Geküsst, verführt – verraten?

– oder –

 

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Vermische niemals Arbeit und Vergnügen! Normalerweise hält sich Nolan Cooper an diesen Grundsatz. Doch seiner neu angeheuerten PR-Expertin Delaney Alexander verfällt der CEO eines Raumfahrtunternehmens schon an deren erstem Tag. Während sie gemeinsam eine Imagekampagne entwickeln, tauschen sie nicht nur Ideen, sondern auch verlangende Küsse aus! Und nach Feierabend wird der Kontakt noch enger … Aber dann erfährt Nolan schockiert, dass Delaney ihn womöglich aus purer Berechnung verführt hat!


  • Erscheinungstag 20.06.2023
  • Bandnummer 2295
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515665
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als Delaney Alexander die Kirche betrat, beachtete sie die Blicke und geflüsterten Bemerkungen nicht, sondern sah sich nach einem freundlichen Gesicht um. Viele ihrer Bekannten, auch ihre Familie, würden sie ignorieren, denn sie wurde gerade sozial geächtet. Das hatte sie auf Wend-Z City gelesen.

Puh.

Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Beinahe hätte sie den Rat ihres Vaters befolgt und sich zu Hause verkrochen, aber das ging ihr gegen den Strich. Sie war es satt, sich zu verstecken. Ihr ganzes Leben war sie aktiv gewesen, immer beschäftigt. Ihre Lebensweise wirkte vielleicht verrückt, aber das störte sie nicht. Sie hatte schon immer nach ihren eigenen Regeln gelebt.

Bis Malcolm Quell in ihr Leben getreten war. Der schleimige Manager hatte gesagt, er liebe sie – eine Lüge. Sie würden einander stärker machen – noch eine Lüge. Und er hatte gesagt, dass er auf der Suche nach Investoren für sein Geschäft sei – die Wahrheit. Aber das Schlimmste von allem: Er hatte aller Welt erzählt, sie sei nicht genug für ihn gewesen – vielleicht auch die Wahrheit?

Zuerst war sie wütend gewesen. Weil Malcolm öffentlich mit ihr Schluss gemacht und all ihre Sachen vor seine Haustür geworfen hatte. Wütend, weil er so schnell darüber hinweg gewesen und mit einem jüngeren und heißeren Promisternchen ausgegangen war. Wütend, weil ihr geliebter Hund Stanley immer noch verrückt nach dieser Ratte war.

Aber all das hatte sich geändert, als sie nach einer beiläufigen Äußerung von ihm und nach einer Durchsuchung seines Safes begriff, dass er windige Geschäfte am Laufen hatte. Allerdings war sie wegen Hausfriedensbruchs verhaftet worden. Alle, von den Klatschspalten der Internetseite Wend-Z City bis zu Fremden auf der Straße, hatten sie für eine intrigante Frau gehalten, die nicht über ihren Ex hinwegkam. Aber das war es ihr wert gewesen, denn nun hatte Delaney einiges gegen Malcolm in der Hand.

Und sie war nur einen Schritt davon entfernt, seine illegalen Geschäfte auffliegen zu lassen und ihren Plan zu vollenden. Es hieß, die perfekte Rache bestehe darin, ein gutes Leben zu führen. Quatsch. Die perfekte Rache bestand darin, den Menschen, der einen verletzt hatte, mit der Nase in die eigene Scheiße zu stoßen.

Genau das hatte sie mit Malcolm vor. Aber zuerst musste sie diesen Tag überstehen und aller Welt mit einem Lächeln beweisen, dass sie wirklich über ihn hinweg war.

Sie spürte, wie eine kleine Hand ihre berührte, wandte den Kopf nach unten und blickte in ein Paar großer, brauner Augen, die von den dichtesten, schwärzesten Wimpern bekränzt waren, die sie je gesehen hatte. Delaney ging in die Knie, um mit dem Mädchen auf gleicher Höhe zu sein.

„Hallo, du. Alles in Ordnung?“

Die Kleine runzelte die Stirn. „Pamela? Mein Daddy sagt, er sei gleich da und ich soll bei dir bleiben.“

„Sorry, ich bin nicht Pamela. Ich bin Delaney, und wer bist du?“ Sie lächelte. Als Kind hatte sie selbst mit ihrem Vater an vielen offiziellen Veranstaltungen teilgenommen und war mehr als einmal verloren gegangen.

