Mehr als eine Sommeraffäre?

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Eigentlich will die bekannte Schauspielerin Paige nach einem Medienskandal um ihren Ex nur in Ruhe Urlaub machen. Aber bei ihren Freunden auf dem Weingut im Napa Valley wohnt noch ein weiterer Gast: Jess Outlaw. Wann immer er in ihrer Nähe ist, steht Paige in Flammen, und auch Jess kann der Anziehung zwischen ihnen nicht widerstehen. Könnte aus den gemeinsamen Nächten voller erfüllender Leidenschaft vielleicht sogar etwas Ernstes werden? Doch dann taucht Paiges Ex auf und erzählt Jess eine verheerende Lüge …


  • Erscheinungstag 28.03.2023
  • Bandnummer 2283
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515542
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dann kommst du während der Parlamentsferien diesmal nicht nach Alaska? Nach Fairbanks in unser Elternhaus, Jess? Immerhin hast du vier Wochen frei.“

Das Handy fest ans Ohr geklemmt, packte Senator Jessup Outlaw seinen Koffer, während er mit seinem ältesten Bruder Garth telefonierte. „Nein, ich habe letzten Monat Spencer in Washington getroffen, wo er geschäftlich zu tun hatte. Reggie und ich haben einen Drink mit ihm genommen.“

Spencer Westmoreland war ihr Cousin aus Kalifornien, der in der Nähe vom Napa Valley ein großes Weingut besaß. Und Reggie oder Reginald Westmoreland war Spencers Bruder und ebenso wie Jessup Senator.

Jessup klappte den Koffer zu. „Spencer hat mich eingeladen, ihn und Chardonnay auf dem Weingut zu besuchen. Ich habe seine Einladung angenommen. Viele von euch haben doch keine Zeit, nach Fairbanks zu kommen. Und später seid ihr sowieso in Napa, um die Goldene von Chardonnays Großeltern zu feiern.“

„Musst du dich nicht noch um deine politischen Unterstützer kümmern?“

„Nicht unbedingt. Die Wichtigsten hab ich schon auf Sloans Hochzeit getroffen. Ich glaube, jeder braucht mal Ferien.“ Jessup lachte. „Selbst Senatoren.“

Jess, wie Freunde und Familie ihn nannten, war achtunddreißig und Senator von Alaska. Er hatte vier Brüder und eine Schwester, die alle in der familieneigenen Firmengruppe Outlaw Freight Lines arbeiteten. Auch Jess war dort zehn Jahre lang Firmenanwalt gewesen, bevor er sich entschloss, in die Politik zu gehen. Sein ältester Bruder Garth leitete seit ein paar Jahren die Firma, nachdem sich ihr Vater Bart aus dem Geschäft zurückgezogen hatte. Offenbar nicht auf eigenen Wunsch, sondern auf Druck des Verwaltungsrats.

Garth war zwei Jahre älter als Jess und wollte mit seiner Frau Regan seine Schwiegereltern in Florida besuchen. Sein Sohn Garrison war im Frühling geboren worden, und die Großeltern sollten endlich ihren Enkel kennenlernen.

Ihr Bruder Cash war zwei Jahre jünger als Jess und lebte in Wyoming auf einer Farm, die er geerbt hatte. Er und seine Frau Brianna hatten zwei Söhne, die Zwillinge Cason und Cannon.

Dann gab es noch Sloan, vier Jahre jünger als Jess, der als letzter der Outlaw-Söhne im Juni geheiratet hatte. Er und seine Frau Leslie waren gerade erst von ihrer vierwöchigen Hochzeitsreise zurückgekommen.

Maverick, der jüngste Bruder, sieben Jahre jünger als Jess, war gerade auf Geschäftsreise in Irland. Und dann gehörte noch Charm, Jess’ elf Jahre jüngere Schwester, zur Familie.

Jess hatte vor zwei Wochen mit seinem Vater Bart gesprochen, der mit seiner zweiten Frau Claudia, der Mutter von Charm, den August in London verbringen wollte.

