Zweite Chance für den Hollywood-Star?

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Alles nur gespielt? Seit sechs Monaten datet Imageberaterin Paisley einen echten Traumtypen – und erfährt jetzt urplötzlich: Ihr charmanter, bodenständiger Lover ist in Wirklichkeit Hollywood-Superstar Sean O’Neill! Er hat sich eine falsche Identität zugelegt, um für einen Film zu recherchieren. Das eröffnet er ihr ganz unverblümt bei einem feierlichen Dinner. Tief gekränkt gibt Paisley ihm den Laufpass. Einem Schauspieler kann sie ja wohl kaum glauben, wenn er beteuert, dass sie ab sofort die Hauptrolle in seinem Leben spielen soll. Oder doch?


  • Erscheinungstag 18.07.2023
  • Bandnummer 2299
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515702
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schwanger.

Paisley Campbell schüttelte den Kopf und starrte auf den Schwangerschaftstest, den sie zum wiederholten Mal gemacht hatte. Das musste einfach ein Irrtum sein.

Bitte, lass es ein Irrtum sein.

Paisley hatte keinen guten Tag. Ihr Bruder hatte von seinem kranken Hund erzählt, und einer ihrer Klienten ging ihr gehörig auf die Nerven, weil er sich mit einem Fernsehauftritt von einem absoluten Fehltritt reinwaschen wollte. Und jetzt auch noch das. Der fünfte Schwangerschaftstest in ebenso vielen Tagen war wie die anderen positiv.

In sämtlichen Bereichen ihres ansonsten geordneten Lebens herrschte also gerade Chaos, doch die Sache mit der Schwangerschaft toppte alles.

Wie hatte sie das zulassen können?

Es war ja nicht so, dass sie immer alle Regeln befolgte, besonders impulsiv war sie allerdings auch nicht. Und es wäre so einfach, Jack und seinen großen braunen Schlafzimmeraugen die Schuld zuzuschieben, die sie alles, einschließlich ihres Namens, vergessen ließen. Aber in Wahrheit hatte der Mann etwas Solides an sich, das ihr ein Gefühl von Sicherheit gab. Bei ihm fühlte sie sich zu Hause, das hatte sie seit der Scheidung ihrer Eltern nicht mehr gekannt.

Nicht unbedingt klug, doch Paisley wusste, dass Gefühle selten etwas mit Klugheit zu tun hatten. Sie würde Jack von der Schwangerschaft erzählen müssen. Nach fünf Tests konnte sie es nicht länger aufschieben. Nach einem oder zwei hätte sie noch an einen Fehler glauben können, aber nicht nach fünf. Außerdem hatte er ihr vorhin gerade eine Nachricht geschrieben und sie aufgefordert, ihr hübschestes Kleid anzuziehen und ihn in einem der besten Chicagoer Restaurants zu treffen, weil er große Neuigkeiten hatte.

Was das wohl für Neuigkeiten waren? Vielleicht hatte er endlich einen ordentlichen Job angenommen? Das klang jetzt ein wenig missbilligend, aber er hatte während der vergangenen sechs Monate im Fitness-Studio um die Ecke gearbeitet, und er war nun mal nicht der weltbeste Trainer. Oder vielleicht doch? Wenn sie ehrlich war, hatte sie keine Ahnung, was er da tat.

Er brachte jedenfalls nicht das große Geld mit nach Hause. Das wusste sie mit Sicherheit. Jack wohnte seit ihrem zweiten Date bei ihr. Er kochte und bezahlte all ihre Lebensmittel, aber ansonsten beteiligte er sich nicht an den Lebenshaltungskosten. Nur hin und wieder steckte er hundert Dollar in ihr Portemonnaie. Was irgendwie merkwürdig war, sie jedoch nicht weiter störte.

