Der süße Geschmack der Leidenschaft

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Ein heißer Flirt zum Dessert? Nicht nur die berühmten Menüs von Sternekoch Rafe Mancini führen die junge Amerikanerin Dani unwiderstehlich in Versuchung - auch seine leidenschaftlichen Küsse. Dabei ist sie in die Toskana gereist, um die Familie ihrer Pflegemutter zu finden, nicht um ihr Herz an einen heißblütigen Italiener zu verlieren! Doch sobald Rafe sie in die Arme zieht, spürt sie nie gekannte Leidenschaft. Was soll sie nur tun? Eigentlich ist sie längst einem anderen Mann versprochen! Auch wenn sie sich eingestehen muss, dass sie sich unrettbar in Rafe verliebt hat …


  • Erscheinungstag 03.01.2017
  • Bandnummer 0001
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707187
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Italien musste das schönste Land der Welt sein.

Fasziniert betrachtete Daniella Tate die mit Kopfstein gepflasterte Straße in Florenz. Über der Stadt strahlte ein azurblauer Himmel. Daniella war mit dem Zug gekommen, aber jetzt musste sie in den Bus umsteigen, um nach Monte Calanetti zu gelangen.

Sie kaufte die Fahrkarte und setzte sich zum Warten auf eine der Holzbänke. Ihr fiel die silberblonde Frau auf, die auf der übernächsten Bank saß und mit leerem Blick vor sich hin starrte. Die schlanke Frau wirkte verloren, und Daniella fühlte mit ihr. Als Pflegekind aufgewachsen, wusste sie genau, wie es war, wenn man allein war und sich einsam, verängstigt oder sogar verwirrt fühlte. Emotionen, die sie auch in den blauen Augen der Frau erkannte.

Die Stimme aus den Lautsprechern kündigte den nächsten Bus an. Eine ältere Dame, die neben der blonden Frau gesessen hatte, stand auf und griff nach der Reisetasche zu ihren Füßen. Die Blonde erhob sich ebenfalls.

„Entschuldigen Sie, aber das ist meine Tasche.“

Die ältere Frau hob zu einem verärgerten Wortschwall in Italienisch an. Die Jüngere sagte in Englisch mit amerikanischem Akzent: „Tut mir leid, aber ich verstehe kein einziges Wort von dem, was Sie da sagen.“

Die Ältere jedoch drückte die Reisetasche fest an die Brust und erklärte der anderen unmissverständlich, dass dies ihre Tasche sei.

Daniella sprang auf und eilte zu den beiden. „Ich spreche Italienisch“, sagte sie zu der Amerikanerin. „Vielleicht kann ich helfen.“ Dann wandte sie sich an die ältere Frau und fragte sie in perfektem Italienisch, ob sie sicher sei, dass die Reisetasche ihr gehöre, denn da stehe noch eine ganz ähnliche auf ihrer anderen Seite.

Verdutzt drehte die ältere Frau den Kopf und lief vor Verlegenheit rot an. Mit überschwänglichen Entschuldigungen reichte sie der Amerikanerin die Tasche zurück, griff sich die andere und beeilte sich, in ihren Bus zu steigen.

Mit einem erleichterten Seufzer lächelte die hübsche Amerikanerin Daniella an. „Vielen Dank.“

„Keine Ursache. Als Sie auf Englisch geantwortet haben, war unschwer zu erraten, dass Sie die Landessprache nicht beherrschen. Warten Sie hier auf einen Bekannten, der Sie abholt?“

„Nein.“

Dani zog eine Grimasse. „Dann haben Sie hoffentlich ein gutes Englisch-Italienisch Wörterbuch dabei.“

Die Amerikanerin zeigte auf die Kopfhörer, die um ihren Hals hingen. „Ein Sprachkurs. In fünf Wochen soll man angeblich fließend Italienisch sprechen.“

„Das könnten lange fünf Wochen werden“, erwiderte Dani mit einem freundlichen Lachen. Sie reichte der anderen die Hand. „Ich heiße übrigens Daniella.“

Die hübsche Amerikanerin zögerte einen Moment, schüttelte dann aber Danis Hand. „Louisa“, stellte sie sich vor.

