Verlangen gegen jede Vernunft

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Dieses Kribbeln, dieses Prickeln ... Obwohl Larkin Wolff offiziell zu ihrem Schutz da ist, spürt Winnie instinktiv: Ausgerechnet der sexy Sicherheitsexperte kann ihr gefährlich werden. Denn wenn sie seiner Anziehungskraft nachgibt, bricht er ihr bestimmt das Herz, oder?


  • Erscheinungstag 24.02.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766856
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Larkin Wolff bremste vor dem computergesteuerten Videomonitor am Eingangstor, drückte einen Knopf und zeigte seinen Ausweis vor. Ein grünes Licht blinkte auf, und die Pforten öffneten sich. Die lange, gewundene Einfahrt, die zum Haus führte, war mit schneeweißem Kies bedeckt. Viele seiner Klienten lebten auf abgeschiedenen Anwesen, doch diese Idylle beeindruckte selbst Larkin. Er sah smaragdgrüne Felder und knorrige Eichen. Durch das Land schlängelte sich ein kleiner Bach, dessen Ufer von Trauerweiden gesäumt war.

Obwohl die Zeit stillzustehen schien, spürte Larkin ein nervöses Kribbeln auf der Haut – eine Vorahnung. Er hatte sich eine Karriere im Bereich modernster Überwachungstechnologie aufgebaut und arbeitete täglich mit elektronischen Sicherheitssystemen und hochkompliziertem Cyber-Schutz. Dabei hatte er ein Gespür entwickelt, das seine Geschwister und Cousins scherzhaft seinen sechsten Sinn nannten.

Larkin ließ ihre Neckereien gutmütig über sich ergehen. Auf Wolff Mountain aufzuwachsen hatte einen ganzen Mann aus ihm gemacht. Doch irgendetwas an dem heutigen Treffen machte ihn nervös.

Endlich hatte er das Haus erreicht. In dieser Gegend lebten vor allem Leute, für die Geld keine Rolle spielte. Das zweistöckige gregorianische Backsteingebäude fügte sich harmonisch in die Landschaft ein, und seine zahlreichen Fenster glitzerten in der Nachmittagssonne.

Larkin griff sich Notizbuch und Laptop, dann stieg er aus dem Wagen. Er atmete tief ein und sog den Duft von Rosen und frisch umgegrabener Erde ein. Er selbst war in einem Haus aufgewachsen, das man zu Recht als modernes Schloss bezeichnen konnte, doch diese wunderschöne Fassade beeindruckte selbst ihn.

Ein Großteil seiner Arbeit führte ihn zu Bürotürmen und in ästhetischer Hinsicht langweiligen Firmenzentralen. Die heutige Kulisse bot eine nette Abwechslung; die Informationen, die er vorab erhalten hatte, waren allerdings seltsam spärlich. Aber vielleicht sah er Probleme, wo es keine gab. Vermögende Familien verspürten oft das Bedürfnis, sich zu schützen. Wer verstand das besser als er?

Larkin drückte die Klingel, die wie ein Löwenkopf geformt war, und wartete geduldig. Geduld war für einen Mann in seinem Beruf überhaupt eine Grundvoraussetzung.

Mit einem Mal schwang die riesige Tür auf, und vor ihm stand eine kleine, zierliche Frau, die ihm kaum bis zur Schulter reichte. Sie war barfuß, trug einen über dem Knie abgeschnittenen Overall und musste Mitte zwanzig sein. Eine wilde weizenfarbene Lockenmähne umrahmte ihr schmales Gesicht, und ihre Augen glitzerten grün und bernsteinfarben. Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Hallo“, sagte sie mit leiser, melodiöser Stimme.

