Zauber der Leidenschaft in Paris

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Nur eine heimliche Liebesnacht in seinem Pariser Luxuspenthouse! Mehr kann Xavier der verführerischen Trella, mit der er auf dem Wohltätigkeitsball unvergessliche Stunden verbrachte, nicht bieten. Denn als Kronprinz von Elazar muss er der Pflicht gehorchen und eine Adlige heiraten. Als er erfährt, dass seine Nacht mit der bürgerlichen Schönen nicht folgenlos blieb, steht Xavier plötzlich vor der schwersten Entscheidung seines Lebens: Soll er sich wie geplant dem Wohl seines Landes unterordnen - oder zum ersten Mal auf sein Herz hören?


  • Erscheinungstag 19.06.2018
  • Bandnummer 2341
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710224
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sechs Monate zuvor …

Als der Empfangschef am Eingang des Ballsaals Trella Sauveterre nach ihrem Namen fragte, hätte sie beinahe arrogant erwidert: „Sie wissen doch, wer ich bin.“

Sie verkniff sich die Antwort. Ihre Zwillingsschwester machte nie bissige Bemerkungen. Weder Fremden gegenüber und ganz sicher nicht Untergebenen. Angelique konnte zwar durchaus scharf reagieren und würde ihr sicher die Leviten lesen, wüsste sie, was Trella gerade machte. Doch normalerweise war sie sensibel und mitfühlend, sanft und freundlich.

Trella? Nicht so sehr.

„Angelique Sauveterre“, log Trella mit dem höflichen, aber distanzierten Lächeln ihrer Schwester. Eigentlich sollte sie ein schlechtes Gewissen haben, aber so war es nicht.

Stattdessen fühlte sie sich lebendig.

Aber sie hatte auch Angst und wäre entsetzt, würde sie über ihr Verhalten nachdenken. Es war genauso, als würde sie in die Mitte eines Sees schwimmen, wo es unvorstellbar tief war. Wer konnte schon wissen, welche Gefahren in diesen dunklen Tiefen lauerten? Monster. Sie existierten. Trella hatte sie kennengelernt und wäre beinahe von ihnen verschlungen worden.

Nach außen hin merkte man ihr nicht an, dass ihr Herz hämmerte, während sie einen Kampf mit sich ausfocht. Ihre Bewegungen wirkten anmutig, obwohl ihre Muskeln sich steif anfühlten.

Auch wenn sie Angst hatte, war sie doch voller Freude und wollte gleichzeitig weinen und lachen.

Ich tue es! würde sie ihrer Familie am liebsten zurufen. Schaut her. Ich bin unter Menschen. Allein. Und ich schrumpfe nicht zusammen wie ein Vampir in der Sonne.

Doch ihre Familie wusste nicht, wo sie war, und das sollte auch so bleiben. Als Jugendliche hätte sie sich vor Jahren aus dem Fenster davonschleichen sollen. Stattdessen hatte sie um ihr Überleben gekämpft, hatte eine Essstörung gehabt und mehr Gepäck mit sich herumgeschleppt als ein Passagierflugzeug.

Wenn die Leute hier wüssten, dass es immer noch so war …

Sie schaltete das negative Selbstgespräch ab und bewegte sich wie ein normaler Mensch durch die Menge. Blicke ruhten auf ihr, weil man bemerkt hatte, dass Angelique Sauveterre gekommen war. Ihr Bodyguard hielt jeden davon ab, sich ihr zu nähern. Für andere Menschen mochte das nicht normal sein, aber ganz sicher für die Sauveterre-Zwillinge, auch für das ältere Brüderpaar.

Zurückhaltend, wie ihre Schwester es tun würde, nickte sie den Menschen zu, die sie begrüßten und die sie vermutlich kennen sollte.