Es war ja nicht sein Geld, das ihr ins Auge gefallen war, es war sein Hintern in der knallengen Jeans gewesen. Und außerdem konnte sie sich ihren Lebensstil leisten. Sie arbeitete konsequent daran, die Firma IDG Brand Imaging, die sie mit ihren Freundinnen gegründet hatte, weiter auszubauen. Hier im Mittleren Westen waren sie schon ziemlich erfolgreich, und jetzt wollten sie landesweit expandieren. Es gab größere und besser etablierte Firmen in Kalifornien und New York, doch die behielt sie im Auge, weil sie genauso erfolgreich werden wollte.

Paisley trug Lippenstift auf und überprüfte noch einmal ihre Frisur. Sie hatte die Haare zu einem Knoten zusammengenommen, der Pony fiel ihr tief in die Stirn und betonte, wie sie fand, ihre Gesichtszüge auf schmeichelhafte Weise. Ihr Kleid aus cremefarbenem Samt mit einem Überkleid aus Organza, das mit kleinen Blüten bestickt war, lag eng an, und als sie sich seitlich zum Spiegel drehte, wurde ihr klar, dass es nicht mehr lange passen würde.

Das Baby.

Sie hatte es bisher geschafft, die Schwangerschaft zu ignorieren. Nun betrachtete sie sich genauer im Spiegel. Sie hatte sich immer eine Familie gewünscht … irgendwann. Und dieser kleine Wurm in ihr fühlte sich einfach nicht real an. Wahrscheinlich würde das erst passieren, wenn sie sah, wie Jack reagierte. Wie würde seine Reaktion wohl ausfallen? Sie hatte keine Ahnung.

Paisley hatte Angst davor, dabei hatte sie sich schon seit Langem nicht mehr erlaubt, ängstlich zu sein. Sie war gut darin, das Positive einer Sache zu sehen, aber das hier … war größer als sie. Am liebsten hätte sie Olive und Delaney eine Nachricht geschickt, weil sie ihre Freundinnen an ihrer Seite haben wollte.

Es war jedoch Jacks Baby, da sollte er wohl auch als Erster davon erfahren. Außerdem hatten sie gleich ein Date. Sie hoffte … Sie holte tief Luft. Im Geiste malte sie sich seine Reaktion aus, und natürlich fiel sie überwältigend aus … im besten Sinne. Allerdings lief im Leben leider nicht immer alles so, wie man es sich erhoffte.

„Hör auf“, schalt sie sich.

Entschlossen nahm sie ihren roten Umhang, schließlich war Dezember, und sie liebte es, sich festlich zu kleiden, und verließ die Wohnung. Vor der Tür wartete der Fahrer mit Delaneys Rolls-Royce und begrüßte sie.

„Guten Abend, Ms. Campbell. Ich stehe Ihnen heute zur Verfügung“, erklärte Lyle, als er ihr die Tür aufhielt.

„Wissen Sie, wohin es geht?“

„Ja, Ma’am. Sie brauchen nur Platz zu nehmen und sich zu entspannen“, versicherte er ihr.

Als Paisley einstieg, entdeckte sie ein hübsch verpacktes Geschenk und einen Umschlag mit ihrem Namen drauf. Nachdem sie sich angeschnallt hatte, öffnete sie als erstes den Umschlag.

Es war eine Nachricht von Jack. Sie erkannte seine kräftige, krakelige Handschrift sofort.

Paisley,

heute Abend sollst du die Realität vergessen und dich von mir mitreißen lassen. Damit möchte ich mich für die letzten sechs Monate bedanken.

Jack

Ihr Herz begann wie wild zu pochen. Bedeutete es, dass er weiter mit ihr zusammen sein wollte? Oder versuchte er ihr auf schonende Weise mitzuteilen, dass es vorbei war?

Paisley stieg aus dem Rolls-Royce, und Sean stockte der Atem, wie immer, wenn er sie sah. Sie hatte hübsche, blaugraue Augen in einem herzförmigen Gesicht, braunes volles Haar und sah fantastisch aus.