„Ja, du hast recht“, gab Garth zu. „Die meisten von uns haben bereits Pläne für den Sommer. Aber wir werden uns alle Ende des Monats auf dem Weingut treffen, und da sehen wir dich dann ja auch. Also mach’s gut, und grüß Spencer und Chardonnay. Ich freue mich schon auf das große Familienfest.“

„Ich auch. Wir sehen uns dann in Napa.“

Kurze Zeit später hatte Jess auch seine kleine Tasche gepackt und griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Doch dann hielt er inne, weil ein Gesicht auf dem Bildschirm erschien, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Er stellte den Ton lauter.

„Trotz der eindeutigen Fotos, die in den sozialen Medien aufgetaucht sind, schweigen der Schauspieler Kemp Pierson und die Schauspielerin Maya Roadie noch immer. Sieht so aus, als hätten sie trotz Kemps Beziehung zu der Schauspielerin Paige Novak während der Filmaufnahmen in Neuseeland eine heiße Affäre gehabt. Ms. Novak, die gerade in Japan vor der Kamera steht, war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Keiner weiß, wo genau sie sich momentan aufhält.“

Jess machte den Fernseher aus und warf die Fernbedienung auf den Tisch. Falls die Informationen stimmten, war das Ganze eine Sauerei und Kemp Pierson ein Schwein. Wer wusste das besser als Jess, der selbst vor zehn Jahren von Ava Sampson betrogen worden war. Eine solch bittere Erfahrung wünschte er nicht einmal seinem ärgsten Feind.

Jess kannte Paige Novak oberflächlich. Sie war die Schwägerin seines Cousins Dillon Westmoreland, und sie waren sich hin und wieder auf Familienfesten begegnet. Paige war auffallend schön, was Jess schon bei ihrer ersten Begegnung festgestellt hatte. Damals vor sechs Jahren hatte er nicht weiter versucht, mit ihr in Kontakt zu kommen, was er mittlerweile bedauerte. Aber er war zu der Zeit wegen seines Wahlkampfes sehr eingespannt gewesen.

Falls sich jetzt während seines Aufenthalts auf dem Weingut eine neue Gelegenheit ergab, würde er sie nutzen.

Als jemand klopfte, wandte Paige sich vom Fenster ab und ging zur Tür. Kurz sah sie durch den Spion und öffnete dann lächelnd die Tür. „Chardonnay!“

„Hallo, Paige. Ich wollte nur fragen, ob du Lust hast, mit uns zu essen.“

„Aber gern! Ich bin dir und Spencer so dankbar, dass ich hier bei euch untertauchen kann.“

Eine Woche zuvor hatte sie auf dem Flughafen von Tokio einen Anruf einer befreundeten Nachbarin bekommen, die sie gewarnt hatte. Die Paparazzi belagerten ihr Haus, und Paige hatte sehr schnell begriffen, warum. Die Affäre von Kemp und Maya war das Topthema in den sozialen Medien.

„Aber das ist doch selbstverständlich. Dein Besuch bei uns war sowieso längst überfällig“, beruhigte Chardonnay sie.

Paige atmete auf. Sie war bereits seit einer Woche hier und hatte sich schon gefragt, ob sie die Gastfreundschaft nicht zu sehr ausnutzte. „Es ist wunderschön hier“, sagte sie leise. „Dieser Blick übers Land … einfach herrlich.“

„Finde ich auch. Und du kannst natürlich so lange bleiben, wie du willst. Ich bin froh, wenn unsere Gästehäuser auch mal genutzt werden.“

„Danke. Und ich komme gern zum Essen.“ Paige liebte es, mit der Familie zusammen zu sein, nicht nur mit Chardonnay und Spencer, sondern auch mit den drei Kindern und den Großeltern.