In ein paar Wochen würde sie als Trella auftreten. Dann würde es nichts mehr geben, hinter dem sie sich verstecken könnte. Keine Wände, keine breiten Schultern ihrer Brüder. Und sie würde sich nicht mehr als ihre Schwester ausgeben. Das hatte sie vor Weihnachten beschlossen. In diesem Jahr würde sie sich aus dem Gefängnis befreien, das sie selbst geschaffen hatte.

Doch jetzt versteckte sie sich noch hinter Angelique. In letzter Zeit hatte sie sich schon ein paarmal als ihre Schwester ausgegeben, mit deren Erlaubnis. Ihr Bruder Henri hatte sie begleitet, weil sie beim Rennen seines Zwillingsbruders Ramon dabei sein wollte. Oder sie hatten sich zusammen die neueste Modekollektion eines befreundeten Designers angesehen.

Trella hatte sich nie allein in der Öffentlichkeit bewegt. In ihrem ganzen Leben hatte sie nur selten etwas allein getan. Als Kind war Angelique – oder Gili, wie die Familie sie nannte – diejenige gewesen, die Hilfe brauchte, und Trella war ihre Beschützerin gewesen. Sie hatte Gilis Hand gehalten, damit ihre Schwester nicht zitterte und weinte, wenn sie im Rampenlicht standen. Ihre Brüder hatten immer auf sie aufgepasst, schon bevor Trella im Alter von neun Jahren entführt wurde.

Dann war sie gekidnappt worden und hatte nur den einen Wunsch gehabt: dass ihre Entführer sie in Ruhe ließen.

Sie verdrängte die Erinnerungen, die ihr doch nur wieder eine Panikattacke bescheren würde. Dabei kam sie inzwischen sehr gut zurecht und hatte fast zwei Jahre keinen Rückfall mehr gehabt.

Die Attacken hatten Jahre nach ihrer Rettung begonnen, als sie eigentlich Fuß fassen und ihr Leben weiterführen sollte. Stattdessen war sie zu einer schrecklichen Last geworden. Auch wenn ihre Geschwister nie etwas sagten, hatten sie sicher genug davon, stets auf Abruf für sie bereitstehen zu müssen. Und sie war es müde, immer das schwächste Glied zu sein. Deshalb musste sie sich ändern.

Und der heutige Abend war ein weiterer Schritt auf diesem Weg. Die Presse würde durchdrehen, wenn sie in ein paar Wochen endlich als Trella auftreten würde, um an der Hochzeit eines Freundes teilzunehmen. Sie musste bereit dafür sein und wollte wissen, ob sie es schaffen könnte.

Trella hatte sich spontan entschieden, es auszuprobieren, denn dieses Wohltätigkeitsdinner hatte überhaupt nicht auf ihrer Agenda gestanden, als sie nach Paris gekommen war.

Sie war außer sich gewesen vor Stolz, weil sie sich ohne ihre Mutter oder die Geschwister von ihrem Familienbesitz in Spanien auf den Weg gemacht hatte. Wie immer natürlich im Privatjet und mit vertrauenswürdigen Bodyguards. Ein weiterer Schritt ihrer neugefundenen Unabhängigkeit.

Als Gili dann vorsichtig nachgefragt hatte, ob sie ein Wochenende mit ihrem neuen Liebhaber in London verbringen könnte, hatte Trella natürlich Ja gesagt. Ihre Schwester strahlte, wenn sie über Prinz Kasim sprach. Offensichtlich war er etwas ganz Besonderes.

Eine Nacht allein in ihrer hochgesicherten Wohnung über dem Modehaus Maison des Jumeaux zu verbringen, schien Trella zunächst sehr verlockend.

Doch als der Abend sich hinzog und sie rastlos in der Wohnung herumlief und die Sachen ihrer Schwester aufräumte, war sie kurz davor, in Selbstmitleid zu zerfließen.

