Der Familienskandal

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Kostbare Juwelen aus der DeWilde-Kollektion sollen auf einer Galashow in Sydney vorgeführt werden. Tragen sollen sie die Models bei der Vorführung der Brautkleider des Firmenimperiums. Zum Fest erscheint die Journalistin Natasha Pallas, und Ryder Blake, Manager der Filiale in Sydney, ist sofort von ihr fasziniert. Er weiß nicht, dass sie etwas verbirgt: Sie will ein Armband heimlich in die DeWilde-Sammlung legen, um ihre Großmutter vor einem Skandal zu schützen.


  • Erscheinungstag 17.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774936
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ryder Blake nippte an dem Chardonnay, den der Kellner gerade in sein Glas gefüllt hatte, und nickte anerkennend. Der Mann ging um den Tisch herum und schenkte Grace DeWilde ein. Ryder nutzte die Gelegenheit, sie unauffällig zu betrachten.

Ein beigefarbenes Seidenkostüm und diskrete Ohrringe vervollständigten Graces reife Schönheit. Ihr hellblondes Haar war im Nacken zu einem Knoten geschlungen und betonte noch den zarten Schnitt ihres Gesichts. Aber Ryder entdeckte die Zeichen von Anspannung um ihren Mund und die Augen, deren feine Fältchen ausgeprägter waren als früher.

Sie lächelte dem Kellner zu und wandte sich dann an Ryder. „Nun?“ Ihre rauchige Stimme enthielt einen Anflug von Humor. „Habe ich die Prüfung bestanden?“

Ryder fühlte sich ertappt und erwiderte ihr Lächeln, während er verlegen mit seinem Glas spielte.

„Du siehst großartig aus, Grace“, sagte er. Das Kompliment war aufrichtig gemeint, aber dennoch fühlte er dabei ein leichtes Bedauern, denn es fehlte etwas. Hinter Graces gelassener Haltung hatte immer Heiterkeit durchgeschienen, Vitalität und eine emotionale Offenheit, die Menschen angezogen hatte. Die Gelassenheit war noch immer da, aber alles andere schien zu fehlen.

„Du auch, Ryder“, meinte sie. „Es tut meinem Ego gut.“ Als er fragend die Augenbrauen hochzog, lachte sie auf. „Für dich bin ich sozusagen deine Nenntante, aber andere Menschen sehen mich hier mit einem hochgewachsenen, gutaussehenden jüngeren Mann essen. Mir sind die neidischen Blicke einiger Frauen in meinem Alter durchaus aufgefallen.“ Sie verzog ironisch die dezent geschminkten Lippen. „Mein Selbstwertgefühl hat in der letzten Zeit ein wenig gelitten, und ich bin dankbar für schmeichelhafte Situationen dieser Art.“

„Ich konnte es einfach nicht glauben, als Gabe mich anrief und sagte, ihr hättet euch getrennt“, entgegnete Ryder. Er war froh, dass er es nicht aus dem knappen Fax erfahren hatte, das gestern in seinem Büro in Sydney eingegangen war.

Graces Augen beschatteten sich kurz, dann blickte sie nach unten, griff nach ihrem Weinglas und trank einen Schluck. Nachdem sie es vorsichtig wieder auf der blütenweißen Leinentischdecke abgestellt hatte, hielt sie immer noch den Blick gesenkt. „Gabriel ist mir böse. Für ihn und die anderen Kinder ist es hart …“ Ihre Stimme wurde noch rauchiger. „… aber Jeffrey ließ mir keine andere Wahl.“

„Du willst doch wohl nicht sagen, er hat dich hinausgeworfen?“, fragte Ryder schockiert.

„Nein, das nicht gerade. Aber er machte deutlich, dass … die Ehe zu Ende ist … dass er kein Interesse mehr daran hat.“

„Ich kann es wirklich kaum glauben …“ Er sprach nicht weiter, weil ihr Essen serviert wurde: Meeresfrüchte, Salat und frisches französisches Weißbrot.

„So entschied ich mich, nach Haus zurückzugehen“, fuhr Grace fort, als hätte er nichts gesagt. „London ist eine kalte und düstere Stadt, und ich habe es dort nur ausgehalten wegen …“

Weil sie ihren Mann und seine Familie liebte, vermutete Ryder, als er nach einem Stück Brot griff. Und sie hatte London nicht immer gehasst. Er erinnerte sich an ihre Begeisterung für die alten Häuser und Sehenswürdigkeiten, selbst als Grace schon Jahre in England lebte.

Dank Grace hatte Ryder gelernt, sich in der Gesellschaft zu bewegen, in denen die DeWildes verkehrten. Grace hatte auch sein Interesse am Geschäft erweckt. Sie hatte ihn mitgenommen, wenn sie die Angebote von DeWilde’s Konkurrenz unter die Lupe nehmen wollte – die Carnaby Street-Boutiquen, die Kaufhäuser in der Oxford Street, und natürlich den weltbekannte Erzrivalen, Harrods.

„Gabriel nimmt an, du eröffnest hier nur ein neues Geschäft, um seinen Vater zu ärgern“, erzählte ihr Ryder. „Um DeWilde’s Konkurrenz zu machen.“

Graces Blick flackerte einen Moment lang, und Ryder glaubte, kurz Verletztheit darin zu sehen, aber als sie dann sprach, klang ihre Stimme fest. „Wenn ich DeWilde’s Kunden abjagen wollte, hätte ich New York gewählt. Gabriel … ist verletzt und will deswegen verletzen. Du weißt, was sich unter der kühlen, nüchternen Oberfläche verbirgt, die er kultiviert hat, um wie sein Vater zu sein.“

Ryder lächelte schwach. Und ob er das wusste. Er hatte Gabriel DeWilde auf einem exklusiven englischen Internat kennengelernt, als dieser sich mit einigen größeren Schulkameraden eingelassen hatte, die ihn zuvor geärgert hatten.

