Sarah Morgan Edition Band 10

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VERFÜHRUNG IM PALAZZO DES PRINZEN

Wer ist die sexy Blondine mit dem erdbeerroten Kussmund, die auf der Verlobungsfeier seines Bruders alle Aufmerksamkeit auf sich zieht? Um Schlimmeres zu verhindern, entführt Prinz Matteo das Partygirl in seine Sommerresidenz … und plötzlich ist sein Herz in Gefahr.

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  • Erscheinungstag 15.02.2025
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530538
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

SARAH MORGAN

1. KAPITEL

Was für eine schamlose Exhibitionistin!

Voller Verachtung musterte Prinz Matteo – zweiter in der Thronfolge des Königshauses von Santina – die aufreizende Blondine mit der wilden Löwenmähne. Abgesehen davon, dass ihr Outfit absolut unpassend für einen Verlobungsball war, flirtete sie auch noch hemmungslos mit dem Sänger der Band, die die Palastoffiziellen nach sorgfältiger Prüfung für den besonderen Anlass ausgewählt hatten.

Offensichtlich besaß sie weder Manieren noch hatte sie den verbindlichen Dresscode auf der Einladung gelesen. In ihrem mit funkelnden Pailletten übersäten scharlachroten Kleid wirkte sie unter den weiblichen Gästen wie eine wilde Mohnblume in einem Bukett edler weißer Rosen. Mörderische High Heels verrieten das Partygirl. Ihr hautenges Kleid schrie förmlich: Hier spielt die Musik! Der knallrote Mund forderte: Küss mich!

Als sie die blonden Locken mit herausforderndem Schwung nach hinten über die bloßen Schultern warf, konnte Matteo die seidige Fülle förmlich zwischen seinen Fingern spüren … und den schlanken Hals unter seinen Lippen. Alles an ihr erinnerte ihn an Sommer und Erdbeeren: das schimmernde Haar mit dem Hauch von Pink, die prallen Brüste, deren aufreizende Rundung durch die glänzenden Pailletten noch betont wurden, und die vollen Lippen, die an reife, süße Früchte erinnerten. Aber nicht die kultivierte Variante, wie man sie in den königlichen Gewächshäusern für eine Sommerbowle erntete, sondern die kleinen wilden Erdbeeren, die außerhalb des Palastgartens an der Ostküste der Insel wuchsen.

Wild, ein kleines Wort, das sie perfekt beschrieb.

Während er sie finster anstarrte, verzog die Blondine ihre vollen Lippen zu einem sexy Lächeln. Eine unerwartete Explosion hemmungslosen Verlangens durchflutete ihn wie eine heiße Woge und verschlug ihm förmlich den Atem. Die Intensität seiner Reaktion schockierte Matteo, da er sich bisher für immun gegen jede Form weiblicher Tricks gehalten hatte.

Frustriert wandte er sich seinem älteren Bruder zu. „Der absolute Mangel an Geschmack und gesellschaftlichen Umgangsformen lässt mich vermuten, dass ihr Familienname Jackson ist und sie damit zu deiner fragwürdigen zukünftigen Verwandtschaft gehört“, murmelte er sarkastisch.

Alex folgte seinem Blick, grinste und hob sein Champagnerglas wie zum Toast. „Eine meiner Schwägerinnen. Allegras Halbschwester, um genau zu sein.“

„Komisch, ich dachte, deine Heirat sei dazu gedacht, die Reputation der Monarchie zu verbessern, und nicht, sie zu zerstören.“ Auch ohne die Bestätigung seines Bruders hätte Matteo gewusst, dass die heiße Blondine ein Mitglied des berüchtigten Jackson-Klans war. „Warum diese Verlobung? Und warum ausgerechnet sie?“, fragte er direkt und warf dem Bräutigam einen scharfen Seitenblick zu. Täuschte er sich, oder trank Alex mehr als gewöhnlich?

„Weil ich sie liebe.“ Die Augen des Bräutigams ruhten auf seiner Verlobten, Allegra Jackson. Auch sie trug ein rotes Kleid, nur war es weniger spektakulär als das ihrer Halbschwester. „Und sie liebt mich.“

„Würde sie dich auch lieben, wenn du kein Prinz wärst?“

Alex schnitt eine Grimasse. „Autsch! Das hat gesessen, Bruderherz.“

„Ich meine es ernst.“ Matteo dachte nicht daran, sich zu entschuldigen. Schon in sehr jungen Jahren hatte er auf äußerst brutale Weise lernen müssen, der menschlichen Natur grundsätzlich zu misstrauen. Und diese harte Lektion hatte ihn geformt.

Seufzend sah Alex ihn an. „Das hier ist etwas anderes.“

„Sicher?“ Eine ungewollte Erinnerung stieg in Matteo auf, wie die dünne Rauchfahne aus einem Feuer, das man eigentlich verloschen geglaubt hatte. Instinktiv betrachtete er seine linke Hand, den leicht entstellten Zeigefinger und die verblasste Linie, die sich vom Handgelenk bis zum Fingerknöchel zog. Ähnliche Narben zierten seinen Rippenbogen und den unteren Teil des Rückens.

Matteos Brust wurde plötzlich ganz eng, und für einen Moment fühlte er sich zurückversetzt in die Vergangenheit … auf dem Boden liegend, mit dem Gesicht im Dreck, während Blut über seinen Körper lief. Sein Blut! Exakt in dem Moment war ihm klar geworden, dass er nie wieder in der Lage sein würde, Beziehungen zu führen wie andere, ganz normale Menschen.

Liebe! Ob sie überhaupt existierte? Er wusste es nicht. Und wenn, dann gab es sie zumindest nicht für ihn. Und was seinen Bruder betraf, hegte er ebenfalls größte Zweifel. „Ich halte es für ausgesprochen schwierig, eine Frau zu treffen, die in der Lage ist, den Titel vom Mann zu trennen.“

„Und dabei hast du doch schon so viele getroffen“, zog Alex ihn gutmütig auf. „Ausgerechnet du mit deinem Ruf mokierst dich über die Jacksons. Wie war das noch? Rasante Frauen, rasante Wagen und rasante Jets.“

„Schon lange nicht mehr.“

„Unsinn, bei unserer letzten Begegnung hast du hinter dem Steuer eines Sportwagens gesessen, und neben dir eine entzückende Brünette.“

Matteo grinste. „Ich meine das mit den Jets.“ Erst in diesem Moment merkte er, wie sehr er das Fliegen vermisste. „Außerdem reden wir von deiner Verlobung …“

„Nein, das tun wir eben nicht“, unterbrach Alex ihn trocken. „Du bombardierst mich nur mit nebulösen Warnungen. Hast du überhaupt jemals einer Frau vertraut?“

Nur der einen. Und das war mein größter Fehler.

„Sehe ich wie ein Idiot aus?“ Matteo machte sich nichts vor. Wer seine Gesellschaft suchte oder mit ihm flirtete, war in erster Linie an seinem Titel und seinen Verbindungen interessiert und nicht an ihm als Mensch und Mann. Das Resultat: Er vertraute niemandem, egal ob Mann oder Frau.

Und ganz bestimmt nicht dem skandalösen Jackson-Spross dort auf der extra für die Party errichteten Bühne. Sie sah aus, als hätte sie gerade eine wilde Liebesnacht in einem fremden Bett verbracht und sich nicht einmal die Zeit zum Kämmen genommen, bevor sie auf den Ball gekommen war. Ihr vordergründiger Sexappeal schien die Atmosphäre vornehmer Zurückhaltung mit flirrender Elektrizität aufzuladen. Matteo fragte sich, ob außer ihm niemand eine Vorahnung drohenden Unheils empfand.

Überhaupt, diese Verlobung!

Sein Vater König Eduardo wünschte, dass Alex für immer in Santina blieb und seine Pflichten als Kronprinz wahrnahm. Aber wollte sein Vater das wirklich so sehr, dass er bereit war, die Verbindung mit einer Familie wie den Jacksons zu akzeptieren? Auf den ersten Blick schien die Öffentlichkeit durchaus Geschmack daran zu finden, den Prinzen mit einer Bürgerlichen verheiratet zu sehen. Immerhin lebte man im einundzwanzigsten Jahrhundert. Aber was wäre, wenn der erste Skandal publik würde, der bei den Jacksons so gut wie garantiert war?