Würde sie je eine romantische Affäre haben? Ihre Gefühle Männern gegenüber waren sehr ambivalent. Mit vierzehn hatte sie sich hinter einem Rosenbusch in den Armen des Gärtnersohns wiedergefunden. Dann war ihr Vater gestorben, und Paparazzi hatten sie auf abscheuliche Weise bedroht. Ihre Angst vor Männern, eigentlich vor allem, hatte sich verhundertfacht. Während ihre Panikattacken sich zuspitzten, wurde sie von einer Angst erfasst, die noch größer war. Der Furcht, so gebrochen zu sein, dass niemand sie mehr würde haben wollen.

Jahrelang hatte sie Männern nicht erlaubt, ihr auch nur nahe zu kommen. Wechselte von einem sicheren Ort zum anderen, bewacht von hauptsächlich weiblichen Bodyguards. Hin und wieder stellten ihre Brüder ihr einen ihrer Freunde vor. Doch selbst wenn sie vorgehabt hätte, sich an einen dieser Banker oder Rennfahrer heranzumachen, hätten Ramon und Henri es nicht erlaubt.

Sadiq, der engste Freund der Familie, war der einzige Mann, mit dem sie tatsächlich Zeit verbrachte. Eine Beziehung hatten sie jedoch nie gehabt. Er war der schüchterne, herzensgute Computerfreak, der der Polizei damals geholfen hatte, sie zu orten und sie zu ihrer Familie zurückzubringen. Und sie liebte ihn, als ihren Retter, nicht jedoch als Mann.

Deshalb hatte seine Verlobung es geschafft, sie aus ihrem Elfenbeinturm zu befreien. Sie würde alles für Sadiq tun. Wenn er sich wünschte, dass sie an seiner Hochzeit teilnahm, dann würde sie natürlich kommen, auch wenn das hieß, sich wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Es war ein Kampf gewesen, so weit zu kommen. Und jetzt, da sie im Begriff stand, wieder so etwas wie ein normales Leben führen zu können, merkte sie, dass sie die Spielregeln verändern wollte.

Sie wollte sich genauso wie ihre Schwester auf ein Wochenende mit einem Mann freuen. Wollte der Mensch sein, der sie sein sollte, wäre sie nicht entführt, angegriffen und schikaniert worden. Doch das würde nie geschehen, wenn sie weiter hinter diesen verdammten Mauern lebte.

Die Einladung zu diesem Ball hatte sie durch Zufall zwischen einem Stoß von Papieren gefunden. Die Wohltätigkeitsveranstaltung diente dem Zweck, Geld für Waisenkinder zu sammeln, was Gilis weiches Herz sofort gerührt hatte. Sie hatte sich zwar entschuldigen müssen, aber das Scheckbuch der Sauveterres war immer willkommen.

Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte Trella ein Sicherheitsteam informiert und eine der Kreationen ihrer Schwester angezogen. Während Trella auffälligere Mode mit starken Farben, breiten Schultern und komplizierter Perlarbeit bevorzugte, war der Stil ihrer Schwester etwas zurückhaltender. Das champagnerfarbene Kleid hatte ein enges Oberteil, doch der Rüschenrock schuf eine sinnliche Impression von Seidenlaken, die einen nackten Körper einhüllten.

Dazu trug sie die Ohrringe ihrer Schwester und ein Amulett mit einem Notfallknopf. Ihr Lippenstift war von einem zarten Rosa, die Haare fielen ihr in dunklen Locken über die Schultern.

So stand sie nun da, atemlos und wie gelähmt und trotzdem so voller Optimismus wie seit Jahren nicht mehr. Schließlich ging sie zu dem reservierten russischen Gastgeber Aleksy Dmitriev und seiner sehr viel herzlicheren britischen Frau Clair.

„Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind“, sagte Clair und nahm sie auf eine vertrauliche Art zur Seite, die zeigte, dass Clair keine Ahnung hatte, dass sie mit Gilis Zwillingsschwester sprach. „Sie sind nicht nur die Einzige, die ohne Begleitung kommt, sondern auch die Einzige, die wegen meines Ehrengastes nicht den Kopf verlieren wird. Fragen Sie mich nicht, wie ich es geschafft habe, dass er kommt. Ich habe ihn sogar dazu überreden können, sich für den ersten Tanz ersteigern zu lassen.“

Trella sah sich um, um einen Blick auf diese bedeutende Persönlichkeit zu erhaschen, während Clair weiterplapperte und sie durch die Menge führte.

„Aleksy meinte, dass ich meine Macht wenigstens für etwas Gutes eingesetzt habe. Trotzdem fühle ich mich ein bisschen schlecht, weil mein Ehrengast sofort nach seiner Ankunft belagert wurde. Aber die Geier werden sich zurückziehen, wenn Sie kommen. Ich weiß, dass Sie ihm die Befangenheit nehmen werden. Alle lieben Sie. Es macht Ihnen doch nichts aus?“

Trella begriff, wie Clair das bekam, was sie wollte. Ihre Schmeicheleien klangen ehrlich, und für sie war es eine Selbstverständlichkeit, dass man sich ihren Wünschen fügte.

Clair nahm ihr Schweigen als Zusage und schob sie in das Dickicht von Ballkleidern.

Der geheimnisvolle Mann drehte sich um. Unter seiner schwarzen Smokingjacke trug er eine rote Schärpe. Er war beeindruckend groß, mit breiten Schultern und muskulösem Körperbau. Die blonden Strähnen in seinen hellbraunen Haaren wirkten natürlich, zumal auch seine Augenbrauen von einem Goldton durchzogen waren.

Und diese Augen. Sie waren gletscherblau, und seine Gesichtszüge waren wie gemeißelt.

Noch nie hatte sie einen so bezwingenden, unwiderstehlichen Mann gesehen, sodass sie alles um sich herum vergaß. Sie schienen gefangen in einer geräuschlosen, luftleeren Blase, während ihre Blicke sich begegneten.

Hatte sie sich wirklich danach gesehnt, als Frau gesehen zu werden? Denn genau das passierte gerade. Sie bemerkte den Anflug von Interesse in seinem Blick. Ihm gefiel, was er sah.

Doch er sah Gili. Die süße Gili, die es gewohnt war, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen und von Männern als mögliche Eroberung betrachtet zu werden.

Ein seltsames Gefühl nahm von Trella Besitz. Sie hätte sich bedroht fühlen müssen, oder sich wie Gili verhalten sollen, die so tun würde, als hätte sie nichts bemerkt oder als wäre ihr das männliche Interesse egal.

Stattdessen drängte ihr streitlustiges Wesen ihre Schwester in den Hintergrund und sie funkelte den Fremden herausfordernd an.

Sein Blick wurde eindringlicher. Lodernder. Er sah sie.

Es fühlte sich an wie Magie.

„Eure Hoheit“, hörte sie Clair wie aus weiter Ferne sagen. „Darf ich Ihnen Angelique Sauveterre vorstellen?“

„Ms. Sauveterre, der Kronprinz von Elazar, Xavier Deunoro.“

Xavier hatte genau gewusst, was ihn erwarten würde, als er sich von Clair Dmitriev dazu hatte überreden lassen, bei ihrem Wohltätigkeitsball zu erscheinen. Er wollte sich dadurch von ihrem mächtigen Ehemann, der bekannt dafür war, dass man ihn nur schwer beeinflussen konnte, einen Gefallen für die Zukunft erkaufen.

Er hatte auch gewusst, was an diesem Abend auf ihn zukommen würde: Frauen in gewagten Kleidern, die mit ihren Reizen auf sich aufmerksam machen wollten.

Als Europas begehrtester Junggeselle war er es gewohnt, sich aus dem Aufgebot eine aussuchen zu können. Dabei spielte es keine Rolle, welche ihm in die Hände fiel. Sie waren alle gleich, versprachen ein kurzes Vergnügen für die Nacht, bevor er sie in einem Hotelzimmer vergaß, wenn er am nächsten Morgen wieder verschwand.