Ryder hatte eingegriffen, um das Kräfteverhältnis auszugleichen. Gabriel hatte sich zögernd bedankt und ihn eingeladen, zusammen mit ihm und seinen Eltern am nächsten Elternbesuchstag Tee zu trinken. Danach hatte keiner der beiden mehr davon gesprochen. Und Ryder hatte den Eindruck, dass Jeffrey DeWilde ziemlich überrascht gewesen war, als Gabriel ihn mit den Worten vorstellte: „Dies ist mein Freund Ryder.“

Aber Grace hatte ihn mit einem umwerfenden Lächeln und einem Kuss auf die Wange begrüßt, so wie sie es bei ihrem eigenen Sohn getan hatte. Sie duftete nach Blumen und sprach noch immer mit einem leichten amerikanischen Akzent, der ihr Englisch weicher klingen ließ als das der Oberklasse, das er jeden Tag hörte. Innerhalb einer halben Stunde hatte sie Ryder zu ihrem lebenslang ergebenen Sklaven gemacht.

Sie hatte ihm die Information entlockt, dass seine Eltern in Australien lebten und er nicht wüsste, wo er die Sommerferien verbringen würde. Lächelnd hatte sie ihn eingeladen, die Ferien über bei ihnen zu bleiben. In diesen Ferien waren die beiden Jungen, trotz der Unterschiede in Charakter und Herkunft, enge Freunde geworden, und diese Freundschaft hatte über die Schulzeit hinaus gehalten.

„Wie läuft die Filiale in Sydney?“, fragte Grace, als sie die Gabel hinlegte. Die Krabben hatte sie kaum angerührt, obwohl sie köstlich schmeckten.

„Es ist eigentlich noch zu früh für eine eindeutige Erfolgsprognose, aber die Zeichen stehen gut“, meinte er sachlich.

„Mir dir als Leiter, wird das Geschäft bestimmt eine der gewinnträchtigsten Filialen von DeWilde’s. Da bin ich mir sicher.“

„Wir sind schon bei der Planung der Feier zum einjährigen Bestehen. Hast du irgendwelche Ideen?“

„Nun, vielleicht Sonderangebote in allen Abteilungen, eine festliche Atmosphäre, die dem Kunden das Gefühl gibt, an einer Feier teilzunehmen. Dann natürlich eine Modenschau mit den DeWilde’s – Modellen … Hast du schon einen Werbeetat dafür zur Verfügung gestellt?“

„Wir arbeiten ihn gerade aus.“

„Sag deinem Werbeleiter, dass wir helfen werden …“

Grace brach ab. Ihr war bewusst geworden, was sie hatte sagen wollen. Ryder ergriff ihre Hand.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie. Ihre Stimme klang fester, als sie fortfuhr: „Ich habe mich nicht im Griff gehabt, stimmt’s?“

„Es muss dir nichts leidtun“, sagte Ryder und fügte dann hinzu: „… und Gabe ist ein Dummkopf. Jeffrey ebenfalls.“ Er kam sich dabei illoyal vor. Jeffrey und Grace waren für ihn immer eine Einheit gewesen, solange er sie kannte.

Grace lächelte traurig. „Du musst nicht Partei ergreifen, Ryder. Das wäre das Letzte, was einer von uns wollte. Aber dennoch vielen Dank.“ Sie entzog ihm ihre Hand. „Du hast mir gar nicht gesagt, was du hier in San Francisco machst – ist es ein Geschäftsgeheimnis?“

Obwohl sie es scheinbar leichthin sagte, spürte Ryder doch, es war anders gemeint. „Ein Seminar“, erklärte er ihr. „Es befasst sich mit den Perspektiven des Handels im pazifischen Raum im einundzwanzigsten Jahrhundert. Ein Studienkollege hatte mir davon berichtet.“ Es hatte ihm die Ausrede geliefert, die Stadt zu besuchen und nach Grace zu sehen.

Ryder fühlte sich ungewöhnlich hilflos in dieser Situation. Während Gabriel fassungslos und zornig darüber war, dass seine Mutter seinen Vater und das weltweite Unternehmen ohne Erklärung verlassen hatte, war er selbst wie benommen gewesen. Aber nun erwachte Ärger in ihm – auf Jeffrey. Denn es war offensichtlich, dass Grace verletzt war, dass sie nicht freiwillig so gehandelt hatte, sondern dazu gezwungen worden war.

„Ich habe eine Broschüre über dieses Seminar“, meinte Grace. „Ich hätte vielleicht daran teilgenommen, habe aber im Augenblick zu viel mit der Finanzierung und der Einstellung des Personals für mein Geschäft zu tun – und damit, mich mit den Rechtsanwälten der DeWildes auseinanderzusetzen.“ Ein bitterer Zug erschien um ihren Mund.

„Ich habe gehört, Jeffrey will es dir verwehren, den Namen für dein Geschäft zu benutzen“, sagte Ryder.

„Darum geht es im Grunde genommen gar nicht“, erwiderte Grace, und für einen Moment trat ein trauriger Ausdruck in ihre Augen. „Ich werde das Geschäft Grace nennen. Eigentlich will Jeffrey verhindern, dass ich meine zweiunddreißigjährige Erfahrung bei DeWilde’s benutze, um meine Firma voranzubringen. Aber jeder in dieser Branche weiß, wer ich bin. Ich kann doch nicht einfach meine Vergangenheit ausradieren.“

„Dass du gegangen bist, hat die DeWilde Corporation geschwächt“, erinnerte Ryder sie. „Jeffrey versucht nur, das Unternehmen zu schützen.“

„Ich muss überleben“, erwiderte Grace gepresst.