Seine Erfahrung sagte ihm, dass die blonde Sirene dort oben eine gnadenlose Opportunistin war – also eine tickende Zeitbombe. „Sie ist peinlich, laut und heischt geradezu schamlos nach Aufmerksamkeit“, knurrte er missbilligend.

„Aber unglaublich sexy“, wandte Alex schmunzelnd ein.

Ein absolut unpassender Kommentar für einen frisch Verlobten fand Matteo und hätte seinem Bruder das auch vorgehalten, wenn nicht in diesem Moment weitere Mitglieder der Jackson-Sippe seine Aufmerksamkeit erregt hätten, weil sie lautstark ein unschätzbar wertvolles Meisterporträt bewunderten.

„Sie versuchen tatsächlich, den Preis eines Holbeins zu schätzen!“, knirschte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Als einer von ihnen laut kritisierte, die Farben des Ölgemäldes seien ein wenig stumpf, schloss Matteo gepeinigt die Augen und fragte sich, ob niemand den Wahnsinn stoppen konnte, bevor die Katastrophe perfekt war. „Sie können Michelangelo nicht von Michael Jackson unterscheiden!“, stöhnte er gequält und starrte im nächsten Moment kopfschüttelnd zu Chantelle Jackson hinüber, die eine kostbare Chinavase zwischen den Händen drehte. „Und sie wird deine Schwiegermutter? Wetten, sie steckt die Vase ein und verkauft sie noch dieses Wochenende übers Internet?“ Plötzlich wünschte er sich, er hätte eine engere Bindung zu seinem Bruder. „Jeder hat erwartet, dass du Anna heiratest. Was ist schiefgelaufen?“

„Ich habe mich verliebt.“

Ein klares Bekenntnis, das sich für Matteo allerdings nicht echt anhörte, sodass er sich fragte, ob die überstürzte Verlobungsparty nicht eher eine Art Rebellion von Alex war. „Vielleicht solltest du dir etwas mehr Zeit nehmen.“

„Ich weiß sehr wohl, was ich tue“, kam es knapp zurück. Nach einer Pause ergänzte Alex: „Und Chantelle ist nicht meine zukünftige Schwiegermutter, sondern Allegras Stiefmutter.“

Was für ein seltsamer Kommentar, dachte Matteo und hätte sicher weitergebohrt, wenn er nicht zur Bühne geblickt hätte, wo das Erdbeer-Mädchen gerade nach dem Mikrofon griff. Dass ihr wissender Blick dabei auf ihn gerichtet war, obwohl sie das Lied ihrer Schwester widmete, ließ seinen Puls in beängstigende Höhen schnellen. Der Song handelte davon, wie eine Frau den Mann ihrer Wahl eroberte, was natürlich perfekt zum Thema des Abends passte!

Um Matteos Mund spielte ein zynisches Lächeln. Auf der gesellschaftlichen Leiter konnte man seinen Bruder getrost als den Mount Everest bezeichnen. Kein Wunder, dass die Jacksons so aufgekratzt waren.

Als sich die Sängerin vorbeugte und mit halb geschlossenen Augen à la Monroe ihren Song ins Mikrofon hauchte, sah Matteo aus den Augenwinkeln Bobby Jackson auf die Bühne zusteuern. Der Ex-Fußballstar, dessen buntes Familien- und Liebesleben seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit von der Klatschpresse kommentiert wurde, schien nicht mehr ganz sicher auf den Beinen zu sein. Offenbar wollte er seine Tochter von ihrem künstlerischen Vortrag abhalten, was in Matteo gemischte Gefühle auslöste.

Es war definitiv höchste Zeit, dass jemand einschritt. Doch die Tatsache, dass es ausgerechnet dieser skandalträchtige Paradiesvogel war, passte ihm gar nicht. Ganz sicher erregte das nur noch mehr Aufsehen.

„Na, komm, Liebes …“, Bobby griff ungeschickt nach dem Handgelenk seiner Tochter, doch die schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt, wodurch er fast die Balance verlor. „Sei ein braves Mädchen und gib mir das Mikro.“ Sein Gesicht hatte die Farbe des Sonnenuntergangs an Santinas Stränden. Die tiefe Röte hätte man als Zeichen größter Verlegenheit werten können, für Matteo jedoch sah es eher nach zu viel Champagner aus. Um Scham zu empfinden, war Bobby Jackson schlichtweg zu dickfellig. Als Selfmademan, der sich von ganz unten an die Spitze gekämpft hatte, erwartete er von seiner Familie genau dasselbe. Obwohl dieser Ehrgeiz offensichtlich nicht so weit reichte, seine Tochter zum Singen zu ermutigen.

Reflexartig sah Matteo zu seinem eigenen Vater hinüber, dessen Gesichtszüge so versteinert wirkten wie die einer Statue von Michelangelo.

„Izzy!“ Bobby startete einen erneuten Versuch, um seine Tochter von der Bühne zu ziehen. „Nicht jetzt! Denk dran … gutes Benehmen und all das …“

Izzy! Natürlich, wie hätte sie auch sonst heißen sollen?

Und plötzlich fiel ihm ein, wo er sie schon einmal gesehen hatte: Nach ihrem Auftritt in einer TV-Casting-Show avancierte Izzy Jackson als sexy Popsternchen zum Liebling der Regenbogenpresse – allerdings mit der Haltbarkeit einer Eintagsfliege. Hatte sie nicht auch Schlagzeilen gemacht, weil sie in einem Bikini auf der Bühne erschienen war? Eigentlich für alles, außer ihrem Gesang.

Nicht einmal die eigene Familie will sie in der Öffentlichkeit singen hören, dachte Matteo ein wenig hämisch und beobachtete Bobby Jacksons vergebliche Bemühungen. Es war, als versuchte er, einen Muli wegzuziehen. Die Füße fest in den Boden gestemmt, mit vorgeschobenem Kinn und flammenden Augen kämpfte die Künstlerin verbissen um ihren Auftritt. Keine Frage, dass sie diese Party für die perfekte Gelegenheit hielt um zu glänzen und sich darum nicht so leicht an ihrem Vorhaben hindern ließ. Matteos innere Alarmglocken schrillten in höchsten Tönen.

„Vielleicht sollten wir aus dem Ganzen hier auch eine Reality-Show machen“, raunte er seinem Bruder zu. „Celebrity Love Palace … ich bin ein Prinz, holt mich hier raus!“

„Tu du mir lieber einen Gefallen und bring sie so schnell wie möglich hier raus“, zischte Alex unterdrückt. „Der Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit muss unbedingt auf meiner Verlobung liegen.“ Er sagte das so bestimmt und nachdrücklich, dass Matteos Alarmglocken nur noch lauter schrillten. Irgendetwas ging hier vor sich, was er nicht ganz nachvollziehen konnte.

„Sagst du mir auch, warum?“

„Tu es einfach Matt, bitte!“

Ohne weiteren Kommentar stellte Matteo seine Champagnerflöte auf dem Tablett eines vorbeikommenden Kellners ab. „Du schuldest mir etwas, Bruder. Und glaub mir, ich werde es einfordern.“ Damit marschierte er energisch in Richtung Bühne, um das Desaster auf zwei Beinen vom Mikrofon zu trennen.

„Er ist der Einzige für Diiieeech …“, sang Izzy in höchstem Diskant, offensichtlich zufrieden mit sich selbst, den exorbitant hohen Ton sogar getroffen zu haben, obwohl ihr Vater an ihr herumzerrte wie ein Verrückter.

Hatte er ihr nicht andauernd gepredigt, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen und stets das Optimum aus einer Situation herauszuholen? Nun, wenn das hier keine Spitzengelegenheit war! Sie hatte alles sorgfältig geplant – mit dem Ziel, ein Lied zum Besten zu geben, das sie extra für den Prinzen geschrieben hatte. Und damit war nicht der smarte, charmante Thronerbe gemeint, der ihre Schwester heiraten wollte, sondern dessen Bruder.

Matteo Santina, der dunkle, geheimnisvolle Prinz. Seine Fans nannten ihn auch Moody Matteo, weil er immer so ernst wirkte.

Tödlich ernst und tödlich sexy! dachte Izzy verträumt. Er war groß, umwerfend attraktiv und sehr, sehr reich. Doch all diese Attribute zählten für sie nicht, ebenso wenig wie seine königliche Herkunft, der athletische Körper oder sein nahezu legendärer Ruf als waghalsiger Pilot.

