Verbotene Stunden im Wüstenpalast

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Der Blick aus seinen feurigen Augen lässt die süße Star alles vergessen. Auch den Grund, warum sie in das Königreich Duratra gekommen ist: um nach den verschollenen Juwelen zu suchen, die ihre Familie vor dem Ruin retten sollen. Sie ahnt nicht, dass der geheimnisvolle Fremde Scheich Khalif ist! Als er sie in seinen verschwenderischen Palast in der Wüste entführt, kann Star ihm nicht länger widerstehen. Unter dem magischen Sternenhimmel verbringen sie Nächte voller Hingabe. Aber Star weiß: Es kann niemals eine gemeinsame Zukunft für sie geben …


  • Erscheinungstag 22.03.2022
  • Bandnummer 2536
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509565
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Ich bin mir wirklich nicht sicher, dass ich das tun sollte.“

„Nun, uns bleibt nicht wirklich eine Wahl, oder?“

„Aber … ich will dich nicht mit Star und all dem hier allein lassen.“

Stars Herz hämmerte wie wild gegen ihre Rippen. Was ihre Schwestern da besprachen, war nicht für ihre Ohren bestimmt, sicher. Trotzdem hasste sie es, wie sie über sie redeten. Als wäre sie eine lästige Pflicht. Eine Last. Genau wie die lästige Verpflichtung, die ihr Großvater, den sie – zum Glück, soweit es Star betraf – nie kennengelernt hatten, ihnen aufgezwungen hatte.

Hastig blinzelte Star die Tränen zurück und konzentrierte sich stattdessen darauf, was Skye, ihre älteste Schwester, sagte.

„Es sollten wirklich nur ein paar Tage sein. Ich fliege nach Costa Rica, beschaffe die Karte von Benoit Chalendar und komme dann auf direktem Weg wieder nach Hause zurück. Ganz einfach.“

„Nur, dass er die Karte vermutlich nicht ständig bei sich trägt, Skye“, entgegnete Summer, die jüngste Schwester im Bunde, die stets für Frieden in der Familie sorgte.

„Okay, dann muss ich eben noch einen kurzen Zwischenstopp in Frankreich einlegen, aber ich werde trotzdem im Nu wieder zurück sein. Ihr werdet kaum merken, dass ich fort war.“

Star fuhr gedankenverloren mit dem Daumen über die goldene Kette, die sie erst gestern zwischen den anderen Dingen ihrer Urururgroßmutter gefunden hatten. In einer verborgenen Nische in den Buchregalen von Catherines Bibliothek, die sich durch einen geheimen Mechanismus öffnen ließ.

Niemand schien je wirklich die Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben, dass es Catherine gelungen war, die Familienjuwelen fortzuschaffen. Sonst hätten wohl kaum Generationen von Soames – Elias Soames, der ihre Mutter enterbt und verstoßen hatte, inbegriffen – mit einer solchen Besessenheit das ganze Anwesen nach ihnen abgesucht.

Sie schüttelte sich bei dem Gedanken an das Porträt, das im großen Arbeitszimmer hing, in dem ihr und ihren Schwestern der letzte Wille von Elias verlesen worden war.

Er hatte ihnen nur zwei Monate gegeben, um die Soames-Juwelen ausfindig zu machen. Und wenn sie scheiterten, würde das Anwesen in den Besitz des National Trust fallen. Womit die drei Schwestern vermutlich kein Problem gehabt hätten, ginge es nicht um ihre Mutter …

„Halte inzwischen doch bitte ein Auge auf Star – du weißt ja, wie sie manchmal ist.“

Wie sie manchmal ist? Star runzelte die Stirn und trat von der Tür weg. Sie wollte wirklich nicht noch mehr hören, doch leider war sie noch nicht weit gekommen, als Skye weitersprach.