„Sicherlich würde Jeffrey in finanzieller Hinsicht für dich …“

„Es geht nicht nur um Geld. Er versucht mir Bedingungen zu diktieren, die verhindern, dass ich eine eigene Firma gründe. Manchmal denke ich, er will mich bestrafen dafür, dass … ich abtrünnig geworden bin, wie er sich ausdrücken würde. Ich kenne mich nur im Braut- und Damenmodengeschäft aus, und ich bin gut darin …“

„Brillant.“

Sie lächelte seltsam leer. „Danke.“ Dann blickte sie ihn an, als wäre ihr gerade ein Gedanke gekommen. „Ich hätte wissen müssen, als du um dieses Treffen gebeten hast … Ich nehme an, du machst dir Gedanken, welche Auswirkungen die ganze Angelegenheit auf deine eigene finanzielle Situation haben könnte.“

Ryder setzte sich aufrecht hin. „Deswegen wollte ich dich nicht sehen, Grace“, sagte er kühl.

Ihre bleichen Wangen verfärbten sich leicht. „Entschuldige, Ryder. In der letzten Zeit … ist mir sogar meine eigene Familie entfremdet.“ Sie machte eine Pause. „Hat Gabriel dich gebeten, mich …“

„Mit dir Kontakt aufzunehmen?“ Ryder zögerte und fragte sich, ob eine Notlüge netter wäre. Aber er hatte Grace noch nie anlügen können. „Nein.“

Ihre Miene änderte sich nicht. Der Kellner kam und erkundigte sich, ob sie noch ein Dessert wünschten.

Grace schüttelte den Kopf, und auch Ryder verneinte, obwohl sie ihn dazu drängte, sich einen Nachtisch zu bestellen. „Ich habe auf dem Seminar entschieden zu viel gegessen“, erzählte er ihr und orderte Kaffee für sie beide.

Als sie sich dann schließlich vor dem Restaurant verabschiedeten, sagte sie: „Vielen Dank, Ryder, es hat mir so gut getan, dich zu sehen. Und … versprich mir, dass du dich wegen dieser Sache nicht mit Gabriel entzweist. Er braucht deine Freundschaft.“

„Ich verspreche es … deinetwegen.“ Ryder beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Lass uns Kontakt halten.“

2. KAPITEL

„Die neuseeländische Reporterin von der Kiwi Connection ist hier.“ Ryders Sekretärin steckte den Kopf zur Tür herein. „Soll ich sie hereinschicken?“

„Ja, bitte.“ Ryder saß an seinem restaurierten viktorianischen Schreibtisch und las gerade seine Post. Seine dunkle Anzugjacke hing über der Rückenlehne des Ledersessels.

„Miss Pallas, Mr. Blake.“

Ryder ließ den Brief fallen, und erhob sich höflich, als die Frau den Raum betrat. Eines wurde auch heutzutage an englischen Internaten immer noch vermittelt: gute Manieren.

„Miss Pallas.“ Er streckte ihr die Hand hin.

„Guten Morgen. Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit opfern, Mr. Blake.“ Ihr Händedruck war warm und fest, und er verspürte ein unerwartetes Kribbeln auf der Haut.

Sie war schätzungsweise Mitte Zwanzig. Ihr dunkles, welliges Haar trug sie im Nacken zusammengebunden. Sie hatte eine apricotfarbene Bluse und darüber eine flaschengrüne Brokatweste an. Ihre Augen waren von einem warmen Haselnussbraun, und ihre hohen Wangenknochen und das energische Kinn verhinderten, dass man ihr Gesicht als „hübsch“ bezeichnen konnte. Eine locker geschnittene naturweiße Baumwollhose zeigte eine schmale Taille, und die braunen Pumps ließen sie ein paar Zentimeter größer als der Durchschnitt erscheinen. Er ertappte sich bei der Frage, wie wohl ihre Beine wären.

Rasch verdrängte er diesen Gedanken und deutete auf einen der bequemen Sessel vor seinem Schreibtisch. „Setzen Sie sich doch bitte.“ Aus einem Impuls heraus stand er auf und ließ sich auf der Schreibtischkante auf ihrer Seite nieder, die Arme vor der Brust verschränkt. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er mit einem Lächeln.

Einen Moment lang las er Vorsicht in ihren Augen, als ihre Blicke sich begegneten, doch dann streifte sie ihre Schultertasche ab und lächelte zurück. „Vielleicht kann die Kiwi Connection etwas für Sie tun, Mr. Blake.“ Sie hatte eine hohe Stimme, die aber überaus angenehm klang. „Sie erinnern sich an unseren Brief?“

Er griff nach einem schmalen Ordner und blätterte darin herum. „Die Kiwi Connection ist eine unabhängige TV-Produktionsfirma in Sydney, die größtenteils Auftragsarbeiten für neuseeländische Fernsehsender liefert“, las er dann vor. „Haben Sie nicht genügend eigene Storys in Ihrem Land?“, setzte er hinzu.