Obwohl die romantische Ader in ihr Allegra vielleicht ein wenig um die royale Wirbelwindromanze beneidete, war Izzy Jackson nicht im Mindesten an einer Prinzenhochzeit interessiert. Es gab nur eines, was sie von Matteo wollte, und das hatte mit seiner Rolle als Präsident des Prince’s Trust zu tun. Als solcher war er für das fantastische Rock ’n’ Royal Concert verantwortlich, eine weltweit im Fernsehen ausgestrahlte Wohltätigkeitveranstaltung, die bereits in wenigen Wochen stattfinden sollte.

Anlässlich dieses Konzerts singen zu dürfen, würde ihre wildesten und kühnsten Träume erfüllen! Es wäre der Kickstart in eine eigene Karriere. Und darum musste sie heute ihre Chance nutzen und dafür sorgen, dass er sie hörte.

Unwillig schüttelte sie die Hand ihres Vaters ab und erhöhte die Lautstärke, weil der Prinz in ein Gespräch mit seinem älteren Bruder, dem Thronerben, vertieft zu sein schien. Izzy versuchte, einen Anflug von Enttäuschung zu unterdrücken. Dabei war sie so sicher gewesen, heute den Durchbruch zu schaffen. Vorsorglich hatte sie sich etwas Mut angetrunken.

In ihrer Fantasie hatte sie wohlfrisierte Köpfe zu sich herumfliegen und die Kinnladen sämtlicher Gäste herunterklappen sehen, sobald sie ihre Stimme hörten. Sie hatte gehofft, die viele harte Arbeit und ihr zähes Durchhalten würden sich endlich bezahlt machen und ihr Leben in einem magischen Augenblick für immer zum Besseren wenden.

Tatsächlich wandten sich Köpfe zu ihr um und Kinnladen fielen herunter. Doch so viel Champagner hatte Izzy nicht getrunken, um zu übersehen, dass sie kaum wegen ihrer hinreißenden Stimme im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Nein, sie wurde angestarrt, weil sie sich lächerlich machte. Wieder einmal!

Also hatte sich gar nichts verändert. Jedes Mal, wenn sie zu Boden ging und sich aufrappelte, kam der nächste Schlag. Und jedes Mal traf es sie ein bisschen härter und ließ sie angeschlagener und mutloser zurück. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich ihre champagnergeschwängerte Zuversicht in heulendes Elend. Der allgemeinen Missbilligung auf den aristokratischen Gesichtern um sich herum gnadenlos ausgesetzt, entschied Izzy, dass Allegra tatsächlich ernsthaft verliebt sein musste, wenn sie sich all dem aussetzte. Einen Prinzen zu heiraten, erschien ihr ungefähr so aufregend, wie als Kunstobjekt in der Glasvitrine eines Museums zu landen, um von aller Welt neugierig angestarrt zu werden.

Außerdem war ihr schwindelig, und sie hatte einen Bärenhunger. Und wenn sie hungrig war, konnte sie nicht klar denken. Warum, um alles in der Welt, gab es hier nichts Anständiges zu essen? Sie hätte morden können für eine Platte Schinkenröllchen und gefüllte Eier! Doch seit sie im Palast angekommen war, hatte es nur Champagner gegeben, Champagner und noch mehr Champagner …

Zu trinken verstanden die Aristokraten, das musste man ihnen lassen! Unglücklicherweise schienen sie keine feste Nahrung zu brauchen, was auch erklärte, warum sie alle so dünn und fast durchscheinend waren. Verdammt! Warum habe ich nur meine eiserne Regel gebrochen und viel zu viel von diesem Champagner getrunken?

„Nur die eine große Liebe …“, trällerte Izzy gefühlvoll und versuchte, sich auf eine Gruppe überaus festlich gekleideter Damen zu konzentrieren, die sie mit offener Abscheu musterten. Nebenbei widerstand sie tapfer dem x-ten Versuch ihres Vaters, sie von der Bühne zu ziehen. Dass nicht einmal ihre Familie sie singen hören wollte, bedeutete einen zusätzlichen Stachel in ihrem verwundeten Stolz. War es nicht die Pflicht einer Familie, die einzelnen Mitglieder zu unterstützen, egal wobei?

Izzy liebte sie alle von Herzen, doch sie tätschelten ihr nur milde den Kopf und nahmen sie nicht ernst. Als würde sie in drittklassigen Klubs zur Karaoke-Maschine auftreten und nicht ernsthaft singen und ihr Bestes geben. Sie wusste, dass sie eine gute Stimme hatte. Und selbst wenn der Song nicht gefiel, sollten sie wenigstens honorieren, dass sie mit ihm diesen langweiligen Abend aufpeppte.

„Es reicht!“ Die laute, etwas ordinäre Stimme ihres Vaters knirschte hörbar im Getriebe des kultivierten Gemurmels um sie herum und verriet allen, was sie ohnehin wussten: Mit keinem Geld der Welt konnte man sich Klasse kaufen.

Auch Izzy wusste das. Und sie wusste, wie man über sie und ihre Familie dachte.

„Heb dir die Singerei für die Dusche auf, Liebes. Du machst dich nur lächerlich“, sagte ihr Vater.

Nein, das tue ich nicht! dachte sie, trotzig und traurig zugleich. Aber dir bin ich peinlich, Dad …

Die Scheinheiligkeit hinter seinen Worten schmerzte mehr als der Vorwurf selbst. Sie liebte ihren Vater aufrichtig, obwohl sein Benehmen oft durchaus zu wünschen übrig ließ, was für die Klatschpresse immer wieder ein Auflagengarant war. Aber jetzt lachte man über sie, und dabei hatte sie sich so sehr gewünscht, endlich ernst genommen zu werden.

Hätte ich nur nie an dieser blöden Singing Star-Show teilgenommen! warf sie sich vor. Damals hatte sie gehofft, irgendein professioneller und einflussreicher Musikproduzent würde sie hören und ihr Potenzial erkennen. Doch den Produzenten der Show ging es in erster Linie um die komische Figur, die sie als Tochter des skandalträchtigen Bobby Jackson auf der Bühne abgab. Um die Einschaltquoten zu erhöhen, nötigte man sie zu den absurdesten Aktionen, die mit Gesang nur noch sehr entfernt zu tun hatten. Und sie war leider zu blind und naiv gewesen, das große Ganze zu überblicken und sich selbst zu schützen. Bis es zu spät gewesen und sie zur nationalen Witzfigur avanciert war. Der zweifelhafte Ruhm war schnell verflogen … und mit ihm ihr guter Ruf.

Unfähig, noch länger an die schmachvollen Erfahrungen zu denken, wandte Izzy sich ab, schloss die Augen und sang einfach weiter, bis sich etwas Kaltes, Hartes um ihr Gelenk schloss. Grundgütiger! Werde ich jetzt etwa wegen krimineller Verstümmelung eines Musikstücks verhaftet?

Schockiert riss sie die Augen auf und stellte fest, dass es keine Handschellen, sondern schlanke gebräunte Finger waren, die sie brutal im Klammergriff hielten. Sie schaute hoch, begegnete einem finsteren Blick, und ihre Stimme erstarb.

Es war der dunkle Prinz …

Unerwartet jagte ein heißer Schauer über ihren Rücken, während ihr Herz ganz oben im Hals schlug. Life und aus der Nähe erschien er ihr viel attraktiver als auf den Fotos im Internet. Die konnten natürlich nicht seine charismatische, maskuline Präsenz widergeben, die ihn aus der Masse heraushob.

„Es reicht …“

Die gleichen Worte, die auch ihr Vater gebraucht hatte. Doch der Prinz zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Izzy schrumpfte förmlich in sich zusammen. Verzweifelt versuchte sie das Gleichgewicht zu wahren, während er sie mit unerbittlichem Griff von der Bühne führte. Wie es aussah, dachte er gar nicht daran, sich ihr offiziell vorzustellen. Wahrscheinlich weil er davon ausging, dass ihn ohnehin jeder kannte.

Während sich Izzy vergeblich gegen die rüde Behandlung zu wehren versuchte, sah sie ihre Träume im letzten Glas Champagner zerplatzen, das sie von mutig in einen Zustand versetzt hatte, den man getrost als angetrunken bezeichnen konnte.

