Ewiger Zauber der Liebe

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Während Grace DeWilde in San Francisco ihr eigenes Unternehmen gründet, möchte Sloan DeWilde die verlustreiche Filiale in New York am liebsten schließen. Doch diese Pläne durchkreuzt die attraktive und talentierte Dekorateurin Chloe Durrant. Sie steigert mit ihren Ideen rasch die Umsätze und stürzt Sloan ins Gefühlschaos. Verführen möchte er Chloe gern - aber gegen seine erwachende Liebe zu ihr wehrt er sich ...


  • Erscheinungstag 10.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774929
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich will sie haben, Mase. Mir ist es egal, was sie kostet. Geld spielt keine Rolle. Hauptsache, es klappt, okay? Noch heute Abend.“

Sloan DeWilde hielt sein Autotelefon etwas vom Ohr ab, während sein Bruder seinen Zorn über die Funkwellen ablud. Guter alter Mason! Seine Vorstellung von einem Risiko bestand darin, bei Lutèce ein Fischgericht zu bestellen. Der Mann hatte keine Ahnung, wenn es um lohnende Investitionen ging – und von einem guten Essen ebenfalls nicht.

„Mase, sieh dir die verdammten Fotos an, bevor du Nein sagst“, brüllte Sloan ins Telefon. „Hast du jemals etwas Schöneres gesehen? Sieh dir doch diese Beine an, diese Brust. Und sie besitzt alles, wonach ich gesucht habe. Sie ist absolut perfekt!“

Sloan legte das Telefon neben sich und ließ mit einem unterdrückten Fluch den Verschluss seines Aktenkoffers aufspringen. Als er wieder aufschaute, begegnete er Lew Antonuccis neugierigem Blick im Rückspiegel. Er hob eine Augenbraue und grinste den silberhaarigen Chauffeur an. „Mason vertraut meinem Urteil nicht, wenn es um den Erwerb eines Rassepferdes geht.“

Lew nickte stoisch und kaute an seiner kalten Zigarre. „Tut mir leid, dass wir uns verspäten, Mr. Sloan. Aber wir werden in höchstens zehn Minuten dort sein.“

Sloan warf einen Blick aus dem Fenster. Der Wagen stand eingeklemmt im dichten Verkehr auf der Fifty-ninth zwischen Lexington Avenue und Park Avenue. Dies war kein gutes Vorzeichen für einen produktiven Morgen. Aber mitten im Stau in Manhattan zu stecken und sich mit Mason zu streiten, war immer noch besser als das, was in der Fifth Avenue bei DeWilde’s auf ihn wartete.

Er nahm einen Stapel Fotos aus seinem Aktenkoffer und reichte sie Lew. „Sehen Sie sie sich an und sagen Sie mir dann, dass ich mich irre …“ Der Chauffeur blätterte die Bilder durch und nickte anerkennend, ein Auge dabei auf den Verkehr gerichtet.

„Sie heißt Sheba’s Prize“, fuhr Sloan fort. „Ist in direkter Linie mit Secretariat verwandt. Ihr jüngerer Bruder gewann im letzten Jahr den Preakness. Wir könnten sie von Paragon decken lassen. Wer weiß, was ein Sprössling der beiden alles zustande brächte …“

„Sie ist wirklich eine Schönheit, Mr. Sloan“, sagte Lew.

Sloan schnappte sich wieder den Hörer und unterbrach die Tirade seines Bruders. „Lew sagt, sie ist eine Schönheit, Mason. Und du weißt, er ist lange genug bei unserer Familie, um ein fachmännisches Urteil über ein Pferd abgeben zu können. Vergiss nicht, er hat dir damals empfohlen, Seven Sins zu kaufen.“ Sein Bruder begann erneut zu lamentieren, aber Sloan schnitt ihm diesmal das Wort ab. „Wenn du nicht auf mich hören willst, Mason, dann hör auf Lew. Kauf die verdammte Mähre, ehe sie uns jemand wegschnappt!“ Er schaltete das Telefon ab und warf es gereizt in seinen Koffer. „Wir hätten nur Sieger in den Ställen stehen, wenn ich die Farm leiten würde“, murmelte er vor sich hin.