„Ich mache mir Gedanken, dass sie sich selbst auf die Suche nach dem nächsten Hinweis machen könnte. Vor allem, da es so …“

romantisch sein könnte?“, vervollständigte Summer den Satz, und sie fingen beide an zu lachen.

Star ballte die Hände zu Fäusten. Sie liebte romantische Bücher und Filme einfach und würde es nie müde werden, diese vor jeder Kritik zu verteidigen.

„Wir können es uns einfach nur nicht erlauben, dass sie irgendwie in Schwierigkeiten gerät, weil …“ Eine kurze Pause. „Uns läuft einfach die Zeit davon.“

Star zuckte zusammen. Obwohl sie es hasste, ihre Schwestern so reden zu hören, so musste sie doch gestehen, dass sie mit ihrer Einschätzung nicht ganz falsch lagen. Sie sah durch die Fenster der Bibliothek hinaus, wo die Sterne bereits am Nachthimmel über dem Land funkelten, das zum Anwesen gehörte. Jenem Anwesen, das, wenn sie es verkauften, genug Geld einbringen würde, um die lebenswichtige Therapie gegen den Krebs ihrer Mutter zu bezahlen.

„Wir haben schon zwei Wochen gebraucht, um bis an diesen Punkt zu gelangen. Aber jetzt haben wir die Tagebücher. Du hast die geheime Botschaft darin dekodiert – und damit eine echte Chance, die Soames-Juwelen zu finden. Benoit Chalendar hat die Karte der geheimen Gänge des Anwesens, davon bin ich überzeugt.“

„Skye, selbst wenn wir die Karte haben, müssen wir immer noch herausfinden, wo genau sie versteckt sind. Ich meine, die Juwelen werden wohl kaum einfach irgendwo in einer Ecke herumliegen. Und wenn wir den nächsten Hinweis finden, und du bist noch nicht zurück, dann wird Star gehen müssen. Denn ich muss bleiben, um mich mit einem potenziellen Käufer zu treffen. Und das Testament besagt ausdrücklich, dass eine von uns in den zwei Monaten, die uns bleiben, um die Juwelen zu finden, hierbleiben muss“, erinnerte Summer sie.

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass das jetzt unser Leben sein soll. Wir sind auf einer Schatzsuche nach Diamanten, die seit über hundertfünfzig Jahren verschwunden sind. Unglaublich.“

„Schon möglich, aber wenn wir die Juwelen nicht finden, fällt das ganze Anwesen an den National Trust, und wir werden Mum nie helfen können.“

Das stimmte leider. Der Verkauf der Juwelen war der einzige Weg, für die medizinische Versorgung ihrer Mutter aufzukommen.

„Du hast übrigens noch nicht erklärt, woher du diesen mysteriösen Milliardär kennst …“

Star lauschte auf eine Antwort, doch Summer schwieg.

„Du weißt, dass du jederzeit mit uns sprechen kannst.“

„Ich weiß.“

Die Schritte entfernten sich den Korridor hinunter, fort von der Bibliothek. Star ließ sich mit einem Seufzen in einen der antiken Ledersessel sinken. Einmal mehr fuhr sie die feinen Glieder der Kette entlang. Das Gefühl unter ihren Fingerspitzen übte irgendwie eine beruhigende Wirkung auf sie aus.

Es tat weh, dass ihre Schwestern ihr nicht zuzutrauen schienen, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Dass sie an ihr zweifelten. Aber statt in Selbstmitleid zu versinken, versuchte sie lieber, positiv zu bleiben und es als Chance zu sehen.

Sie umfasste den Kettenanhänger und schwor sich, dass sie dem nächsten Hinweis folgen und ihren Schwestern beweisen würde, dass sie sich irrten.

Sie würde dabei helfen, ihre Mutter zu retten.

1. KAPITEL

Khalif atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Er wiederholte diese Prozedur mehrere Male, doch es half ihm nicht wirklich, die innere Anspannung abzuschütteln, die ihn erfasst hatte. Schließlich fuhr er sich mit dem Handrücken über die Augen.