Larkin schenkte ihr ein knappes Lächeln. Ihm fiel auf, dass sie unter dem Overall keinen BH trug. Durch ihre vollen Brüste beulte sich der Stoff an den Seiten. „Mein Name ist Larkin Wolff“, erwiderte er. „Ich bin hier, um mich mit Ms Winifred Bellamy zu treffen. Sie erwartet mich.“

Winnie verspürte ein dringendes Bedürfnis nach Riechsalz oder einem Schluck Whiskey. Es war sehr lange her, seit ein so attraktiver Mann zuletzt über diese Schwelle getreten war. „Ich bin Winifred“, stellte sie sich vor und musterte ihn von oben bis unten. „Bitte, nennen Sie mich Winnie.“ Sie ließ ihn eintreten und geleitete ihn dann in den Salon.

Der Salon war ihr Lieblingszimmer im Haus. Sie hatte ihn schlicht, aber gemütlich eingerichtet. In der Ecke stand ein kleiner Flügel, auf dem sie manchmal spielte, wenn niemand in der Nähe war, der ihr zuhören konnte. Grafiken zierten die Wände, und auf dem Boden lag ein weicher, blassgrüner Perserteppich. Sein raffiniertes Muster erinnerte sie daran, dass an irgendeinem fernen Ort ein Mensch viele Tage, Monate und Jahre damit zugebracht hatte, an diesem Kunstwerk zu arbeiten. Winnie bewunderte solche Hingabe.

Sie machte es sich auf dem Lehnstuhl gemütlich und forderte ihren Gast mit einer Handbewegung auf, auf dem Sofa gegenüber Platz zu nehmen. „Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Mr Wolff.“

Er zuckte die Achseln. „Ihre Nachricht klang dringend.“

„Ja.“ Für einen Moment krampfte sich ihr der Magen zusammen, doch schnell hatte sie das Gefühl niedergekämpft. Sie hatte wieder alles unter Kontrolle. „Ich nehme an, Sie haben den Artikel gelesen, den ich Ihnen beigelegt hatte?“

Er nickte. „Das habe ich.“

Winnie Bellamy hasste es, wenn man sie beraubte. Geld war eine Sache – sie hatte eine Menge davon. Doch als das Arista Magazine sie auf die Liste der zwanzig reichsten Frauen Amerikas gesetzt hatte, war Winnie etwas genommen worden, das sie weit mehr schätzte: ihre Privatsphäre … und ihre Anonymität.

Sie legte die Hände auf die Lehnen ihres Stuhls und lächelte ihn selbstbewusst an. „Womit fangen wir an?“

Larkin Wolff war sich nicht sicher, was sie von ihm wollte. Er beschloss, ein wenig nachzubohren. Wenn ein paar seiner Fragen mehr mit reiner Neugier zu tun hatten als mit tatsächlicher Notwendigkeit, nun … das war seine Sache. „Erzählen Sie mir von sich und Ihrer Familie“, forderte er sie auf. „Wie haben Sie es auf die Liste der reichsten Frauen geschafft?“

Normalerweise hätte er inzwischen längst seinen Laptop aufgeklappt und würde sich Notizen machen. Aber er wollte das Mienenspiel auf Winnies ausdrucksvollem Gesicht nicht verpassen. Ihre Haltung und ihre Bewegungen strahlten eine gelassene Anmut aus. Ihr Benehmen war derart tadellos, als hätte sie ihre Erziehung auf einem exklusiven Schweizer Mädcheninternat genossen. Was durchaus möglich war.

Bevor sie sprach, schien sie ihre Gedanken zu ordnen. Sie wirkte nachdenklich. „Meine Eltern waren beide Akademiker mit unglaublich hohen IQs. Beide hatten hohe Abschlüsse in Anthropologie und Archäologie.“

„Sind sie verstorben?“

„Ja.“ Sie machte eine kurze Pause. „Während ihrer Ehe haben ihre Karrieren sie kreuz und quer über den gesamten Globus geführt. Ihre Vorträge waren sehr gefragt. An Colleges, Universitäten – praktisch überall, wo man sich ihre exorbitanten Honorare leisten konnte.“

„Und auf diese Weise haben sie ein Vermögen angehäuft?“ Er hob skeptisch eine Augenbraue.