„Ich bin zum ersten Mal in Italien. Bisher habe ich in Rom Englisch unterrichtet, aber meine Pflegemutter stammt aus der Toskana. Darum will ich die letzten Wochen meines Aufenthalts nutzen, um mir ihre Heimat anzusehen.“

„Ihre Pflegemutter?“

Innerlich krümmte sich Dani leicht. „Tut mir leid, ich bin mal wieder viel zu freimütig.“

Louisa lächelte.

„Das kommt von der Aufregung, in Italien zu sein. Ich habe mir schon so lange gewünscht, Land und Leute kennenzulernen.“ Sie erwähnte allerdings nicht, dass ihr langjähriger Freund ihr am Tag vor ihrer Abreise nach Rom einen Heiratsantrag gemacht hatte. Das war wohl wirklich zu privat. Was sie von diesem Antrag halten sollte, wusste Dani bis heute nicht genau. Hatte Paul sie nur gefragt, um sie an sich zu binden? Oder war ihre Beziehung tatsächlich an den Punkt gekommen, wo eine Heirat der nächste Schritt war? War die Ehe überhaupt das Richtige für sie?

Viel zu viele Fragen. Also hatte sie sich Bedenkzeit ausgebeten und ihm gesagt, sie würde ihm nach ihrer Rückkehr aus Italien antworten. Die Wochen im Februar hätten ein entspannter Urlaub werden sollen, bevor sie nach New York zurückkehrte und dort ihre Lehrerlaufbahn begann. Paul hatte diesen Plan durchkreuzt. Eigentlich hätte sie den Antrag begeistert annehmen müssen, stattdessen war ihr leicht mulmig geworden. Es war wohl das Beste, wenn sie es vorerst zur Seite schob und später darüber nachdachte, wenn die Zeit gekommen war.

Nächsten Monat.

„Ich habe meinen Aufenthalt verlängert, um das Dorf zu besuchen, aus dem meine Pflegemutter stammt. Ich hoffe, ich lerne ihre Familie kennen.“

Louisa lachte. „Das könnte lustig werden.“

Es freute Daniella, dass Louisa so viel Verständnis zeigte. Sie schienen etwas gemeinsam zu haben. „Dann sind Sie auch Touristin?“

„Nein.“

„Entschuldigen Sie, ich wollte nicht neugierig sein.“

Louisa seufzte. „Schon in Ordnung, ich bin einfach nur nervös. Aber Sie haben mir geholfen, und ich sollte nicht so unfreundlich sein. Auf jeden Fall … ich bin unterwegs nach Monte Calanetti.“

Überrascht riss Dani die Augen auf. „Ich auch!“

Die Ansage, dass der Bus mit genau diesem Ziel jetzt in den Busbahnhof einfuhr, unterbrach ihr Gespräch. Daniella wählte einen Platz genau in der Mitte, überzeugt, dass sie von hier aus während der Fahrt am meisten sehen konnte.

Zu ihrer Überraschung fragte Louisa: „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?“

„Nein, ganz im Gegenteil.“

Wieder fiel ihr auf, dass Louisa stets zögerte – bei allem, was sie tat. Irgendwie schien auch bei allem, was sie sagte, das Ende offen zu bleiben.

„Sie bleiben also noch ein paar Wochen, bevor Sie wieder nach Hause zurückfliegen?“

„Ja, den ganzen Februar.“ Daniella holte tief Luft. „Und ich bin fest entschlossen, jede Minute zu genießen. Allerdings werde ich Arbeit finden müssen. Vielleicht als Kellnerin oder Verkäuferin, so etwas in der Art. Das Leben in New York ist teuer, und das Geld, das ich in Rom verdient habe, werde ich brauchen, wenn ich zurückkomme. Daher muss ich mir mein Urlaubsgeld vor Ort verdienen.“

„Guter Plan.“

Der Bus fuhr an. Dani setzte sich gerade auf, damit ihr nichts entging, und Louisa lachte. „Ihre Pflegemutter hätte die Reise mit Ihnen zusammen machen sollen.“

Danis Herz zog sich zusammen. Zwischendurch hatte sie gedacht, sie wäre langsam über den Verlust hinweg, doch dann erinnerte sie wieder etwas daran, dass die liebevolle Frau, die so viel Gutes für sie getan hatte, nicht mehr lebte. Sie schluckte. „Sie ist vor einigen Monaten gestorben. In ihrem Testament hat sie mir das Geld für ein Ticket nach Italien hinterlassen.“