„Gut, abgemacht. Dinner ist gegen fünf.“

„Prima. Dann kann ich vorher noch ein paar Anrufe erledigen. Nadia hat schon ein paarmal versucht, mich zu erreichen, und ich muss sie unbedingt zurückrufen.“

„Bis dann.“

Als Nadia angerufen hatte, war Paige unter der Dusche gewesen. Jetzt aber war es Paige, die ihre jüngere Schwester nicht erreichen konnte. Was mochte so dringend gewesen sein? Paige hinterließ eine Nachricht und bat um Rückruf. Dann rief sie ihre Schwester Jillian an, die in einem Krankenhaus in Florida als Neurochirurgin arbeitete. Vielleicht wusste Jillian Näheres. „Hallo, Jill. Hast du eine Ahnung, warum Nadia mich unbedingt erreichen wollte?“

„Leider nicht. Vielleicht fragst du Pam. Ich muss gleich in den OP. Ruf dich später an.“

„Okay.“ Paige ließ sich auf das Sofa fallen, um ihre Schwester Pam anzurufen. Pam hatte vor dreizehn Jahren Dillon Westmoreland geheiratet. Damals war Paige fünfzehn gewesen. Für Paige war der riesige Besitz der Westmorelands außerhalb von Denver immer mehr Heimat gewesen als die große Farm der Novaks in Gamble, Wyoming, die den vier Schwestern noch immer gehörte.

Paige hatte eigentlich vorgehabt, nach dem Dreh in Tokio Pam zu besuchen, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Pam und Dillon würden genug um die Ohren haben, denn Dillons Bruder Bane und seine Frau Crystal erwarteten das zweite Mal Drillinge. Und Pam und Dillon hatten versprochen, auf die ersten Drillinge aufzupassen, die knapp sechs Jahre alt waren. Alle freuten sich, und Paige wollte die Stimmung nicht durch ihre Beziehungsprobleme trüben.

Sie rief Pam an, die schon nach dem ersten Klingeln abnahm. „Paige? Gut, dass du anrufst. Wir waren schon ganz beunruhigt. Wie geht es dir?“

Unwillkürlich musste Paige lächeln. Obwohl sie mit achtundzwanzig längst erwachsen war, machte die Familie sich immer noch um sie Sorgen. „Mir geht’s gut.“

„Ich wünschte, ich wäre bei dir. Kemp, dieses Schwein! Und nun ist die Presse hinter dir her!“

„Mach dir keine Gedanken. Ich sehe weder fern noch kümmere ich mich um die sozialen Medien. Also alles okay.“

„Hast du schon was von Kemp gehört?“, fragte Pam.

Kemp hatte Paige letzte Woche angerufen, nachdem die Story publik geworden war. Er hatte alles zugegeben und gemeint, die Sache habe nichts mit ihr zu tun und sei ohne Bedeutung. Maya und er hätten nur ein paar Drinks zu viel gehabt, und es täte ihm leid. Und dann hatte er sie noch gefragt, wo sie sei. Er wolle ihr Blumen schicken. Blumen! Als wenn er damit das Ganze aus der Welt schaffen könnte!

Darüber hatte sich Paige besonders geärgert. Glaubte er wirklich, dass damit alles wieder gut war? Als sie ihm sagte, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle, weigerte er sich, ihr zu glauben. Und war empört, weil sie ihm nicht sagen wollte, wo sie war.

„Ich habe ihn blockiert. Er kann mich nicht mehr erreichen.“

„Deswegen hat er hier auch schon dreimal angerufen“, meinte Pam nüchtern. „Ist uns zwar egal, aber er war ausgesprochen sauer, dass wir ihm nicht sagen wollten, wo du bist. Ich habe den Eindruck, er glaubt, was Nadia ihm erzählt hat.“

„Nadia?“

„Ja. Hast du mit ihr gesprochen?“

„Nein. Ich war unter der Dusche, als sie anrief. Ich habe dann zurückgerufen, aber nur ihre Mailbox erreicht.“

„Sie ist wahrscheinlich in einer Besprechung“, meinte Pam. Nach dem College war Nadia nach Wyoming zurückgekehrt und leitete dort eine Schauspielschule. Auch Pam war Schauspielerin gewesen und hatte nach dem Ende ihrer Karriere die Schule gegründet.

