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Ein Stromausfall in Penhally Bay! Lauren hat panische Angst, als die Dunkelheit sie umfängt. Erst als sie die beruhigende Stimme ihres neuen Kollegen Dr. Gabriel Devereux hört und er sie in seine starken Arme nimmt, kann sie etwas aufatmen. Seine zärtlichen Küsse lassen sie alles um sich herum vergessen - sogar ihre Furcht vor der Dunkelheit. Doch Lauren hütet ein großes Geheimnis und noch ist sie nicht bereit, es mit Gabriel zu teilen …


  • Erscheinungstag 26.07.2016
  • Bandnummer 11
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708115
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Mon Dieu!“ Erschüttert von dem Anblick, der sich ihm bot, hielt Dr. Gabriel Devereux am Rand der Küstenstraße und stieg aus seinem Wagen.

Seit seinem ersten Besuch im Sommer hatte sich das malerische Fischerstädtchen im Norden Cornwalls dramatisch verändert. Damals hatte er Penhally Bay für ein Wochenende besucht, um sich die Gemeinschaftspraxis anzusehen, in der er ein Jahr lang tätig sein würde.

Als Penhally Bay vor Kurzem Partnerstadt von Saint-Ouen-sur-Mer in der Normandie geworden war, arbeitete Gabriel in der Klinik seines alten Freundes François Amiot. Um die beiden Gemeinden enger aneinanderzubinden, sollten Angehörige verschiedener Berufsgruppen im Rahmen eines Austauschprogramms in der jeweils anderen Stadt ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zur Verfügung stellen.

Allerdings war keiner seiner Kollegen bereit gewesen, mit der ganzen Familie für zwölf Monate auf die andere Seite des Ärmelkanals zu ziehen. Gabriel hingegen bot sich die ideale Gelegenheit, noch mehr Abstand zu gewinnen. Schließlich war das, was ihn ursprünglich dazu getrieben hatte, Paris zu verlassen und bei François anzufangen, noch immer nicht endgültig geklärt.

Entschlossen verdrängte er jeden Gedanken an zu Hause und ließ den Blick über die traurigen Zeichen der Zerstörung schweifen. Im Sommer noch war Penhally Bay ein idyllischer, in sanfte Hügel gebetteter Küstenort gewesen, voller Urlauber, die unter einem strahlend blauen Himmel das fast mediterrane Klima genossen. In zarten Pastelltönen gestrichene Häuser und Geschäfte säumten die Bucht, und im Hafen dümpelten zahlreiche Boote auf dem türkisblauen Wasser.

Aber jetzt … Fassungslos schüttelte Gabriel den Kopf. An diesem trüben, wolkenverhangenen Tag Ende Oktober war die Stadt nicht wiederzuerkennen. Sein neuer Chef Nick Roberts hatte in seiner letzten E-Mail zwar eine Flutkatastrophe erwähnt, aber dass sie so verheerend gewesen war, hatte Gabriel den wenigen Zeilen nicht entnehmen können. Zugegeben, Nick Roberts war ein wortkarger Mann, der ihm wohl nur bestätigen wollte, dass Gabriel wie vereinbart Montag seinen Dienst antreten könne. Doch dass er dieses furchtbare Ereignis sozusagen in einem Nebensatz abhandelte, war schon erstaunlich.

Nach einem tiefen Atemzug in der frischen, salzigen Seeluft setzte Gabriel sich wieder in seinen Wagen und fuhr hügelab nach Penhally Bay hinein. Er kam an der Kirche und am Leuchtturm vorbei und hielt auf die Promenade zu.

Als er sich auf halber Strecke der Brücke näherte, drosselte er die Geschwindigkeit. An dieser Stelle floss der Lanson zwischen Bridge Street und Gull Close ins Meer und teilte den Ort in zwei Teile. Und hier war das Ausmaß der Verwüstung am deutlichsten zu sehen.

Die Häuser an der Bridge Street und am Hafen hatten beträchtlichen Schaden genommen, und durch die Kraft der Wassermassen war das Anchor Hotel eingestürzt. Absperrbänder und Warntafeln umgaben den trostlosen Rest des Gebäudes. Ihn zu betreten, hätte Lebensgefahr bedeutet.