Mitgefühl zog in Louisas Züge. „Mein herzlichstes Beileid. Das war gedankenlos von mir.“

Daniella schüttelte den Kopf. „Sie konnten es ja nicht wissen.“

Louisa musterte sie. „Sie haben also keinen konkreten Plan? Und wissen noch nicht, wo Sie Arbeit finden werden?“

„Nein, ich lasse alles auf mich zukommen. Natürlich habe ich mich vorher über Rosas Familie informiert, und die Sprache spreche ich auch. Also dürfte es nicht allzu schwierig werden.“

„Auf jeden Fall werden Sie weniger Probleme haben als ich, da ich kein Italienisch spreche.“ Louisa hielt ihren Discman hoch und lachte. „Erst in fünf Wochen.“

Während der Bus sich durch die Straßen wand, warf Dani einen letzten Blick auf Florenz. „Ist dieses Land nicht einfach himmlisch? Selbst im Winter mit den kahlen Bäumen wirkt es noch idyllisch.“

„Ja.“ Louisa kaute an ihrer Lippe. „Ich habe auch etwas geerbt“, gestand sie dann zögernd. „Eine Villa.“

„Oh, Gott, eine Villa!“

Louisa wandte den Blick ab. „Ich weiß, schon toll, nicht wahr? Das Haus heißt Palazzo di Comparino.“

„Haben Sie ein Foto?“

„Ja.“ Louisa holte ein Foto aus ihrer Handtasche. Es zeigte ein großes Herrenhaus. Im Hintergrund wuchsen endlose Reihen grüner Rebstöcke unter blauem Himmel.

„Das ist wunderschön“, hauchte Dani ehrfürchtig.

„Bisher habe ich noch nichts in Italien gesehen, was nicht wunderschön wäre. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich aufgeregt bin.“

„Ich wäre mehr als nur aufgeregt!“

„Man hat mir erzählt, dass der Ort Monte Calanetti um den Palazzo herumgewachsen ist, wegen der Weinberge, die zu der Villa gehören, die ich geerbt habe. Man brauchte viele Helfer für die Lese und die Weinproduktion. Und so sind die Familien geblieben. Tja, und ich besitze auf einmal ein Weingut und verstehe überhaupt nichts davon.“

„Heute kann man doch alles aus dem Internet erfahren“, beruhigte Daniella sie.

Louisa holte tief Luft. „Das hoffe ich.“

Aufmunternd legte Daniella eine Hand auf Louisas. „Sie schaffen das schon.“

Louisa lächelte wieder so geheimnisvoll. Daniella ahnte, dass sie sich wünschte, glücklich zu sein, sich aber nicht richtig traute.

„Wissen Sie, ich könnte Hilfe gebrauchen, wenn ich dort bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so einfach in die Villa einziehen kann, ohne dass man mir nicht tausend Fragen stellt. Und da ich kein Italienisch spreche, könnte es kompliziert werden.“

„Vor allem, wenn der Sheriff aufläuft.“

Louisa lachte. „Ich glaube nicht, dass sie hier Sheriffs haben. Die Urkunde, die ich habe, ist in Englisch verfasst. Wenn ich sie den italienischen Behörden vorlege, verursacht das möglicherweise ein Chaos. Wenn Sie möchten, können Sie gern für eine Weile bei mir unterkommen … warum nicht für die ganzen vier Wochen, in denen Sie die Familie Ihrer Pflegemutter kennenlernen? Sie könnten für mich übersetzen. Was halten Sie davon?“

Daniella war überwältigt von so viel Großzügigkeit. „Das wäre fantastisch. Aber ich möchte Ihnen nicht lästig fallen.“

„Sie werden sich Ihre Unterkunft schon verdienen, wenn die ersten Fragen auftauchen und man meine Papiere prüft.“

Daniella strahlte. „Man stelle sich vor … ich logiere in einer Villa!“

Louisa lachte. „Ja, und ich besitze eine Villa.“

„Das Übersetzen übernehme ich gern für Sie, solange ich bleibe.“

„Danke.“

Die Frauen unterhielten sich angeregt und gingen schon bald zum freundschaftlichen Du über, während sie Meile um Meile durch grüne Hügel fuhren. Bis der Bus in ein von einer alten Stadtmauer umschlossenes Städtchen einbog. Rumpelnd fuhr er über das Kopfsteinpflaster, vorbei an alten Ziegelsteinhäusern mit wunderbar erhaltenen Stuckarbeiten und über den Marktplatz. Plötzlich erblickte Dani ein altes hölzernes Hinweisschild zum Palazzo di Comparino und fasste nach Louisas Arm.