Heute Abend strahlte sie geradezu.

Das Kleid, das unter ihrem Umhang hervorlugte, war ein echter Hingucker und umschmeichelte ihren schlanken Körper. Unter dem Saum kamen cremefarbene Stiefeletten mit spitzem Absatz zum Vorschein, und in den Händen hielt sie eine Tasche von Chanel.

Doch trotz der Eleganz und Anmut, die sie ausstrahlte, wirkte sie … nervös. So, als würde sie erkennen, dass er sein Haar wieder zu seiner normalen Farbe zurückgefärbt hatte, obwohl er eine Mütze trug. Vielleicht hatte sie herausgefunden, wer er war.

Vielleicht auch nicht.

Egal, heute würde er ihr seine wahre Identität verraten. Aber er hatte es nicht in ihrer Wohnung tun wollen, die er im vergangenen halben Jahr mit ihr geteilt hatte. Für diesen Anlass hatte er alle Register gezogen. Er hatte das gesamte Restaurant gemietet, hatte sich die Haare wieder zu seinem natürlichen Dunkelbraun gefärbt und sich den Bart abrasiert. Und was seine Kleidung anging, hatte er sich für einen der Hugo-Boss-Anzüge entschieden, für die er Werbung machte. Zufällig hatte er auf dem Weg hierher gerade ein Plakat davon entdeckt.

Paisley lächelte ihn an, und er erwiderte das Lächeln, wobei er ihren Anblick geradezu in sich aufsog. In den Händen hielt sie den Pelzmuff, den er ihr geschenkt hatte. Als sie die Pferdekutsche hinter ihm registrierte, nickte sie.

„Ich hatte mich schon gewundert, was das mit dem Muff soll, aber jetzt verstehe ich“, sagte sie, als sie auf ihn zukam.

Er bemerkte ein paar Schneeflocken in ihrem Haar und hob die Hand, um sie wegzuwischen. „Ist es zu kalt dafür?“, fragte er und deutete auf die Pferdekutsche.

„Auf keinen Fall! Ich liebe es“, rief sie begeistert. „Du siehst gut aus in Schwarz und glatt rasiert. Fast so wie jemand, den ich kenne … Wieso ist mir nie aufgefallen, dass dein Kiefer so markant ist?“

„Weil du meistens andere Körperteile von mir interessanter findest“, erwiderte er zwinkernd.

„Das ist ja wohl kaum mein Fehler … du hast einen wirklich tollen Hintern.“

Sean lachte, half ihr in die Kutsche, schlang eine dicke Wolldecke um ihre Beine und setzte sich neben sie. Der Kutscher reichte ihnen eine Thermosflasche mit heißem Kakao, dann trieb er die Pferde an.

Sean holte tief Luft, als er einen Arm um Paisleys schlanke Schultern legte und sie an sich zog. Einen Moment lang blieb er weiterhin Jack, und nichts würde sich ändern. Er brauchte nicht nervös zu werden, sondern konnte seine Rolle spielen.

Aber wie lange noch?

Er konnte sie nicht ewig anlügen, und er musste Ende der Woche nach Los Angeles, um mit der Werbekampagne für seinen neuen Film zu beginnen. Heute Abend würde er mit der Wahrheit rausrücken. Keine Ausreden und Entschuldigungen mehr.

Er wollte der romantische Held sein, den er schon ein, zwei Mal gespielt hatte. Er wollte Paisley das Gefühl geben, sie sei das Zentrum des Universums, und ihr erklären, dass seine Lüge sie nicht hatte verletzen sollen, sondern dazu da gewesen war, sie zu beschützen.

Er rieb sich den Nacken und fragte sich, wie seine praktisch veranlagte und offene Freundin auf sein Geständnis reagieren würde. Das Schlimme war, dass er genau wusste, er hätte schon längst etwas sagen müssen.