„Wir interessieren uns für unsere Nachbarn, Mr. Blake. In Neuseeland gibt es immer eine Nachfrage nach Neuigkeiten aus Australien, besonders für Neuseeländer, die hierhergezogen sind. Für die neuseeländischen Fernsehsender ist es billiger, Arbeiten von uns einzukaufen, anstatt Kamerateams und Journalisten herzuschicken, um Storys zu recherchieren.“

„Und Sie glauben, die Zuschauer dort drüben haben Interesse an einem Bericht über ein australisches Kaufhaus?“

„Es gibt sehr viele Leute, die zwei-, dreimal im Jahr über die Tasmansee fliegen, um in Sydney einzukaufen.“

„Sie eingeschlossen?“

Sie riss ihre haselnussbraunen Augen auf. „Himmel, nein! Dafür hätte ich gar nicht das Geld.“

Unwillkürlich warf er einen schnellen, einschätzenden Blick auf ihre Kleidung. Für ein ungeübtes Auge mochte die Bluse als Seide durchgehen. Die Hose war gut geschnitten, stammte aber sehr wahrscheinlich aus einer Massenproduktion, und die Schuhe waren ganz klar nicht neu. Um das eine Handgelenk trug sie eine billige Uhr mit breitem Lederarmband und großen, praktischen Ziffern, ums andere eine schlichte, nicht teure Goldkette.

Als er den Blick wieder hob und sie anschaute, sah er die leichte Röte in ihrem Gesicht und den empörten Ausdruck in ihren Augen. „Wie Sie sehen können“, fügte sie hinzu, einen Hauch Schärfe in ihrer wundervollen Stimme.

Es war sinnlos, sein schlechtes Benehmen kaschieren zu wollen. Und ein Kompliment, wie auch immer, würde alles nur noch verschlimmern. Ryder richtete sich auf. „Eine Angewohnheit, wenn man im Bekleidungsgeschäft tätig ist“, erläuterte er mit Bedauern in der Stimme. „Ich bitte um Entschuldigung.“

Nach kurzem Schweigen nickte sie. „Akzeptiert. Ich hatte gehofft, Sie hätten ein wenig Zeit gehabt, über unseren Vorschlag nachzudenken.“

Das hatte er, aber nicht viel. „Wir haben nichts dagegen, dass Sie einen Film über alle öffentlichen Veranstaltungen drehen, die mit dem Jahrestag in Verbindung stehen“, sagte er. „Vorausgesetzt allerdings, Sie belästigen unsere Kunden nicht dabei.“

„Das sind Dinge, zu denen alle öffentlichen Medien Zugang haben … Aber wir würden gern etwas Exklusives bringen.“

„Hat Sie jemand damit beauftragt?“

„Noch nicht. Wir brauchen zuerst Ihre Einwilligung. Aber ich habe bereits mit dem Produzenten der neuseeländischen Sendung Inside Story gesprochen, und er ist interessiert.“

„Dann ist es also Ihre eigene Idee?“

„Manchmal schlagen wir unseren Kunden Storys vor. Man hatte uns Publicity-Unterlagen über die bevorstehenden Feierlichkeiten zum Jahrestag bei DeWilde’s zugeschickt. Ich dachte, das könnte interessant sein – auch für Sie.“

„Meine Sekretärin sagte mir, Sie wären Reporterin. Wäre normalerweise für die ersten Recherchen nicht jemand anders zuständig?“

Sie lächelte. „Ich führe zumeist meine eigenen Recherchen durch, schreibe und leite auch die Aufnahmen selbst. Wir sind eine kleine Firma, wir können uns keinen großen Personalstamm leisten.“

„Wie lang würde der Bericht über uns werden?“

„Eine einstündige Dokumentation hätte genau die richtige Länge für Inside Story. Der Sender hat den Großteil seiner Zuschauer in und um Auckland herum. Es liegt von allen Städten Neuseelands Sydney am nächsten.“

„Welche Zielgruppe peilt diese Sendung an?“

„Leute, die sich für Aktuelles und Geschäftliches interessieren. Hauptsächlich im Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig. Leute, die gern ihren Urlaub in Australien verbringen oder sogar hierher auswandern.“

„Aktuelles und Geschäftliches?“, fragte er schärfer nach.

Inside Story befasst sich in der Regel mit Themen aus Industrie und Geschäftswelt, aber im letzten Jahr gab es auch Beiträge über eine Wohltätigkeitsorganisation oder den Tagesablauf in einem Hochsicherheitsgefängnis.“

Ryder runzelte die Stirn.

„Das sollten nur Beispiele über die Themenbandbreite der Sendung sein“, sagte sie hastig. „Sie hat ein hohes Niveau und einen guten Ruf. Die Kiwi Connection arbeitet auch noch für andere Sender. Wir haben Filme über Neuseeländer gedreht, die in Australien geschäftlich oder im Showbusiness erfolgreich sind.“

„Keine Skandale, kein Wühlen im Schmutz?“

Natasha Pallas zögerte, blickte ihn aber weiterhin an. „Natürlich hatten wir Storys, wo nicht alle mit weißer Weste herauskamen. Einige unserer Aufträge befassten sich auch mit weniger angenehmen Dingen. Aber wie gesagt, dies hier soll für Inside Story sein. Es ist gewiss keine Sendung, in der eine heile Welt heraufbeschworen wird, aber schmutzige Wäsche zu waschen, ist unter unserem Niveau.“

Sie wirkte engagiert, ernsthaft und aufrichtig, und doch bemerkte er die Anspannung, unter der sie stand. Sie saß aufrecht, die Hände fest auf der Mappe in ihrem Schoß gefaltet, als würde sie stumm beten, und selbst ihr fester Blick war zu fest.

Ihr Brief hatte völlig harmlos geklungen. Aber er spürte, sie versuchte zu verheimlichen, dass mehr auf dem Spiel stand als nur seichte Unterhaltung.