„Was hat Nadia denn getan, Pam?“, drängte Paige. Nadia, die Jüngste, war bekannt für ihre verrückten Ideen.

„Das soll sie dir lieber selbst erzählen.“

Das klang mehr als geheimnisvoll, und Paige wollte gerade etwas erwidern, als ein Anruf hereinkam. Es war Nadia. „Pam, sie ruft mich gerade an. Ich melde mich später.“

„Gut.“

Paige nahm den Anruf entgegen. „Nadia! Was ist los?“

„Hast du … heute schon Nachrichten gesehen?“, kam es zögernd.

„Nein, warum?“ Als Nadia schwieg, hakte Paige nach. „Was hast du getan, Nadia?“

„Da dich die Reporter nicht in Los Angeles und auch nicht in Westmoreland erreichen konnten, haben sie angenommen, du bist hier in Wyoming.“

„Sie sind nach Gamble gekommen?“

„Ja, auf unsere Farm.“

„Und?“

„Als ich morgens das Haus verließ, haben sie mir aufgelauert, mir ihre Mikros vors Gesicht gehalten und versucht rauszubekommen, wo du bist.“

Kurz stockte Paige der Atem. Sie kannte die Methoden der Presse. „Und? Hast du es ihnen gesagt?“

„Nein, natürlich nicht. Aber einer der Reporter hat nicht lockergelassen, und da habe ich ihm schließlich gesagt, dass …“

„Was?“

„Ich … ich habe ihm gesagt, Kemp sei dir vollkommen egal. Du wärst längst darüber hinweg und hättest jemand anderen.“

„Na und?“ Das war zwar nicht wahr, aber auch nicht weiter schlimm.

„Das war noch nicht alles. Er hat weiter gebohrt, und da habe ich was von einer heißen Affäre erzählt.“

„Was? Warum das denn, Nadia?“ Paige fragte sich, wie ihre Schwester auf diese Idee kam. Sie hatte noch nie eine heiße Affäre gehabt. Auch mit Kemp war in dieser Hinsicht alles ziemlich lahm gewesen, obwohl er glaubte, er sei fantastisch im Bett.

„Na ja, der Reporter hat keine Ruhe gegeben. Und du wolltest Kemp doch sowieso abservieren, oder?“

Immerhin hat sie das wohl nicht der Presse erzählt! Paige atmete erleichtert auf. Dass sie mit Kemp Schluss machen wollte, wusste außer den Schwestern niemand. Dennoch hatte sie sein Betrug verletzt, denn er hätte wissen müssen, dass das für die Presse ein gefundenes Fressen war.

„Und nun ist die ganze Welt neugierig auf deinen neuen Lover“, fuhr Nadia bedrückt fort. „Und sie werden versuchen rauszufinden, wer er ist und wo du dich versteckt hast. Zum Glück wissen sie ja nicht, dass du bei Spencer und Chardonnay bist.“

Paige seufzte leise. Wenn Nadia doch einfach nicht auf die Reporter eingegangen wäre, sondern sie mit einem „Kein Kommentar“ abgewimmelt hätte. „Ich verstecke mich nicht, Nadia“, stellte sie richtig. „Ich besuche unsere Verwandten. Das Filmprojekt ist abgeschlossen, und ich mache hier Ferien.“

„Ferien? Na ja, so kann man es auch nennen. Aber sicher hast du dich noch nicht in der Stadt blicken lassen, oder?“

Paige verdrehte die Augen. Nadia konnte sehr hartnäckig sein. „Ich muss jetzt Schluss machen. Die Familie hat mich zum Dinner eingeladen, und ich muss mich noch umziehen. Bis später.“

Schnell beendete sie das Gespräch. Die Medien waren ein gefräßiges Ungeheuer. Aber sie würde ihr Privatleben schützen, solange es ging. Und selbst entscheiden, wann sie sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte.