„Aber Sie leiten die Farm nicht, Mr. Sloan“, erinnerte ihn Lew. „Mr. Mason tut es. Sie leiten das Geschäft.“

„Mason mag die Farm leiten, aber schon sehr bald wird er einen Partner bekommen, der ganz bestimmt nicht den Mund halten wird“, fluchte Sloan leise vor sich hin. Und zwar sobald ich mich – und die Familie – von dem Erbe der DeWildes befreit habe! dachte er grimmig.

Er wusste immer noch nicht so genau, warum und wieso er an DeWilde’s in der Fifth Avenue kleben geblieben war, aber er führte das Geschäft nun schon zehn Jahre. Schließlich hatte es außer ihm noch sechs Geschwister gegeben, die infrage gekommen wären, und jeder von ihnen hätte sicherlich mehr Einsatz gezeigt als er. Sloan vermutete, die Wahl war einfach auf ihn gefallen, weil die Familie seinen unfehlbaren Geschmack bewunderte, was Kleidung anbelangte. Wenn er gewusst hätte, dass man ihm den Laden aufhalsen würde, hätte er angefangen, billige Anzüge von der Stange zu tragen.

Immerhin hatte er als Ausgleich die Kunstgalerie in SoHo zu seinem Vergnügen. Vor mehr als einem Jahr hatte er die Kontrolle darüber erworben und genoss es, im Kunstgeschäft mitzumischen. Kunst war ganz sicherlich stimulierender als Designer-Brautkleider und nach Kundenwünschen maßgeschneiderte Herrenanzüge für feierliche Anlässe. Aber wenn alles nach Plan lief, würde für ihn DeWilde’s in der Fifth Avenue bald zur Vergangenheit gehören.

„Mr. Henry hat sein ganzes Leben diesem Geschäft gewidmet“, fuhr Lew fort und schüttelte den Kopf.

„Und mein Vater verabscheute es ebenso wie ich“, erwiderte Sloan. „Ihm waren seine Flugzeuge immer wichtiger als das Familienunternehmen. Ich kann gut verstehen, warum.“

Sloan ließ sich in das weiche Polster sinken und legte den Kopf zurück. Er war gerade sechzehn gewesen, als sein Vater mit achtundfünfzig Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Henry DeWilde hatte eine Frau und sieben Kinder zurückgelassen. Der einzige Trost der Familie bestand darin, dass er sein Leben bei seinem geliebten Hobby beendet hatte – und nicht eingeschlossen in einem schlecht beleuchtetes Büro, über Verkaufsberichte und Einkaufslisten gebeugt.

Nach Henrys Tod waren die Verbindungen zum Rest der DeWilde-Familie mehr oder weniger abgebrochen worden – bis auf das Geschäft. Aber selbst vor dem Tod seines Vaters waren die Beziehungen zur Royal Family, wie sie sie nannten, gespannt gewesen, um es milde auszudrücken.

Sloan lächelte vor sich hin. The Royals. So hatten er und seine Geschwister den Rest der DeWildes genannt, hatten sich über deren durch nichts zu erschütterndes Beharren auf Besitz, Anstand und familiäre Pflichten lustig gemacht. Und er konnte sich vorstellen, was über die amerikanischen Cousins und Cousinen der Familie hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde: rücksichtslose Abtrünnige, die so wenig wie möglich arbeiteten – und die nicht einen Hauch der DeWildeschen Leidenschaft für den Einzelhandel besaßen. Diese Spannungen waren schwer zu ignorieren, aber Sloan gab sein Bestes, ihren Erwartungen zu entsprechen!

„Trotzdem war er niemals mit dem Herzen bei dem Geschäft“, unterbrach Lew seine Gedanken. „Es war Dirk DeWildes Traum, nicht Henry De Wildes.“

„Geschweige denn der von Henrys Söhnen“, murmelte Sloan.

Sloans Onkel Dirk hatte das Geschäft 1938 als kleinen, aber exklusiven Ableger des Londoner Hauptgeschäfts gegründet. Im Lauf der Zeit hatte DeWilde’s Fifth Avenue, wie es inzwischen genannt wurde, sich eine respektable Nische im Brautmodengeschäft erobert. Dazu hatte es sich einen Namen im Schmuckgeschäft aufgebaut – eine Leistung, die größtenteils auf dem bekannten Renommee der Geschäfte in Paris und London beruhte. Aber die New Yorker Filiale war das schwächste Glied im Imperium der Familie geworden, das nun auch Filialen in Monaco und Sydney einschloss. Schuld daran mochten seine Größe und auch die alteingesessene lokale Konkurrenz sein.