„Autsch! Was soll das?“, protestierte sie. „Nur weil ich gesungen habe, müssen Sie doch nicht gleich so brutal sein! Ich habe eine sehr niedrige Schmerzschwelle, und außerdem sind diese Schuhe nicht zum Laufen gedacht.“ Umgeben von einer Welle allgemeiner Missbilligung war sie inzwischen sogar froh über die narkotisierende Wirkung des Alkohols.

„Ab mit ihr in den Kerker!“, wisperte sie dramatisch und begegnete dem strafenden Blick aus dunklen Augen mit einem koketten Lächeln. „Ups! Wir sind offenbar nicht amüsiert!“

Izzys Herz sank. So viel zu ihrer Hoffnung, ausgerechnet er könnte ihre Karriere anschieben. Wenn sie nach seiner Körpersprache ging, bekam sie nicht einmal einen Job als Toilettenfrau im Palast, geschweige denn die Chance, beim bevorstehenden Rock ’n’ Royal Concert aufzutreten! Und verübeln konnte sie es ihm auch nicht, denn berauschend war ihr Gesang tatsächlich nicht gewesen. Sie hatte sich einfach zu sehr angestrengt und ihre Stimme dabei verbogen.

„Sie sind als Gast eingeladen und nicht als Alleinunterhalter engagiert“, blaffte Matteo leise, während er die widerborstige Blondine quer durch den Ballsaal in Richtung Tür dirigierte. „Außerdem sind Sie betrunken.“ Obwohl Englisch nicht seine Muttersprache war, sprach er es ebenso fließend wie sie.

Aber da endete die Ähnlichkeit auch schon.

Dieses aristokratische Auftreten lag vermutlich in den Genen und war dann noch durch die beste Erziehung aufpoliert worden, die man für Geld kaufen konnte. Seine Mutter war eine Königin, ihre eine ehemalige Marktfrau. Mit seinem Akzent hätte man Glas schneiden können, ihrer taugte bestenfalls für Einweggeschirr aus Plastik!

„Tatsache ist, dass ich nicht betrunken bin“, stellte Izzy als Erstes klar. „Jedenfalls nicht sehr. Und falls doch, ist es Ihre Schuld, weil Sie den Gästen literweise Champagner servieren und keinen Krümel zu essen.“

Während sie immer weitergezogen wurde, hielt Izzy verzweifelt nach irgendeinem freundlichen Gesicht Ausschau. Doch als sie endlich Allegra erspähte, sah diese nicht in ihre Richtung. Offensichtlich distanzierte sich auch die frischgebackene Verlobte von ihrer peinlichen Schwester. Betroffen und enttäuscht von dieser Erkenntnis und der missglückten Präsentation ihres Songs, an dem sie wochenlang gearbeitet hatte, kämpfte Izzy mit den Tränen.

Was muss ich denn noch tun, damit man mir endlich zuhört?

Abrupt blieb sie stehen, sodass auch Matteo gezwungen war anzuhalten.

„Okay“, sagte sie rau. „Sie haben mir Ihren Standpunkt klargemacht. Ich hab’s verpatzt. Lassen Sie mich gehen, und ich verspreche, mich ab sofort angemessen langweilig zu benehmen. Ich werde nur noch herumstehen, über das Wetter reden und keine Miene verziehen.“

Doch anstatt eine Antwort zu bekommen, wurde sie wortlos weitergeschleift, bis sie vor einer erstaunten Palastwache anhielten. Auf einen stummen Wink des Prinzen öffnete der Mann eine Tür, die in ein holzvertäfeltes Vorzimmer führte, an dessen Wänden Familienporträts aufgereiht hingen.

„Vorsicht! Ich kann nicht so schnell mit diesen hohen Absätzen!“, schimpfte Izzy.

„Warum tragen Sie dann derart lächerliche Schuhe?“

„Weil ich zu klein bin und es nicht mag, wenn man mir von oben auf den Scheitel guckt. So versuche ich, wenigstens etwas Eindruck zu schinden.“

Matteo lachte hart auf. „Gratuliere! Das ist Ihnen wahrlich gelungen!“

Das war nicht als Kompliment gemeint. Mit zusammengepressten Lippen begutachtete Izzy die lange Reihe königlicher Vorfahren, die genauso strafend auf sie herabzusehen schien wie die illustre Gästeschar im Ballsaal. „Warum sehen die alle so pikiert und missmutig aus?“, wunderte sie sich laut. „Ist denn niemand in Ihrer Familie glücklich? Ach, ich wollte, ich wäre nie hierhergekommen!“

„Ein Gefühl, das wir alle mit Ihnen teilen.“ Ein Blick des Prinzen reichte, und der uniformierte Lakai zog sich mit einer tiefen Verbeugung zurück.

„Wieder schließt sich eine Tür …“, seufzte Izzy melodramatisch und spürte, wie sich der Griff um ihr Handgelenk noch verstärkte. Um ihrem Peiniger in die Augen sehen zu können, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen, was ihr gar nicht gut bekam. „Jetzt könnten Sie mich aber loslassen. Dass ich in diesen Schuhen nicht fliehen kann, müsste Ihnen doch inzwischen klar sein.“

Augenblicklich gab Matteo sie frei. Die Geringschätzung in seinen dunklen Augen fügte ihrem angeschlagenen Selbstvertrauen noch ein paar weitere Blessuren hinzu. So sehr sie es hasste zuzugeben, Izzy fand Moody Matteo ziemlich einschüchternd. Dieser Mann war wahrscheinlich noch nie zu Boden gegangen und hatte sich auch nie aus eigener Kraft wieder aufrappeln müssen. Aus jeder Pore verströmte er Kraft und Autorität, weshalb sie sich neben ihm wie ein unbedeutendes Staubkorn vorkam.

Ganz abgesehen von anderen Emotionen, über die sie lieber nicht nachdenken wollte. Wie dieses gefährlich kribbelnde Lustgefühl tief in ihr und das unsichtbare Brandzeichen an der Stelle, wo seine Finger ihr Handgelenk umfasst hielten. Izzy schauderte und trat einen Schritt zurück. „Ich habe nur gesungen. Ich war weder nackt noch habe ich mit Kraftausdrücken um mich geworfen oder schmutzige Witze erzählt. Ich wollte doch unbedingt, dass Sie mich bemerken …“

Jetzt ist es heraus!

Matteos Augen weiteten sich entsetzt. „Sie missbrauchen die Verlobungsfeier meines Bruders, um sich an mich heranzumachen? Wie abgeschmackt!“

„Ziemlich abgeschmackt, das gebe ich zu, aber man kommt nirgendwohin, wenn man immer nur in der zweiten Reihe tanzt.“ Izzy verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein, um den sengenden Schmerz in ihrem Fuß zu lindern. „Ich weiß, was ich will, und ich kämpfe dafür.“

Fassungslos schüttelte Matteo den Kopf. „Ich habe schon etliche Frauen erlebt, die sich mir in den unmöglichsten Situationen an den Hals geworfen haben, aber das hier toppt alles!“

„Auf eine positive Weise?“, fragte Izzy hoffnungsvoll und gab sich angesichts seiner fassungslosen Miene gleich selbst die Antwort. „Offensichtlich nicht. Sie sind also nicht interessiert … na, macht nichts. Ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich auf die Nase falle. Ich werde schon drüber wegkommen.“

Als der Prinz begann, wie ein gereizter Tiger in dem riesigen Raum auf und ab zu gehen, folgte sie ihm erstaunt mit den Augen. Warum war er nur so aufgebracht? Immerhin hatte sie niemanden verletzt. „Können Sie aufhören, andauernd herumzulaufen, das macht mich nur noch schwindeliger als ohnehin schon.“

Abrupt hielt er an, direkt vor ihr. Jetzt verstand sie, warum dieser Mann als royales Sexsymbol gehandelt wurde.