Angesichts der Neuigkeiten, die er an diesem Morgen erhalten hatte, wäre es die letzte vergnügliche Nacht heute, bevor er seinen königlichen Pflichten den Vorrang geben musste. Noch ein Grund, warum er dieser Lächerlichkeit zugestimmt hatte. Wenigstens stand ihm eine große Auswahl für seinen letzten Tag in Freiheit bereit.

In dem Moment stellte seine Gastgeberin ihm jemanden vor, wie ein Geschenk.

Sie war größer als die meisten anderen, und ihre himmlischen Gesichtszüge passten zu ihrem Namen. Ihre Haut war weich und schimmerte golden, wie die Sonne über einer verschneiten Bergkuppe.

Eine Muse, dachte er. Wie könnte er sie nicht bewundern? Sie besaß die Figur einer Göttin, einen sündigen Mund und die geheimnisvollen Augen einer Elfe, die in einer interessanten Mischung aus Grün und Grau schimmerten. Er war sicher, dass sie nach moosigem Wald und frischem kaltem Bach roch, würde er sie aus der Wolke von Parfüm wegziehen, die sie umgab.

Sie war ein Diamant in einer Ansammlung unechter Steine, eine Frau voller Facetten und Widersprüche, faszinierend und unvergleichlich. Und er bedauerte, ihre Tiefen und Widersprüche nicht näher erkunden zu können. So war nun einmal sein Leben. Er nahm sich, was er konnte und wenn er die Möglichkeit dazu hatte.

An diesem Abend würde er sie nehmen.

„Guten Abend.“ Er beugte sich über ihre Hand. Sein warmer Atem strich über ihre Handknöchel, und er spürte, dass sie kurz zuckte. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.“

„Die Ehre ist ganz meinerseits.“

„Ich habe Ihnen Plätze am VIP-Tisch reserviert“, sagte Clair und zog die anderen Frauen mit sich, die beleidigt waren, weil er ihnen nicht den Vorzug gegeben hatte.

Eine Rothaarige blieb jedoch zurück. Xavier seufzte im Stillen, als sie ihm ein zuckersüßes Lächeln zuwarf, ehe sie fragte: „Wie geht es Ihrer Schwester, Angelique? Meidet sie immer noch die Gesellschaft?“

Ach ja. Deshalb war ihm der Name so bekannt vorgekommen. Die Familie hatte eine tragische Geschichte. Eines der Zwillingsmädchen war als Kind gekidnappt worden. Gerüchten zufolge sollte sie psychisch labil sein, deshalb hielt man sie aus der Öffentlichkeit fern. Er gab zwar nicht viel auf den Klatsch, weil man über ihn auch schon die unmöglichsten Dinge verbreitet hatte; trotzdem fragte er sich, wie sie auf diese Unverschämtheit reagieren würde.

Sie warf der Rothaarigen einen scharfen Blick zu. „Es geht ihr hervorragend.“ In seinen Ohren klang sie ironisch. „Wie heißen Sie noch gleich? Ich werde ihr sagen, dass Sie sich nach ihr erkundigt haben.“

„Oh.“ Die Rothaarige war verblüfft, warf ihm jedoch noch einen Blick zu und meinte, um endlich sein Interesse zu wecken: „Lady Wanda Graves.“

„Wir werden Sie sicher auf unsere Liste setzen.“ Sie lächelte verhalten, dann wandte sie sich an Xavier. „Sollen wir unsere Plätze suchen?“

Sie sah nicht, dass die Rothaarige kurz strahlte, bevor ihre Miene sich verdunkelte, weil ihr wohl plötzlich klar wurde, was mit den Worten gemeint war.

Xavier bot Trella seinen Arm, beugte sich hinunter und flüsterte ihr ins Ohr: „Sie haben eine schwarze Liste?“

„Neugierige Menschen tragen unser Label nicht.“

Jetzt erinnerte er sich auch wieder, dass die Schwestern ein Modehaus führten. Er interessierte sich zwar nicht sonderlich für Frauenmode, trotzdem musterte er noch einmal ihr Kleid.