Fünf Stunden. Fünf vergeudete Stunden, in denen er nun schon in diesem Raum hockte, mit fünfzehn Leuten, die ihn erwartungsvoll anstarrten. Fünf Stunden, in denen der Kaffee kalt und das bereitgestellte Gebäck unansehnlich geworden war.

Er murmelte eine Entschuldigung, stand auf und trat hinaus auf den Korridor. Er wollte einfach nur ein bisschen frische Luft schnappen. Frische Luft, ja. Mit einer Flucht hatte das natürlich nichts zu tun. Und der einzige Grund, warum er den Dienstbotengang anstelle des Hauptkorridors des Palasts benutzte, war, dass er für sich sein wollte. Er versteckte sich gewiss nicht vor Amin. Amin war der Assistent seines Bruders – nein, er ist mein Assistent, korrigierte er sich rasch.

Durch ein Fenster, das auf den Schlossinnenhof hinausblickte, konnte Khalif die Touristen sehen, die die Ausstellung verließen, welche in dem öffentlichen Flügel des Duratra-Palasts untergebracht war. Das Lachen von zwei Jungen, die spielerisch von ihrer Mutter über den Hof gescheucht wurden, rief schmerzliche Erinnerungen in Khalif hervor. Daran, wie er und sein Bruder als kleine Jungs mit ihren Streichen die Palastwachen schier um den Verstand gebracht hatten.

Die Trauer traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube, doch er durfte sich seinen Schmerz nicht anmerken lassen. Nicht mehr, wo er nun an erster Stelle in der Thronfolge stand.

Drei Jahre lag der furchtbare Unfall nun schon zurück, doch er ertappte sich noch immer andauernd dabei, wie er sich vornahm, seinem Bruder etwas zu erzählen. Und nicht selten fragte er sich, was Faizan wohl über dies und jenes denken und was er ihm raten würde.

An dem Tag, an dem sein Bruder gestorben war, war sein Leben aus den Fugen geraten. Seither versuchte er verzweifelt, es irgendwie wieder in die richtige Spur zu bringen. Wirklich gelingen wollte es ihm jedoch nicht. Er fühlte sich wie ein Hochstapler in seinem eigenen Palast. Ein schwacher Abklatsch seines Bruders als Ersatz für den Thron. Und fast rechnete er noch immer damit, dass Faizan um die Ecke kommen, ihm lachend auf die Schulter klopfen und erklären würde, dass es alles nur ein dummer Scherz gewesen sei. Doch Khalif wusste es besser, als solch kindischen Tagträumen nachzuhängen.

Verdammt, er wünschte, er könnte einfach die nächste Bar aufsuchen und den bitteren Nachgeschmack von Trauer und Groll mit einem starken Drink hinunterspülen. Doch er hatte seit der Nachricht vom Tod seines Bruders keinen Tropfen mehr getrunken – und auch keine Frau mehr angerührt.

Er mochte früher nur die stille Reserve gewesen sein, der Playboy-Prinz, der sowohl von den Frauen als von der Presse geliebt wurde. Doch jetzt war er der nächste in der Thronfolge und mühte sich jeden Tag ab, der zukünftige Herrscher zu werden, den sein Vater und das Land verdienten. Ein Herrscher, der seinen Bruder stolz machen würde.

Der Korridor, den er hinunterging, führte an der öffentlichen Ausstellung über die Geschichte Duratras vorbei. Als er den Sicherheitsbereich erreichte, blieb er stehen. Alle fünf Sicherheitsbeamte, zwei Uniformierte und drei in Zivil, drängten sich um einen der Monitore.

„Was geht hier vor?“, fragte er, als er in den Raum trat. Er musterte die Bildschirme, die die hintere Wand einnahmen, auf der Suche nach einem Anzeichen von Gefahr für die königliche Familie.