„Da! Sieh nur!“

„Ach du meine Güte!“ Louisa sprang auf. „Anhalten!“

Dani stand ebenfalls auf und bat den Busfahrer anzuhalten. Hastig klaubten sie ihr Gepäck zusammen und stiegen aus. Seite an Seite durchquerten sie kleine Gassen und Gässchen und standen schon bald vor der alten Villa aus hellbraunen Backsteinen.

„Du lieber Himmel“, wisperte Louisa ehrfürchtig.

Dani befeuchtete sich die trockenen Lippen. „Das ist ja riesengroß.“

Das Haupthaus war mehrere Stockwerke hoch, lang und breit erstreckte es sich über das Grundstück. Da drinnen schlief man bestimmt in Suiten statt in schlichten Schlafzimmern.

Sie gingen über den mit Naturstein gepflasterten Weg bis zur Eingangstür. Louisa holte einen großen Schlüssel aus ihrer Tasche und schloss auf. Der muffige Geruch eines Hauses, das jahrelang unbewohnt und verschlossen gewesen war, schlug ihnen entgegen. Der Kristalllüster in dem mit Marmor verkleideten Foyer hing voller Spinnweben, die Gemälde entlang der breiten Treppe waren völlig verstaubt.

Daniella wagte einen Schritt ins Haus. „Ist deine Familie adelig?“

Louisa sah sich um. „Nicht dass ich wüsste.“ Sie trat nach rechts in den Salon. Auch hier lag der Staub fingerdick auf allem. Zusammen gingen die beiden Frauen weiter auf Entdeckungstour. Das anschließende Zimmer musste einst eine Bücherei oder ein Arbeitszimmer gewesen sein, daran schloss sich der Speisesaal.

Stockflecken an der Decke zeugten von einem Rohrbruch im ersten Stock, vielleicht leckte sogar das Dach. Die Küche war uralt und musste dringend renoviert werden, genau wie die Bäder im Parterre und im ersten Stock.

Weiter als bis in den ersten Stock waren sie nicht gekommen, als Louisa sich mit Tränen in den Augen zu Daniella umdrehte. „Es tut mir so leid. Ich ahnte ja nicht, in was für einem Zustand das Haus ist. Ich habe vollstes Verständnis, wenn du lieber in einem Hotel unterkommen möchtest …“

„Aber nein!“ Daniella betrat ein unglaublich verstaubtes Schlafzimmer und drehte sich um die eigene Achse. „Ich liebe es! Mit Putzeimer und Staubtuch und Scheuermittel fürs Bad ist das hier der perfekte Raum.“

Unsicher sah Louisa sich in dem Zimmer um. „Du bist wirklich eine Optimistin.“

Dani lachte. „Ich fürchte zwar auch, dass du baldmöglichst die Handwerker kommen lassen musst. Aber unsere Räume und die Küche können wir auf jeden Fall schon mal auf Vordermann bringen.“

Raffaele Mancini starrte Gino Scarpetti, einen großen dünnen Mann, der als Maître d’hôtel im Mancini’s arbeitete, fassungslos an. Das Sterne-Restaurant lag mitten im Herzen der Weinberge. Mit viel Naturstein und Massivholz liebevoll restauriert, verströmte das alte Bauernhaus den Charme der Alten Welt. Die große Auswahl erlesener Weine bezeugte den weithin berühmten Weinkeller des Hauses.

Gino riss sich das Namensschild von seinem blütenweißen Hemd. „Sie, Signor, müssen jetzt zusehen, wie Sie ohne Oberkellner zurechtkommen.“

Im Restaurant wurde es totenstill. Kein Besteckklappern mehr, kein Klingen von Kristallgläsern. Gino drückte Rafe das Namensschild in die Hand, und bevor Rafe auch nur ein Wort sagen konnte, marschierte der Mann zur Tür hinaus.

Ein einzelnes Klatschen ertönte. Dann brach Gelächter aus, und innerhalb von Sekunden applaudierte das ganze Restaurant.

Sie genossen sein Elend auch noch!