„Wie viel haben Sie getrunken?“

Der scharfe Ton hätte die seltsame Spannung zwischen ihnen auflösen müssen, stattdessen wurde ihr nur noch heißer. Izzy atmete tief durch und klammerte sich an die Lehne des nächststehenden Stuhls. „Glauben Sie mir, auf keinen Fall genug, um mich über einen Abend wie diesen hinwegzuretten. Und es ist nicht meine Schuld, dass diese uniformierten Leute …“

„Man nennt sie Lakaien.“

„Genau die! Sie haben mein Glas ständig wieder aufgefüllt, und ich habe nicht abgelehnt, weil ich niemanden vor den Kopf stoßen wollte. Ich hatte auch wirklich Durst, weil es so warm war, aber leider gab es nichts Festes … kein Essen, meine ich“, präzisierte sie angesichts seiner verblüfften Miene. „Außer natürlich diese winzigen Kanapees, die einem nur zwischen den Zähnen kleben und kein bisschen satt machen. Und das, obwohl das Ganze auf der Einladung als Party ausgegeben wurde! Ich habe nur versucht, die steife Atmosphäre aufzulockern. Wenn meiner Schwester so ein Leben an der Seite Ihres Bruders bevorsteht, tut sie mir ehrlich leid …“

Ihre Stimme verebbte. Ihn nur anzuschauen, tat fast weh, so ausdrucksvoll und beunruhigend maskulin war dieses dunkle Gesicht dicht vor ihrem. Trotz seiner bewundernswerten Selbstbeherrschung wusste Izzy, dass er stocksauer auf sie war. Sie konnte seine unterdrückte Wut hinter der zivilisierten Fassade förmlich riechen. Ob er noch ärgerlicher würde, wenn sie die Schuhe auszog, damit das Blut in ihren gepeinigten Füßen wieder zirkulieren konnte?

„Sie haben diese Scharade sorgfältig geplant, oder?“

„Aber sicher.“ Habe ich ihm das nicht bereits erklärt? „Jeden Tag setze ich mir ein Ziel. Das hilft, mich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren. Und heute waren Sie eben dran“, erklärte sie sonnig.

Matteo konnte es nicht fassen. „Ist das Leben für Sie nicht mehr als ein Witz?“

„Ich versuche, es so leicht wie möglich zu nehmen. Was ist falsch daran?“

„Sie sind laut, indiskret und penetrant. Wenn Sie mit unserer Familie in Verbindung gebracht werden, müssen Sie lernen nachzudenken, ehe Sie reden.“

Sekundenlang schloss sie die Augen und dachte an all die Situationen zurück, in denen man ihr das eine gesagt und etwas völlig anderes gemeint hatte.

Zieh dich so und so an, dann wirst du zum Star werden …!

Ich liebe dich, Izzy …

Ihr Magen hob sich, und das Herz lag plötzlich ganz schwer in ihrer Brust. Sie konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Später vielleicht.

„Mit ‚nachdenken‘ meinen Sie ‚lügen‘, nicht wahr? Sie wollen, dass ich lüge wie diese gefühlskalten Frauen dort draußen mit ihrem festgefrorenen Lächeln, die nichts von dem sagen, was sie wirklich denken. Tut mir leid, aber so bin ich nicht.“

„Die Tatsache, dass Ihre Schwester den zukünftigen König von Santina heiraten wird, rückt nun mal auch Sie ins Licht der Öffentlichkeit.“

„Tatsächlich?“ Schlagartig hellte sich ihre Miene auf. Unter dem Aspekt hatte sie Allegras Glücksgriff noch gar nicht gesehen. „Na, das nenne ich ein Happy End!“

Für einen Sekundenbruchteil schloss Matteo die Augen. „Wenn diese Heirat eine Chance haben soll, öffentlich akzeptiert zu werden, müssen Sie lernen, wie man sich korrekt anzieht und benimmt. Das Königshaus von Santina kann sich keine negative Publicity leisten.“

Izzy versuchte, dem sengenden Blick standzuhalten, mit dem er sie von Kopf bis Fuß musterte. Dabei blitzte es in seinen dunklen Augen auf, und sie spürte, wie ihr Puls in die Höhe schnellte. Entweder Moody Matteo gab widersprüchliche Botschaften von sich, oder mit ihrem Radar stimmte irgendetwas nicht. Auf der einen Seite war seine Aversion gegen sie nicht zu verkennen, auf der anderen Seite … diese gefährlichen Schwingungen zwischen ihnen …

„Es ist nicht mein Kleid, mit dem etwas nicht stimmt, sondern Ihre Party“, beharrte sie. „Niemand im Palast versteht es zu lachen, zu tanzen oder eine gute Zeit zu haben. Diese Kristalllüster mögen ja wertvoll und mondän sein, aber mit ein paar Discokugeln hätten Sie mehr Stimmung geschaffen.“

„Dies ist ein königlicher Palast und kein Nachtklub“, kam es eisig zurück. „Und das sollte Ihr Benehmen auch widerspiegeln.“

„Soll heißen, ich muss noch einen Hofknicks einüben?“

„Das wäre nicht nur wünschenswert, sondern ist absolut notwendig“, erläuterte Matteo kühl. Alles an ihm verkörperte plötzlich den Prinzen. „Und die korrekte Anrede lautet Eure Königliche Hoheit.“

Das Letzte hörte Izzy schon gar nicht mehr. Während sie fasziniert den Bewegungen seiner klassisch geschnittenen Lippen gefolgt war, hatte sich ihr Geist bereits verabschiedet und war ganz eigene Wege gegangen. Wie es sich wohl anfühlen mochte, von ihm geküsst zu werden? Plötzlich drehte sich alles, woran sie denken konnte, um Sex. Das schockierte sie zutiefst. Denn nach ihren eigenen desaströsen Erfahrungen auf diesem Gebiet und dem Negativbeispiel ihrer Eltern und deren katastrophaler Ehe gehörte ein neuer Mann für sie ganz sicher nicht zu ihren bevorzugten Zielen.

Sekundenlang starrten sie einander nur stumm an, dann schob Matteo die dunklen Brauen zusammen. „Nach dem ersten Mal können Sie mich mit Sir anreden.“

„Nach dem ersten Mal?“, echote Izzy schwach. Ihr Herz schlug oben im Hals, und ihr Mund war plötzlich ganz trocken. „Für uns beide wird es kein erstes Mal geben. Selbst wenn ich noch verzweifelter und hoffnungsloser sein würde als im Moment, würde ich nicht mit Ihnen ins Bett gehen, Eure … Eure Königliche Hoheit! Ich bin nicht so eine, sondern schrecklich romantisch.“

„Wäre …“, korrigierte Matteo gereizt. „Hoffnungsloser wäre müsste es grammatikalisch korrekt heißen, nicht sein würde. Außerdem ging es mir um die korrekte Anrede beim ersten Treffen, sonst nichts.“

Izzy, die sich bisher im sprachlichen Bereich allein um englische Songtexte gekümmert und von Grammatik wenig gehört hatte, spürte, wie sie errötete. „Okay, umso besser, dass wir den Punkt gleich zu Beginn unserer Bekanntschaft klären konnten. Aber muss ich Sie wirklich mit Sir ansprechen? Es ist nämlich so, dass die einzige Person, die ich jemals so angesprochen habe, mein alter Schuldirektor war. Und an ihn zu denken, weckt nur ungute Erinnerungen.“

„Der Mann hat mein tiefstes Mitgefühl. Sie zu unterrichten muss eine echte Herausforderung gewesen sein.“ Er stand jetzt direkt vor dem größten Porträt, und so blieb Izzy die Familienähnlichkeit nicht verborgen. Dasselbe dichte schwarze Haar, die gleichen dunklen, eindringlichen Augen.

Derselbe edle, aristokratische Gesichtsschnitt …

Kein Wunder, dass er so arrogant ist! dachte sie benommen. Sein Stammbaum reichte Jahrhunderte zurück, und sie war eigentlich nicht mehr als das Zufallsprodukt zweier Menschen, die eine Art Zweckgemeinschaft eingegangen waren. Um sich selbst besser zu fühlen, hätte sie gern irgendeinen Makel an ihm entdeckt. Sie wollte ihn nicht attraktiv finden, aber welche Frau hätte das fertiggebracht?

Izzy spürte ein seltsames Ziehen in ihrem Innern, das sich schnell zu einem Flächenbrand ausweitete. Das ist bestimmt nur der Champagner! beruhigte sie sich. Er verstärkt offenbar alles, was ich fühle.