Zwölf Tage nach der Katastrophe hatte das Wasser sich zurückgezogen, und die Aufräumarbeiten hatten begonnen. Es gab viel zu tun. Überall lagen Schutt, zersplittertes Holz, Möbel und andere persönliche Besitztümer, die die Flut mit sich gerissen und zu schlammbedeckten Haufen aufgetürmt hatte. Volle Müllcontainer warteten auf Entsorgung, vor Türen und Toren lagen durchweichte Sandsäcke.

Doch in der Stadt herrschte Leben. Die Menschen ließen sich anscheinend nicht unterkriegen. Es war kurz nach Mittag und der Wochenmarkt voller Leute, die sich für das Wochenende mit frischem Obst und Gemüse versorgten. Auch in den Geschäften, die von der Flut nicht betroffen waren, wurde eingekauft. Angler standen an der Kaimauer, und Fischer werkelten an ihren Booten, während Aufräumtrupps zwischen den Häusern arbeiteten.

Gabriel nahm sich vor, in den nächsten Tagen und Wochen mit anzupacken, wo es nötig war. Zuerst jedoch musste er das Haus finden, in dem er ein Jahr lang wohnen würde, und sich dort einrichten.

Während er die von Hecken gesäumte Gasse entlangfuhr, verspürte er eine ungewohnte Nervosität. Penhally Bay war eine eingeschworene Gemeinde, und er hoffte sehr, dass er als Fremder und Ausländer hier Fuß fassen konnte. Nicht dass er das erste Mal in England war, aber sein Praktikum an einem Londoner Krankenhaus ließ sich mit der Arbeit in einer Landarztpraxis kaum vergleichen.

Eine halbe Meile weiter gelangte er zu der Kehre, die er gesucht hatte, und lenkte den Wagen zwischen den Torpfosten hindurch auf die ungepflasterte Auffahrt. An einer Seite lag Gatehouse Cottage, ein reetgedecktes Häuschen, das, wie er von Nick wusste, der Physiotherapeutin der Praxis gehörte. Gabriel versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern, aber er fiel ihm nicht ein.

Im Cottage regte sich nichts, also schien niemand seine Ankunft bemerkt zu haben. Was ihm nur recht war. Er folgte der Auffahrt, und fünfzig Yards weiter kam das nicht besonders große, aber beeindruckende, von mächtigen Bäumen umstandene Manor House in Sicht.

Wie schon bei seinem ersten Besuch erfüllte ihn der Anblick des herrschaftlichen Hauses aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit einer seltsamen Zufriedenheit. Und wie um dieses Gefühl zu verstärken, rissen plötzlich die Wolken über ihm auf. Ein Fetzen blassblauer Himmel wurde sichtbar, und spätherbstlicher Sonnenschein fiel auf die verwitterten und mit Flechten bewachsenen Granitmauern vor ihm.

Instinktiv spürte Gabriel, dass es richtig gewesen war, hierherzukommen. Das war es, was er brauchte – einen Ort, wo er mit gewohnter Begeisterung seinen geliebten Beruf ausüben, und eine Zuflucht, wo er sich in Ruhe überlegen konnte, wie sein Leben weitergehen sollte.

Da er früher als geplant angereist war, stellte er den Wagen hinter dem Gutshaus ab. Er wollte sich in Ruhe einrichten, ehe er seine Ankunft publik machte. Der Anwalt der Besitzer, die sich für längere Zeit im Ausland aufhielten, hatte ihm die Schlüssel zugeschickt, sodass Gabriel problemlos ins Haus gelangte.

Er wusste, dass es seit dem Auszug der letzten Mieter Ende August leer stand, und war überrascht, als ihm ein frischer Duft entgegenwehte. Hier hatte jemand offensichtlich gelüftet, Staub geputzt und die Böden gewischt. Diese Aufmerksamkeit rührte ihn.

Oben im ersten Stock suchte er sich das Schlafzimmer mit dem hübschen Blick auf die hügelige Landschaft aus. Wer auch immer sich um Manor House kümmerte, schien seine Entscheidung geahnt zu haben. Auf dem breiten Himmelbett lag ein Stapel gestärkter Bettwäsche, und im angrenzenden Bad hingen saubere Handtücher über dem Heizkörper. Schlichte Männerseife, noch in Papier verpackt, lag am Waschbecken und in der Ablage der geräumigen Duschkabine.