Zum Beispiel vor zwei Wochen, als sie ihn eingeladen hatte, das anstehende Weihnachtsfest mit ihm zu verbringen. Als sie in seinen Armen vor dem elektrischen Kamin gelegen hatte, und er so zufrieden wie selten zuvor gewesen war.

Fast wäre ihm da die Wahrheit entschlüpft. Aber nur fast. Solange die Dreharbeiten nicht abgeschlossen waren, sprach er nicht gern über seine Rolle. Und der Mann, den er gespielt hatte, kam diesem Jack, der er hier in Chicago zu sein vorgegeben hatte, ziemlich nahe. Da war es doch ganz normal, dass die Grenzen ein wenig verwischten. Was die Frage des Vertrauens anging, konnte er nur hoffen, dass Paisley ihm verzieh und nach diesem Abend noch mit ihm redete.

„Deine Nachricht klang etwas rätselhaft“, sagte sie.

„Tatsächlich? Dabei sollte sie romantisch sein.“

„Das ist mir jetzt auch klar. Aber ich war mir nicht sicher, ob das hier als großes Dankeschön für sechs Monate Sex gedacht war, bevor du einen Abgang machst.“

Er zuckte zusammen. War das unbeabsichtigt so rübergekommen, weil er wusste, sobald er ihr erzählte, wer er wirklich war, würde sich alles verändern? Es spielte keine Rolle, dass Paisley anders als alle anderen war. Sie wusste, was es hieß, berühmt zu sein und in der Öffentlichkeit zu stehen. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie ihm verzeihen würde, dass er sie nicht eher aufgeklärt hatte.

„Schön, dass du es nun richtig siehst“, sagte er. „Es gibt da nämlich etwas, das ich mit dir teilen möchte.“

„Gut … ich auch“, räumte sie ein.

Sie hatte große Neuigkeiten? Er war so auf sein Geständnis fixiert gewesen, dass er Paisley offenbar nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sicher, er wusste, dass das, was zwischen ihnen war, nichts mit Liebe zu tun hatte. Mit Liebe hatte er nichts am Hut. Er war nicht in einer liebevollen, fürsorglichen Familie aufgewachsen. Daher war er zwar gut darin, den Verliebten zu spielen, aber in Wahrheit hatte er dieses Gefühl nie kennengelernt. Doch er mochte Paisley. Und er wollte sie weiterhin sehen, wenn er nach L.A. zurückkehrte.

„Ladys first“, sagte er deshalb.

Er redete sich ein, dass es das war, was man als Gentleman nun mal tat. Schließlich hatte sie in den letzten Wochen noch mehr als sonst gearbeitet, um Klienten zu akquirieren. So manche Nacht hatte er neben ihr im Bett gelegen und sich ihre Zukunftspläne angehört. Ihm gefiel ihre Art zu träumen, und dass sie mit ihm darüber sprach.

Es war so anders als bei den Frauen, die er in L.A. kennengelernt hatte. Die versuchten immer, sich seine Unterstützung zu sichern, um ihre Karriere zu fördern. Paisley dagegen ging es nicht darum, ihn diesbezüglich auszunutzen.

„Nein, ist schon okay. Ich würde gern deine Neuigkeiten hören“, sagte sie und zog die Hände aus dem Muff, um sie auf seine zu legen. Ihre Finger waren so zart, und als sie ihn ansah, wirkte sie offen und ein wenig verletzlich.

Er redete sich ein, dass er kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte … leider vergeblich. Irgendwie wirkte Paisley heute Abend nicht ganz wie sie selbst, und er fragte sich erneut, ob sie seine wahre Identität doch herausbekommen hatte. Das würde alles leichter machen.

„Betreffen deine Neuigkeiten mich?“, hakte er nach. Wenn sie Ja sagte, würde er einfach seine vorbereitete Rede vom Stapel lassen, in der es hauptsächlich um die Geheimhaltungspflicht am Set und so ging.