„Daisey. Daddy hat gesagt, ich sollte nach der hübschesten blonden Frau suchen, und da habe ich dich entdeckt.“

Delaney mochte die Kleine, und das nicht nur, weil sie das Wort „hübsch“ benutzt hatte. „Ich helfe dir, Pamela zu finden. Heute ist eine ganze Reihe hübscher Frauen da. Dich eingeschlossen.“

Das Kind drehte sich einmal leicht, damit sich der weite Rock seines Kleids um seine Beine herum auffächerte. „Mein Kleid schwingt so schön. Solche Kleider mag ich am liebsten.“

Delaney richtete sich wieder auf. „Geht mir auch so. Pamela hat also blondes Haar?“

Daisey nickte.

Noch mehr Leute betraten den Vorraum, und da Delaney nicht mehr allein war, zögerte sie nicht, in die Kirche zu gehen.

„Kennst du die Braut oder den Bräutigam?“, fragte sie das kleine Mädchen, als sie sich auf die Suche nach Pamela machten.

„Den Bräutigam. Er arbeitet für meinen Vater.“

Delaney hatte den Bräutigam noch nicht kennengelernt. Die Braut war ihre Cousine, aber sie standen sich nicht besonders nahe. Tatsächlich war sie nur hier, weil sie versuchen wollte, einen der Gäste zu treffen: Nolan Cooper. Er war ein Konkurrent von Malcolm und tastete sich langsam an die Regierungsaufträge von Quell Aerospace heran. Er war der Schlüssel für ihren Racheplan. Delaney hoffte, ihm über den Weg zu laufen und ihm einige Informationen über das zukommen zu lassen, was sie in Malcolms Safe gesehen hatte. Damit würde sie Cooper Aeronautical in die Steigbügel helfen. Denn auf ehrlichem Weg könnte Cooper nach allem, was Delaney gesehen hatte, Malcolm nicht schlagen.

Als sie zum mit rosafarbenen Blumen geschmückten Mittelgang kamen, fragte ein Freund des Bräutigams, ob sie Gäste der Braut oder des Bräutigams seien.

„Von beiden. Ich helfe dieser jungen Dame, ihre Familie zu finden. Sie gehört zum Bräutigam“, sagte Delaney.

„Die Gäste des Bräutigams sitzen auf der rechten Seite. Dort können Sie nachsehen“, schlug er vor.

„Danke.“ Delaney blickte sich in der großen Kirche um, die bereits halb voll war.

„Darf ich Sie beide begleiten?“, fragte er.

Sie sah zu Daisey hinunter, die jedoch den Kopf schüttelte. Sie umfasste Delaneys Hand fester. Anscheinend schüchterten sie der fremde Mann und die volle Kirche ein.

„Wir kommen klar“, sagte sie und ging weiter. Daisey zog an ihrer Hand. Delaney blieb stehen und sah zu ihr hinunter.

„Kennst du die Braut?“, fragte Daisey.

Delaney nickte und suchte die Reihen nach einer blonden Frau ab. Sie sah mehrere, war aber nicht ganz sicher, ob eine von ihnen Pamela war. Sie bemerkte, dass ihr Vater sie entdeckt hatte. Er runzelte die Stirn, als ihre Blicke sich begegneten. Sie wandte sich ab und beugte sich wieder zu Daisey hinunter. „Ich sehe drei blonde Frauen, aber ich bin nicht sicher, welche von ihnen Pamela ist. Vielleicht sollten wir nach vorne gehen und einfach auf deinen Vater warten.“

Daisey nickte, legte Delaney die Hand auf den Arm, beugte sich zu ihr und flüsterte: „Alle starren uns an.“

Delaney sah sich um und bemerkte, dass nicht nur ihr Vater sie entdeckt hatte. „Nur weil du so hübsch bist und jeder herausfinden will, wer du bist.“

Daisey kicherte. „Das sagt Daddy auch immer.“

„Dann muss er sehr klug sein. Am besten tun wir so, als ob wir diese anderen Leute gar nicht bemerkten, und warten einfach auf deinen Vater.“ Sie richtete sich wieder auf und wandte sich, Daiseys Hand fest in ihrer, um. Dabei stieß sie gegen einen sehr großen Mann. Ein exklusiver Herrenduft stieg ihr in die Nase. Auf seinem attraktiven Gesicht mit den dichten Wimpern lag ein finsterer Ausdruck.