Das Geschäft war kaum zehn Jahre eröffnet, da verschwand Dirk, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Sloans Vater hatte sich standhaft geweigert, den Laden zu übernehmen, bis sein Bruder Charles ihm einen ordentlichen Aktienanteil übereignet hatte – damit hatte Henry sich und seine Nachkommen unlösbar mit dem DeWilde-Familienunternehmen verbunden.

Bis jetzt.

Nun, über den ständig sinkenden Umsatz der letzten zwei Jahre, hatten Sloan und Mason endlich einen Weg heraus gefunden. Sie würden ihre fünf Prozent Aktienanteile an die Firma verkaufen und hätten anschließend nichts mehr mit dem Familienunternehmen zu tun.

Jetzt fehlte ihnen nur noch ein weiterer spürbarer Rückgang in den Umsatzzahlen, und es würde geschafft sein. Endlich konnten die Türen von DeWilde’s Fifth Avenue geschlossen und die letzte Verbindung zu den Royals gekappt werden. Und Sloan würde genau das bekommen, was er wollte – gleichberechtigte Partnerschaft im Gestüt. Er lächelte zufrieden vor sich hin.

Der Deal war so gut wie perfekt. Schließlich hatte Sloan DeWilde immer bekommen, was er wollte …

„Wir sind gleich da, Mr. Sloan.“

Sloan klappte seinen Aktenkoffer zu. „Holen Sie mich um zwölf ab, Lew. Ich bin mit Cassandra Talbot am Tribeca Grill verabredet, will aber vorher noch einmal mit ihr zur Galerie fahren und sehen, ob alles für die nächste Ausstellung vorbereitet ist.“

„Sieht aus, als wäre da vorn etwas los“, bemerkte Lew. „Auf dem Fußweg, vor dem Schaufenster.“

Sloan starrte durch die Scheibe nach draußen. „Es sind doch nicht wieder diese Leute, die was gegen Pelze haben, oder? Wir haben den Pelzsalon doch vor über einem Jahr geschlossen. Ich habe weder die Zeit noch Lust, mich heute mit ihnen abzugeben.“

„Ich glaube nicht, dass sie es sind. Aber es stehen eine Menge Leute vor dem Schaufenster und versuchen, einen Blick hineinzuwerfen.“

Lew parkte den Wagen in der zweiten Reihe vor der Ladezone des Geschäfts. Er sprang heraus und kam um den Wagen herum, aber bevor er die Beifahrertür öffnen konnte, war Sloan schon draußen. Lew stellte sich wie ein Leibwächter neben ihm auf, die Arme vor der beindruckenden Brust verschränkt, die Mütze tief und drohend in die Stirn gezogen.

Der Laden sah so aus, wie er fast die letzten sechzig Jahre ausgesehen hatte: eine imposante Fassade aus grauem Marmor, geschmückt mit falschen Säulen. Über der schimmernden Drehtür aus poliertem Messing glitzerten die ineinander verflochten Buchstaben D und W im reflektierten Licht der gegenüberliegenden Wolkenkratzer.

Sloan runzelte die Stirn. Wie oft hatte er vor dem Geschäft gestanden, aber soweit er sich erinnern konnte, hatte keiner der Vorübergehenden jemals einen interessierten Blick in die Schaufenster geworfen. Das mochte daran liegen, dass die Schaufenster schlichtweg nicht bemerkenswert waren. Aber nun drückten sich die Fußgänger an den sechs Fenstern förmlich die Nase platt. Sie hatten sich in einer Schlange aufgestellt und rückten langsam nach.

„Was gibt es dort bloß so Interessantes zu sehen?“, murmelte Lew und rollte seine Zigarre in den anderen Mundwinkel.

„Das werde ich sofort herausfinden.“ Sloan drückte ihm seinen Aktenkoffer in die Hand und schob sich durch die neugierige Menge der Gaffer. Die riesigen Fenster vor ihm waren von oben bis unten schwarz gestrichen worden, mit Ausnahme eines kleinen Vierecks in Augenhöhe. Neben dem Viereck schimmerte in eleganten goldenen Lettern der Schriftzug Dessous, 5. Etage.