Gabriel nahm sich vor herauszufinden, wem er all die freundlichen Willkommensgrüße zu verdanken hatte, zog sich aus und trat unter die Dusche.

Das heiße Wasser weckte seine Lebensgeister, und ihm wurde erst jetzt bewusst, wie angespannt er gewesen war.

„Bist du sicher, dass du das wirklich willst?“, hatte sein Freund François gestern noch gefragt. „Ich möchte nicht, dass du dich verpflichtet fühlst, weil keiner von uns nach Cornwall gehen will.“

„Das ist nicht das Problem.“

Nachdenklich lud François einen der Koffer in den Wagen. „Du machst dir Sorgen wegen zu Hause?“

„Immer.“ Mit einem trockenen Lächeln verbarg er die Unruhe, die ihn seit Monaten nicht mehr losließ. „Ich brauche Abstand, um ein paar Entscheidungen zu treffen.“

„Ich halte dir den Rücken frei. Von mir wird niemand erfahren, wo du dich aufhältst. Vor allem, weil wir inzwischen wissen, dass Yvette nicht die geringsten Skrupel hat, ihren Willen durchzusetzen.“

„Danke, mon ami. Aber wir beide bleiben in Verbindung.“

„Worauf du dich verlassen kannst! Ich erwarte sogar, dass du mir regelmäßig mailst oder SMS schickst.“

Er würde François und seine Frau vermissen, das wusste er. „Du und Celeste, passt auf euch auf.“

„Werden wir – und danke, dass du uns geholfen hast, als wir dich brauchten.“

„Dafür sind Freunde da.“

Nach einem kräftigen Händedruck und einer herzlichen Umarmung hatte Gabriel sich auf die Reise nach England gemacht. Ein Kapitel war zu Ende. Was würde ihm das neue bringen?

Er lehnte den Kopf gegen die Armatur. Heute war der erste Tag vom Rest seines Lebens. An ihm allein lag es, was er daraus machte. Er konnte weiterhin seinen Weg gehen oder sich von alten Gespenstern und neuen Forderungen zu etwas zwingen, das er eigentlich nicht wollte.

Die Zeit in Cornwall verschaffte ihm einen Aufschub, und er war fest entschlossen, sie sinnvoll zu nutzen.

Er stellte das Wasser ab, trat aus der Dusche und griff nach einem Handtuch, als ein Geräusch ihn mitten in der Bewegung innehalten ließ. Es hatte sich angehört wie die Haustür. Gabriel wartete, horchte. Ja, da unten war jemand.

Eher neugierig als besorgt, schlang er sich das Handtuch um die Hüften, verließ das Schlafzimmer und schlich lautlos die Treppe hinunter, um sich den Eindringling genauer anzusehen. Die Geräusche wurden lauter, und er bewegte sich auf Zehenspitzen in die Richtung, aus der sie kamen. Im Schatten des unbeleuchteten Durchgangs verborgen, blieb er stehen, sobald er einen Blick in die große, gemütliche Landhausküche werfen konnte.

Ein braun-weiß gescheckter Windhund lag auf dem Steinfußboden, den Kopf auf die Pfoten gelegt, und verfolgte jeden Schritt der jungen Frau, die sich in der Küche bewegte, als ob es ihre wäre. Gabriel schätzte sie auf Ende zwanzig und ertappte sich dabei, dass er den Blick nicht von ihr losreißen konnte. Wärme durchströmte ihn, und sein männliches Interesse erwachte.

Auf der polierten Holzfläche stand ein alter Keramikkrug mit einem bunten Strauß Dahlien, Chrysanthemen und Herbstastern, die eher aus einem Bauerngarten als aus einem Blumengeschäft zu stammen schienen. Daneben lagen mehrere große Tüten. Seine Besucherin summte eine leise Melodie vor sich hin, während sie ihre Einkäufe in den Küchenschränken verstaute.

Sie hatte eine fließende, anmutige Art, sich zu bewegen. Die enge weiße Jeans betonte ihre langen, schlanken Beine und umspannte ihren sanft gerundeten Po. Jetzt drehte sie sich um, ohne zu bemerken, dass sie beobachtet wurde. Der weiche Angorapullover schmiegte sich an ihre vollen, festen Brüste, und das Lavendelblau zauberte Glanzlichter in ihr hellbraunes Haar und verlieh ihren schönen grauen Augen den Schimmer von Amethysten. Gabriel stand da wie gebannt. Wer war diese Frau?