„Daiseys Daddy?“ Sie legte den Kopf schräg.

„Allerdings, und Sie sind?“

„Laut Daisey eine hübsche blonde Frau“, scherzte Delaney.

„Daddy!“ Daisey umschlang die Beine ihres Vaters. „Delaney hat versucht, mit mir Pamela zu finden, aber es ist ein Haufen blonder Frauen da.“

„Das ist meine Schuld, Pip.“ Er hob sie mit kräftigen, muskulösen Armen hoch. „Danke für Ihre Hilfe, Delaney.“

„Es war mir ein Vergnügen.“

Er stand so dicht vor ihr, dass sie, obwohl sie wusste, dass alle in der Kirche sie anstarrten, es nicht schaffte, wegzusehen. Seine Augen waren von einem intensiven, dunklen Braun, das sie in den Bann zog. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte, wollte einfach nur sein Gesicht anschauen, das nicht auf klassische Art schön, aber faszinierend war.

„Ich schulde Ihnen etwas.“ Seine tiefe Stimme jagte ihr Schauer den Rücken hinunter.

„Ach, Unsinn. Ich habe Daiseys Gesellschaft genossen.“ Sie lächelte seine Tochter an.

„Nolan! Hierher“, rief eine Frau.

Nolan? Nolan Cooper? Das musste er sein. Wie viele Nolans würden schon auf der Hochzeit sein? Noch immer starrte sie ihn an, und spöttisch zog er eine Braue hoch, wie um ihr zu verstehen zu geben, dass er es bemerkt hatte.

Delaney sah hinüber und erkannte, dass die Frau Pamela Donahue war, Eigentümerin der Donahue Gallery und grafische Künstlerin. Delaney hatte einen Druck ihrer Lithografie „Troubled Waters“ in ihrem Wohnzimmer hängen. „Anscheinend hast du deine Lady gefunden. Auf Wiedersehen, Daisey. Und Nolan, es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

„Nolan Cooper“, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.

Sie nahm sie und spürte, wie ihr ein Kribbeln den Arm hinauflief. „Delaney Alexander.“

„Ich weiß.“ Er zwinkerte. „Danke nochmals.“

Er ging zu seinem Platz, und sie bemerkte, dass sie ihm hinterherschaute. Krieg dich wieder ein, Delaney. Sie drehte sich um und stolzierte in den hinteren Bereich der Kirche. Sie würde sich nicht zu ihrem Vater setzen, also ging sie zur ersten leeren Bank und nahm in Erwartung der Zeremonie Platz. Trotz allem war sie froh, dass sie beschlossen hatte herzukommen – und zwar nicht nur, weil es ihren Vater ärgerte. Sie hatte eine passende Gelegenheit gebraucht, Nolan Cooper zu begegnen, und nun war es so gekommen. Zum ersten Mal seit ihrer Verhaftung wegen Hausfriedensbruchs hatte sie das Gefühl, sie sei auf der richtigen Spur.

Nolan war anders als erwartet. Einerseits war er sehr groß, schlank und muskulös, wie sie trotz des maßgeschneiderten Anzugs festgestellt hatte. Außerdem hatte er ein kantiges Kinn, dichtes, dunkles Haar und ebensolche Brauen … und irgendetwas an ihm beunruhigte sie. Er strahlte eine animalische Anziehungskraft aus, aber das war es nicht allein.

Er hatte sie beinahe so angeschaut, als würde er sie tatsächlich sehen. Das taten nicht viele Menschen, was sich tatsächlich als Problem herausstellen könnte. Denn wenn er sie schon beim ersten Treffen so gut durchschauen konnte, war sie sich nicht sicher, wie sie ihn dazu bringen könnte, das zu tun, was sie wollte. Vielleicht würde sie doch noch einige Informationen über ihn einholen müssen.

Andererseits war Delaney noch nie ein Mann begegnet, den sie nicht dazu gebracht hätte, ihre Ansichten zu teilen. Weder ihr autokratischer Vater noch die meisten ihrer Freunde hatten sich ihr bisher widersetzen können. Und ganz sicher würde sie nicht zulassen, dass Nolan Cooper sie als erster Mann von ihrem Weg abbrächte.