„Vielleicht finden wir auch einen Markt für das Programm in Australien“, fuhr sie fort. „Und wir könnten versuchen, Ausschnitte der Sendung an Nachrichtensender hier und im Ausland zu verkaufen. Das würde gute Publicity bringen. Nachrichten haben im Fernsehen eine höhere Zuschauerrate als jede Show.“

Sie versuchte ihn zu überzeugen, dass alle Vorteile auf seiner Seite wären. Eine gute Marketingstrategie, musste er zugeben. Aber all seine Instinkte verrieten ihm, Natasha Pallas verbarg etwas vor ihm. Und war somit gefährlich.

Er stand auf und sagte in abschließendem Ton: „Ich denke, die Sache ist doch nichts für uns, Miss Pallas. Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen …“

Sie reagierte wie erwartet. Sie sprang auf, offensichtlich tief enttäuscht. „Oh nein! Bitte …“, sagte sie atemlos und packte seinen Arm. Durch den Hemdärmel hindurch fühlte er den Druck ihrer warmen Finger und ärgerte sich, dass er wieder diesen Anflug von sexueller Anziehung verspürte.

Als sie seine gerunzelte Stirn sah, ließ sie die Hand sinken. „Es tut mir leid. Aber … bitte, es ist so wichtig.“

„Warum?“

Sie senkte ihre dunklen Wimpern, verbarg für einen Moment ihre Augen. Dann trat sie einen Schritt zurück und schaute auf. Noch ehe sie den Mund aufmachte, wusste er, es würde eine Lüge sein. Ihn überraschte seine Enttäuschung.

„Es ist eine Geschichte, die viele ansprechen und interessieren wird“, sagte sie. „Eine europäische Firma mit Geschäften in London, New York … bald Paris …“

„Und Monaco.“

„Und Monaco“, wiederholte sie und fuhr fort. „… eröffnete nun auch in der Pazifikregion ein Geschäft. Es wird sicherlich eins der glanzvollsten Ereignisse der letzten Jahre auf diesem Sektor und in diesem Teil der Welt werden. Wir würden gern eine oder zwei Wochen lang mit der Kamera den alltäglichen Gang der Dinge und die Vorbereitungen auf diesen großen Tag verfolgen. Die Galamodenschau wird dann im Film bestimmt wunderbar herauskommen.“

Sie hat bestimmt völlig recht, dachte Ryder, aber dennoch verließ ihn sein ungutes Gefühl nicht. Er blickte betont auf die Uhr. „Ich habe leider nicht mehr viel Zeit“, sagte er, obwohl seine nächste Verabredung erst in zwanzig Minuten eingeplant war.

„Bitte, sagen Sie nicht nein, ehe ich nicht die Chance hatte, Sie zu überzeugen, dass …“

„Ich wollte gerade sagen, dass ich heute nur noch in meiner Mittagspause Zeit habe“, unterbrach sie Ryder. Er hatte auf einmal das seltsame Gefühl, sich auf ein unbekanntes Risiko einzulassen. „Wenn Sie mir dabei Gesellschaft leisten wollen, können wir uns beim Essen darüber unterhalten. Sagen wir, halb eins? Ich werde meine Sekretärin bitten, uns einen Tisch zu bestellen … außer, Sie haben zu tun …?“

Verdutzt starrte sie ihn an, dann wurde ihr Blick forschend. Leicht amüsiert schloss er daraus, dass sie sich gerade fragte, ob er vielleicht irgendwelche Hintergedanken bei seiner Einladung hegte.

Aber seine gelassene Miene schien sie zu beruhigen. „Vielen Dank“, sagte sie in geschäftsmäßigem Ton. „Ich … ich werde meine Termine umstellen und Sie hier um halb eins abholen.“

Er brachte sie zur Tür, und als sie fort war, wandte er sich an seine Sekretärin und bat sie, einen Tisch im Skyroom zu bestellen. „Und sehen Sie bitte zu, was Sie über Kiwi Connection, eine neuseeländische Fernsehsendung namens Inside Story – und Natasha Pallas herausfinden können. Vor dem Mittagessen. Ich weiß, es ist sehr knapp, aber versuchen Sie Ihr Bestes.“

Wieder zurück in seinem Zimmer, starrte er geistesabwesend auf Graces Brief, in dem er vorhin gelesen hatte. Er faltete ihn zusammen und schob ihn wieder in den Umschlag.

Heute Morgen war ein Schreiben von Jeffrey gekommen, unterzeichnet in dessen Eigenschaft als Generaldirektor des Unternehmens. Der Inhalt war rein geschäftlich gewesen. Der Brief war vertraulich und an ihn selbst als Hauptgeschäftsführer der Filiale Sydney adressiert gewesen. Darin stand unter anderem, im Umgang mit den Medien Vorsicht walten zu lassen.

Die Neuigkeit, dass Grace ihren Mann Jeffrey und DeWilde’s verlassen hatte und ein eigenes Geschäft gründen wollte, hatte sich in Windeseile verbreitet. Die Journalisten der Regenbogenpresse waren ausgeschwärmt, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Aber Jeffrey hatte durch den Pressesprecher nur knappe und ziemlich inhaltslose Informationen abgeben lassen.

Das hatte einige frustrierte Klatschreporter dazu gebracht, ihre Vermutungen als Wahrheit auszugeben, und Jeffrey hatte allen Mitarbeitern von DeWilde’s untersagt, sich öffentlich zu Firmenangelegenheiten zu äußern.

Konnte es sein, dass irgendeine obskure neuseeländische Fernsehreporterin versuchte, die Geschichte wieder aufzuwärmen? Ryder bezweifelte es. Die Aufregung in der DeWilde Corporation war Schnee von gestern, selbst in diesem Teil der Welt. Was aber hatte Natasha Pallas wirklich im Sinn?