„Ja“, flüsterte sie. „Aber gib mir ein paar Minuten Zeit, um meine Gedanken zu sortieren, sonst artet das womöglich in einen Gefühlsausbruch aus.“

„Komm her.“ Er zog sie in die Arme und küsste sie. Eigentlich hatte er sie nur trösten wollen, doch sein ausgeklügelter Plan löste sich in Luft auf, da Verlangen in ihm aufstieg. Ihrem Mund konnte er schwer widerstehen, schon gar nicht, wenn die Gefahr bestand, dass er sie nie wieder würde küssen können.

Sie schlang die Arme um seine Schultern und erwiderte den Kuss, indem sie den Kopf zur Seite neigte und leise stöhnte. Himmel, er wollte sie!

Schließlich fragte er: „Hat das deine Nerven ein wenig beruhigt?“

Statt zu antworten, wandte sie den Blick ab.

Eine Reaktion, die ihn beunruhigte. Was wollte sie ihm sagen? Wieso wirkte sie so besorgt? Er schob die Fragen beiseite. Es war Zeit, dass er reinen Tisch machte. „Äh, das wird jetzt nicht so ganz einfach …“

Was? Du hast gesagt, du würdest nicht Schluss machen“, unterbrach sie ihn.

„Will ich ja auch nicht.“

„Worum geht es dann?“

„Ich bin nicht der, für den du mich hältst.“ So, nun war es raus. „Ich meine, ich bin es natürlich, aber ich bin auch noch jemand anderes.“ Du meine Güte, wie hatte er es je geschafft, einen Oscar zu gewinnen, wenn er keinen klaren Satz herausbrachte? Er wünschte, er hätte einen seiner Drehbuchautoren gebeten, ihm ein Skript hierfür zu schreiben.

Paisley zog die Brauen zusammen. „Was willst du damit sagen, Jack?“

„Ich war nicht ganz ehrlich zu dir, was meine berufliche Situation angeht“, gestand er.

„Ich verstehe.“ Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Okay, ich weiß nicht, was für einen Beruf du ausübst, aber dieses Fitness-Studio, an dem ich dich immer absetzen sollte, wirkt nicht sonderlich erfolgreich …“ Sie riss die Augen auf. „Moment mal, du machst doch nichts Illegales, oder?“

„Nein! Hör zu, es ist nicht so leicht, damit rauszurücken“, begann er, als die Kutsche um die Kurve bog, um zum Restaurant zurückzufahren. Aus dem Augenwinkel glaubte er, Bewegungen hinter einer Hecke zu sehen, doch er wollte Paisley seine gesamte Aufmerksamkeit schenken, zumal sie ihn erwartungsvoll ansah.

„Ich bin nicht Jack Nelson. Ich bin in Wahrheit …“

„Sean O’Neill, hier drüben!“, rief da jemand.

„Verdammt“, murmelte er.

Paisley sah sich verwirrt um, auf der Suche nach Sean O’Neill, ehe sie wieder ihn ansah. Sie musterte ihn, und er erkannte den Moment, als ihr einiges klar wurde.

„Haben Sie sich in Chicago versteckt, weil Ihre Ex gerade den Milliardär Ainsley Hartman geheiratet hat?“, fragte ein Reporter. Um sie herum wuselten Leute und überall leuchteten Blitzlichter auf.

Sean hob eine Hand und zog die Decke, die über ihren Beinen lag, reflexartig hoch, um sich zu verstecken. In der kleinen Höhle, die er so geschaffen hatte, drehte er sich zu Paisley um.

„Exfrau?“, rief sie entsetzt. Dann lehnte sie sich zurück und funkelte ihn wütend an. Schließlich riss sie ihm die Beanie vom Kopf. „Sean O’Neill!“

2. KAPITEL

Paisley begriff nicht, was hier abging. Die Blitzlichter der Paparazzi und die tausend Fragen, die ihnen entgegengeschrien wurden, machten die Sache nicht besser. Zum Glück beschleunigte der Kutscher das Tempo, und als sie am Restaurant ankamen, warteten bereits ein paar Sicherheitsleute. Noch immer konnte sie Jack – Sean nicht in die Augen sehen.