Pamela Donahue war nicht zum Hochzeitsempfang geblieben, und im Grunde war Nolan froh darüber. Ein gemeinsamer Freund hatte sie zusammengebracht, und ja, sie war schön, klug und witzig. Aber die Tatsache, dass sie nicht, wie eigentlich angekündigt, am Eingang auf Daisey gewartet hatte, ließ sie ihre Attraktivität ein wenig einbüßen. Seine Tochter war sechs Jahre alt und sein Lebensmittelpunkt. Er arbeitete viel, kämpfte mit harten Bandagen, aber seine wichtigste Rolle war die des Vaters. Seine Frau Merri war nach der schwierigen Geburt gestorben. Also waren nur er und Daisey übrig geblieben.

Für gewöhnlich schloss er keine Frauen in ihr zweisames Leben ein, aber da es um eine Hochzeit gegangen war, hatte er seine Regel gebrochen. Das würde er so schnell nicht wieder tun.

Die Feier fand in einer großen Banketthalle statt. Die Deko war ganz in Rosa und Weiß gehalten, und Daisey hatte ihm zwei Mal gesagt, dass sie bei ihrer Hochzeit einen Blumenkranz wie den der Braut tragen wollte. Er hatte zugestimmt, dass sie ihre Traumhochzeit bekommen würde.

Daisey umkreiste noch immer alle Tische, anstatt einen auszuwählen, an den sie sich setzen konnten. Die Braut und der Bräutigam hatten sich gegen eine feste Sitzordnung für alle, die nicht zur Familie oder der Hochzeitsgesellschaft gehörten, entschieden. Es dauerte, bis er begriff, dass seine Tochter nach jemandem Ausschau hielt. Er war sich ziemlich sicher, dass dieser jemand Delaney Alexander war, denn seit sie ins Auto gestiegen und hierhergefahren waren, hatte Daisey ununterbrochen von ihr gesprochen.

„Pip, wir müssen uns für einen Tisch entscheiden“, sagte er.

„Ich weiß, Daddy. Ich hab nur gehofft …“

„Was gehofft?“, fragte Delaney.

Beide blickten zu ihr, als sie zu ihnen trat. Daisey quietschte und umarmte Delaneys Beine. Delaney umarmte sie ebenfalls. Sie trug ein kräftig blaues Kleid mit weitem Tüllrock und einem schmal geschnittenen Mieder. Ihr blondes, offenes Haar umrahmte ihr herzförmiges Gesicht. Es wurde von einem mit winzigen Diamanten besetzten Haarreif gehalten, und dazu trug sie eine passende Halskette. „Ist es euch recht, wenn ich mich zu euch setze?“

„Ja!“

„Sicher“, stimmte er seiner Tochter zu. „Dieser Tisch?“

Er deutete auf den Tisch hinter ihnen. Delaney nickte begeistert. „Perfekt.“

Daisey stellte sich neben einen Stuhl, Nolan zog ihn für sie heraus und half ihr beim Hinsetzen. Als sie begann, mit den kleinen Partygeschenken auf dem Tisch zu spielen, wandte er sich Delaney zu. Natürlich kannte er ihre Geschichte.

Ein armes kleines reiches Mädchen. Erbin eines Spülmittelimperiums und Promisternchen. Im Grunde wusste er also nichts über diese Frau außer Klatsch und Tratsch.

Allerdings hatte sie sich seiner Tochter gegenüber zwei Mal liebenswert verhalten. Eine ganze Reihe anderer Frauen hätte das nicht. Er wusste nicht, ob es ehrlich gemeint war, und er würde sie im Auge behalten. Wenn man ihren Reichtum bedachte, so folgerte er, so dürfte sie eigentlich nichts von ihm wollen.

„Wo ist Pamela?“

„Sie hatte noch eine andere Verpflichtung“, sagte er.

„Wie schade. Ich hatte gehofft, mit ihr sprechen zu können. Ich liebe ihre Kunst“, murmelte Delaney. „Aber ich bin froh, dass ich Sie beide noch mal getroffen habe. Auf Small Talk hatte ich heute keine Lust.“

Er war sich nicht sicher, was sie damit meinte. „Möchten Sie nicht mit mir sprechen?“

Wie? Oh doch. Entschuldigung! Ich meinte mit Fremden. Wir beide sind ja schon alte Freunde.“ Sie zwinkerte.

Sie war süß. Das hatte er schon auf den Fotos gesehen, aber ihre Persönlichkeit … Er war überrascht, dass eine Frau, die angeblich von ihrem Ex besessen war, so fröhlich und witzig war.