Er war entschlossen, es herauszufinden. Nur deshalb hatte er sie zum Essen eingeladen, versuchte er sich einzureden.

Ryder hielt gerade ein paar Faxseiten in der Hand, da informierte ihn seine Sekretärin, dass Miss Pallas angekommen sei. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war eine Minute vor halb eins. Miss Pallas ist ein sehr pünktlicher Mensch, dachte er und griff nach seinem Jackett. Oder lag ihr daran, einen guten Eindruck zu machen?

Unwillkürlich musste er an die glatte Haut ihres Halses denken, ihren festen Händedruck, das warme Lächeln. Irritiert und leicht unwillig drängte er diese Gedanken zurück. „Sagen Sie ihr, ich komme.“

Als er gleich darauf ins Vorzimmer trat, erhob sie sich aus einem der Sessel und lächelte ihn zögernd an.

„Tut mir leid, dass ich Sie warten ließ“, sagte er und fand sie noch aufregender, als er sie in Erinnerung hatte.

„Ich war zu früh.“ Sie hatte wirklich eine bezaubernde Stimme, wie edles Kristall.

Schweigend fuhren sie mit dem Fahrstuhl nach oben, standen dicht beieinander, zusammen mit einem halben Dutzend anderer. Ryder stieg der Duft ihres herbsüßen Parfüms in die Nase, und er musste sich zusammennehmen, nicht ihr zartes Haar zu berühren, das seine Schulter streifte. Die Spange, mit der sie ihre dunklen Locken zusammenhielt, war ein schlichter Bogen aus poliertem Holz. Er hatte eine ganze Menge Frauen kennengelernt, darunter auch schönere, aber an ihr war etwas, das seine Sinne auf ungewöhnliche Weise in Erregung versetzte.

Das Restaurant nannte sich Skyroom, weil die Decke des im obersten Stockwerk liegenden Raums mehrere Lichtkuppeln aufwies. Jahrelang war er nur als Lager benutzt worden, aber Ryder hatte dies für arge Verschwendung gehalten, und so wurde es bei der Renovierung des vierstöckigen Gebäudes zu einem Restaurant umgestaltet.

Natasha Pallas blieb stehen, als sie durch die breiten Doppeltüren trat. „Oh, wie schön!“

Licht fiel von den Kuppeln her auf die leinengedeckten Tische und ließ das Besteck und die Gläser schimmern. Grüne Rankpflanzen milderten die klassische Strenge der cremefarben gestrichenen Säulen, und die Decke war mit vergoldetem Stuck verziert, um ihre Schönheit noch zu betonen.

Ryder freute sich unerwartet über ihre Reaktion. „Sie sind noch nicht hiergewesen?“

„Ich komme kaum einmal dazu, auszugehen. Normalerweise schlinge ich mittags zwischen zwei Interviews irgendwo ein Sandwich herunter.“

Ryder nickte dem Oberkellner zu, als dieser heraneilte. „Mein Tisch ist frei, James? Danke, ich führe Miss Pallas selbst dorthin. Schicken Sie nur einen Kellner, dass er die Bestellung aufnimmt.“

Auf dem Weg zum Tisch legte er Natasha die Hand auf die Hüfte und registrierte dabei, wie schlank sie war. Sein Tisch befand sich in einer Nische vor einem Bogenfenster, das Aussicht auf die Straße unten bot.

„Früher konnte man von hier aus den Hafen sehen, hat man mir erzählt“, sagte Ryder. „Aber nun ist die Sicht leider durch hohe Bürohäuser versperrt.“

Sie blickte sich um. „Es ist ein wundervolles altes Gebäude, nicht wahr?“

„Ich denke, schon.“ Wieder empfand er diese seltsame Freude, dass sie seinen Geschmack teilte.

Der Weinkellner kam und Ryder bestellte einen Rosé aus dem Hunter Valley, nachdem er Natasha gefragt hatte, ob sie Einwände hätte. Dann reichte er ihr die Speisekarte. Er selbst brauchte sie nicht.

„Wie lange sind Sie schon in Sydney?“, fragte er.

„Wie lange ich hier lebe? Ungefähr ein Jahr. Davor war ich einige Male beruflich hier.“

„Und was haben Sie vorher gemacht?“

„Ich habe für eine Sendung in Neuseeland gearbeitet, die sich mit Hintergrundinformationen befasste. Aber dann wurde das Konzept geändert und mein Job überflüssig. Die Kiwi Connection gehörte damals noch zu dem Sender, und ich bekam dort einen Arbeitsplatz.“

„Und jetzt ist sie eine selbständige Firma?“

Sie nickte. „Sie wurde als unwirtschaftlich betrachtet und sollte geschlossen werden. Zwei der Produzenten entschieden sich, sie aufzukaufen. Ich wurde gefragt, ob ich bleiben wollte und sagte zu, auch wenn nur ein kleiner Rest der ehemaligen Mitarbeiter bleiben konnte und die Bezahlung nicht gerade fürstlich zu nennen ist. Es ist harte Arbeit, aber es macht Spaß.“

Die Firma lebt also sozusagen von der Hand in den Mund, und sie besitzt keine Garantie, einen neuen Job zu finden, wenn sie Pleite geht, dachte er. Vielleicht ist sie deshalb so angespannt.

„Wieso glaubt das neue Management, es schaffen zu können?“, fragte er skeptisch.