„Nein, natürlich nicht. Das Geld war immer da. Der Ururgroßvater meiner Mutter hat während des Ersten Weltkriegs einen Motor erfunden, den er sich patentieren ließ. Und die Familie meines Vaters besaß einen großen Verlag in London.“

„Wo waren Sie während all dieser Reisen?“

Er war geschult darin, selbst auf kleinste Zeichen zu achten. So entging ihm nicht, dass ihre Finger bei dieser Frage fest die Stuhllehnen umklammerten. Im nächsten Moment lockerte sie den Griff wieder und antwortete: „Ich hatte Gouvernanten, Privatlehrer, Internatsaufenthalte, eine erstklassige Erziehung. Alles, was sich ein Kind nur wünschen kann.“

„Bis auf Eltern, die einen abends zudecken.“ Damit hatte er seine eigenen, bitteren Erfahrungen gemacht.

„Nein“, sagte sie ruhig. „Die hatte ich nicht. Aber es gibt schlimmere Probleme.“

„Sicher. Doch ich bin selbst ohne Mutter aufgewachsen. Und mit einem Vater, bei dem sich alles ums Geschäft drehte. Ich kann das nachfühlen, Ms Bellamy.“

„Mir wäre es lieber, wenn Sie mich Winnie nennen. Ms Bellamy hört sich so steif an, und ehrlich gesagt hasse ich den Namen Winifred. Das klingt wie eine altjüngferliche Bibliothekarin.“

Er lächelte breit. „Davon sind Sie weit entfernt.“

„Ich habe Sie unter die Lupe nehmen lassen, Mr Wolff.“ Ihre Wangen hatten sich rosa gefärbt, und er war sich ziemlich sicher, dass sein indirektes Kompliment sie nervös gemacht hatte.

„Das verstehe ich. Sie müssen dem Mann vertrauen, der sich um Ihre Sicherheit kümmern soll.“

„Warum nennen Sie Ihre Firma Leland Security? Man sollte annehmen, dass der Familienname Wolff reichlich Kundschaft anzieht.“

„Ich habe auch so mehr als genug zu tun. Außerdem … Nun, am Anfang lag es wohl daran, dass ich nicht im Schatten meines älteren Bruders oder meiner Cousins stehen wollte. Ich wollte mir selbst einen Namen machen. Diesen Blödsinn habe ich glücklicherweise hinter mir. Doch dabei habe ich einige Erfahrungen sammeln können: Es kann durchaus sinnvoll sein, unauffällig aufzutreten, wenn man mit sensiblen Angelegenheiten zu tun hat. Und Leland ist mein zweiter Vorname.“

„Sagen Sie mir, Mr Wolff …“

„Larkin“, korrigierte er sie.

„Gut, dann Larkin. Stehen Sie für große Aufträge zur Verfügung? Haben Sie das nötige Personal? Den zeitlichen Spielraum?“

„Bevor ich Ihnen eine Antwort gebe, hätte ich noch eine letzte Frage an Sie. Wie und wann sind Ihre Eltern gestorben? Haben Sie wegen des Artikels Angst um Ihre persönliche Sicherheit? Geht es darum?“

Sie zog ihre Knie eng an die Brust und umschlang sie mit den Armen. Die kindliche Pose unterstrich ihre natürliche Schönheit. Keine Spur Make-up bedeckte ihre milchweiße, sommersprossige Haut, und sie erinnerte ihn an eine junge Meryl Streep. „Meine Eltern haben nichts damit zu tun“, gab sie zurück, und ihre Stimme klang angespannt. „Sie sind bei einem Tsunami ums Leben gekommen. Damals haben sie mit Eingeborenen zusammen auf einer entlegenen Insel in Indonesien gelebt. Sie hatten keine Chance.“

„Hat man ihre Leichen gefunden?“

„Nach einer Weile. Ich habe sie einäschern und nach Hause fliegen lassen. Ein DNA-Test hat ihre Identitäten bestätigt. Anwälte sind ohne stichhaltige Beweise in der Regel nicht bereit, ein Milliarden-Dollar-Vermögen zu überschreiben.“

„Es tut mir leid“, sagte er leise.