Die Männer schraken regelrecht zusammen und wirkten wie schuldbewusste Schuljungen. Es wäre beinahe amüsant gewesen, hätte ihm der Puls vor Anspannung nicht schmerzhaft hinter den Schläfen gepocht.

„Nichts.“

„Wir bitten um Verzeihung, Eure königliche Hoheit, Scheich …“

„Ich kenne meinen Namen, Jamal“, grollte Khalif. „Also?“

Wieder wiegelten die Männer ab, schüttelten die Köpfe – und als hätte das nicht bereits ausgereicht, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, tat dies spätestens das Aufblitzen von Rot auf dem zentralen Monitor. Jenem Monitor, von dem die Männer alle so fasziniert gewesen waren.

„Was ist …?“ Er brach ab. Eine Touristin stand vor einem der großen Gemälde im Alsayf-Saal. Khalif neigte den Kopf zur Seite. Die Frau war angemessen gekleidet, trug trotz der eher lockeren Kleidungsgepflogenheiten in Duratra ein grünes Kopftuch, das …

Da war es wieder, das Aufblitzen von Rot. Das Kopftuch war zurückgerutscht und hatte einen Blick auf lange, feuerrote Locken entblößt, die die junge Frau nun hastig wieder unter dem Stoff verbarg.

Sie trug eine Jeansjacke, die ihre Arme bedeckte, wobei die Ärmel aber hochgekrempelt waren, sodass man eine Reihe goldener und bronzefarbener Armreifen sehen konnte, die an ihren schmalen Handgelenken baumelten. Sie trug ein grün-weiß gestreiftes Kleid, das bis zum Boden herabfiel und eigentlich absolut sittsam sein sollte, wären da nicht die atemberaubenden Kurven gewesen, die sich darunter abzeichneten.

Er wandte den Blick vom Monitor ab und widmete sich den Männern, die für die Sicherheit seiner Familie verantwortlich waren. „Jamal, du bist ein verheirateter Mann“, tadelte er, als hätte er die Frau gerade nicht selbst regelrecht mit Blicken verschlungen. „Ich hätte Besseres von dir erwartet.“

„Es ist nicht, als ob …“

„Nein, natürlich nicht“, fiel Khalif dem Wachmann mit einem Auflachen ins Wort. „Deine Frau würde dir den Kopf abreißen, wenn sie dich sehen könnte!“

„Nein, Eure Hoheit, es ist wirklich nicht so … Diese Frau … Sie ist jetzt seit über einer Stunde da.“

„Und?“, fragte Khalif, der nicht recht verstand, worauf der Sicherheitsbeamte hinauswollte.

„Sie steht genau dort, vor diesem Bild. Seit einer Stunde“, stellte Jamal klar.

„Oh.“

Khalif wandte sich wieder dem Monitor zu, auf dem die Besucherin noch immer vor dem Gemälde von Hãtem Al Azhar stand – dem Gemälde seines Urururgroßvaters. Er runzelte die Stirn und fragte sich, was sie daran so fesselte. Ein Grundschullehrer brauchte in der Regel fünfundvierzig Minuten, um eine Gruppe Siebenjähriger durch die gesamte Ausstellung zu scheuchen. Khalif wusste das deshalb so genau, weil er als Teenager auf Geheiß seines Vaters in den Ferien dort hatte arbeiten müssen. Um ihn Respekt für die Geschichte des Landes zu lehren, war sein Argument gewesen, und ein Bewusstsein für die Bedeutung des Tourismus zu gewinnen.

Aus Erfahrung wusste er daher, dass es in der Tat ungewöhnlich war, wenn ein Besucher so viel Zeit vor einem einzigen Gemälde verbrachte.

Khalif warf einen letzten Blick auf den Monitor und unterdrückte den Anflug von Bedauern, der ihn überkam, als er den Raum verließ.