Sloan musste sich bücken, um durch eins der Vierecke schauen zu können, da er die meisten anderen Neugierigen überragte. Der Anblick, der sich ihm bot, war schockierend und aufreizend zugleich. Lebensechte Schaufensterpuppen in verführerischen Posen und sexy Reizwäsche waren in einem Boudoir arrangiert worden, das eines Harems würdig gewesen wäre. Sloan kam sich auf einmal wie ein Voyeur vor – und genoss es auch noch! Gegen seinen Willen fasziniert, starrte er auf die sinnliche Szene vor ihm.

„He, wollen Sie den ganzen Tag allein gaffen oder geben Sie den anderen auch noch eine Chance“, beschwerte sich da jemand hinter ihm.

Sloan trat zurück und kehrte zu Lew zurück.

„Was gibt es dort drinnen zu sehen?“, erkundigte sich Lew neugierig.

„Damenwäsche. Sehr … provozierend.“

„Sieht so aus, als würde es den Leuten gefallen“, kommentierte Lew.

Sloan schaute noch eine Minute zu, wie sich die Schlangen langsam an den einzelnen Schaufenstern vorwärtsschoben. „Ich frage mich, was in Millie gefahren ist. Typisch sind diese Fenster für sie nicht.“ Er runzelte die Stirn. Seit wann brachte eine Frau wie Millie Carmichael mit der langjährigen Erfahrung auf ihrem Gebiet eine Peepshow in DeWilde’s Schaufenster? Ein solches Konzept passte nicht zu ihr. Normalerweise hielt sie sich an das Bewährte, Traditionelle – ein Brautkleid mit der dazu passenden Bekleidung.

„Minnie“, korrigierte Lew ihn sogleich. „Die Schaufenster werden von Minerva Carmichael gestaltet. Ihr Vater hat sie Ende der fünfziger Jahre eingestellt.“

Sloan winkte geistesabwesend mit der Hand ab. „Richtig … Minnie“, wiederholte er.

„Den Kunden wird das nicht gefallen“, meinte Lew.

„Stimmt“, gab Sloan ihm recht. Aber kaum war das Wort über seine Lippen, musste er lächeln. Wieder einmal hatte Lew recht. Diese Art Schaufenstergestaltung würde DeWilde’s gewöhnlichen Kundenstamm abstoßen. Und welchen besseren Weg gab es, die Klientel zu verschrecken und den Umsatz sinken zu lassen? Minnie – Millie – wer auch immer die Idee für die Schaufenster gehabt hatte, unterstützte ihn unbeabsichtigt in seinen Plänen!

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Drinnen würden die Angestellten aufgereiht auf ihn warten, um ihm die monatlichen Umsatzhöhepunkte – wohl eher das Gegenteil in der letzten Zeit! – vorzutragen. Es war ein Ritual, das er bereits vom ersten Tag an gehasst hatte, so richtig britisch, wie Diener, die den Herrn des Hauses willkommen heißen. Aber bei den DeWildes zählten solche Traditionen viel, und dies war eine Tradition, die schon vor seiner Geburt eingeführt worden war, zuerst von Dirk und dann weitergeführt von seinem Vater.

Sloan nahm Lew wieder den Aktenkoffer ab, dann klopfte er ihm auf die Schulter. „Ich gehe jetzt besser hinein und finde heraus, wer für diese Geschmacklosigkeit verantwortlich ist“, sagte er. Und werde ihr danken, fügte er im Stillen hinzu.

Wie vorausgesehen, standen sie alle da und erwarteten seine Ankunft. Sloan begann mit Simpson-Davis, dem Geschäftsführer, dann kam der nächste dran. Dabei achtete er kaum auf das, was gesagt wurde, lächelte und nickte. Er hatte fast das Ende der Schlange erreicht, als eine sanfte, leicht raue Stimme seine Aufmerksamkeit erregte.