„Es ist beinahe zehn Jahre her.“ Winnie stand auf und ging langsam durch den Raum. Vor dem Klavier blieb sie kurz stehen. Zärtlich strich sie mit den Fingerspitzen über den Deckel. Es war eine liebevolle Geste, voller Sinnlichkeit und … Wertschätzung. Mit einem Mal war er erregt. Dabei hatte er noch nie eine Frau getroffen, die weniger Wert auf ihr Äußeres legte als Winnie.

„Spielen Sie?“, fragte er.

Sie schaute ihn an, als hätte sie seine Anwesenheit vollkommen vergessen, tief versunken in Gedanken an die Vergangenheit. „Manchmal … für mich selbst.“

„Irgendwann würde ich Sie gerne hören“, meinte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Das wird wahrscheinlich nicht passieren.“

„Warum nicht?“

Sie starrte ihn bloß an und schwieg. Dann wandte sie sich ab und trat vor einen kleinen antiken Sekretär. Sie zog einen silbernen Schlüssel aus ihrer Hosentasche, schloss die mittlere Schublade auf und entnahm etwas, das er nicht erkennen konnte.

Als sie zurückkehrte, legte sie einen Streifen Papier vor ihm auf den Tisch. Ihm fiel die Kinnlade herunter. Sein eigener Wertpapierbestand lag im hohen siebenstelligen Bereich, und das rechnete seinen Anteil an Wolff Enterprises nicht mit ein. Trotzdem kam es nicht alle Tage vor, dass ihm jemand einen Scheck über eine halbe Million Dollar ausschrieb. Winnie hatte das Dokument unterschrieben, doch die Empfängerzeile war leer.

Er hob den Scheck auf. „Was ist das?“

Sie setzte sich wieder und schlug die Beine übereinander. „Das sollte alle anfallenden Kosten abdecken. Aber ich muss mir Ihrer absoluten Diskretion sicher sein. Nichts, was Sie über mich oder meinen Besitz erfahren, darf nach außen dringen.“

Da spürte er es erneut, dieses nervöse Kribbeln auf der Haut. Seinen sechsten Sinn. Abrupt ließ er den Scheck fallen. „Ich bin kein Priester, kein Arzt und glücklicherweise kein Anwalt. Wenn Sie in etwas Illegales verwickelt sind, gehe ich direkt zur Polizei. Sie können meine Loyalität kaufen und meine Diskretion. Wenn Sie allerdings etwas Unrechtes tun, drücke ich kein Auge zu. Sorry.“

Sie schlug die Augen nieder. „Wow. Sie schießen scharf, was?“

„Ich möchte Ihr Geld nicht unter falschen Voraussetzungen annehmen.“

Larkins Heftigkeit schüchterte Winnie nicht ein. Tatsächlich war sie von ihm fasziniert. Larkin war groß und schlank und verfügte über den athletischen Körperbau eines Baseballspielers. Er war anziehend, ohne im strengen Sinne gut aussehend zu sein.

Seine stahlblauen Augen konnten je nach Stimmungslage einen heißen oder eiskalten Schimmer annehmen. Das marineblaue Sakko hatte er abgelegt, und sein Bizeps zeichnete sich deutlich unter seinem dünnen Oberhemd ab. Er wirkte kraftvoll und äußerst männlich.

Aus ihren Akten wusste sie, dass Larkin erst dreißig war, doch sein Gesicht und sein ganzes Auftreten ließen ihn älter erscheinen. „Setzen Sie sich, Larkin. Ich kann Ihnen versichern, dass ich eine gesetzestreue Bürgerin bin.“ Sie war von sich selbst schockiert, als sie hörte, wie sie ihn herumkommandierte – und zu ihrer Überraschung gehorchte er ihr.