Ihr war fast schwindelig von all den Fragen, die ihr durch den Kopf schwirrten. War er verheiratet? War sie wirklich mit einem der berühmtesten Hollywood-Schauspieler liiert? Über die Sache mit der Ehe war sie sich nicht sicher, aber dass er ein A-Promi war, ließ sich nicht leugnen. Der Mann war so verdammt berühmt, dass sie sich total dumm vorkam, weil sie ihn nicht erkannt hatte.

Okay, er hatte sein Aussehen drastisch verändert, indem er seine Haare blond gefärbt und einen Bart getragen hatte. Aber trotzdem, wieso hatte sie das übersehen? Offenbar hatte sie Jack zu dem Mann gemacht, den sie in ihm sehen wollte, statt ihn so zu sehen, wie er wirklich war. Doch jetzt, nachdem sie wusste, dass er Sean O’Neill war, konnte man das unmöglich nicht sehen. „Hast du getönte Kontaktlinsen verwendet?“

„Äh, ja.“

Was sagte es über sie aus, dass sie sich nun fast wünschte, er wäre ein Krimineller? Damit hätte sie leichter umgehen können.

Alles wäre leichter als das hier.

Aber warum war sie überrascht? Wann war ihr Leben jemals so reibungslos verlaufen wie in den letzten sechs Monaten mit Jack … Sean!

Jemand reichte ihr die Hand, und als sie aus der Kutsche stieg, wäre sie fast auf dem eisigen Gehweg ausgerutscht. Instinktiv legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Das Baby. Ihr Baby mit …

Nicht jetzt. Darüber konnte sie jetzt nicht nachdenken. Paisley richtete sich auf, doch als sie Seans Hand auf ihrem Rücken spürte, trat sie von ihm fort und ging in die Lobby des Restaurants. Hastig ließ sie den Blick schweifen, bis sie die Schilder für die Toiletten entdeckte. Entschlossen steuerte sie darauf zu und ließ dabei den Muff, den sie gerade geschenkt bekommen hatte, auf den Boden fallen.

Sie wollte nichts von ihm. Nie wieder, dachte sie, als ihr Tränen in die Augen schossen. Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich gegen die geflieste Wand. Nach einer Weile machte sie ein paar Atemübungen, die ihr die Therapeutin beigebracht hatte, als sie während der Scheidung ihrer Eltern in Behandlung gewesen war.

Einatmen und bis vier zählen. Luft anhalten.

Aber wie sollte sie die Luft anhalten, wenn der Mann, der der Vater ihres Babys war, sich als Schwindler entpuppte? Er war überhaupt nicht wie der Mann …

Hör auf. Atme einfach.

Hektisch suchte sie nach ihrem Handy und hoffte, dass sie Delaney und Olive per Videoanruf erreichte. Sie brauchte ihre Freundinnen. Sie würden ihr Halt geben, vielleicht einen guten Rat parat haben oder sie sogar zum Lachen bringen.

Olive antwortete als Erste, und einen Moment später schaltete sich Delaney dazu.

„Was ist passiert?“, fragte Olive sofort.

OMG. Du siehst furchtbar aus! Was ist los?“, rief Delaney. „Brauchst du uns? Lyle ist gerade zurückgekommen.“

„Ich kann nicht … Jack ist nicht Jack. Er ist in Wahrheit Sean O’Neill.“

„Dieser Mistkerl“, zischte Delaney.