In weniger als einer Stunde war sie auf dem Weg zum Haupthaus. Der Blick über die sanften Hügel war unbeschreiblich schön. Überrascht blieb sie stehen, als sie ein fremdes Auto bemerkte, das dicht vor dem Eingang geparkt war. Erwarteten Spencer und Chardonnay noch einen anderen Gast zum Dinner? Zögernd näherte sie sich der großen schweren Eingangstür, die plötzlich von dem sechzehnjährigen Russell aufgerissen wurde, der Paige mit einem strahlenden Lächeln entgegenlief. „Hallo, Paige!“

„Hallo, Russell!“ Wieder fiel ihr auf, wie sehr er und Daniel ihrem Vater Spencer ähnlich sahen. Die Schwester Chablis dagegen kam ganz nach ihrer Mutter.

„Chablis hilft Mom und Grammy in der Küche“, sagte er eifrig. „Hast du gut geschlafen?“

Also wusste er, dass sie sich jeden Nachmittag hinlegte. „Ja, danke.“

Ganz Kavalier, hielt er die Tür für sie auf und ließ sie eintreten,

„Hallo, Paige“, vernahm sie da eine dunkle, raue Stimme und wandte sich hastig um. Es war Jess Outlaw. Unwillkürlich musste sie lächeln. „Jess! Das ist aber eine Überraschung!“

Eine angenehme, dachte sie. Sie hatten sich nicht oft gesehen, aber wenn, hatte sie sich in seiner Gegenwart immer sehr wohlgefühlt. Vor sechs Jahren waren sie sich das erste Mal begegnet, und er hatte gleich einen großen Eindruck auf sie gemacht. Ja, mehr noch, ihr war ganz heiß vor Erregung geworden, was ihr bisher noch nie passiert war. Und so hatte sie versucht, mit ihm zu flirten, worauf er leider nicht eingegangen war.

Jess kam auf sie zu und umarmte sie. „Wie geht’s dir?“, fragte er leise.

Sie nahm den Kopf zurück und sah zu ihm hoch. Offenbar hatte er mitgekriegt, was in den letzten Wochen durch die Medien ging. „Mir geht’s gut. Aber was führt Sie aus Washington hierher, Senator?“

Er grinste. „Ich mache hier Ferien. Als ich Spencer letzten Monat in Washington getroffen habe, hat er mich eingeladen.“

„Es wird dir hier gefallen.“

„Davon bin ich überzeugt.“

In diesem Augenblick stieß Katherine Russell, Chardonnays Großmutter, die Küchentür auf. „Das Essen ist fertig!“

Jess bot Paige den Arm, den sie lächelnd annahm, und führte sie ins Esszimmer.

2. KAPITEL

Immer wieder ertappte Jess sich dabei, dass er Paige über den Tisch hinweg anstarrte. Ob es bei ihr auch Zing gemacht hatte wie ein superkurzer elektrischer Schlag, als sie ihm die Hand auf den Arm gelegt hatte? Wenn ja, ließ sie sich nichts anmerken.

In seinem Leben hatte er schon viele hübsche Frauen kennengelernt, aber Paige war eine Schönheit. Diese dunkelbraunen Augen, die vollen rosa Lippen, die sie zu einem Lächeln verzog, wenn sie amüsiert war. Wie mochte es sich anfühlen, diese Lippen zu berühren? Wie sie wohl küsste? Und dann das herzförmige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den kleinen Grübchen und der geraden Nase, das dunkelbraune glänzende Haar – Paige Novak war einfach hinreißend. Kein Wunder, dass sie ein erfolgreicher Filmstar war.

Er konnte sich noch gut daran erinnern, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Es war in Denver auf der Hochzeit von Bailey Westmoreland gewesen, die Walker Rafferty, einen engen Freund der Outlaws, geheiratet hatte. Paige war eine der Brautjungfern gewesen und er einer der Trauzeugen.