Ihre Blicke trafen sich, und es lag eine stumme Herausforderung darin.

Sie seufzte. „Seit dieser Artikel erschienen ist, bin ich überschwemmt worden von Telefonanrufen, Briefen und mehr als einem unerwünschten Besucher. Ich habe in den vergangenen Wochen sechs Heiratsanträge erhalten, einer davon kam von einem verurteilten Sexualstraftäter aus dem Gefängnis. Letzte Woche ist mein privates E-Mail-Postfach gehackt worden. Pornografische Bilder wurden an alle meine gespeicherten Kontakte geschickt. Es geht nicht bloß um mich, sondern auch um die Sicherheit und das Wohlergehen meiner Angestellten. Das muss aufhören … und zwar schnell.“

Larkin beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. „Ich kann mich um all das kümmern. Für einen Bruchteil der Summe auf diesem Scheck. Solche Geschichten gehen schnell vorbei. In spätestens einem Monat hat sich der Wirbel gelegt. Worum geht es Ihnen wirklich? Sagen Sie es mir.“

Winnie faltete die Hände in ihrem Schoß, um zu verbergen, wie sehr sie zitterten. „Auch wenn ich überreagieren sollte, habe ich das Recht, Sie einzustellen und um gewisse Dinge zu bitten … richtig?“

„Natürlich haben Sie das Recht dazu. Aber ein Teil meines Jobs besteht darin, Sie zu beraten. Und es ist nicht nötig, dass Sie sinnlos Ihr Geld verschwenden.“

„Ich verschwende keinen einzigen Cent“, erklärte sie mit belegter Stimme. „Für den Anfang möchte ich, dass Sie alles Notwendige installieren, um unser Grundstück zu sichern. Und ich möchte, dass Ihre Leute mir vorerst vierundzwanzig Stunden am Tag zur Verfügung stehen.“

„Und ich soll mich um ihre Telefon- und Internetangelegenheiten kümmern.“

„Ja.“

„Was sonst noch?“

Alles, was Winnie über diesen Mann gelesen hatte, weckte ihr Vertrauen. Dennoch zögerte sie nun. „Zuerst möchte ich, dass Sie den Scheck ausfüllen.“

Der Ausdruck in seinen Augen wurde kühl und misstrauisch. „Ich habe Ihnen schon gesagt, es ist zu viel.“

„Dann werde ich zwei Schecks ausschreiben: einen für Leland Security und einen für einen wohltätigen Zweck Ihrer Wahl. Ich möchte Schutz im Wert von einer halben Million Dollar.“

„Hat Ihnen mal jemand gesagt, dass Sie paranoid sind?“

Sie schluckte schwer. „Vermutlich kann ein Mann wie Sie nicht begreifen, wie verwundbar man sich als Frau in so einer Lage fühlt.“

„Sind Sie körperlich bedroht worden, seit der Artikel erschienen ist?“

„Bislang nicht. Und da ist noch etwas, um das ich Sie bitten muss: Sobald Sie mein Anwesen gesichert haben, möchte ich, dass Sie mich von hier fortbringen. An einen sicheren Ort.“

„Ich muss gestehen, dass Sie mich verwirren, Winnie.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Larkin Wolff war keine Puppe, die sich manipulieren ließ. Neben seinem Verstand und seiner Kraft verfügte er über eine erstaunliche Intuition. Offenbar wusste er, dass sie ihm nicht alles verraten hatte.

Winnie zitterte am ganzen Leib. Was sollte sie tun, wenn er einfach ging?

„Sie werden sicher verstehen“, sagte er langsam, „dass ich meine Angestellten über jede potenzielle Gefahr in Kenntnis setzen muss.“

Widerwillig musste sie erkennen, dass er recht hatte. Doch je mehr Menschen eingeweiht waren, desto wahrscheinlicher war es, dass etwas nach außen sickerte. „In Ordnung“, murmelte sie. „Ich nehme an, Sie haben sich gründlich über Ihre Mitarbeiter informiert.“

Er schnaubte. „Was denken Sie denn?“

Sie hatte keine Wahl.