„Sind wir das?“

„Von mir aus, ja. Allerdings sehe ich auch nicht viele freundliche Gesichter in diesem Saal.“

Amüsiert zog er die Braue hoch. „Die Braut gehört doch zu Ihrer Familie. Vor wenigen Minuten habe ich noch mit Ihrem Vater gesprochen.“

„Genau das meine ich.“

Er lachte, doch dann erkannte er, dass sie hinter ihrem aufgesetzten Lächeln eine gewisse Nervosität verbarg. „Warum sind Sie denn dann hier?“

„Ich werde dieses Ar…“ Sie unterbrach sich und sah auf Daisey hinunter. „Ich lasse mich eben nicht unterkriegen.“

„Ich auch nicht. Aber gewöhnlich geht es bei mir dabei eher um Geschäftliches als um Hochzeiten.“

„Das sind natürlich zwei verschiedene Welten“, sagte sie. „Was tun Sie denn geschäftlich?“

„Daddy schickt uns auf den Mars“, erklärte Daisey. „Richtig?“

„Das ist der Plan“, sagte er. „Darf ich Ihnen ein Getränk besorgen?“

„Champagner“, antwortete Delaney.

„Einen Shirley Temple?“, fragte er seine Tochter.

„Ja, bitte. Delaney hält dir den Platz frei.“

„Danke“, sagte er und wuschelte ihr durchs Haar, bevor er sich umdrehte, um ihre Getränke zu besorgen.

Er kannte viele Menschen im Raum. Jay Park, der Bräutigam, war einer seiner führenden Ingenieure bei Cooper Aeronautical. Die restlichen Ingenieure waren auf verschiedene Tische verteilt. Er wollte mit all seinen Angestellten sprechen, bevor der Abend vorbei war. Viele aus der Chicagoer High Society waren hier. Zu ihnen zählte auch Hana Mallory, die Braut, die mit den Alexanders verwandt war.

Als er an der Bar auf die Drinks wartete, fragte er sich, warum Delaney sich bei ihrer Familie nicht willkommen fühlte. Wegen der Verhaftung? Er hatte gehört, dass sie im Juli wegen Hausfriedensbruchs angezeigt worden war. Doch da Malcolm Quell seine Anzeige zurückgezogen hatte, war das Ganze im Sande verlaufen.

Als er zum Tisch kam, sprach Daisey noch immer auf Delaney ein, die seiner Tochter aufmerksam zuhörte. Er blieb kurz stehen, unsicher, was er von der Nähe halten sollte, die sich zwischen Daisey und dieser Fremden entwickelte. Ihre ätherische Schönheit faszinierte ihn. Das Kleid, das sie trug, erinnerte ihn im Grunde an das von Daisey, nur dass Delaney eine Frau war. Das schmal geschnittene Mieder umschmeichelte ihre vollen Brüste und betonte die schmale Taille, während der Midirock von der Hüfte abwärts weiter wurde. So umwerfend sie auch war – sie war eine Fremde, und sie würden sich wohl auch nie wiedersehen. Er wusste nicht, wie Daisey damit klarkommen würde. In letzter Zeit war sie überraschend anhänglich geworden. Er hatte es sich damit erklärt, dass sie bald eingeschult werden würde. Aber vielleicht steckte etwas anderes dahinter?

Seine Mutter war drei Jahre vor Daiseys Geburt verstorben, und im Haus halfen ihm eine Nanny und eine Haushälterin, aber im Grunde waren er und Daisey auf sich allein gestellt. Nolan war damit zufrieden. Er wollte nicht riskieren, dass sie sich womöglich auf eine weitere Person einließ, nur um sie dann wieder zu verlieren.

„Warum so finster? Wir sind auf einer Feier.“

Nolan lächelte einen seiner Mitarbeiter an und nickte. „Ich frage mich nur gerade, ob der Barmann die Drinks richtig gemixt hat.“

Sein Angestellter plauderte noch eine Weile mit ihm, dann verabschiedete er sich, da seine Begleitung ihn zu sich rief. Nolan begriff, dass er achtsamer sein musste. Er hatte in letzter Zeit viel gearbeitet, hatte neue Technologien entwickelt, die das Leben auf dem Mars nicht nur möglich, sondern angenehm machen sollten. Damit die Menschen nicht nur das Gefühl hatten, überlebt zu haben, sondern nach Hause zu kommen.