Früher einmal wäre sie genau sein Typ gewesen …

Star blickte zu dem riesigen Porträt des Mannes auf, der Duratra vor über einhundertfünfzig Jahren regiert hatte, und lächelte. Das also war der Mann, den Catherine Soames nach ihrer zum Scheitern verurteilten Liebesaffäre mit Benoit Chalendar getroffen hatte. Sie fühlte sich ein wenig, als könnte sie in den bernsteinfarbenen Tiefen seiner Augen versinken.

Ein vernehmliches Räuspern holte sie zurück in die Gegenwart. Sie drehte sich um und sah sich Wahed gegenüber, dem Sicherheitsmann, den sie am Morgen beim Betreten der Ausstellung kennengelernt hatte. Er nickte in Richtung der Wanduhr, die über der Tür hing.

„Oh, Wahed, es tut mir leid. Ich habe gar nicht gemerkt, wie viel Zeit verstrichen ist!“ Sie war zu gleichen Teilen überrascht und beschämt. Wahed war heute Morgen so freundlich gewesen, sie herumzuführen. Nun hatte die Ausstellung eigentlich bereits seit fünfzehn Minuten geschlossen, und sie hielt ihn von seinem wohlverdienten Feierabend ab. Er hatte sich das entschuldigende Lächeln, das sie ihm schenkte, mehr als verdient.

Mein erster Tag ist kein völliger Reinfall gewesen, dachte sie, als sie auf den Ausgang zuhielt. Sicher, die Zeit drängte, doch niemandem wäre damit geholfen, wenn sie sich in eine – inzwischen nur allzu vertraute – Panik hineinsteigerte. Am allerwenigsten ihrer Mutter.

Am Tag, nachdem Skye nach Costa Rica aufgebrochen war, hatte Summer den zweiten Teil der geheimen Botschaft in Catherines Tagebuch entschlüsselt. Und diesem war zu entnehmen gewesen, dass sich der Schlüssel zu dem Raum, in dem Catherine die Juwelen versteckt hatte, im Wüstenkönigreich Duratra befand.

Star spürte ganz einfach, tief in ihrem Herzen, dass es der letzte notwendige Schritt war, die Bedingung im Testament ihres Großvaters zu erfüllen. Danach konnten sie endlich das Anwesen verkaufen und für die lebensnotwendige Behandlung ihrer Mutter aufkommen.

Auf dem Flug nach Duratra hatte Star die Geschichten von Catherines Abenteuern im Mittleren Osten immer wieder gelesen, den ihre Urahnin in Begleitung von ihrem Onkel und dessen Ehefrau bereist hatte. Catherines Vater hatte geglaubt, sie auf diese Weise von Schwierigkeiten fernhalten zu können, bis er einen geeigneten Ehemann für sie gefunden hatte.

Ein Lächeln glitt über Stars Lippen, als sie daran dachte, wie sich unter den Augen ihrer Tante und ihres Onkels eine Liebesgeschichte zwischen Catherine und Hãtem entwickelt hatte. Doch dann erinnerte sie sich an den Schmerz der Liebenden, deren widerstreitende Verpflichtungen sie voneinander entzweiten.

Trotz alledem hatte sich Catherine, nachdem sie nach England zurückgekehrt war, an Hãtem gewandt, und ihn darum gebeten, einen besonderen Schlüssel für sie zu fertigen. Und er hatte etwas Wunderbares für sie erschaffen: einen Schlüssel aus zwei Teilen, die, wenn sie voneinander getrennt waren, als Kettenanhänger getragen werden konnten. Das Schloss und eine Hälfte des Schlüssels hatte er Catherine geschickt, die andere Hälfte, auf ihre Bitte hin, behalten. Für Star war die Tatsache, dass Hãtem immer einen Teil von Catherine bei sich getragen hatte, einfach unglaublich romantisch.

Ihre Finger wanderten zu der Kette, die sie um den Hals trug. Sie fühlte durch den dünnen Stoff ihres Kleids nach dem Anhänger, versicherte sich, dass er noch da war. Morgen würde sie ihn in der Sicherheit ihres Hotelzimmers zurücklassen, doch heute hatte sie sich einfach nicht von ihm trennen können.