„Ist das eine Ihrer Kreationen? Es ist reine Kunst.“

„Ich merke genau, wenn man mich gönnerhaft behandelt“, warnte sie.

„Dann werden Sie auch wissen, dass ich es ehrlich meine, wenn ich sage, dass das Kleid wunderschön ist. Doch ich sehe die Frau, die es trägt. Darauf kommt es doch wohl an, oder nicht?“

„Ach wirklich?“ Sie warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, und etwas leuchtete in ihren grünen Augen auf. Er hätte schwören können, dass sie vor einer Minute noch grau gewesen waren. Sie sah auf seine Brust mit der Seidenschärpe über seinem Herzen. „Ich sehe die Krone, nicht den Mann. Was diese Schärpe doch wohl bezwecken soll, stimmt’s?“

Scharf geschlossen. Wobei eine Frau, die ihren Lebensunterhalt mit Kleidung verdiente, solche Nuancen natürlich verstand.

Allerdings fühlte die besagte Schärpe sich an diesem Abend sehr beengend an. Sie erinnerte ihn an seine Pflicht und das, was seine persönliche Assistentin ihm an Neuigkeiten über Bonnafete mitgeteilt hatte, ein kleines Fürstentum im Mittelmeer. Die Tochter des regierenden Prinzen, Patrizia, hatte die geplante Hochzeit mit einem amerikanischen Immobilienmogul abgesagt.

Patrizia war eine langjährige Bekannte. Xavier tat es keineswegs so leid um die geplatzte Ehe, wie er es ihr gegenüber in einem Schreiben bekundet hatte. Er brauchte eine Frau mit Titel. Seine Großmutter wollte, dass er heiratete, damit sie abtreten konnte. Patrizia wäre ganz sicher eine passende Partie.

„Ist sie schwer?“, fragte Trella nun in Bezug auf seine Schärpe, meinte jedoch nicht physisch, was ihm verriet, dass sie scharfsinniger war, als er geglaubt hatte.

Doch er wollte kein Mitleid, zumindest nicht von seinen kurzfristigen Begleiterinnen. Für Schwäche gab es keinen Platz in seinem Leben. Niemand wusste davon, wie das Leben mit ihm umgegangen war.

Mitgefühl wäre an ihm nur vergeudet.

„Nichts könnte mir zu schwer sein, solange ich mich in Ihrer betörenden Gesellschaft befinde, bella.“

Sie erstarrte und warf einen Blick über die Schulter. „Warum nennen Sie mich so?“

„Es ist ein Kosename. Die offizielle Sprache von Elazar ist ein italienischer Dialekt, obwohl dort auch Französisch, Deutsch und Englisch üblich ist.“ Er beugte sich hinunter, nachdem sie sich gesetzt hatte, um an ihrem Hals zu flüstern: „Warum? Gefällt er Ihnen nicht?“

Gänsehaut lief über ihren Rücken. Ihre aufgerichteten Brustwarzen drückten gegen den Seidenstoff und entlockten ihm ein Lächeln. Es gefiel ihr.

Er setzte sich ebenfalls, erfreut darüber, dass er sein Junggesellendasein mit einer Frau beenden würde, die ihm mehr Vergnügen versprach als wohl je eine zuvor.

Trella war von Natur aus extrovertiert. Und sie hatte das Gefühl, nach Jahren in einem Kerker wieder im Sonnenlicht zu stehen, mit dem lockeren Small Talk, der Musik und der Aufmerksamkeit, die man ihr schenkte.

Doch dass dieser Mann, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, sie bewundernd ansah, war eine besonders köstliche Beigabe. Er war sicher ein vollendeter Verführer, dem sein Charme und sein Titel genauso gut standen wie seine Schärpe. Dass er ausgerechnet sie ausgesucht hatte, war aufregend. Dies war genau der Flirt, nach dem sie sich gesehnt hatte.