„Ich bin Chloe Durrant, Mr. DeWilde. Ich bin verantwortlich für die Schaufenstergestaltung und – werbung. Es ist mir ein Vergnügen, Sie endlich kennenzulernen.“

Sloan senkte den Blick von einem Punkt, der irgendwo oberhalb ihres Kopfes gehangen hatte, vorbei an flachsblonden Haaren hinunter zu verführerischen grünen Augen und einem herzförmigen Gesicht. Er starrte sie einen langen Moment an, auf das rätselhafte Lächeln, das um ihren schön geschwungenen Mund spielte. „Miss …“

„Durrant. Chloe Durrant.“

Eine Stimme wie Naturseide … passt besser in ein Schlafzimmer als in einen Verkaufsraum, durchfuhr ihn ein flüchtiger Gedanke. „Und Sie sind …?“

„Ich bin ab jetzt für die Gestaltung der Schaufenster und die Werbung darin zuständig.“ Sie sagte es in einem Ton, als hätte er es eigentlich wissen müssen.

Er schaute auf die schlanken Finger in seiner Hand, suchte nach einem Ehering, aber es war keiner vorhanden. Einen Augenblick lang geriet Sloan in Versuchung, ihre Hand an seine Lippen zu ziehen und zu küssen, die seidenweiche Haut hinter dem Gelenk an den Mund zu pressen. Diese Geste hatte schon unzählige Frauen sehr beeindruckt, und er war neugierig, ob der kühle Blick dahin schmelzen würde, mit dem Chloe Durrant ihn musterte.

Aber dies war weder der Ort noch die Zeit, eine Herausforderung zu wagen. Er hatte einen Job zu erledigen, und auch wenn er gern seinen kleinen Spaß gehabt hätte, diesmal war das Geschäftliche wichtiger als das Vergnügen. So schüttelte er ihr nur die Hand. Als sich ihre Blicke wieder begegneten, starrte sie ihn an, die eine Augenbraue fragend hochgezogen.

„Ach, ja … Miss Durant“, riss er sich schnell zusammen. „Sie sind also verantwortlich für diese … ungewöhnliche Schaufenstergestaltung?“

Sie nickte. „Ja. Wie finden Sie sie?“ Es war mehr eine Herausforderung als die Bitte um ein Kompliment.

Er sah ihr in die Augen und zwang sich, nicht triumphierend zu grinsen. „In meinem Büro“, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. „In einer Stunde.“ Ohne ein weiteres Wort drehte er sich herum und ging hinüber zu den Fahrstühlen. Als sich die Türen hinter ihm schlossen, zwinkerte er einige Male, um ihr Bild aus seinem Gedächtnis zu verscheuchen. Aber es blieb wie eingebrannt vor seinem inneren Auge stehen, als hätte er zulange in die Sonne geschaut.

„Chloe Durrant“, murmelte er vor sich und verzog den Mund zu einem Lächeln. „Ebenfalls sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Miss Durrant.“

„Ihm missfallen die Schaufenster“, erklärte Chloe in sachlichem Ton. „Und ich missfalle ihm auch. In meinem Büro. In einer Stunde“, äffte sie seine ausdruckslose Stimme gekonnt nach. Sie warf ihrer Freundin Gina einen Blick zu. Gina Calafano war für die Zeitungswerbung von DeWilde’s Fifth Avenue verantwortlich. „Was meinst du, sollte ich gleich oder erst hinterher meine Sachen packen?“

„Findest du nicht, dass du ein wenig übertrieben reagierst?“, fragte Gina. „Du hast den Mann doch eben erst kennengelernt.“

Chloe griff nach einem Stück Tüll und begann daraus eine Rosette zu formen. „Es war ein ausgesprochen ominöses Zusammentreffen“, entgegnete sie.

„Ominös? Mein Gott, ich kann mich nicht erinnern, dieses Wort jemals gehört zu haben!“

Chloe warf den Tüll zurück auf den Arbeitstisch. „Es steht in Audreys Schullexikon. Ominös.“ Sie buchstabierte es.

„Warte, warte“, rief Gina und fuchtelte wild mit den Händen herum. „Ich werde es in einem vernünftigen Satz benutzen! Wenn Chloe Durrant nicht endlich die Finger von dem Käsekuchen bei Roxy’s lässt“, begann sie, „werden ihre Schenkel ominöse Ausmaße annehmen.“

Gina lachte über ihren eigenen Witz, ein warmes, freies Lachen, das den Raum ausfüllte und durch die dünnen Wände drang, die den Arbeitsraum vom Verkaufsbereich abtrennten.