„Äh, Pais, bist du dir da sicher?“, fragte Olive. „Sean O’Neill ist doch für seine stechend blauen Augen bekannt. Jack hat braune.“

„Er hat getönte Kontaktlinsen getragen und sich die Haare gefärbt. Er hat mich die ganze Zeit angelogen.“ Paisley spürte, wie sie in Panik geriet.

„Verdammt …“, schimpfte Olive.

„Kannst du mich einsammeln, Dellie?“, fragte Olive.

„Ich mache mich sofort auf den Weg.“

„Pais, was brauchst du?“

„Ich weiß es nicht. Ich dachte … Oh, verflixt, ich bin schwanger. Ich wollte es ihm heute Abend sagen, aber das kann ich doch jetzt nicht mehr tun. Ich kenne diesen Mann überhaupt nicht. Alles, was er mir je erzählt hat, war eine Lüge. Es ist mir so peinlich, dass ich es nicht gemerkt habe.“

„Schwanger? Okay“, sagte Olive. „Sind wir darüber froh?“

„War ich. Ich … ich weiß es nicht“, stammelte Paisley.

„Dieser verdammte Kerl“, sagte Delaney gepresst. „Du wirst eine wunderbare Mutter sein. Lass dir das von ihm nicht nehmen.“

„Danke, ihr Lieben.“

„Gerne“, erwiderten die beiden gleichzeitig.

Die Gefühle drohten sie zu überwältigen, und sie brach in Tränen aus. Sie konnte nicht fassen, wie dumm sie gewesen war. Am liebsten wäre sie von hier verschwunden, um ihn nie wiederzusehen. Aber wie sollte das gehen?

Die Paparazzi lungerten vermutlich noch draußen herum. Er wahrscheinlich auch. Sie brauchte einen Plan.

„Okay, wartet, kommt nicht her. Lasst mich erst mal hier aus dem Restaurant rauskommen und dann …“

„Du hast kein Auto“, sagte Delaney. „Wenn ich auftauche, könnte ich die Fotografen ablenken.“

Paisley schüttelte den Kopf. Sie durfte das Problem nicht ihren Freundinnen überlassen. „Ich kümmere mich selbst darum. Es ist nur … Ich war so geschockt, dass ich mit jemandem reden musste.“

„Das verstehen wir, Pais“, sagte Delaney. „Ich schicke dir Lyle, damit er dich abholt. Komm raus, sobald du bereit bist.“

„Und ich schicke dir alles, was ich über Sean im Internet finden kann. Ruf uns an, wenn du zu Hause bist“, fügte Olive hinzu.

„Mache ich. Danke.“

„Wir haben dich lieb“, sagte Delaney.

„Ich euch auch.“

Sie beendete das Gespräch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie in den Spiegel sah. Man hatte sie früher schon belogen. Ihr Dad hatte es jahrelang getan. Daher wusste sie, sie würde einen Weg finden, um das durchzustehen. Ihr blieb ja keine andere Wahl, denn schließlich musste sie an ihr Baby denken …

Paisley spritzte sich Wasser ins Gesicht, und als es in den Abfluss lief, versuchte sie sich einzureden, dass damit auch all ihre Hoffnungen und ihre Zuneigung für Ja… Sean mit wegschwammen. Doch so einfach war das leider nicht. Sie stand unter Schock.

Jetzt galt es allerdings in den Überlebensmodus zu schalten, denn sie würde ihm noch einmal gegenübertreten müssen, ehe sie verschwinden konnte. Sie seufzte. Zum Glück war sie geübt darin. Als Tochter eines Betrügers waren sie und ihre Familie in ihrer Jugend häufig umgezogen, wenn man ihrem Dad mal wieder auf die Schliche gekommen war oder er keine potenziellen Opfer mehr fand. Den Grund für diese Umzüge begriff sie erst, als sie auf dem College war. Sie war vorher davon ausgegangen, dass ihr Vater beruflich versetzt worden war.

Oh Gott, sie war so naiv, wenn es um Männer ging. Sie hatte ihrem Vater jahrelang geglaubt und immer gedacht, sie würde über gute Menschenkenntnis verfügen, nun zweifelte sie das stark an.