„Was hat Sie nach Paris verschlagen?“, fragte er.

Falls sie sich darauf einlassen würde, war sie doch nicht auf Belanglosigkeiten aus.

„Ihnen fällt sicher etwas Besseres ein, als ein nettes Mädchen wie mich zu fragen, was es an einem Ort wie diesem macht.“

„Wie wäre es dann damit … was ist Ihr Sternzeichen?“ Er heuchelte aufrichtiges Interesse.

Um ihren Mund zuckte es. „Zwilling. Und Ihres?“

„Keine Ahnung. 6. August.“

„Löwe. Der König der Wüste.“

„Sieht so aus“, meinte er und verzog selbstironisch den Mund. „Nehmen Sie Horoskope ernst?“, fragte er und nickte dem Ober zu, der ihnen Champagner servierte.

„Ich glaube nicht daran, aber ich habe sie vor ein paar Jahren als Inspiration für eine Kollektion benutzt. Oder besser gesagt wir“, fügte sie schnell hinzu und sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand von den Gästen sie gehört hatte. In der Modewelt war sehr wohl bekannt, dass Trella diese Linie kreiert hatte.

„Und wie?“ Er schien tatsächlich neugierig. „Durch Muster im Stoff?“

„Nein. Eher durch die Bedeutung, die dem jeweiligen Zeichen zukommt. Sie stellen verschiedene Eigenschaften dar, wie Stabilität oder Veränderung. Und Elemente, wie Luft und Feuer. Man kann sehr gut damit spielen. Es war eine interessante Erfahrung.“ Sie beugte sich vor. „Und ein großartiger Marketing-Aufhänger.“

Sein Lächeln wurde breiter. „Schönheit und Intelligenz. Immer eine unwiderstehliche Mischung.“

Eigentlich sollte sie vor diesem Prinzen davonlaufen, der ihr Herz bei einem schlichten Kompliment schneller schlagen ließ. Obwohl die meisten Männer sie einschüchterten, verspürte sie bei ihm jedoch keine Angst.

Und sie wollte mehr Zeit mit ihm verbringen, bevor dieser Abend vorbei war.

Während des Dinners wurde über unverfängliche Themen geplaudert. Ein Gast diskutierte mit dem Prinzen über den Vorstoß seines Landes in Bezug auf Ökoenergie. Sie erinnerte sich vage, dass man seinem Königreich, das irgendwo zwischen Italien und Österreich lag, vorgeworfen hatte, während der Weltkriege eine Steueroase gewesen zu sein. Inzwischen schien Elazar sehr modern und eigenständig. Er berichtete, dass sie Wasserkraft exportieren würden, da Flüsse und Bäche zu ihren natürlichen Ressourcen gehörten.

Die Geschäftsfrau in ihr hätte all das mit Interesse aufnehmen sollen, doch sie war viel zu fasziniert, wie er sein Publikum bei Laune hielt und sie gleichzeitig geschickt verführte, indem er sie immer wieder wie unabsichtig berührte. Sie glaubte, die Hitze seines Schenkels unter dem Tisch zu spüren und konnte nur daran denken, mit ihm zu tanzen.

Tanzen. Tränen brannten hinter ihren Augenlidern, weil sie sich nach einem so einfachen Vergnügen sehnte.

Trotzdem gab sie sich der Vorstellung hin. All dies hätte sie mit zwanzig tun sollen, statt Pailletten auf die Minikleider anderer Frauen zu nähen, die sie in exklusiven Clubs tragen würden. Sie hatte die Zeit mit ihrer Arbeit totgeschlagen, um den Tag zu überstehen, ohne zusammenzubrechen oder Medikamente nehmen zu müssen, die sie davor bewahrten.