Das war jetzt über sechs Jahre her. Er hatte die Westmorelands erst wenige Monate vor der Hochzeit kennengelernt, als sie die Outlaws zu Weihnachten eingeladen hatten. Er und seine Geschwister hatten erst von diesen Verwandten erfahren, als ein Privatdetektiv bei ihnen zu Hause in Alaska aufgetaucht war und ihnen eröffnet hatte, dass die Outlaws und die Westmorelands einen gemeinsamen Urgroßvater namens Raphael Westmoreland hätten.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Outlaws nicht gewusst, dass besagter Raphael ihren Großvater entweder adoptiert hatte oder gar sein leiblicher Vater war. Jess’ Vater Bart aber hatte abgestritten, mit den Westmorelands blutsverwandt zu sein, obwohl es Beweise gab. Jess und seine Geschwister fanden das sehr schade, denn sie hätten gern noch weitere Cousins und Cousinen gehabt.

Paige war an diesem Weihnachten nicht dabei gewesen, und so hatte Jess sie das erste Mal auf der Hochzeit gesehen. Er konnte sich noch sehr genau daran erinnern, denn er war sofort von ihr hingerissen gewesen. Offenbar war sie von ihm auch beeindruckt, denn sie fing sofort an, mit ihm zu flirten. Und an den Tagen vor und während der Hochzeitsfeier waren sie unzertrennlich gewesen. Leider hatte daraus nicht mehr werden können, denn Jess war durch seinen Wahlkampf sehr eingespannt gewesen.

Noch lange hatte er an sie denken müssen. Und als er ihr jetzt gegenübersaß, stellte er sich unwillkürlich vor, was wohl aus ihnen geworden wäre, wenn sie sich zu einem anderen Zeitpunkt kennengelernt hätten.

Sie hatte gesagt, es gehe ihr gut. Aber stimmte das? Als Schauspielerin war sie es gewohnt, sich nicht anmerken zu lassen, was sie wirklich empfand. Denn ganz sicher war sie verletzt wegen Kemps Seitensprung, ganz abgesehen von dem Medienspektakel.

Vor ein paar Jahren hatte Spencer ihm erzählt, wie er und Chardonnay sich kennengelernt hatten. Spencer, der schon in jungen Jahren viel Geld als Investor gemacht hatte, war an dem Weingut von Chardonnays Familie interessiert gewesen, das er in ein Ferienresort verwandeln wollte. Er wusste, dass die Russells finanzielle Probleme hatten, und meinte, das Weingut günstig erwerben zu können. Dann war er Chardonnay begegnet, und alle Pläne waren vergessen. Denn es war klar, wie sehr sie an dem Weingut hing.

Spencer hatte sein Ferienparadies trotzdem gebaut, allerdings nicht auf dem Gelände des Weinguts, sondern etwa zehn Meilen entfernt. Das Luxusresort hatte er Windemere genannt.

„Wie gefällt dir dein Leben als Politiker?“, riss Chardonnays Großmutter Jess aus seinen Gedanken.

Lächelnd sah er die alte Dame an, die jeder nur Grammy nannte. „Sehr gut. Für mich ist das alles noch sehr neu und spannend. Man hat mich in das Komitee für Erziehung berufen, und darüber bin ich sehr froh.“

Paige hielt im Essen inne und sah ihn aufmerksam an. „Hat das Komitee nicht bereits Gesetzesvorlagen eingebracht?“

Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Woher weißt du das denn?“

„Von Reggie. Er meinte, du hättest ziemlichen Eindruck in Washington gemacht. Gefällt ihm natürlich, dass die Familie jetzt zwei Senatoren dort hat.“

Die Unterhaltung wandte sich dem Familiennachwuchs zu. „Delaney hat Zwillinge gekriegt, und Sheriff Pete Higgins und seine Frau erwarten ihr erstes Kind“, meinte Spencer. Pete Higgins war ein Schulfreund von ihm. Und alle wussten, dass Bane und Crystal zum zweiten Mal Drillinge erwarteten.