„Da wir selbständig sind, können wir unsere Produkte an einen größeren Kreis von Kunden verkaufen. Wie ich schon sagte, das DeWilde-Projekt ist sowohl für Australien als auch für Neuseeland interessant.“ Sie schaute nun aufs Menü.

Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas verheimlichte. Aber was? Doch es hatte keinen Sinn, schon jetzt offensiv zu werden, das wusste er aus Erfahrung. „Der Küchenchef bietet als Vorspeise Yabbischwänze in Limonensauce an. Sehr leicht.“

„Das hört sich gut an. Ich liebe Meeresfrüchte. Auch wenn diese Yabbis ja eigentlich Flusskrebse sind.“

„Wenn Sie gern Meeresfrüchte essen, wie wäre es dann mit Coffin-Bay-Kammmuscheln oder Bruny-Island-Muscheln mit Miniaturgemüse?“

Sie teilten sich das Gemüse, ein köstliches Arrangement golfballgroßer Kürbisse, Blumenkohl, Rotkohl, Weißkohl, winziger Karotten und Rüben, serviert auf einer weißen ovalen Platte.

„Eine australische Spezialität, erst seit ein paar Jahren auf dem Markt“, erklärte er ihr.

„Sie sind köstlich, und die Kammmuscheln ebenfalls. Haben alle DeWilde’s – Filialen ein Restaurant?“

„Nicht alle. Aber dieses Stockwerk bot sich einfach dafür an. Man könnte hier zwar eine ganze Abteilung unterbringen, aber es ist einfach zu hell. Bei diesen Lichtverhältnissen wäre die Ware bald ruiniert.“ Er hatte ihr bereits von dem enormen Aufwand berichtet, das heruntergekommene Gebäude in ein modernes Kaufhaus zu verwandeln, ohne ihm seinen Charakter zu nehmen. „Wir haben einen Expressfahrstuhl eingebaut, der direkt hier herauffährt. So kann das Restaurant geöffnet bleiben, wenn das Warenhaus am Abend geschlossen wird. Am Wochenende finden hier oft Hochzeitsfeiern statt – es passt zum Image von DeWilde’s.“

„Ist es in der heutigen Zeit nicht ein wenig riskant, ein Geschäft zu eröffnen, das sich auf Brautmoden spezialisiert?“

„Hochzeiten sind immer noch erstaunlich populär. Und wir beschränken uns nicht einzig und allein auf Brautmoden.“

„Stimmt, mir ist die große Auswahl an Kleidung und Accessoires im Erdgeschoss aufgefallen, und die Kosmetikabteilung ist ausgesprochen gut sortiert. Sind die Läden in der Arkade, die ins Erdgeschoss führt, eigenständig?“

„Sie sind verpachtet, aber wir haben sichergestellt, dass sie vom Angebot und der Aufmachung her zu unserem Ruf als Brautmodenspezialist passen.“

„Lederwaren?“

„Gepäck für die Hochzeitsreise.“

Natasha nickte. „Natürlich. Und Sportbekleidung.“

„Manche Leute mögen es, sich während ihrer Hochzeitsreise anstrengenden Tätigkeiten zu widmen.“

Sie blickte ihn misstrauisch an, aber seine höfliche Miene ließ sie fortfahren. „Herrenbekleidung, Bettwäsche, Küchengeräte … ich sehe die Verbindung.“

„Wir versuchen, unter einem Dach alles anzubieten, was ein Paar, das zu heiraten plant – auch Verwandte und Freunde – brauchen könnte. Geschenke eingeschlossen.“

Sie legte die Gabel aus der Hand, stützte das Kinn auf und sah ihn an. „Wie ein Romantiker kommen Sie mir nicht vor, Mr. Blake.“

Ryder lachte. „Man verdient gut Geld mit Hochzeiten. Wie Ihnen aufgefallen ist, sind die meisten unserer Waren auch sehr wohl für andere Gelegenheiten zu benutzen. Nicht alle unsere Kunden planen, in nächster Zukunft zu heiraten. Aber das zweite Stockwerk ist völlig der Präsentation von Braut- und Abendkleidern vorbehalten. Sind Sie schon dort gewesen?“

„Ich hatte noch nicht das Vergnügen, mir ein Brautkleid kaufen zu müssen. Außerdem, Ihre Preise liegen bestimmt außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten.“

„Ich zeige Ihnen die Abteilung nach dem Mittagessen.“

„Danke.“ Sie griff zur Gabel und begann geistesabwesend mit den Resten der Fenchelgarnierung zu spielen, dann blickte sie auf, schaute ihm in die Augen und senkte wieder den Blick.

„Was ist?“, wollte er wissen.

Sie sah ihn offen an. „Als ich um ein Gespräch bat, erwartete ich, mit jemandem von der Public Relations-Abteilung zu sprechen, nicht den Kaufhausmanager persönlich. Natürlich beschwere ich mich nicht“, fügte sie rasch hinzu. „Aber ich habe mich nur gewundert, warum …“

Natürlich würde Ryder ihr nicht erzählen, dass das Unternehmen im Augenblick übersensibel war, was die Medien betraf. „Wenn ich hier in meinem Geschäft ein Kamerateam herumlaufen lasse, will ich wissen, mit was für Leuten ich zu tun habe.“

„Ihr Geschäft?“ Sie lächelte amüsiert, aber es lag auch eine Frage darin. „Sicher doch nur eine Redensart, nicht wahr? Alle DeWilde’s – Geschäfte gehören doch der Familie DeWilde, oder?“

Ryder zögerte. „Du bist fast wie Familie.“ Er hörte wieder Gabe diese Worte sagen, als er bei einem Abendessen in London ihm und den anderen DeWildes das heruntergekommene Gebäude beschrieb. Ryder hatte seine Enttäuschung offen ausgedrückt, unmöglich das Geld für den Kauf auftreiben und seinen Traum zu verwirklichen zu können– eine Arkade voller Spezialitätenläden. „Du bist fast wie Familie. Wir könnten dir doch für den Anfang Kapital zur Verfügung stellen, meint ihr nicht auch?“, hatte sich Gabe an seine Eltern gewandt. Ryder, peinlich berührt, wünschte, das Thema niemals angesprochen zu haben und stieß seinen alten Freund kräftig mit dem Fuß an.