In einer Hand ein Tetrapak Milch und in der anderen einen Eierkarton, wirbelte sie zum Kühlschrank, zog ihn schwungvoll auf und bot Gabriel einen hinreißenden Blick auf ihre weiblichen Kurven. Ihre Hüften bewegten sich verlockend zum Klang der Musik in ihrem Kopf, und ihr welliges Haar fiel ihr wie ein Vorhang aus dunklem Gold über die schmalen Schultern. Sie strich es mit einer Hand zurück, während sie sich wieder aufrichtete, und summte immer noch vor sich hin, als sie sich daranmachte, die nächste Tüte zu leeren.

Fasziniert trat Gabriel einen Schritt vor, in den Raum hinein. Der Hund entdeckte ihn zuerst. Ängstliche braune Augen richteten sich auf ihn, dann fing das magere Tier an zu winseln und kroch zu der Frau hin.

Die beugte sich zu ihm hinab und kraulte ihn beruhigend. „Was ist los, Foxy?“

Was er auch sagte, er würde sie erschrecken. Gabriel räusperte sich und ging weiter. „Hallo.“

Mit einem Aufschrei fuhr die Frau herum. Das Paket Nudeln entglitt ihren Händen und fiel zu Boden. Mit wunderschönen, von dichten schwarzen Wimpern gerahmten rauchgrauen Augen starrte sie ihn an, und ihr üppiger Mund öffnete sich leicht. Während sie zurückwich, legte sie eine Hand auf die zitternde Flanke des Windhunds, die andere zur Faust geballt an ihren Hals. Ihr Blick glitt über seinen halb nackten Körper, und Gabriel fühlte sich plötzlich heftig zu ihr hingezogen.

„Entschuldigen Sie.“ Er lächelte sie an. „Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich hatte nur ein Geräusch gehört und nicht damit gerechnet, hier unten jemanden anzutreffen.“

„Oh, okay. Also, dann … hallo“, sagte sie, nun etwas ruhiger. Ihre melodische, leicht heisere Stimme ging ihm unter die Haut. Verdammt, alles an ihr reizte seine Sinne! „Sie müssen Dr. Devereux sein. Ich hatte Sie nicht vor morgen erwartet“, fuhr sie fort und bückte sich, um die Nudeln aufzuheben.

Verlegen, wie es schien, stellte sie die Packung auf die Arbeitsplatte. Doch dann schenkte sie ihm ein umwerfendes Lächeln und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Lauren Nightingale, Ihre Nachbarin im Gatehouse Cottage und die Physiotherapeutin in der Gemeinschaftspraxis.“

Das war die Frau, von der Nick Roberts gesprochen hatte? Oh, là là! „Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Lauren. Bitte sagen Sie Gabriel zu mir“, meinte er freundlich, ging auf sie zu und nahm ihre schmale Hand.

Sie hatte schlanke, langgliedrige Finger, aber ihr Griff war erstaunlich fest. Als er auf ihre beiden Hände sah, fiel ihm auf, wie hell ihre satinglatte Haut im Vergleich zu seiner war. Ein Kribbeln, wie von einem leichten Stromschlag, schoss seinen Arm hinauf. Lauren schien es auch zu spüren. Sie biss sich auf die Lippen, ihre Pupillen wurden dunkler, und einen winzigen Moment lang schwankte sie, als wollte sie sich an ihn lehnen. Doch dann wich sie zurück und entzog ihm ihre Hand. Gabriel ließ sie nur widerstrebend los.

Aus der Nähe betrachtet, war sie größer, als er anfangs gedacht hatte, einssiebzig, einszweiundsiebzig vielleicht, und noch attraktiver als auf den ersten Blick. Sie besaß eine sinnliche Ausstrahlung und eine natürliche Schönheit wie keine der eleganten Pariserinnen, mit denen er früher ausgegangen war. Ihr zarter, blumiger Duft erinnerte ihn an Landhausgärten im Sommer und lockte ihn mit purer Weiblichkeit. Ihr makelloser Teint hatte kein Make-up nötig. Verblassende Sommerbräune verlieh ihm einen goldenen Hauch, und ihre Haut sah samtig aus.

