mit? Sie brauchen ihn doch nachher, oder?“

„Ich werde Sie nicht stören. Ich bin dann bei Mark in der Werkstatt, falls Sie etwas brauchen. Naomi zeigt Ihnen den Weg. Abendessen um sechs?“

„Gern. Ich muss nur für ein paar Stunden die Augen zumachen.“

Er nickte. „Ruhen Sie sich aus.“ Dann wandte er sich ab und ging nach unten.

Als die Haustür ins Schloss fiel, atmete Allie erleichtert auf. Endlich allein. In einem leeren Zimmer, in dem nur ein frisch bezogenes Bett und ein Einbauschrank standen. Endlich konnte sie lockerlassen.

Wusste er Bescheid? Hatte er all das hier getan, um ihr etwas Freiraum und ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln? Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte oder ob sie jenes Gefühls der Erniedrigung zulassen sollte, das sie am Krankenhaus in London empfunden hatte, wo jeder Bescheid wusste. Doch sie war zu erschöpft, um sich Gedanken darüber zu machen.

Nachdem sie die Gardinen zugezogen hatte, setzte sie sich aufs Bett und blickte sich um. Die Tür hatte ein Schloss.

Nein. Sie fing hier ganz neu an und musste sich nicht einschließen. Und dennoch stand sie auf und verriegelte die Tür.

2. KAPITEL

Als Zac um fünf in die Wohnung zurückkehrte, stellte er fest, dass Allie schon geduscht und sich angezogen sowie die Blumen in eine Vase gestellt hatte. Und der Tragetasche auf dem Küchentresen nach zu urteilen, war sie im Zeitungsladen gewesen.

„Irgendwas Neues?“ Er deutete auf die ausgebreitete Zeitung auf dem Frühstückstresen.

„Keine Ahnung. Ich kenne die Leute in den Schlagzeilen nicht.“ Sie lächelte ihn an. Nach einigen Stunden Schlaf fühlte sie sich offenbar wieder mehr wie sie selbst.

„Es gibt einen Zeitschriftenladen in der Nähe vom Krankenhaus, in dem Sie auch englische Zeitungen bestellen können.“

Allie schüttelte den Kopf. „Jetzt bin ich in Australien.“

Sie wollte hier also tatsächlich neu anfangen. Seine eigenen Dämonen waren persönlich gewesen, ihre hingegen hatten mit der Krankenhausverwaltung, dem Gericht und letztendlich der Presse zusammengehangen.

Zac bereitete das Abendessen zu, und nachdem sie gegessen hatten, schlug er vor, zusammen spazieren zu gehen. Allie interessierte sich für alles und stellte ihm die unterschiedlichsten Fragen über sein Leben hier und die Dinge, die sie unterwegs entdeckte. Angeregt plauderten sie miteinander und machten Witze, klammerten allerdings genau das Thema aus, das ihn am meisten beschäftigte. Das, was ihr Verhalten zu bestimmen schien.

Da Allie früh schlafen gehen wollte, setzte Zac sich nach unten und beobachtete, wie der Mond über dem Meer aufging. Dabei hörte er die leisen Geräusche, die sie oben machte. Das fast unmerkliche Klicken der Verriegelung an der Schlafzimmertür …

Er versuchte, es nicht persönlich zu nehmen, und sagte sich, dass sie vermutlich abgeschlossen hatte, als sie allein in der Wohnung war. Wie sehr musste man erniedrigt worden sein, um überhaupt mit dem Gedanken zu spielen, die Schlafzimmertür zu verriegeln, bevor man den Mut aufbrachte, sich hinzulegen und zu schlafen?

Zac seufzte. Mit Erniedrigung kannte er sich aus. Als Kind und Jugendlicher hatte er sich die Sticheleien seiner Eltern gefallen lassen und sich in seine Bücher geflüchtet. Er hatte sich seinen Freiraum geschaffen, und nun musste er Allie den Freiraum geben, den sie brauchte.