Chloe schüttelte den Kopf. „Es bedeutet unheilschwanger … bedrohlich. Gewichtig. Einschüchternd …“

„Hmm.“ Gina seufzte dramatisch, während sie auf ihre Schenkel schaute. „Ich habe immer danach gestrebt, einschüchternde Schenkel zu haben.“ Sie blickte auf ihre Brust. „Nicht zu sprechen von einschüchternden Brüsten. Und eine drollige Nase. Um ehrlich zu sein, ich habe immer danach gestrebt, genauso auszusehen wie du!“

Chloe funkelte sie an. „Meine Brüste haben noch niemanden eingeschüchtert – mich vielleicht ausgenommen. Und nun sprich von etwas anderem, verstanden!“

Gina faltete mit gespielter Ergebenheit die Hände. „Mach weiter“, sagte sie mit Bedauern in den großen braunen Augen. „Ich höre zu. Spuck all deine Sorgen aus, und ich verspreche, voller Mitleid zu sein, wie es sich für eine beste Freundin geziemt.“

„Ich hatte ihn mir irgendwie älter vorgestellt“, sagte Chloe. „Mit grauen Schläfen, Golfclub-Teint – und Monogramm auf den Manschettenknöpfen. Ein richtiger Stockfisch eben!“

„Also, ich hätte wirklich nichts dagegen, mit diesem Stockfisch ein paar Stunden in einem Schlafzimmer zu verbringen“, lachte Gina. „Mit Kerzenlicht … Frank Sinatra-Klängen leise im Hintergrund und eine Flasche Chianti zwischen uns.“

„Woher willst du wissen, dass er nicht stinklangweilig ist? Du hast ihn doch noch gar nicht gesehen, weil du zu spät gekommen bist.“

Gina grinste. „Ich hatte mich hinter einer der Säulen in der Parfümabteilung versteckt, zwischen Givenchy und Guerlain. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Er ist so …“ Sie suchte nach dem richtigen Wort. „… weltmännisch. Ich habe einen Moment wirklich geglaubt, er küsst dir die Hand.“

Kurz sah Chloe Sloan DeWilde vor sich – fast schwarzes Haar, das ihm bis auf den gestärkten Hemdkragen reichte und ihm in die Stirn fiel, scharfe haselnussbraune Augen unter beeindruckenden dunklen Brauen. Ein fester Mund und ein Körper, wie ihn sich jedes männliche Model wünschen würde. Sein Anzug, sehr wahrscheinlich von Armani, saß perfekt, betonte noch die breiten Schultern, die schmalen Hüften und eine Brust, die …

Chloe verscheuchte rasch ihre Phantasien. Du lieber Himmel, wohin ließ sie nur ihre Gedanken wandern … Sie durfte diesen Mann nicht attraktiv finden. Er war ihr Boss, ihr Vorgesetzter … ein sehr charmanter, atemberaubender und kultivierter Vorgesetzter. Es war unangebracht und vor allem gefährlich, ihn anziehend zu finden.

„Also, was denkt du über ihn?“, fragte Gina.

„Ich … er scheint mir … intelligent zu sein“, sagte Chloe. „Clever und selbstbeherrscht. Hat sich völlig unter Kontrolle. Gehört zu den Männern, die genau wissen, was sie wollen und sich nicht mit weniger zufrieden geben.“

„Damit könnte ich leben“, sagte Gina. „Mir gefällt auch ein Mann, der im Schlafzimmer den Ton angibt.“

„Wir reden hier nicht über Sex, sondern über Sloan DeWildes Managementstil. Ich finde, der Mann ist … gefährlich.“

„Und wie! Also, sei ehrlich, Chloe, du musst doch zugeben, er sieht wirklich klasse aus.“

„Schön, er sieht gut aus. Um einen Ausdruck meiner Tochter zu gebrauchen: Ein echt geiler Typ.“

Gina kicherte. „Mir kommt der Verdacht, ich habe mich mit der falschen Durrant abgegeben. Audrey hat eine weitaus gesündere Einstellung zum männlichen Geschlecht als ihre Mutter.“

„Wenn dir dein Leben lieb ist, Angelina Maria Calafano, denn sprich das Wort Sex und meine Tochter nicht in einem Atemzug aus!“

Gina griff nach dem einzelnen Arm einer Schaufensterpuppe und richtete ihn auf Chloe. „Und was ist mit Sex und Chloe Durrant?“