Fast hätte Gabriel die Hand ausgestreckt, um herauszufinden, ob ihre Wangen sich so zart anfühlten wie ihre Finger. Was für ein bezauberndes Wesen …

Dr. Gabriel Devereux war eine atemberaubende Überraschung!

Lauren befürchtete, dass ihre Knie nachgeben würden, und lehnte sich, wie sie hoffte, in lässiger Pose an den Küchenschrank. Aber sie fühlte sich alles andere als entspannt. Gleich würde sie etwas für sie völlig Untypisches, Impulsives tun, das sie in peinliche Verlegenheit bringen dürfte … wie zum Beispiel, sich in seine Arme zu werfen und ihn stürmisch zu küssen.

Gabriels plötzliches Auftauchen hatte sie aus der Fassung gebracht. Wie lange hatte er dort schon gestanden und sie beobachtet? Dass sie ihn nicht wahrgenommen hatte, als sie in die hell erleuchtete Küche trat, schürte wieder innere Ängste, denen sie sich jetzt jedoch nicht stellen wollte. Auch deshalb ließ sie sich gern durch die Tatsache ablenken, dass der große, athletisch gebaute Mann nur mit einem cremefarbenen Handtuch bekleidet war. Die Versuchung, ihn ausgiebig zu betrachten, war einfach zu verlockend!

Nackte Körper sah sie jeden Tag bei ihrer Arbeit, aber keiner hatte jemals diese Wirkung auf sie gehabt. Ihr Herz schlug heftig, ihr Mund wurde trocken, und sie hatte Mühe, Atem zu holen. Himmel! Unwillkürlich packte sie die Kante der Arbeitsfläche hinter ihr fester, während sie ihn ausgiebig musterte.

Schöne, schlanke Füße, die sie an antike griechische Statuen erinnerten. Kraftvolle, lange Beine, mit feinen dunklen Härchen bedeckt, und muskulöse Oberschenkel, die das Handtuch nicht vollständig verbarg. Eine schmale Linie schwarzer Härchen zog sich über seinen flachen Bauch und verschwand unterhalb des Nabels im Handtuch.

Lauren befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze und widerstand dem sehnsüchtigen Wunsch, die muskulöse Brust und die breiten Schultern zu berühren.

Anscheinend war er direkt aus der Dusche gekommen. Wassertropfen glitzerten auf seinem glatten, gebräunten Körper, und Lauren kämpfte gegen den Wunsch an, ihren Mund auf die warme, feuchte Haut zu pressen. Seinen Duft, nur flüchtig bei ihrem kurzen Händedruck wahrgenommen, hatte sie noch immer in der Nase – eine erregende Mischung, herb und zitronig.

Gabriel Devereux war groß, mehr als einen Meter achtzig, schätzte sie. Das kurz geschnittene dunkle Haar stand ihm gut und betonte seine klassisch schönen und doch ausgesprochen männlichen Gesichtszüge mit den hohen Wangenknochen, der geraden Nase und dem markanten Kinn.

Es juckte Lauren in den Fingern, ihm über das streichholzkurze Haar zu streichen, um herauszufinden, wie es sich anfühlte. Und sein Mund … sein Mund war unglaublich sexy, sinnlich gezeichnet mit voller Unterlippe. Lauren sehnte sich danach, ihn zu berühren und zu schmecken.

Auch mit seinem Lächeln hatte er sie verführt. Wenn er lächelte, erschienen zwei Grübchen in seinen Wangen, und die Lachfältchen um seine Augen vertieften sich. Der Mann schien Humor zu haben und oft zu lachen.

Schließlich blickte sie ihm in die Augen. Sie hatte noch nie so warme braune Augen gesehen. Als Gabriel ihren Blick erwiderte und festhielt, sah sie, wie seine Pupillen dunkler wurden, fast schwarz wie starker Mokka. Es konnte nur bedeuten, dass sein männliches Interesse erwacht war, und der Gedanke löste einen lustvollen Kitzel in ihrem Bauch aus, sodass sie beinahe aufgekeucht hätte.