Sie hatte nicht gewusst, was sie da in den Händen hielt, als sie ihn zwischen den Tagebüchern im Geheimversteck in der Bibliothek entdeckte. Nur, dass sie sich unwiderstehlich von ihm angezogen fühlte. Und jetzt … Sie konnte nicht anders, als zu denken, dass es vielleicht Schicksal war.

Während Star durch die lichtdurchfluteten Säle der Ausstellung schritt, musste sie sich eingestehen, dass sie sich vielleicht tatsächlich ein wenig von der traurigen Liebesgeschichte ihrer Vorfahrin hatte ablenken lassen. Doch auf keinen Fall würde sie bereuen, nach Duratra gekommen zu sein.

Sie hatte sich auf den ersten Blick in die betriebsame, unglaublich schöne Hauptstadt Burami verliebt. In den fünfzehn Minuten, die sie vom Hotel bis zum Palast brauchte, hatte sie so viel gesehen: unglaublich hohe Apartment- und Bürogebäude, bunte Märkte unter freiem Himmel und schließlich die historischen Steinbauten des Palasts. Moderne und Antike prallten hier aufeinander und existierten dabei nebeneinander in völliger Harmonie. Elektrische Automobile glitten lautlos durch enge, kopfsteingepflasterte Gassen, Lasttiere transportierten Lebensmittel, Stoffe und Gewürze zu Marktständen, an denen auch die neuesten Mobiltelefone und Videospiele verkauft wurden.

Star genoss das Gefühl, sich zugleich in der Vergangenheit und der Gegenwart zu befinden und dabei sozusagen auf Catherines Spuren zu wandeln.

Dass sie bisher keine Hinweise auf die Kette hatte finden können, entmutigte Star nicht. Stattdessen freute sie sich schon darauf, Burami bei Nacht zu erkunden und sich morgen den nächsten Teil der Ausstellung anzusehen.

Sie war so in Gedanken verloren, dass sie geradewegs in etwas hineinlief. Etwas Großes, nicht sehr Weiches und definitiv Bekleidetes.

Und es atmete.

„Oh, ich bitte um Verzeihung. Wirklich, ich …“ Sie sah auf, und ihr Verstand setzte beim Anblick des unglaublich gut aussehenden Mannes aus, der mindestens ebenso überrascht wirkte wie sie.

Star senkte sofort den Blick, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr das Blut in die Wangen schoss. Sie blinzelte ein paarmal in der Hoffnung, auf diese Weise wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Hätte man sie gebeten, ihn zu beschreiben, sie wäre nicht dazu imstande gewesen. Doch ihr Instinkt sagte ihr, dass sie es sofort wissen würde, wenn er sich in einem Radius von hundert Metern von ihr aufhielte. Es war einfach ein Gefühl … eine Schwingung in der Luft.

„Es tut mir leid, ich habe Sie ehrlich nicht gesehen, was sich ziemlich verrückt anhört, angesichts von …“ Sie gestikulierte in seine Richtung, so als würde das ihre wirren Gedankengänge irgendwie erklären. „Ich fürchte, ich bin manchmal ein wenig zerstreut.“ Endlich sah sie zu ihm auf. „Ich bin Star und … ich gehe ganz offensichtlich davon aus, dass alle Welt meine Sprache spricht. Himmel, ich komme mir so dämlich vor.“

Seine Wundwinkel zuckten kaum merklich, und Star war erleichtert, dass er ihr Schwafeln zu verstehen und auch amüsant zu finden schien.