Chardonnay lachte. „Die beiden wollten ja immer eine große Familie. Na, dieser Wunsch ist ja nun in Erfüllung gegangen.“

„Wie geht’s deiner Mutter?“, wollte Jess von ihr wissen.

„Gut, glaube ich. Seit Dad sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat, sind die beiden viel auf Reisen. Mom hat mich vor Kurzem aus Paris angerufen. Sie werden aber zwei Wochen vor dem großen Fest zurückkommen, um bei den Vorbereitungen zu helfen.“

Natürlich wurde auch über das Weingut gesprochen. Über das Thema ließ sich Chardonnays Großvater besonders gern aus. Doch dann wurde er von seiner Enkelin unterbrochen, die mit einem duftenden Apfelkuchen hereinkam, den Grammy gebacken hatte. Und alle lachten, als Grammy Russell später zum Küchendienst abkommandierte.

„Aber … aber ich wollte Paige doch zurück in ihr Haus bringen, Grammy“, empörte sich Russell.

„Das hast du ja schon in den letzten Tagen getan, mein Sohn“, meinte Spencer lächelnd. „Was Paige bestimmt sehr genossen hat. Aber Jess geht denselben Weg zurück und wird sicher dafür sorgen, dass Paige heil in ihr Quartier kommt.“

„Mit dem größten Vergnügen.“ Jess neigte leicht den Kopf, nickte Paige zu und stand auf. „Von mir aus können wir gehen, wenn es dir recht ist.“

„Selbstverständlich.“ Sie stand auf und lächelte ihn an, warf dann aber noch einen Blick in die Runde. „Vielen Dank für das köstliche Dinner.“ Dann verließ sie mit Jess den Raum.

„Was für eine wunderbare Nacht.“ Paige blickte in den klaren Sternenhimmel.

„Ja.“

Sie holte tief Luft. „Es duftet nach Weintrauben. Letzte Woche habe ich sogar zusehen können, wie die Trauben fermentiert wurden. Sehr interessant.“

„Das glaube ich gern.“ Jess blickte nachdenklich vor sich hin.

Paige sah ihn überrascht an. Was war nur mit ihm los? Er war doch sonst nicht so einsilbig. „Beim Essen hast du gesagt, du würdest eine Zeit lang bleiben.“

„Ja, den ganzen Monat. Hat keinen Sinn, nach Hause zu fliegen. Meine ganze Familie ist verreist. Ich sehe sie dann hier beim großen Fest.“

„Und was hast du in den nächsten Wochen vor?“

„Nichts Besonderes.“ Endlich hob Jess den Kopf und lächelte Paige an. Diese Grübchen! Paige wurde ganz heiß, genau wie vor sechs Jahren, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Da war etwas zwischen ihnen, heute wie auch damals, als er leider nicht auf ihre Flirtversuche eingegangen war.

„Ich will mich eigentlich nur ausruhen“, fuhr er fort. „Mich entspannen und die schöne Landschaft genießen. Und rausfinden, wie die Restaurants hier sind.“ Er grinste. „Als Erstes will ich eine Pizzeria ausprobieren.“

„Du magst Pizza?“ Als Senator, der in Washington sicher nur in den teuersten Restaurants verkehrte? Paige sah ihn ungläubig an.

„Ich liebe Pizza. Ich habe gehört, dass es bei Philippe’s die beste Pizza im Napa Valley gibt. Alle schwärmen davon und meinen, es sei egal, welchen Wein man dazu trinkt.“

Paige lachte. Diesen Scherz hatte auch ihre Agentin Maxie gemacht, als sie hörte, dass Paige auf einem Weingut war. „Ich mag Pizza auch sehr gern.“ Als Jess sie stirnrunzelnd ansah, fragte sie: „Was ist?“

Kurz hob er die breiten Schultern. Und Paige musste zugeben, dass er in Jeans und Sporthemd genauso gut aussah wie in einem Dreiteiler, mit dem er normalerweise im Fernsehen zu sehen war. „Eins verstehe ich nicht“, sagte er schließlich.