Was, um alles in der Welt, war nur mit ihr los? Sicher, sie war schon lange nicht mehr mit einem Mann zusammengewesen. Vor sechs Monaten hatte sie sich von ihrem langjährigen Freund Martin Bennett getrennt, aber die Gefühle zueinander waren eigentlich schon vorher erloschen. Lauren und Martin waren ihrer Wege gegangen, nachdem sie festgestellt hatten, dass sie weniger die große Leidenschaft als vielmehr eine gute Freundschaft miteinander verband. Martin wollte unbedingt weg aus Cornwall, während Lauren mit ihrem Leben in Penhally Bay mehr als zufrieden war. Ihre Arbeit machte sie glücklich, hier hatte sie ihre Freunde und konnte sich ihrem geliebten Hobby, der Malerei, widmen.

Wie unwillkommene Gäste schlichen sich beunruhigende Gedanken in ihr Bewusstsein. In letzter Zeit hatte sie Pinsel und Farben nicht angerührt, aber damit konnte und wollte sie sich jetzt nicht befassen. Entschlossen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den attraktiven Mann vor ihr und erbebte, weil sein Blick sich anfühlte, als würde er sie berühren.

Kate Althorp hatte Gabriel schon im Sommer bei Nick zu Hause kennengelernt und hinterher geschwärmt, der französische Arzt sei absolut umwerfend. Das hatte einige Kollegen herausgefordert, Lauren wegen des zukünftigen Nachbarn aufzuziehen. Lachend hatte sie die Neckereien abgetan, aber jetzt musste sie zugeben, dass Kate nicht übertrieben hatte. Himmel, der Mann war mehr als umwerfend!

Prickelnde Vorfreude erfasste sie bei dem Gedanken daran, dass Gabriel Devereux ein ganzes Jahr bleiben würde. Das bedeutete, dass aufregende Monate vor ihr lagen. Nachdem ihre Hormone sich ziemlich lange nicht mehr geregt hatten, setzten sie nun zu einem Freudentanz an.

Lauren brauchte nur in Gabriels Augen zu schauen, und schon fühlte sie sich unbeschreiblich weiblich und begehrenswert. Das Verlangen, das sie in ihnen las, war ein verführerisches Echo ihres eigenen. Oh ja! Sie war interessiert, und wie. Hauptsache, er hatte nicht irgendwo in Frankreich eine Ehefrau oder Freundin …

„Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, mich mit Vorräten zu versorgen, Lauren“, sagte er da. In seinen schmalen Wangen erschienen wieder die Grübchen, und in seinen Augenwinkeln vertieften sich die Lachfältchen wie winzige Strahlen.

Sie hätte in diesem Lächeln versinken können. Und wie er ihren Namen aussprach … Lauren erschauerte unwillkürlich. Sein Englisch war tadellos, aber der französische Akzent verlieh ihm einen besonderen erotischen Charme.

Lauren brannte darauf, diesen faszinierenden Mann näher kennenzulernen, und hätte ihm am liebsten lauter Fragen gestellt. Aber sie wollte ihn nicht verschrecken. Es blieb noch genug Zeit, die unerwartet heftige Anziehungskraft zu erkunden. Das hoffte sie jedenfalls. Fürs Erste gab sie sich besser freundlich und zurückhaltend.

„Gern geschehen“, antwortete sie. „Ich hatte Nick versprochen, dafür zu sorgen, dass Sie alles haben, was Sie brauchen.“

Entspannt verschränkte er die Arme vor der Brust, und das Spiel der beachtlichen Muskeln entging Lauren nicht. „Danke. Es tut mir leid, dass ich Sie mit meiner verfrühten Ankunft überrascht habe.“

„Kein Problem.“ Sie erwiderte sein Lächeln, konnte sich aber nicht zurückhalten, den Blick noch einmal über seinen athletischen Körper gleiten zu lassen. Oh nein, es ist auf keinen Fall ein Problem!