Nach einer unruhigen Nacht entschied Zac, dass es besser war, an einem Samstag um sechs aufzustehen, als liegen zu bleiben und sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die er nicht ändern konnte. Er hatte das Für und Wider gegeneinander abgewogen – einerseits seine Vermutung, dass sich Allie einen Neuanfang wünschte und nicht wollte, dass irgendjemand hier etwas von den Ereignissen in England erfuhr, und andererseits das Wissen, dass man sie schon einmal getäuscht hatte und er ihr unbedingt die Wahrheit sagen musste, auch wenn sie ihr nicht gefallen würde.

Normalerweise ging er am Samstagmorgen früh surfen, doch heute hatte Mark zu tun, bevor er den Laden öffnete. Und da Zac keine Lust hatte, allein zu gehen, machte er Kaffee und ging auf den Balkon, wo er auf den verlassenen Strand starrte. Als er schließlich Geräusche aus der Küche hörte und sich umdrehte, stellte er mit einem Blick auf die Wanduhr fest, dass er schon seit einer Stunde hier saß.

„Guten Morgen. Wie haben Sie geschlafen?“

„Wie ein Murmeltier. Es ist so still hier.“

Ja, das war es. Wenn man die Balkontüren schloss. Er zog es allerdings vor, sie offen zu lassen und mit dem Geräusch der Wellen einzuschlafen.

„Möchten Sie Frühstück? Es gibt Eier und Speck im Kühlschrank oder Toast …“ Allie trug ein T-Shirt und Shorts, und er stellte fest, dass sie noch schlanker war als vor zwei Jahren.

„Eier mit Speck und Toast? Und Kaffee?“

Zac grinste. „Kommt sofort.“

Während er die Eier mit Speck machte und auf zwei Teller füllte und Toast auf einen dritten tat, kochte Allie Kaffee. Sie setzten sich an den Frühstückstresen, und während Allie mit Appetit zu essen begann, merkte Zac, dass er keinen großen Hunger hatte.

„Fällt es Ihnen schwer abzureisen?“ Sie schob ihren Teller weg, bevor sie ihren Becher in die Hand nahm. „Sie scheinen sich hier gut eingelebt zu haben.“

Ja, darüber hatte er sich Gedanken gemacht. „Es ist Zeit für mich, nach London zurückzukehren. Allerdings freue ich mich nicht auf den Winter.“

„Haben Sie dort zu tun?“

Zac nickte. Trotz seiner Vorbehalte musste er nach England zurückkehren. Bei seiner Abreise hatte er nach etwas gesucht, das er nun gefunden zu haben schien. Zurückzukehren war der letzte Schritt zu seinem neuen Ich.

„Nicht ganz. Es geht mehr darum …“ Er zögerte. „Dinge wiederzuentdecken.“

Offenbar überlegte Allie, was er damit meinte. Nun sollte er endlich mit der Wahrheit herausrücken. „Allie, ich möchte Ihnen etwas sagen.“ Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Alarmiert blickte sie ihn an. Da sie plötzlich sehr klein und zerbrechlich wirkte, hätte er sie am liebsten schützend in die Arme genommen.

„Es ist nur … Diese beiden Jahre haben mir in vielerlei Hinsicht sehr gutgetan. Ich musste weg aus England und mir über einiges klar werden.“ Es fiel ihm schwerer, als er angenommen hatte.

„Sie wirken verändert. Mehr im Gleichgewicht mit sich.“

Es war schön, dass sie es bemerkt hatte. Und da er ihr erzählen wollte, dass er alles wusste, was ihr widerfahren war, durfte er seine eigenen Probleme auch nicht für sich behalten. Er hatte beschlossen, ehrlich zu sein.

„Meine Mutter hat mich fast während meiner gesamten Kindheit tyrannisiert. Mein Vater auch, aber er war nicht oft da. Ich habe mich in meine Bücher geflüchtet und später angefangen zu studieren.“ Starr betrachtete er die Maserung der Holzplatte und zwang sich dann, Allie anzusehen.

Ihre Reaktion traf ihn wie ein Schlag. In ihren Augen lag ein schockierter Ausdruck, und ihre Wangen waren gerötet.

„Es tut mir so leid, Zac. Ich wünschte …“ Sie zuckte die Schultern. „Ich wünschte, ich hätte gewusst, was Sie durchmachen.“

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