„Was denn?“

„Auf dem Weg hierher habe ich im Radio gehört, was Nadia über deine neue Eroberung sagte. Vielleicht irre ich mich, aber du machst nicht den Eindruck, als hättest du gerade eine heiße Affäre.“

Paige lachte. „Nadia hat eine blühende Fantasie. Aber zum Teil stimmt, was sie gesagt hat.“

„Welcher Teil?“

„Dass Kemp und ich nicht mehr zusammen sind und ich darüber längst hinweg bin.“

„Ist ihm das klar?“

„Sollte es, schließlich hab ich es ihm selbst gesagt. Aber wahrscheinlich denkt er immer noch, ich würde meine Meinung ändern.“

„Hat er recht?“

„Um Himmels willen, nein! Das Kapitel ist endgültig abgeschlossen.“

Schweigend gingen sie weiter.

„Wie lange willst du bleiben?“, nahm Jess das Gespräch wieder auf.

„Eigentlich wollte ich in der kommenden Woche wieder fahren. Aber mein nächstes Filmprojekt beginnt erst in ein paar Wochen. Tut gut, ein bisschen Ferien zu machen. Spencer und Chardonnay wollen, dass ich länger bleibe. Und wenn ich sehe, was Chardonnay noch alles bis zu dem großen Fest zu tun hat, sollte ich bleiben, um ihr zu helfen. Also werde ich wohl bis Ende des Monats hier sein. Wie du.“

Hoffentlich kam er jetzt nicht auf die Idee, sie würde seinetwegen bleiben. „Es ist wunderschön hier“, fügte sie deshalb schnell hinzu. „Und die ganze Familie ist so gastfreundlich und verwöhnt einen nach Strich und Faden. Kein Wunder, dass es einem schwerfällt abzureisen.“

„Und du kannst es gebrauchen, mal verwöhnt zu werden.“

„Das ist lieb, Jess, aber es geht mir wirklich gut. An dieser ganzen Kemp-Geschichte ärgert mich nur, dass ich mich so sehr in ihm getäuscht habe.“

Er grinste kurz. „Das geht jedem mal so, glaub mir.“

Ernst sah sie ihn an. „Dir auch?“

„Ja. Das ist jetzt zehn Jahre her.“

Zehn Jahre waren eine lange Zeit. Aber Paige wusste, dass manche Menschen nie über eine enttäuschte Liebe hinwegkamen. War das der Grund, warum Jess immer noch Single war? Im Gegensatz zu seinen Brüdern, die alle glücklich verheiratet waren?

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, seufzte er schwer. „Ava und ich haben uns während des Jurastudiums kennengelernt“, fing er leise an. „Es war uns beiden ernst. Das dachte ich wenigstens. Ich bin davon ausgegangen, dass wir nach dem Examen heiraten. Nach einem Jahr sind wir zusammengezogen. Dann musste ich wegen einer Familienkrise zwei Wochen weg, kam aber schon nach einer wieder zurück.“

Er schwieg, und Paige spürte, wie schwer es ihm fiel weiterzusprechen. „Und da fand ich Ava mit einem anderen Mann im Bett. Sie behauptete, sie hätten zu viel getrunken und so sei es eben passiert.“ 

Mitfühlend schüttelte Paige den Kopf. „Immer einfach, dem Alkohol die Schuld zu geben.“ Sie lachte kurz auf. „Genau das hat Kemp auch gesagt, als die Sache mit Maya herauskam. Sie hätten zu viel getrunken und nicht mehr gewusst, was sie taten.“

„Tja …“ Jess senkte den Kopf und schob die Hände in die Hosentaschen. „Sieht so aus, als hätten wir Ava und Kemp nicht besonders viel bedeutet, wenn schon der Alkohol sie dazu bringen konnte, uns untreu zu werden.“

„Ja, offenbar.“

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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