„Machen diese ganzen Formalitäten Sie nicht manchmal irre?“, fragte sie aufrichtig interessiert. „Nicht ein entspanntes Lächeln oder irgendeine normale Regung auf den Gesichtern. Wie in dieser Galerie mit den kalten Statuen.“

„Diese unbezahlbaren Marmorstatuen datieren bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurück.“

„Das reicht allerdings, um die Gesichtszüge einfrieren zu lassen“, mutmaßte Izzy unbeeindruckt. „Kein Wunder, dass sie unbezahlbar sind. Wer, zur Hölle, würde schon einen Batzen Geld dafür ausgeben, ständig diesen deprimierenden Anblick vor Augen zu haben … Sir.“ Das hatte sie nur aus einem plötzlichen Impuls hinzugefügt, weil der Prinz schrecklich grimmig dreinschaute und der Raum sich immer schneller um sie zu drehen schien. „Ich … ich würde ja einen Hofknicks machen, aber diese verfluchten Schuhe bringen mich um! Wären Sie eine Frau, würden Sie mich verstehen.“

Matteo ließ ein dumpfes Grollen hören, das an einen gereizten Grizzly erinnerte. „Sie sind wirklich die frivolste, nutzloseste Person, die mir je begegnet ist. Ihr Benehmen ist mehr als fragwürdig, und der Schaden, den jemand wie Sie der Reputation unserer Familie zufügen kann, ist kaum zu ermessen.“

Man hatte Izzy schon viele Beleidigungen an den Kopf geworfen, aber als nutzlos hatte sie noch niemand bezeichnet. Einerseits schmerzte es höllisch, auf der anderen Seite war sie ihm fast dankbar. Denn in einen Mann, der einen so kränkte, konnte man sich doch unmöglich verlieben, oder?

„Ehrlich gesagt finde ich, dass Ihr Benehmen, Sir, absolut zu wünschen übrig lässt. Oder gehört es zum guten Stil, einen anderen Menschen so niederzumachen, dass er sich plötzlich ganz klein und unbedeutend vorkommt? Sie fühlen sich mir so unendlich überlegen, doch wenn jemand in mein Heim kommt, lächle ich ihn freundlich an und heiße ihn herzlich willkommen, während Sie auf Ihre Gäste herabsehen. Ich habe schon mehr Gastfreundschaft in einem Burger-Imbiss erlebt. Sie mögen ein Prinz sein und attraktiver, als es gut für Sie ist, aber Manieren haben Sie keine, und …“

Was immer sie noch sagen wollte, musste warten, da sich in diesem Moment die Tür öffnete und das blasse, angespannte Gesicht eines Lakaien in der Öffnung erschien.

„Das Mikrofon, Euer Hoheit …“, sagte er mit schwankender Stimme. „Es ist immer noch angestellt. Alles, was hier gesprochen wird, hört man auch im Ballsaal. In voller Lautstärke.“

2. KAPITEL

Bei der grauenhaften Vorstellung, dass seine Familie und alle Gäste ihren Disput mit anhören konnten, gefror Matteos Blut zu Eis. Ausgerechnet er, dem Selbstkontrolle über alles ging, hatte sie verloren. In aller Öffentlichkeit!

Als er im Kopf überschlug, worüber er und dieses unmögliche Erdbeer-Mädchen gesprochen hatten, wurde ihm siedend heiß. Fast hätte er laut aufgestöhnt.

Sex! Wie sind wir nur auf dieses Thema gekommen?

Matteo konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal erlaubt hatte, sein Verhalten von Emotionen bestimmen zu lassen. Doch ein Blick auf die vollen rubinroten Lippen und ihr aufreizendes Kleid, und er spürte förmlich, wie sich seine Selbstbeherrschung verflüchtigte. Wie passte das zu seiner nüchternen, pragmatischen Art, Probleme zu fokussieren und in den Griff zu bekommen? Er flog Jets in Überschallgeschwindigkeit, handelte kaltblütig sensible Verträge mit fremden Regierungen aus, organisierte Millionen für karitative Zwecke und versagte, wenn es darum ging, eine vorlaute junge Dame in ihre Schranken zu weisen.

Sein Selbstvertrauen war ernsthaft erschüttert. Doch das war nicht mehr zu ändern, jetzt ging es allein um Schadensbegrenzung. Mit einem knappen Nicken entließ er den totenbleichen Lakaien, dann nahm er Izzy das Mikro aus der Hand. Dieses Mal wehrte sie sich nicht. Nachdem er es abgestellt hatte, sah er der Verursacherin der Katastrophe prüfend ins Gesicht. Anstatt Anzeichen des Horrors darin zu entdecken, der ihm immer noch zu schaffen machte, funkelten ihre Augen vor Heiterkeit, und im nächsten Moment platzte sie auch schon vor Lachen.

Verblüfft und schockiert über die unangemessene Reaktion kniff Matteo die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Das ist nicht lustig!“

„Nein … ist es nicht!“, brachte Izzy nur mühsam hervor. Natürlich wusste sie, dass sie nicht hätte lachen dürfen, darum hielt sie auch erst eine, dann die andere Hand vor den Mund, doch es half nichts. Vor unterdrücktem Gelächter schwammen ihre Augen in Tränen, bis sie endlich aufgab. Sie lachte und lachte, offenbar höchst amüsiert über einen unverzeihlichen gesellschaftlichen Fauxpas, der ihm kalte Schauer des Entsetzens über den Rücken jagte.

„Tut … tut mir wirklich leid …“, prustete Izzy erstickt und versuchte vergeblich, sich zu fassen. „Ich … ich weiß, dass es nicht lustig ist, aber …“

Ihre Stimme versagte, weil sie ihre unangebrachte Heiterkeit einfach nicht in den Griff bekam. Und Matteo verschlug es die Sprache, da er befürchten musste, dass ihr Kleid jeden Moment unter der Belastung, der es ausgesetzt war, verrutschen oder gar platzen könnte. Wie als Zeichen sprang plötzlich eine einzelne rubinrote Paillette vom großzügigen Ausschnitt ab und landete zu seinen Füßen.

Überwältigt von einem sengenden Lustgefühl, das ihn ansprang wie ein wildes Tier, zuckte er zurück, als handle es sich um ein giftiges Reptil und nicht um ein harmloses Glitzerplättchen. Dass ihn dieses wilde Verlangen auch noch angesichts dieser unmöglichen, absolut desaströsen Person erfasste, frustrierte ihn zutiefst.

Inzwischen versuchte Izzy tapfer, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. „Versuchen Sie doch einfach, es von der komischen Seite zu sehen …“, forderte sie ihn kichernd auf.

Matteo hatte Mühe, sein aufbrausendes Temperament im Zaum zu halten. Jede normale Frau wäre verstört gewesen oder hätte sich beschämt gefühlt angesichts dessen, was eben geschehen war. Nicht so Izzy Jackson! Sie fand das Ganze auch noch komisch!

„Sie sind schlimmer als eine Naturkatastrophe!“, sagte er und stellte frustriert fest, dass seine eisige Missbilligung sie keine Spur zu beeindrucken schien.

„Ich weiß“, räumte Izzy seufzend ein. „Tut mir schrecklich leid, aber sehen Sie’s doch mal so: Es hätte auch noch viel schlimmer kommen können. Wenn wir beide nun splitterfasernackt und im wilden Liebesspiel verstrickt gewesen wären?“ Da sie ihr dramatisches Statement mit wilden Gesten unterstrich, geriet Izzy aus der Balance und taumelte gegen den Prinzen. „Ups …!“

Mit einem unterdrückten Fluch umfasste er ihre Oberarme und verhinderte, dass sie stürzte. Da er annahm, sie würde gleich wieder auf eigenen Füßen stehen können, ließ er sie los, doch stattdessen sank Izzy schwer gegen seine Brust.

„Wow, ist mir schwindelig … hätte ich doch nur nicht den Champagner getrunken …“

Ihr Haar duftete nach wilden Blumen und ließ ihn an die Sommer zurückdenken, die er als Kind bevorzugt im riesigen Palastgarten verbracht hatte. Die unerwartete Erinnerung drohte Matteo zu überwältigen. „Was denken Sie, wie sehr ich mir wünschte, Sie hätten nichts getrunken!“ Ihre nackten Arme fühlten sich unter seinen Fingern wie glatte, warme Seide an. Er musste sie gehen lassen, jetzt gleich. Doch dann würde sie wahrscheinlich vornüber fallen.