Er schüttelte den Kopf. Er würde sich zwischen Daisey und Delaney setzen und diese Freundschaft im Keim ersticken. Seine Tochter konnte eine Freundschaft mit einem skandalumwitterten Promisternchen nicht brauchen. Das hörte sich in seinen eigenen Ohren falsch an, aber er musste Daisey um jeden Preis beschützen.

„Rutsch rüber, Pip, ich sitze neben Delaney.“

Sie sah stirnrunzelnd zu ihm auf, und er blickte gespielt finster zu ihr hinunter. Das wortlose Gefecht dauerte länger als erwartet, denn seine dickköpfige Tochter funkelte ihn unverwandt an, bis er den Kopf schüttelte. Seufzend rutschte sie auf den Stuhl hinüber, den er für sie herausgezogen hatte.

„Danke.“ Er küsste sie auf den Scheitel und stellte ihr Getränk vor ihr ab. Das Champagnerglas reichte er Delaney, dann erst setzte er sich.

„He, Nolan, können wir uns zu euch setzen?“

Das war seine Assistentin Perri mit ihrem Mann und ihrem sechsjährigen Sohn Thom. „Klar.“

Thom setzte sich neben Daisey, und kurz darauf waren die beiden in ein Gespräch vertieft. Nolan machte Delaney und Perri miteinander bekannt.

„Sie stehen für Montag auf meiner Anrufliste“, sagte Perri.

„Tatsächlich? Wieso?“, fragte Nolan.

„Sie gehört zu IDG, dem Marketingunternehmen, das der Vorstand für unsere Imagekampagne beauftragt hat.“

Er wandte sich an Delaney. „Ach?“ Die Vorstellung, dass sie einen Beruf hatte, überraschte ihn irgendwie.

„Ja. Sie sind sicher nicht davon ausgegangen, dass ich nur eine reiche Erbin bin?“, neckte sie ihn.

„Nein, ich habe auch anderes gehört.“

„Dass ich eine Tendenz zum Stalking habe?“

Dass sie darüber scherzen konnte, überraschte ihn. Zugleich bewunderte er sie dafür. „Ja. Ich weiß eigentlich nur, was über Sie getratscht wird, und das auch nur, weil Perri ihren Computer nie auf stumm gestellt hat, sodass ich alles höre, wenn sie mal wieder irgendwas recherchiert. Was können Sie denn für meine Firma tun?“, fragte er dann, um das Thema zu wechseln.

„Am Montag schicke ich Ihnen gern einige Informationen. Aber im Wesentlichen werde ich dafür sorgen, dass Ihre Firma wie das Allergrößte seit Armstrongs und Aldrins Mondlandung aussehen wird, wenn es um das Thema Weltall geht.“

„Das können Sie?“

Sie zog ihre Augenbrauen hoch, dann zwinkerte sie ihm zu. „Das ist mein Job.“

Bevor er noch weitere Fragen stellen konnte, wurden die Gäste aufgefordert, sich zu erheben, um das frischgebackene Ehepaar Mr. und Mrs. Park willkommen zu heißen. Die Feier verlief dann viel angenehmer, als er erwartet hatte. Je länger er sich mit Delaney unterhielt, desto klarer wurde ihm, wie sehr ihn die Frau hinter den Skandalen faszinierte.

2. KAPITEL

Tendenz zum Stalking.

Der Gedanke kam ihm während des Essens immer wieder, während sich alle um ihn herum angeregt unterhielten. Trotz ihrer Abneigung gegen Small Talk war Delaney offenbar sehr gut darin. Seine Assistentin Perri und ihr Ehemann waren von ihr genauso angetan wie alle anderen, die in die Nähe des Tisches kamen.

Abgesehen von ihrem Vater.

Nolan sah, dass H. Baxter Alexander jedes Mal, wenn Delaney laut auflachte, stirnrunzelnd herüberblickte. Zuerst war er sich nicht sicher, ob sie es bemerkte, doch dann wurde ihm klar, dass sie bewusst so laut war. Sie schien es zu genießen, ihren Vater aufzubringen, denn als der alte Herr sich wegdrehte, sah sie zu ihm hinüber.

„Was geht zwischen Ihnen und Ihrem Vater vor?“, fragte er.