„Ich habe mich wohl ein bisschen verlaufen. Den ganzen Vormittag war ich in der Ausstellung“, sprach sie weiter und blickte sich um, doch der Korridor, in dem sie sich befand, kam ihr nicht bekannt vor, „und die Zeit ist mir einfach davongelaufen … eigentlich war ich im Begriff zu gehen …“

Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Warum hatte er sie noch nicht unterbrochen? Ihre Schwestern hätten längst die Geduld mit ihr verloren. Die Lehrer, mit denen sie zusammenarbeitete, hätten ihr ein mildes Lächeln geschenkt und sie dann einfach stehen gelassen. Doch er war noch immer hier und sah sie einfach nur an.

„Star.“

Ihr Name aus seinem Mund machte sie atemlos. Sie schaute auf und war sogleich gefangen von der Intensität seines Blickes.

Nein, sie bildete sich das gewiss nicht nur ein. Er sah sie wirklich an, als hielte sie die Antwort auf all seine Fragen in den Händen.

Sie schüttelte den Kopf und unterbrach diese merkwürdige Verbindung zwischen ihnen. „Sie verstehen mich ja doch.“ Sanft tätschelte sie seinen Arm. „Ich werde mal den Ausgang suchen.“

„Sir!“

Star bemerkte Wahed, der mit glühenden Wangen auf sie zueilte. Vielleicht hatte sie seine Gastfreundschaft nun tatsächlich ein wenig überstrapaziert.

„Wahed, es tut mir leid. Ich muss irgendwo falsch abgebogen sein und bin dann zusammengestoßen mit …“ Sie wandte sich dem Mann zu, in den sie hineingelaufen war, und war einen Moment lang abgelenkt davon, wie perfekt seine Anzugjacke saß.

„Kal.“

Sie zuckte kurz zusammen, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte und sich an Wahed wandte. „Kal, richtig. Also, wie schon gesagt, ich habe mich auf der Suche nach dem Ausgang verirrt, aber ich glaube, da hinten ist er“, erklärte sie, als sie ein grünes Schild mit weißer Aufschrift und einem Pfeil entdeckte, der vermutlich in Richtung der Ausgangstür wies.

Sie hakte sich bei dem Mann – Kal – unter, in den sie hineingelaufen war, und strebte vehement mit ihm auf den Ausgang zu. Sie konnte es sich nicht erlauben, vom Besuch der Ausstellung ausgeschlossen zu werden. Von daher hielt sie es für besser, die Räumlichkeiten so schnell wie möglich zu verlassen – und den anderen Touristen gleich mitzunehmen.

„Kommen Sie, Kal“, sagte sie und ging mit ihm an Wahed vorbei.

Sie mochte sich täuschen, aber der Wachmann sah ein bisschen so aus, als würde er jeden Moment explodieren.

Wie vor den Kopf gestoßen folgte Khalif der Frau zum Notausgang, der eigentlich nur von Mitarbeitern genutzt werden durfte. Schon allein indem sie ihn berührte, hatte sie sich über sämtliche Regeln der höflichen Etikette hinweggesetzt. Vor lauter Schock war er nicht einmal auf die Idee gekommen, sich von ihr loszumachen. Doch vermutlich hätte er es auch so nicht getan. Ihre schmale Hand, die auf seinem Unterarm lag, wirkte so zart und fragil, dass er fürchtete, er könnte sie zerbrechen. Umso erstaunlicher erschien es ihm, dass diese winzige Berührung ausreichte, um ein elektrisches Knistern zu erzeugen, wie er es noch nie zuvor bei einer Frau erlebt hatte. Aber vielleicht doch nicht so erstaunlich angesichts der Tatsache, dass es in beinahe sechs Wochen der erste Körperkontakt mit einem anderen Menschen war, den er gehabt hatte.

Natürlich war sich Khalif darüber im Klaren gewesen, dass er als Thronfolger nicht einfach so mit seinen Affären weitermachen konnte wie zuvor. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass seine Position die Menschen davon abhalten würde, sich ihm zu nähern. Früher einmal hätte er Jamal auf die Schultern geklopft und mit ihm gescherzt, doch jetzt war alles anders. Es hatte eine Verschiebung in den Machtverhältnissen gegeben, an die er sich noch immer nicht wirklich gewöhnt hatte. Und während er früher die Hand der Fremden wohl einfach abgeschüttelt hätte, sah er sich jetzt nicht dazu in der Lage.