Abrupt erhob sie sich. „Folgen Sie mir bitte.“

Der Scheck lag immer noch unangetastet auf dem Tisch.

Winnie führte Larkin durch den hinteren Teil des Hauses und trat dann auf die kühle verglaste Veranda hinaus. Sie standen dicht nebeneinander und blickten auf das idyllische Land, das an diesem Frühlingstag in ein warmes Licht getaucht war.

„Das da drüben ist meine größte Sorge“, sagte sie und zeigte nach vorn. Als sie merkte, dass ihre Hand zitterte, ließ sie sie sinken.

Etwa die Länge eines Fußballfeldes entfernt lag ein Backsteingebäude, kaum kleiner als das Haupthaus. Larkin sah Winnie fragend an. „Was ist so besonders daran?“

Ein Zittern durchlief ihren Körper. So viele Menschen verließen sich auf sie. Winnie räusperte sich, und Tränen brannten in ihren Augen. „Es ist ein geheimer Unterschlupf für misshandelte Frauen und ihre Kinder. Abgesehen von einer Handvoll Personal, mir selbst und nun Ihnen wissen nur noch zwei andere Leute von seiner Existenz.“

2. KAPITEL

Großer Gott. „Es geht Ihnen also gar nicht um Ihre eigene Sicherheit?“, fragte Larkin.

Winnie wandte den Blick nicht von dem Haus in der Ferne. „Nein. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“ Sie hatte ihr Kinn trotzig vorgestreckt. „Es ist meine Aufgabe, diese Frauen und Kinder zu beschützen. Und dieser blöde Artikel gefährdet ihre Sicherheit.“

„Gibt es in der Stadt keine Frauenhäuser?“

„Die Regierung hat in diesem Bereich sicher einiges versäumt. Vor allem aber glaube ich, dass Abstand in so einer Lage das Wichtigste ist. Wir bringen unsere Klientinnen hierher, damit wütende Ehemänner und Freunde sie nicht so leicht aufspüren können.“

„Und bringen sich damit selbst in Gefahr.“

Sie lehnte sich gegen eine Säule und sah ihn unverwandt an. „Sie missbilligen, was ich tue.“

Er zuckte die Achseln. „Sie verfügen offensichtlich nicht über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen.“

Er konnte beinahe dabei zusehen, wie sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. „Wir hatten bislang nie Probleme. Im Grunde haben wir immer noch keine …“

„Sie sind verdammt naiv, Winnie“

Ihre Augen blitzten, und sie ballte die Hände zu Fäusten. „Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Ich habe Sie für die Sicherung meines Grundstücks angeheuert, Ihre persönliche Meinung interessiert mich nicht.“

„Zu schade“, gab er knapp zurück. „Schutz und Beratung gehören bei mir zusammen.“ Er betrachtete die ordentlich gemähte Rasenfläche. „Bringen Sie mich zum Haus.“

Winnie zuckte zusammen. „Das geht nicht. Diese Frauen und Kinder haben Angst vor Männern – vor allen Männern.“

„Ich werde sie bestimmt nicht erschrecken.“

„Das tun sie automatisch. Alles an Ihnen schreit Alphatier und Macho.“

Er musste lächeln. Ein Teil von ihm freute sich über das Kompliment, das sie ihm widerwillig zollte. „Ich werde sensibel vorgehen.“

„Bisher ist noch niemand über diese Türschwelle getreten, abgesehen von mir und einer Handvoll ausgebildeter Fachfrauen.“

„Zum Beispiel?“

„Ärztinnen. Psychologinnen. Sozialarbeiterinnen.“ Ihr Unbehagen war förmlich mit Händen zu greifen.