Als wollte sie seine Befürchtung bekräftigen, kuschelte Izzy sich nur noch dichter an ihn und seufzte wohlig. „Sie glauben nicht, wie gut es tut, mal einen Moment auszuruhen“, murmelte sie verschwommen, riss sich dann aber zusammen und legte den Kopf in den Nacken, um ihn anschauen zu können. „Ich habe wirklich alles verpatzt“, gestand sie offen. „Und ich verdiene es, dass Sie ein bisschen verärgert sind, aber vielleicht könnten Sie leise wütend sein, mir … mir geht’s nämlich nicht so gut, Euer Hoheit … Sir.“

„Das verdienen Sie auch nicht nach dem Chaos, das Sie angerichtet haben“, brummte Matteo ungnädig, stellte aber überrascht fest, dass irgendetwas an der genuschelten Entschuldigung und der vertrauensvollen Art, wie sie ihren Kopf an seine Brust schmiegte, ihn seltsam anrührte. Mehr noch! Es heizte auf geradezu unanständige Weise das mühsam unterdrückte Lustgefühl an, das ihn durchströmte, seit er mit dieser unmöglichen Frau in Kontakt gekommen war.

„Sie sind ein Desaster, Izzy Jackson.“

„Ich weiß …“ Ihre Stimme klang gedämpft, und Matteo spürte ihren warmen Atem durch den dünnen Stoff seines Smokinghemds auf der Haut. „Dabei ist das nicht meine Absicht. Ich starte nämlich jeden Tag mit einem neuen, frischen Ziel.“

„Das haben Sie mir schon gesagt.“ Vergeblich versuchte er, seinen Hemdkragen aus ihrem Klammergriff zu befreien.

„Ich wollte Sie nur beeindrucken … Sir.“

„Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, damit Erfolg zu haben, oder?“

„Wieso nicht? Ich dachte, Sie sehen mich und sagen: Wow … aber vielleicht habe ich doch das falsche Kleid ausgesucht. Ich werde einfach meinen Stil und mein Image wechseln und noch einen Versuch starten.“

Matteo sog hörbar den Atem ein. „Nein! Geben Sie Ihren Plan auf … bitte!“

„Aber ich gebe niemals auf. Ich wünschte nur, ich könnte die Uhr einfach zurückdrehen und …“ Sie brach ab, nahm den Kopf von seiner Brust und suchte seinen Blick. „Geht Ihnen das auch manchmal so? Dass Sie sich wünschen, Sie könnten die Uhr zurückdrehen?“

Jeder, mit dem er es zu tun hatte, behandelte ihn wie ein rohes Ei. Man schlich auf Zehenspitzen um ihn herum und legte jedes Wort auf die Goldwaage. Männer verhielten sich ihm gegenüber äußerst respektvoll. Frauen himmelten ihn an, versuchten, ihn zu umgarnen und flirteten mit ihm. Ganz sicher aber bombardierten sie ihn nicht mit intimen Fragen über sein Gefühlsleben.

„Miss Jackson …“ Plötzlich erschien ihm die steife Anrede unter den gegebenen Umständen ziemlich lächerlich. „… Izzy.“

„Ja …“ Erneut hob sie den Kopf, und Matteo schaute in ein blaues Augenpaar mit unglaublich langen schwarzen Wimpern, die unter Garantie nicht echt waren. Ihr Parfüm umnebelte seine Sinne, und sekundenlang verweigerte sein Hirn jede Tätigkeit. Sie roch nach Sommer, Sonne, und vor seinem inneren Auge konnte er sie nackt auf dem dicken Teppich liegen sehen, das herzförmige Gesicht von der blonden Lockenmähne umrahmt …

„Ich wollte Ihre Party wirklich nicht ruinieren“, versicherte sie ihm angesichts seiner undurchdringlichen Miene vorsichtshalber noch einmal. „Sind Sie sehr, sehr böse auf mich? Sperren Sie mich jetzt in ein Verlies und werfen den Schlüssel weg?“

Nie zuvor hatte es ihn so eine Anstrengung gekostet, sich zu konzentrieren. „Ich weiß wirklich nicht, ob ich Sie durchschütteln soll oder Ihnen lieber einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gießen.“

Izzy krauste die Nase. „Hört sich nicht nett an, weder für mich noch für Ihren Teppich. Können Sie sich nicht etwas anderes ausdenken?“

Vielleicht meine Lippen auf diesen schmollenden Erdbeermund zu pressen und sie zu küssen, bis wir beide den Verstand verlieren? Oder ihr das verdammte Kleid vom Körper reißen, um herauszufinden, ob der Rest von ihr genauso warm, weich und anschmiegsam ist wie die nackten Arme?

Matteos Blick wanderte von den himmelblauen Augen zu den vollen Lippen, und er beugte sich vor, sodass sein Mund ihrem gefährlich nahe kam … da öffnete sich die Tür.

Sofort gab er Izzy frei, doch nicht, ohne vorher den überraschten Ausdruck in ihren Augen zu bemerken. Und mindestens ebenso überraschte ihn sein befremdliches Benehmen.

Es war Allegra, die Verlobte seines Bruders, die zögernd eintrat, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht schneeweiß. Ohne Matteos Unterstützung schwankte Izzy gefährlich und musterte ihre Halbschwester besorgt. „Alles in Ordnung mit dir, Ally?“

„Isabelle, wie konntest du …“ Allegra sprach bewusst leise, doch der Horror, den sie offensichtlich empfand, war nicht zu überhören. „Was hast du dir dabei gedacht?“

Genau dasselbe fragte sich Matteo gerade selbst. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Eine Minute später, und er hätte etwas für ihn völlig Untypisches getan. Erleichtert, dass Allegras Auftauchen ihn davor bewahrt hatte, betrachtete er fasziniert, wie sich tiefe Röte auf Izzy Jacksons Wangen ausbreitete.

Oder Isabelles Wangen, denn wie ihm die Verlobte seines Bruders gerade verraten hatte, existierte für das Erdbeermädchen sogar ein anständiger Taufname!

„Ich wollte doch nur ein Lied für dich singen“, murmelte sie jetzt rau. Ihre Stimme klang im Vergleich zu vorher überraschend defensiv und verletzt. „Es sollte eine Art Verlobungsgeschenk sein und …“

„Es geht nicht um deinen Vortrag, obwohl der schon peinlich genug war!“, unterbrach ihre Schwester sie schroff. „Ich rede davon, wie du mit Seiner Königlichen Hoheit sprichst.“ Allegras Blick glitt zu Matteo, und sie versank in einen respektvollen Hofknicks. „Ich bitte um Verzeihung, Sir. Meine Schwester ist es einfach nicht gewohnt, sich bei Hof zu bewegen.“

„Ist mir bereits aufgefallen“, bestätigte Matteo trocken und erkannte plötzlich, dass es genau diese Natürlichkeit und ihr unkonventionelles Verhalten waren, die Izzy Jackson so anziehend machten.

Die Miene der armen Sünderin wirkte wie eingefroren unter dem üppig aufgetragenen Make-up. „Du musst dich nicht für mich entschuldigen, Ally“, erklärte sie steif. „Wenn eine Entschuldigung angebracht wäre, kann ich das auch selbst tun.“

„Wenn?“, keuchte Allegra schockiert. „Selbstverständlich musst du Seine Hoheit um Verzeihung und Nachsicht bitten! Und sollte diese ungeheure Geschichte morgen womöglich noch in der Presse landen, wäre es sogar angeraten, eine offizielle Entschuldigung in sämtlichen Medien zu veröffentlichen.“

Aus den Augenwinkeln sah Matteo, dass Izzy wie schützend die Arme um den Oberkörper schlang, was wohl zu viel für das scharlachrote Kleid war, da schon wieder eine glitzernde Paillette absprang und auf dem wertvollen Aubusson-Teppich landete. Er schluckte trocken.

„Die schreiben sowieso, was sie wollen, ob es wahr ist oder nicht …“, murmelte Izzy störrisch. „Mir ist es egal, und du bist doch sonst auch nicht so empfindlich.“

„Inzwischen schon! Es wäre eine weitere peinliche Schlagzeile über die Jacksons, und damit Wasser auf die Mühlen derer, die ohnehin verächtlich auf unsere Familie herabsehen. Und diesmal wäre es besonders schlimm, weil auch das Königshaus davon betroffen ist. Die Verlobungsparty war dazu gedacht, unsere Familie der Bevölkerung von Santina vorzustellen, und dabei ging es in der Hauptsache um Alex und mich. Die Schlagzeile sollte lauten: Prinz findet seine große Liebe und nicht Gastfreundschaft wird im Burger-Imbiss größer geschrieben als im Palast von Santina.“

Allegra warf Matteo einen um Verzeihung heischenden Blick zu, der verschwendet war, weil er lieber Izzy im Auge behielt, die inzwischen bedenklich schwankte.