Wahed starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Ihm stand der kalte Schweiß auf der Stirn, und man konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete, als er überlegte, wie er seinen Prinzen aus den Fängen dieser zarten Elfe mit den feuerroten Haaren befreien sollte.

„Gute Nacht, Wahed“, sagte Star, als sie an ihm vorüberkamen. „Wir sehen uns dann morgen.“

Ein Anflug von Panik huschte über Waheds Züge, und Khalif musste den Blick abwenden, um nicht zu lachen und den armen Kerl noch mehr zu beschämen.

„Morgen?“, fragte der Wachmann heiser.

„Oh, ja, ich habe nur den ersten Teil der Ausstellung gesehen. In den kommenden drei Tagen bleiben mir noch drei weitere zu erkunden“, erklärte sie.

„Sie wollen die Ausstellung noch weitere drei Tage besuchen?“

Khalif war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte Wahed leise wimmern zu hören, als sie an ihm vorbeikamen, und konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Mehr noch, er verspürte den immer heftiger werdenden Drang, laut zu lachen. Und aus irgendeinem Grund fühlte er sich leichter als in den Wochen zuvor. Ja, vielleicht sogar leichter als in den letzten Monaten. Jahren … Und dann fiel ihm ein, wann er das letzte Mal so unbeschwert gewesen war, und seine positive Stimmung kippte abrupt.

Es war vor dem Tod seines Bruders gewesen.

„Hat es Ihnen gefallen?“, fragte die Frau in diesem Moment und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie hatte sich halb zu ihm umgedreht und blinzelte gegen das grelle Licht der Nachmittagssonne an. Sie befanden sich im Innenhof für die Mitarbeiter, und durch ein Fenster des Sicherheitsbüros konnte er Jamal sehen, der ihnen besorgt nachblickte.

„Hat mir was gefallen?“, fragte er, während er Jamal ein unauffälliges Signal gab, dass er keine Hilfe benötigte.

„Na, die Ausstellung“, entgegnete sie und lachte erneut, wobei er das Gefühl hatte, dass sie mehr mit ihm als über ihn lachte. Es klang so leicht, so sorglos, dass es ihn wie ein Schlag in die Magengrube traf. Er war beinahe ein bisschen neidisch. Ihre Hand lag noch immer auf seinem Arm, und er wusste, dass er sich von ihr losmachen sollte – er konnte sich einfach nur noch nicht dazu durchringen. „Was hat sie am meisten fasziniert?“

„Nun, ich will nichts vorwegnehmen. Sie haben ja noch eine Menge zu entdecken.“

Sie nickte aufgeregt. „Stimmt. Und Sie haben recht – verraten Sie mir nichts. Ich liebe Überraschungen.“

Das goldene Licht der späten Nachmittagssonne ließ ihre gesamte Erscheinung erstrahlen. Ihr Augen waren nicht grün, wie es bei rotem Haar häufig vorkam, sondern von einem tiefen, dunklen Blau.

Dem Blau der Abenddämmerung.

„Star“, sagte er, als ihm der Zusammenhang klar wurde. Wie ein Stern am Firmament.

„Ja?“

„Schon gut, ich …“

Autor

Pippa Roscoe
<p>Pippa Roscoe lebt mit ihrer Familie in Norfolk. Jeden Tag nimmt sie sich vor, heute endlich ihren Computer zu verlassen, um einen langen Spaziergang durch die Natur zu unternehmen. Solange sie zurückdenken kann, hat sie von attraktiven Helden und unschuldigen Heldinnen geträumt. Was natürlich ganz allein die Schuld ihrer Mutter...
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