„Haben Sie das Haus gelüftet und Bettwäsche und Handtücher hingelegt?“

„Ja.“ Ein wenig verunsichert schob sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück. „Ist alles in Ordnung?“

„Mehr als das. Ich hatte mir vorgenommen, den Anwalt der Vermieter zu fragen, bei wem ich mich für diesen Willkommensgruß bedanken kann.“

„Das habe ich wirklich gern getan.“

Er betrachtete sie einen langen Moment und sah dann zu dem Windhund hinunter, der sich an ihr Bein schmiegte. „Und wer ist Ihr Begleiter?“

„Das ist Foxy. Bei der Flut hat er sein Frauchen verloren.“ Liebevoll streichelte sie das Tier. „Er ist ein scheuer Kerl und war völlig verstört. Wir haben uns angefreundet, und ich habe ihm ein neues Zuhause gegeben. Aber er braucht Geduld und viel Liebe.“

Gabriel nickte anerkennend. Dennoch hielt Lauren den Atem an, als er sich Foxy zuwandte und ihn leise und sanft ansprach. Schließlich beugte er sich vor und hielt ihm die Hand hin. Während der Hund ihn beschnupperte, wartete Gabriel ruhig, offensichtlich darauf bedacht, keine Bewegung zu machen, die das Tier erschrecken könnte.

Überrascht beobachtete Lauren, wie Foxy sich schließlich von ihm streicheln ließ. Das hatte er in den letzten zehn Tagen außer ihr so gut wie niemandem gestattet. Nur ihre Freunde Chloe und Oliver hatten es geschafft, Foxys Vertrauen zu gewinnen. Dass es Gabriel auf Anhieb gelang, war ausgesprochen interessant und verriet ihr einiges mehr über diesen faszinierenden Mann.

Zufrieden richtete er sich langsam auf und sah Lauren wieder an. Ihr Herz schlug schneller.

„Nick hatte die Überschwemmung in seiner letzten Mail erwähnt, aber so schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Ich war sehr betroffen, als ich vorhin durch die Stadt fuhr.“ Er schwieg und schürzte nachdenklich die Lippen, sicher ohne zu ahnen, dass der Anblick Lauren mit erotischen Fantasien erfüllte. „Sind Sie sehr beschäftigt heute Nachmittag, Lauren?“

„Nein. Warum?“

„Die Mittagszeit ist zwar längst vorbei, aber ich wollte mir etwas zu essen machen. Möchten Sie mir nicht Gesellschaft leisten? Ich würde gern ein bisschen reden – über Penhally Bay, über die Praxis … und darüber, was in den letzten Wochen hier passiert ist.“

„Okay“, sagte sie, um nicht zu eifrig zu erscheinen, aber sie konnte nicht ganz verhindern, dass ihre Stimme ein wenig atemlos klang. „Ich kann noch eine Weile bleiben.“

Erst als sie zustimmte, merkte Gabriel, dass er unbewusst den Atem angehalten hatte. Erleichtert atmete er aus. Er war noch lange nicht bereit, sie gehen zu lassen.

Eigentlich war es lächerlich. Er fühlte sich eher wie ein verliebter Sechzehnjähriger als wie der sechsunddreißigjährige Mann, der er war. Da sah Lauren ihn wieder an, und sein Körper erhitzte sich, als hätte sie ihn zärtlich berührt. Gabriel konnte nur hoffen, dass das Handtuch seine Erregung verbarg.

„Geben Sie mir fünf Minuten, um mich anzuziehen“, bat er und wandte sich dabei ab.

„Gabriel?“

Er blickte über die Schulter. „Ja?“

„Ich könnte in der Zeit schnell etwas zubereiten.“

„Sicher?“

Sie nickte. „Wirklich. Gibt es etwas, das Sie nicht mögen?“

Dieu! Was auch immer sie ihm anbot, er würde bestimmt nicht ablehnen … Gabriel versuchte, seine Fantasie auf das Thema Essen zu beschränken. „Pilze, Krustentiere und rotes Fleisch“, antwortete er.

Ein freudig überraschtes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Ich auch nicht.“ Übermütig fügte sie hinzu: „Und ich muss gestehen, dass ich mich für gekochten Kohl und Erbsenpüree genauso wenig begeistern kann.“

„Glauben Sie mir, Lauren, Sie sind nicht allein!“ Leise lachend verließ er die Küche.

„Hoffentlich – nicht mehr, jedenfalls.“

Hatte er sich die leise geflüsterten Worte nur eingebildet, oder hatte sie sie tatsächlich gesagt? Bedeuteten sie das, was er sich erhoffte? Es verwirrte ihn, wie stark er sich zu dieser Frau hingezogen fühlte. So etwas passierte ihm doch sonst nicht so leicht.

Autor

Margaret Mc Donagh
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