Frustriert warf Rafe die Hände in die Luft und verschwand in der ultramodernen Küche, nicht ohne vorher noch die Kommentare seiner Gäste über sein aufbrausendes Temperament und seine Unfähigkeit, gutes Personal zu halten, zu hören.

„Du!“ Er zeigte auf einen schmalen Jungen, der vor einer Woche seine Lehrstelle im Mancini’s angetreten hatte. „Zieh den Kittel aus und stell dich an den Empfang. Du wirst die Gäste zu den Tischen führen.“

Der Junge riss entsetzt die Augen auf. „Aber ich …“

Rafe hob eine Augenbraue. „Wenn du natürlich nicht willst …“ Mehr brauchte er nicht zu sagen. In seiner Küche musste er niemanden daran erinnern, wer der Chef war.

Nur … da draußen im Speisesaal lachten sie über ihn!

Der Junge warf seinen Kittel in die Wäschetonne. In der Küche setzte das geschäftige Klappern wieder ein, und Rafe schloss kurz die Augen. Nicht nur gab es endlose Probleme mit seinem Restaurant, jetzt hatten die Gäste auch noch den Respekt vor ihm verloren.

„Du hättest Gino nicht feuern sollen“, sagte Emory Danoto. Klein und rundlich und ein nahezu ebenso talentierter Koch wie Rafe, war Emory nicht nur der Souschef, sondern auch Rafes Mentor.

Rafe kontrollierte die Vorbereitungen und tat, als ginge es ihm bestens. Verdammt, mir geht es bestens! Er sah sich um. Er wollte keine verschreckten Kaninchen als Angestellte, nicht einmal außerhalb seiner Küche. Und die Reaktion seiner Gäste? Ein dummer Zufall. Irgendjemand da draußen an den Tischen fand es wohl unterhaltsam, wenn ein weltbekannter Chefkoch sich mit Inkompetenz herumschlagen musste.

„Ich habe Gino nicht gefeuert. Er hat gekündigt.“

„Du hast ihn angebrüllt.“

„Ich brülle jeden an!“, donnerte Rafe. „Ich bin der Chefkoch! Ich bin Mancini’s!“

„Natürlich. Und jeder muss deinen Befehlen gehorchen.“

„Stell mich hier nicht als Primadonna hin. Ich tue nur, was das Beste für das Restaurant ist.“

„Nun, Mr. Ich-tue-was-das-Beste-für-das-Restaurant-ist, hast du vergessen, dass uns ein Besuch von Michelin bevorsteht?“

„Gerüchte.“

Emory schnaubte. „Wann hätten wir jemals ein Gerücht ignoriert, wenn es um Michelin geht? Deine Sterne stehen auf dem Spiel. Du predigst doch immer, Chefköche, die solche Gerüchte ignorieren, erwischt es eiskalt. Wenn wir die Sterne behalten wollen, sollten wir auf alles vorbereitet sein.“

Emory hatte recht und erinnerte ihn nur an etwas, das er selbst wusste. Da er das Restaurant auf dem Land etabliert hatte, gab es keine Laufkundschaft. Er brauchte auch keine Laufkundschaft, aber er war auf Empfehlungen und Mundpropaganda angewiesen. Er konnte es sich nicht leisten, Sterne zu verlieren.

Der Lunch war vorbei, das Haus füllte sich fürs Dinner. Zum Nachdenken blieb Rafe keine Zeit. Als schließlich auch die letzten Gäste gegangen waren, die Küche wieder blitzsauber blinkte und das Personal zu Hause den wohlverdienten Feierabend genoss, setzte Rafe sich mit einer Flasche Whisky und einem Glas an die Theke.

Als er die Tür hörte, brüllte er sofort: „Wir haben geschlossen!“ Und schnitt ebenso schnell eine Grimasse. Bin ich denn wirklich so erpicht auf den Ruf als tobsüchtiger Griesgram?

„Nur gut, dass ich kein zahlender Kunde bin, was?“

Rafe drehte sich zur Tür und sah seinen Freund Nico Amatucci eintreten.