Schließlich wandte sich Prinz Xavier ihr zu. „Sie müssen wohl viel reisen für Ihre Arbeit. Was hat Sie dazu gebracht, Designerin zu werden?“

Xavier hatte jedem seiner Tischnachbarn einen Moment seiner Aufmerksamkeit geschenkt und damit seine Pflicht erfüllt, während er ungeduldig darauf gewartet hatte, sich wieder ihr widmen zu können.

„Wir sind beide recht kreativ.“ Gili noch mehr als sie. Sie war die Künstlerin, die das Geschäft nur aus einer Notwendigkeit heraus führte. Trella war die Ehrgeizige, darauf aus, auch angemessenen Profit zu erzielen.

„Unsere Brüder haben uns zu Anfang unter die Arme gegriffen. Nicht nur sie, sondern auch wir selbst waren überrascht über unseren Erfolg.“ Noch eine Flunkerei. Sie hatte keine Ruhe gegeben, bis ihre Arbeit sich finanziell auszahlte.

„Das war bestimmt nicht einfach. Ich bin sicher, dass Ihr Erfolg vor allem auf harter Arbeit beruht.“

Er versuchte, sie ins Bett zu locken. Das sagte ihr Verstand, doch es funktionierte. Sein Kompliment gefiel ihr viel zu sehr und zog sie noch mehr in seinen Bann.

In diesem Moment betrat ihre Gastgeberin das Podium, um eine kurze Ansprache zu halten. Sie bedankte sich bei den Gästen für ihre Spenden und verkündete dann die Gewinner der Versteigerung. Trella wurde zunehmend befangener, denn sie war sicher, dass sie inzwischen nicht mehr klar denken konnte. Vielleicht sollte sie gehen, bevor …

„Und nun endlich zu unserem begehrtesten Preis, einem Tanz mit dem Prinzen von Elazar. Die Gewinnerin ist … Angelique Sauveterre!“

Höflich wurde applaudiert, doch sie spürte die sprichwörtlichen Messer in ihrem Rücken. Innerlich musste sie grinsen, doch dann errötete sie, weil Xavier nicht überrascht schien. War er sich ihrer so sicher?

„Ich fühle mich geschmeichelt.“

„Das sollten Sie auch. Ich habe versprochen, das höchste Angebot zu verdoppeln. Sie sollten also gut genug tanzen, um zu zeigen, dass Sie es wert sind.“

„Das werde ich“, versicherte er, half ihr beim Aufstehen und flüsterte in ihr Haar: „Für diese Großzügigkeit, bella, schenke ich Ihnen die ganze Nacht.“

Sie fühlte sich schwindlig, wenn er sie bella nannte, der gleiche Kosename, den ihre Familie benutzte. Er gab ihr das Gefühl, sehr reizvoll zu sein. Sexy.

Als würde er sie wollen.

Und das fesselte sie. In vielen dunklen Nächten hatte sie sich eingeredet, dass sie sowieso keinen Mann wollte und es ihr egal war, ob Männer sich für sie interessierten. Doch sie wollte sich normal und lebendig fühlen. Glücklich und begehrenswert.

Seine Hand auf ihrem Rücken hatte eine verheerende Wirkung auf sie. Du meine Güte, war das Erregung, das sie durchflutete?

Genau darum hatte sie ihre Schwester beneidet. Sie und Gili hatten eine Verbindung, wie nur Zwillinge sie haben konnten. Nicht, dass sie die Gedanken der anderen lesen konnten, aber sie spürten, in welchem Gefühlszustand die andere sich befand, ganz egal, wie weit sie voneinander entfernt sein mochten.

„Sie tanzen sehr gut“, sagte Xavier, als er sie zu der Walzermusik herumwirbelte.

Trella war viel zu beschwingt, um zu antworten. Der funkelnde Ballsaal drehte sich in einem Kaleidoskop von Farben um sie. Und in seinen Armen fühlte sie sich leicht wie eine Fee.

Autor

Dani Collins
<p>Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...
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