Wieso hatte sie sich von Sean derart an der Nase herumführen lassen? Er war einer der berühmtesten Schauspieler seiner Generation, und trotzdem hatte sie angenommen, sie wäre klüger als er.

Tja, falsch gedacht.

Sie blickte wieder in den Spiegel. „Du bist eine knallharte Geschäftsfrau“, erklärte sie ihrem Spiegelbild. „Du hast es verdient, von jemandem geliebt zu werden, der dich nicht belügt. Und dieser Mann hat es nicht verdient, deinen Schmerz zu sehen.“

Entschlossen straffte sie die Schultern und betete, dass sie die nächste Stunde überstand, ohne zusammenzubrechen. Sie wollte einfach nur hier raus und nach …

Verdammt.

Er wohnte ja auch in dem Zuhause, das sie für sich geschaffen hatte. Sie hatte diesen Lügner in ihren Zufluchtsort gelassen. Okay, darüber würde sie sich später Sorgen machen. Jetzt musste sie erst mal von hier verschwinden.

Sie holte einmal tief Luft und öffnete die Tür.

Das hätte definitiv besser laufen können.

Sean stand in der Lobby des Restaurants, während die Sicherheitsleute sich um die Paparazzi kümmerten. Doch das war das kleinste seiner Probleme. Er entdeckte den Muff, den er Paisley geschenkt hatte, auf dem Fußboden und hob ihn auf. Er war so wütend, dass er die Fäuste ballte und am liebsten auf irgendetwas eingeschlagen hätte. Tief durchatmend versuchte er, sich zu beruhigen, aber wenn man etwas derart versaut hatte, dann war das nicht so leicht.

Er wünschte, er könnte die Schuld auf die Fotografen und Klatschreporter schieben, die ihm aufgelauert hatten, doch er wusste, dass er für dieses Desaster selbst verantwortlich war.

Das Problem war nur, dass er keine Ahnung hatte, wie er es wieder beheben sollte. Fieberhaft ging er all seine Rollen durch, in der Hoffnung, die richtigen Worte und Gefühle zu finden, um diese Situation zu retten, aber vergeblich. Schließlich hatte er noch nie einen Mann gespielt, der eine Frau wie Paisley anlog.

Das war das Hauptproblem. Sie war wie keine andere Frau. Und mit seinem aufgeblasenen Ego und der Erwartung, dass er jeden dazu bringen konnte, ihm zu vergeben, hatte er einfach das getan, was er glaubte, für die Rolle tun zu müssen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie sehr er sie damit verletzen würde. Die meisten Menschen waren nachsichtiger mit ihm, als er es verdiente. Paisley war allerdings nicht die meisten Menschen. Das war ihm bewusst, in seiner Arroganz hatte er jedoch geglaubt, das Ganze schon irgendwie glattbügeln zu können.

Anfangs hatte er sich eingeredet, es wäre nur der Sex, der sie zueinander hinzog, aber als die Monate vergingen, wurde ihm klar, dass es mehr war als körperliche Anziehung, die ihn an sie fesselte. Er mochte Paisley und wollte ihr nicht wehtun. Doch er konnte es sich nicht leisten, dass etwas an die Presse durchsickerte, und so sehr er sie auch mochte, die Wahrheit hatte er ihr nicht anvertrauen wollen.

Vermutlich würde sie diese Entschuldigung nicht akzeptieren.

Er hörte, wie die Tür der Damentoilette geöffnet wurde, und blickte hinüber zu Paisley. Ihre Augen waren gerötet, und ihre Miene spiegelte deutlich ihren Widerwillen und ihre Wut wider.

„Es tut mir leid.“ Das war doch immer ein guter Anfang.

Sie nickte nur steif.

„Ich möchte das gern wieder in Ordnung bringen.“

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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