Der große dunkelhaarige Nico deutete auf die Whiskyflasche, während er sich auf den Barhocker neben Rafe setzte. „Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du allein trinkst?“

Rafe ging hinter die Bar, um ein Glas für seinen Freund zu holen. „Ich trinke ja gar nicht allein.“ Er schenkte Nico großzügig ein. „Mein Maître d’hôtel hat gekündigt.“

Nico prostete ihm zu. „Wundert dich das?“

„Ich bin Künstler!“

„Du bist unerträglich.“

„Das auch.“ Rafe seufzte. „Ich will doch einfach nur, dass alles perfekt läuft. Gleich morgen lasse ich durchsickern, dass ich jemanden suche. Man wird mich belagern. Kein Problem.“ So lässig er das auch sagte, er wusste genau, dass es nicht einfach werden würde. „Oh, Mann, ich habe keine zwei Wochen Zeit, um auf Bewerbungen zu warten, und für Einstellungsgespräche habe ich auch keine Zeit. Ich brauche morgen jemanden.“

Nico trank einen Schluck. „Dann, mein Freund, hast du wohl doch ein Problem.“

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen stöberten Daniella und Louisa eine Dose mit Tee auf und fanden sogar einige Pfannkuchen in der Gefriertruhe. „Da haben wir ja Glück, dass sie den Strom nicht abgeschaltet haben“, meinte Louisa erleichtert.

„Mit Glück hat das nichts zu tun. Ein Generator sorgt für den Strom, damit die Leitungen im Winter nicht einfrieren.“

Erschreckt fuhren die Frauen herum, als sie die männliche Stimme hinter sich hörten.

Ein attraktiver dunkelhaariger Mann stand mit gerunzelter Stirn in der Küchentür. Er schien Italiener zu sein, sprach aber perfektes Englisch. „Frühstücken Sie noch zu Ende, aber dann muss ich Sie auffordern zu gehen. Das hier ist Privatbesitz.“

Louisa hob ihr Kinn. „Das weiß ich. Ich bin Louisa Harrison, ich habe die Villa geerbt.“

Der Mann kniff die Augen zusammen. „Können Sie das beweisen?“

„Natürlich. Mit den Dokumenten meines Anwalts.“ Sie reckte die Schultern. „Die Frage ist allerdings … wer sind Sie?“

„Nico Amatucci.“ Er zeigte hinter sich. „Ich wohne nebenan. Und ich halte ein Auge auf das Haus hier.“ Er lächelte schmal. „Diese Dokumente würde ich gern sehen. Oder …“, er zog sein Smartphone aus der Tasche, „… soll ich die Polizei verständigen?“

„Das wird nicht nötig sein.“ Louisa ging zu ihrer Tasche, und Daniella, die sich nicht in das Gespräch einmischen wollte, beschäftigte sich angelegentlich damit, Tee zu kochen.

„Und Sie sind?“

„Eine Freundin von Louisa.“

Er schnaubte nur abfällig. Doch da kam Louisa auch schon mit dem Dokument vom Anwalt zurück. Als Nico danach griff, zog sie es zurück. „Nicht so schnell. Ich hätte gern den Schlüssel, den Sie benutzt haben.“

Er hielt ihren Blick fest. „Sobald ich mich versichert habe.“ Sein Lächeln hätte einen See überfrieren lassen können. „Seit Jahren steht das Haus leer, und plötzlich tauchen Sie hier auf.“

„Mit einem Schreiben meines Anwalts.“ Sie reichte Nico das Papier.

Er überflog die Zeilen, sah dann Louisa an. „Willkommen im Palazzo di Comparino.“

Über der Teekanne stieß Daniella die Luft aus, die sie angehalten hatte.

Louisa ließ ihr Gegenüber nicht aus den Augen. „Was denn, einfach so? Das Schreiben könnte doch auch eine Fälschung sein.“

Er reichte ihr das Dokument zurück. „Erstens kenne ich den Anwalt, der sich um die Belange des Anwesens kümmert, und zweitens werden hier Details erwähnt, die kein Außenstehender wissen kann.“ Anstandslos überreichte er ihr den Schlüssel. „Da das Haus so lange leer gestanden hat, ist einiges an Reparaturen angefallen. Sollten Sie Hilfe benötigen …“

Louisa steckte das Papier zurück in ihre Jeanstasche. „Ich komme zurecht.“

Nico kniff abschätzend die Augen zusammen. Drückendes Schweigen legte sich über die Küche.

Als der Wasserkessel pfiff, zuckte Daniella zusammen. „Möchte jemand eine Tasse Tee?“ Am liebsten hätte sie sich getreten. Das lag nur an den guten Manieren, die ihre Pflegemutter ihr eingebläut hatte!