„Sie haben mir genug vertraut, um mir den Auftrag zu geben. Jetzt lassen Sie mich meinen Job machen.“

Entschieden schaute er sie an. Um das gesamte Ausmaß der Bedrohung einschätzen zu können, musste er sich ein vollständiges Bild von der Lage machen. Nur so konnte er Winnie und ihre Gäste beschützen.

„Na schön“, lenkte sie schließlich resigniert ein. „Lassen Sie mich meine Schuhe holen.“

Nach kaum einer Minute kehrte sie zurück. Sie trug flache Goldsandalen mit unzähligen Riemchen, die ihren Fuß und die Hälfte ihres wohlgeformten Unterschenkels umfassten. Praktisch und gleichzeitig extravagant. Larkin schluckte.

„Folgen Sie mir.“ Winnies Stimme war anzuhören, dass sie fest entschlossen war, die Zügel in der Hand zu behalten. Larkin registrierte es belustigt. Vorerst würde er ihr die Führung überlassen, doch seinen Job würde er auf seine Weise erledigen.

Wortlos liefen sie über die Rasenfläche. Vögel zwitscherten, der Wind raschelte in den Bäumen, irgendwo in der Ferne summte ein Rasenmäher. Während des gesamten Weges studierte Larkin sorgfältig die Umgebung und machte sich im Kopf eine Liste mit potenziellen Sicherheitsrisiken vor Ort.

Winnie hatte schon die Hand auf die Klinke der Vordertür gelegt, als sie plötzlich zögerte. Sie schluckte. „Seit der Artikel erschienen ist“, sagte sie, „konnten die Kinder nicht mehr draußen spielen.“

In ihren Augen las er Schmerz, Reue und Hilflosigkeit. Empfindungen, die er selbst nur zu gut aus seiner Kindheit kannte. Tröstend berührte er ihre Schulter. „Die Situation ist bedauerlich, aber das kann ich leicht in Ordnung bringen.“

„Wirklich?“ Hoffnung und Zweifel mischten sich in diesem einen Wort.

„Morgen spannen wir eine Abdeckplane zur Tarnung auf: So werden auch Armeestützpunkte im Mittleren Osten geschützt. Aus der Luft wird niemand die Kinder entdecken können.“

„Das ist so leicht?“

„Sagen wir einfach, es ist unser geringstes Problem.“

Sie lächelte ihn strahlend an.

Im Haus ging es völlig anders zu, als er erwartet hatte. Winnie hatte ihm erzählt, dass es acht Schlafzimmer gab und momentan einundzwanzig Frauen und Kinder hier lebten. Doch statt Lärm und Chaos herrschte eine beinahe unheimliche Stille.

„Wussten sie, dass wir kommen?“, fragte er mit gesenkter Stimme.

„Ja“, flüsterte sie. „Irgendwer schaut immer aus dem Fenster.“

Niemand eilte zur Begrüßung herbei.

Winnie führte ihn im Erdgeschoss von Raum zu Raum. „Wir haben eine Alarmanlage, die jeden Abend um neun Uhr aktiviert wird. Sie ist so programmiert, dass sie im Haus läutet … In meinem Schlafzimmer, um genau zu sein.“

Er runzelte die Stirn. „Nicht bei der Polizei?“

„In dieser Gegend liegt alles ziemlich verstreut, wie Sie vielleicht bemerkt haben. Ich schätze, man könnte sagen, ich bin der erste Ansprechpartner.“

„Und was können Sie ausrichten?“, erkundigte er sich mit unverhohlenem Zweifel.

Winnie starrte ihn mit dem herablassenden Hochmut einer Herzogin an. „Ich kann schießen, wenn es nötig ist. Glauben Sie mir, Mr Wolff: Ich kann meinen Besitz beschützen.“

Er spürte Ärger in sich aufsteigen, doch er kämpfte ihn nieder. „Sie haben mich beauftragt“, erwiderte er milde. „Es besteht keine Notwendigkeit mehr zur Selbstjustiz.“

„Sie glauben mir nicht.“ Es war eher eine Anklage als eine Frage.

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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