„Sei still, Gabe. Das Letzte, was ich wollte, wäre ein Darlehen von deiner Familie.“ Er schuldete ihnen bereits genügend und wollte nicht auch noch Geld von ihnen annehmen. Außerdem hatte er bisher niemals jemanden um etwas gebeten.

Grace hatte Ryder angelächelt, dann ihren Mann angesehen und leicht eine Augenbraue hochgezogen. Jeffreys Ausdruck hatte sich nicht geändert, aber als Ryder später gehen wollte, sagte Jeffrey wie nebenbei: „Komm doch morgen einmal in mein Büro, Ryder. Und bring alle Unterlagen mit, die du von deinem alten Gebäude hast. Vielleicht kann ich dir irgendeinen Rat geben.“

Dankbar war Ryder am nächsten Tag in Jeffreys Büro erschienen. Jeffrey hatte sich alles angehört und angesehen, ohne weiteren Kommentar dazu, und gesagt, er bräuchte noch mehr Informationen. Ryder besorgte sie. Und eine Woche später hatte Jeffrey ihm ein erstaunliches Angebot gemacht. Die DeWilde Corporation würde das Gebäude kaufen und Ryder als Hauptgeschäftsführer der neuen Filiale einsetzen.

Aber nach dem ersten Hochgefühl hatte Ryder den Vorschlag abgelehnt.

Jeffrey hatte ihn nachdenklich angesehen und ruhig gesagt: „Wenn du glaubst, es handelt sich hier um eine Art Mildtätigkeit, dann irrst du dich, Ryder. Mein Sohn und meine Frau mögen wohl aus sentimentalen Gründen bereit sein, ein paar Millionen Dollar möglicherweise aufs Spiel zu setzen. Wir schulden dir schließlich einiges.“ Als er Ryders überraschtes Gesicht sah, hatte er hinzugefügt: „Grace ist der festen Überzeugung, Gabe wäre im Internat unbarmherzig schikaniert worden, wenn du nicht auf ihn aufgepasst hättest.“

„Gabe wäre sehr wohl in der Lage gewesen, auf sich selbst aufzupassen, wenn die Umstände nicht gegen ihn gewesen wären. Er war nicht so groß wie ich oder einige der anderen Jungen, weil er der Jüngste in der Klasse war, aber er ist ein trotziger, mutiger Kämpfer, einer, der nicht aufgibt.“

„Das weiß ich. Aber … du bist sein Freund, und ein sehr guter dazu. Wir alle haben dich liebgewonnen. Aber dennoch, ich habe DeWilde’s nicht zu dem gemacht, was es heute ist, indem ich Geld verschenkt habe. Was ich anbiete, ist ein Vorschlag, der dem Unternehmen letztendlich einen Gewinn sichern wird. Du bist noch sehr jung für einen solchen Posten, aber du hast exzellente Qualifikationen, ein gewisses Maß an Erfahrung und – ebenso wichtig – du besitzt Entschlossenheit und Ehrgeiz. Außerdem kennst du die Familie, und ich bin überzeugt, wir können gut zusammenarbeiten. Ich glaube, du kannst es schaffen.“

Ryder war aufgestanden, hatte tief Luft geholt, die Fäuste in die Hosentaschen geschoben und dem Mann vor ihm fest in die Augen gesehen.

„Die Sache hat für mich nur einen Haken“, begann er. „Ich habe keine Lust, in diesem Haus ein angestellter Manager zu sein. Ich will, dass es mir gehört.“

Jeffrey hatte ihn angeblickt, aber seine braunen Augen und das schmale, intelligente Gesicht verrieten nicht, was er dachte. Dann, unerwartet, warf er den Kopf in Nacken und lachte schallend.

Als er endlich aufhörte, das Lachen immer noch in den Augen, sagte Ryder hölzern: „Es tut mir leid. Ich weiß, es ist ein großzügiges Angebot, und ich hatte auch nicht vor, es so schroff zurückzuweisen, aber …“

Jeffrey hob die Hand. „Ich verstehe dich … du arroganter Bengel“, sagte er, aber es klang warm. „Verschwinde aus meinem Büro. Ich muss nachdenken.“

„Habe ich etwas Lustiges gesagt?“

Natashas melodiöse Stimme riss Ryder aus seinen Erinnerungen. Er merkte, dass er lächelte und wurde rasch ernst. „Nein, entschuldigen Sie. Ich musste gerade an etwas anderes denken. DeWilde’s ist zwar ein Familienunternehmen, aber die Aktien werden öffentlich gehandelt. Ich besitze eine recht große Anzahl davon.“

Autor

Daphne Clair
Daphne Clair, alias Laurey Bright lebt mit ihrem Ehemann einem gebürtigen Holländer auf einer kleinen Farm im wunderschönen Neuseeland. Gemeinsam zogen sie fünf wundervolle Kinder groß, eines davon ein Waisenkind aus Hong Kong. Sie hat nahezu 70 Liebesromane für Harlequin geschrieben. Als Daphne de Jong hat sie mehrere Kurzgeschichten und...
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Daphne Clair
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