„Ja, gern“, sagte Nico, ohne Louisa aus den Augen zu lassen.

„Später vielleicht“, lehnte Louisa ab und verließ die Küche.

„Na, die ist ja freundlich“, schnaubte Nico, und Dani nahm sich zusammen, um ihm nicht deutlich zu zeigen, wie unmöglich er sich benommen hatte. Das ging sie alles nichts an.

„Kennen Sie Miss Harrison schon lange?“

„Wir haben uns gerade erst getroffen. Ich habe ihr mit meinen Italienischkenntnissen ausgeholfen, und wir haben zufällig denselben Bus hierher genommen.“

„Da haben Sie also das große Los gezogen und direkt eine Gratisherberge für sich gefunden, was?“

Der Typ ist ja unerträglich! „Ich nutze sie ganz bestimmt nicht aus, wenn Sie das andeuten wollen! Ich habe gerade meine Vertretungszeit als Englischlehrerin in Rom beendet, und Louisa braucht einen Dolmetscher.“ Sie richtete sich kerzengerade auf. „Gleich heute werde ich mich nach einem Job umsehen, mit dem ich meinen Aufenthalt hier finanzieren kann.“

Er nahm seine Teetasse in Empfang. „Was für einen Job suchen Sie denn?“

Sein freundlicher Ton nahm ihr den Wind aus den Segeln. „Irgendetwas, ganz gleich, was. Es ist ja nur befristet.“

„Würden Sie auch als Restaurantleitung arbeiten?“

„Sicher, warum nicht“, erwiderte Dani verständnislos.

„Ein Freund von mir braucht dringend eine Vertretung für seinen Maître d’hôtel, der gekündigt hat, bis er eine feste Kraft für die Position findet.“

Ihre Meinung über diesen mysteriösen Mann besserte sich minimal. Vielleicht war er doch nicht ganz so unerträglich. „Klingt gut.“

Er schrieb die Adresse auf seine Visitenkarte. „Rufen Sie nicht vorher an, sondern gehen Sie einfach hin. Sagen Sie, dass Nico Sie schickt, und legen Sie die Karte vor.“ Er stellte die Teetasse ab, sagte: „Richten Sie Miss Harrison bitte meinen Gruß aus“, und damit ging er.

Daniella musterte die Visitenkarte in ihrer Hand. Seltsam. Da half der Typ ihr so selbstverständlich, aber mit Louisa kam er offensichtlich nicht zurecht. Mit der Zeit würde sich das hoffentlich ändern. Schließlich waren sie Nachbarn.

Aufgeregt, weil sie einen Job in Aussicht hatte, machte sich Dani auf die Suche nach Louisa und fand sie in ihrem Zimmer. Gestern Abend noch hatten sie zusammen zwei der Räume geputzt. Jetzt mühte Louisa sich ab, alle weißen Tücher und Laken, die sie dabei von Möbeln gezogen hatten, zusammenzutragen. „Ich habe Waschmaschine und Trockner entdeckt, und ich musste einfach etwas tun. Überall dieser Staub!“ Deprimiert ließ sie sich auf die Bettkante sinken. „Und erst die Stockflecken! Das heißt, die Rohre müssen repariert werden, vielleicht sogar das Dach.“ Sie sah Daniella bedrückt an. „Wie soll ich das nur alles schaffen?“

Dani setzte sich zu ihr. „Wir werden Schritt für Schritt vorgehen.“ Nicos Visitenkarte ließ sie vorerst in ihrer Tasche. „Heute schrubben wir erst einmal die Küche, und dann nehmen wir uns ein Zimmer nach dem anderen vor.“

„Und was machen wir mit dem Dach?“

„Beten, dass es nicht regnet.“

Louisa lachte traurig. „Ich meinte das ernst.“

„Vielleicht habe ich einen Job in einem Restaurant.“

„Wirklich?“

Autor

Susan Meier
<p>Susan Meier wuchs als eines von 11 Kindern auf einer kleinen Farm in Pennsylvania auf. Sie genoss es, sich in der Natur aufzuhalten, im Gras zu liegen, in die Wolken zu starren und sich ihren Tagträumen hinzugeben. Dort wurde ihrer Meinung nach auch ihre Liebe zu Geschichten und zum Schreiben...
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