„Hm?“

„Tun Sie nicht so unwissend, das wäre beleidigend für uns beide.“

Als sie lächelte, spürte er eine unwillkommene Regung. Sie war viel zu geistesgegenwärtig und clever. Er war hin- und hergerissen, denn er spürte, wie verzaubert er von ihr war, obwohl er ihr nicht einmal traute.

„Er hat mir angeraten, ich solle unterm Radar fliegen, bis die Presse sich nicht mehr für mich interessiert, und ich solle der Hochzeit fernbleiben. Bloß reagiere ich auf so was nie gut.“

Er verengte die Augen. Sie klang weder reuevoll noch aufsässig. „Worauf genau?“

„Auf Ultimaten. Aber das täte jeder.“

„Nicht jeder“, sagte er.

Sie zog eine Braue hoch. „Also würden Sie tun, was man Ihnen sagt?“

„Nein“, gestand er ein. „Aber …“

„Jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie sind schließlich ein Mann“, warnte sie ihn.

„Das wollte ich nicht“, sagte er, obwohl er genau das gedacht hatte. Er war nur ein großer Junge von eins fünfundneunzig, und seit sein Vater gestorben war, hatte ihm niemand mehr gesagt, was er tun sollte. „Ich meinte, wenn mein Vater noch leben würde, würde ich vielleicht drüber nachdenken.“

„Hatten Sie ein enges Verhältnis?“, fragte sie neugierig.

Die Spülmittelerbin war gut im Ablenken, wurde ihm klar. Sie antwortete auf irgendeine Äußerung oder eine Frage und stellte dann rasch eine eigene. Das war clever. Und ging über einen sexy Körper und ein markantes Gesicht weit hinaus.

„Ja.“ Er vermisste seinen Vater immer noch. Er hatte einige Jahre gebraucht, sich das einzugestehen. Er war wütend auf seinen Vater gewesen, weil er eine gefährliche Arbeit gehabt hatte und von seinem letzten Auftrag nicht zurückgekommen war. Aber als er alt genug war, es zu verstehen, war er … milder geworden, so würden manche es wohl nennen.

„Das tut mir leid. Wann ist er denn verstorben?“, fragte sie sanft.

„Ich war zwölf.“ Dann wurde ihm bewusst, dass er die ganze Zeit redete. „Aber ich habe gelesen, dass Ihre Mutter gestorben ist, als Sie noch ein Baby waren. Dann sind Sie nur mit Ihrem Vater aufgewachsen?“

Sie befeuchtete ihre Lippen, griff nach der Champagerflöte und trank aus. „In gewisser Weise. Hauptsächlich bin ich mit Nannys und dann im Internat aufgewachsen. Ich hoffe, dass Sie das Daisey nicht antun werden.“

„Nein.“ Nicht, dass es sie etwas anginge.

„Gut. Kleine Mädchen brauchen jemanden, der ihren Träumen und Geschichten lauscht. Kleine Jungs auch.“ Sie legte einen sehnsuchtsvollen Klang in die Stimme.

Ihm wurde bewusst, dass dies wahrscheinlich die echte Delaney war. Den ganzen Abend war sie wie ein strahlendes Bild in einem Spiegel gewesen, und nur dann und wann sah er durch all den Glamour, den sie wie eine Rüstung um sich errichtet hatte, die echte Frau.

„Daddy, Thom und ich wollen Kuchen.“ Daisey beugte sich über seine Schulter und lächelte Delaney zu.

„Ich hole euch welchen. Delaney?“

„Ja, gern. Und noch etwas Champagner.“

„Gern. Pip, noch einen Shirley Temple?“

„Ja, bitte. Kann Thom eine Cherry Coke haben?“

„Das entscheiden seine Eltern.“ Nolan hatte schon in der ersten Spielgruppe, zu der er mit Daisey gegangen war, gelernt, dass er nicht für andere Kinder entscheiden durfte.

Thom wandte sich an seine Eltern, und Delaney stand auf. „Ich komme mit. Sie haben zwar große Hände, aber damit können Sie das alles wohl kaum tragen.“

„Danke.“

„Mom sagt, ich darf eine Coke haben“, sagte Thom.

„Prima!“ Er wandte sich an Perri. „Kannst du so lange auf Daisey aufpassen?“

„Natürlich.“ Sie lächelte.

„Ich habe zwei Fragen“, sagte Delaney, als sie am Kuchenbuffet anstanden.

„Nur zwei?“

„Vorerst.“ Sie lächelte.

„Dann los.“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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