„Ich habe doch nur gesungen“, murmelte sie erstickt.

„Die Band hat einen Sänger! Du hast ihn rücksichtslos aus dem Weg gestoßen und dir das Mikrofon gekrallt“, warf Allegra ihrer Schwester vor. „Du musst endlich mit dieser albernen Singerei aufhören und dir einen anständigen Job suchen!“

„Singen ist auch ein Job.“

„Singen ist ein Traum, damit kann man keine Miete bezahlen!“

Der einzige Laut in dem holzvertäfelten Raum war jetzt das dumpfe Tick-Tack einer antiken Standuhr aus dem achtzehnten Jahrhundert.

„Manchen Menschen gelingt es, ihren Traum wahr werden zu lassen“, sagte Izzy irgendwann so leise, dass Matteo sie kaum verstehen konnte.

„Und wie vielen?“, erwiderte Allegra sarkastisch. „Einem unter Millionen? Hör endlich auf, dir etwas vorzumachen!“

Tapfer schob Izzy das Kinn vor. „Es ist erst vorbei, wenn man aufgibt. Und ich werde meinen Traum nie aufgeben!“

„Wach endlich auf, Izzy! Und wenn nicht, dann ruiniere meinetwegen dein Leben, aber bitte nicht meins.“

Daraufhin starrte Izzy ihre Schwester an, als hätte Allegra sie geschlagen. „Ich reiße mich doch nicht darum, dass mich die Presse verfolgt“, flüsterte sie. Ihre Stimme klang wie brüchiges Glas, und Matteo musterte besorgt ihr starres Gesicht. Immer noch in den lächerlichen High Heels stand sie schwankend da wie eine wilde Mohnblume im Sommerwind.

Besser, er übernahm jetzt die Kontrolle. „Überlassen Sie das mir“, wandte er sich an Allegra. „Ich werde das Problem lösen.“

Der Frischverlobten war die Erleichterung deutlich anzusehen, doch Izzys Gesichtsausdruck wandelte sich von Elend zu Empörung. „Ich bin weder das noch ein Problem, das gelöst werden muss!“, giftete sie. „Ich kann mich sehr wohl um mich selbst kümmern! Und wenn es nur darum geht, dass ich den Paparazzi aus dem Weg bleiben soll, verspreche ich es hiermit hoch und heilig.“

Plötzlich dachte Matteo an die drängende Bitte seines Bruders und dirigierte Allegra energisch in Richtung Tür. „Das ist Ihr Tag“, sagte er leise und nachdrücklich. „Die Presseaufmerksamkeit sollte allein Ihnen und Alex gelten, das wollen wir alle. Würde Ihre Schwester in ihr Hotel zurückkehren, ist es wahrscheinlich, dass man ihr dort auflauert, darum bringe ich sie in meinem Wagen von hier weg.“

Noch während er sprach, dachte Matteo, dass es absolut verrückt war, sich länger als notwendig mit einer Frau zu belasten, die ihn jetzt schon nahezu um den Verstand brachte. Aber er hatte es seinem Bruder versprochen.

„Mein Palazzo liegt oben auf einer Klippe, ist streng bewacht und uneinsehbar“, schloss er.

„Hört sich perfekt an.“ Allegra gelang ein zaghaftes Lächeln. „Es wird Alex und mir die Chance geben … zusammen zu sein.“

„Für mich hört es sich wie die Hölle an!“, protestierte Izzy aus dem Hintergrund. „Und wieso glauben Sie überhaupt, dass ich so einfach mit Ihnen gehe? Was soll das werden? Eine gewaltsame Entführung, oder werden wir beide den Rest unseres Lebens glücklich miteinander verbringen wie im richtigen Märchen?“

Matteo ignorierte das Gezeter in seinem Rücken und drückte leicht Allegras kalte Finger. „Gehen Sie zurück zu Alex.“

Izzy konnte es nicht fassen. „Hallo! Ich bin auch noch da, schon vergessen?“

„Ein Umstand, den ich schwerlich vergessen kann!“ Sein sarkastischer Tonfall brachte Matteo einen verletzten Blick von Izzy ein und ein erleichtertes Lächeln von Allegras Seite.

„Vielen Dank, Sir …“

Das empörte Schnauben ihrer Schwester hörte die königliche Braut schon nicht mehr, da Matteo leise und nachdrücklich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Als Izzy sich an ihm vorbeidrängen wollte, hielt er sie zurück.

„Loslassen! Ich muss unbedingt mit Allegra reden!“, fauchte sie und versuchte freizukommen. „Irgendetwas stimmt da nicht. Sie ist ganz anders als sonst …“

Eingedenk seiner eigenen Zweifel an der überraschenden Verlobung konnte Matteo ihr in diesem Punkt nur stumm beipflichten, entschied dann aber für sich, dass sein Bruder wohl in der Lage sein würde, seine Probleme allein zu lösen. Bis auf dieses, das Alex ihm so nachdrücklich ans Herz gelegt hatte. Was blieb ihm also übrig, als Izzy Jackson so schnell wie möglich vom Ort des Geschehens zu entfernen, bevor sie noch weitere Katastrophen auslöste?

Die Presse würde niemals erwarten, dass jemand aus der Familie die königliche Verlobungsparty vorzeitig verlassen könnte, darum zückte er kurz entschlossen sein Handy. „Wir werden umgehend aufbrechen.“

„Ich will keine Minute länger mit Ihnen zusammen sein!“, protestierte sie. „Warum ausgerechnet Sie der begehrteste Junggeselle der Welt sein sollen, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären!“

„Haben Sie einen Mantel?“, fragte Matteo kalt.

„Nein, ich brauche keinen! Und ich werde nicht mit Ihnen gehen!“

„Entweder freiwillig oder ich trage Sie hier raus. Ihre Wahl …“

Sekundenlang standen sie sich wie zwei gereizte Kampfhähne gegenüber, dann holte Izzy erneut tief Luft. „Ich werde nicht … ahh!“, quiekte sie erschrocken auf, als sie sich vom Boden gehoben fühlte und auf Matteos Armen wiederfand. Zielsicher peilte er eine Tür am anderen Ende des Raums an, hinter der sich ein privater Ausgang verbarg. „Lassen Sie mich runter, ich werde schnell seekrank. Und wenn Sie sich jetzt den Rücken verheben, nützt Ihnen das gar nichts!“

„Wie soll das denn passieren? Sie wiegen doch nichts.“ Sie war tatsächlich federleicht … zierlich, aber mit weiblichen Kurven an genau den richtigen Stellen. Und das Gefühl ihres warmen Körpers so dicht an seinem …

Die erstaunten Blicke diverser Palastangestellter eisern ignorierend, eilte Matteo eine Treppe hinunter, die durch den Wirtschaftstrakt in einen privaten Innenhof auf der Rückseite des Palasts führte. Gerade wollte er sich zu seiner Umsicht und wiedergewonnenen Selbstkontrolle gratulieren, da spürte er ihre weichen Lippen an seinem Hals. Ein heißer Feuerstrahl fuhr durch seinen Körper.

„Was tun Sie da?“, fragte er heiser und setzte seine Last sofort ab.

„Ich habe Sie mehrfach höflich gebeten, mich runterzulassen, aber Sie wollten ja nicht hören. Da habe ich es eben mit einer anderen Taktik versucht …“ Sie stand genauso unsicher auf den Beinen, wie sich ihre Stimme anhörte. „Ich fühle mich ja wirklich geschmeichelt, dass Sie mich als echte Bedrohung für die Monarchie ansehen, muss Ihre freundliche Einladung aber leider ablehnen“, formulierte sie langsam und mit Bedacht. „Erstens, weil ich den begründeten Verdacht hege, dass Sie kein netter Mensch sind, zweitens weil es mir wirklich nicht gut geht und viertens …“

„Drittens.“

„Was?“...

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