Chloe verschränkte die Arme vor der Brust. „Das gefällt mir noch weniger!“

„Tatsächlich?“, fragte Gina. „Weißt du, du solltest allmählich etwas gegen deine Testosteron-Allergie unternehmen. Vielleicht hilft dir ein Schuss Sloan DeWilde?“

„Nur weil ich nebenbei erwähne, dass er gut aussieht, heißt das noch lange nicht, ich finde ihn attraktiv. Außerdem ist er mein Chef.“ Chloe strich sich mit den Fingern übers Haar. „Ein Verhältnis mit meinem Chef wäre ein tödlicher Fehler. Ich habe eine Tochter zu ernähren. Ich muss ihren Nachhilfeunterricht bezahlen und für ihre Musikstunden aufkommen. Und was ist mit den bevorstehenden Zahnklammern? Sehr wahrscheinlich muss ich meinen Körper auf der Straße anbieten, nur damit sie gerade Zähne bekommt.“

Gina tätschelte ihr mit dem Puppenarm die Schulter und nickte mitleidsvoll. „Ich schätze, die arme Audrey wird wohl mit dem unschönen Überbiss leben müssen.“

Chloe versuchte den Arm beiseite zu schieben, und als Gina dagegenhielt, packte sie ihn und warf ihn in die Ecke zu den anderen Extremitäten, die dort lagen.

„Was soll das eigentlich heißen? Mich finden viele Männer attraktiv. Ich hatte eine ganze Menge Verabredungen.“ Sie setzte sich auf dem Hocker zurecht. „Ich könnte mit Sloan DeWilde ausgehen, wenn ich wollte … abgesehen davon, dass ich es nicht will, auch wenn er mich fragen sollte – was wiederum er nicht tun wird. Außerdem bin ich Mutter. Ich muss meiner Tochter ein gutes Beispiel bieten. Ich habe Audrey erklärt, sie könnte sich erst mit dreißig mit Männern verabreden – wie stände ich also da, wenn ich es täte?“

„Du bist vierunddreißig. In den letzten zehn Jahren bist du mit fünf Männern ausgegangen und hast es tatsächlich geschafft, die ganze Zeit über keusch zu bleiben. Du gibst deiner Tochter ein solch strenges Beispiel, dass sie sich entschließen könnte, der Schwesternschaft der Ständig Unterdrückten beizutreten.“

„Ein Kloster wäre gut“, sagte Chloe. „Ist man mit elf Jahren noch zu jung, um aufgenommen zu werden?“

„Ich bin zur Klosterschule gegangen, und glaub mir, es wäre nicht das richtige für Audrey“, meinte Gina. „Sie gleicht zu sehr ihrer Mutter. Hat ihren eigenen Kopf, ist störrisch und viel zu kreativ.“

„Im Augenblick komme ich mir gar nicht kreativ vor“, sagte Chloe, und leichte Besorgnis schlich sich in ihre Stimme ein. „Es könnte nämlich durchaus sein, dass ich mit den Peepshow-Fenstern ein wenig übers Ziel hinausgeschossen bin. Aber Simpson-Davis ließ mir völlig freie Hand bei der Gestaltung, so nahm ich sie mir.“

Gina zuckte mit den Schultern. „Gut, dann kann dich Sloan DeWilde nicht feuern. Außerdem redet schon die halbe Stadt über diese Schaufenster. Eine der Schaufensterdekorateurinnen von Bendel’s hat sich gestern Morgen die Nase an einem deiner Fenster plattgedrückt. Und Bendel’s macht die besten Schaufenster in der Stadt.“

„Es war jemand von Bendel’s hier, um sich meine Fenster anzusehen?“

Gina nahm einen Styroporkopf zur Hand, wie sie für die Perücken der Schaufensterpuppen benutzt wurden und hielt sie neben ihren Kopf. Beide nickten gleichzeitig.

Chloe lächelte schwach. Sie war erleichtert. „Vielleicht nehmen die mich, falls Sloan DeWilde mich hinauswirft.“

„Wie kann er dich hinauswerfen, nachdem er gesehen hat, was auf der Straße vor sich geht? Seit du diese Schaufenster umgestaltet hast, hat der Publikumsverkehr um rund zwanzig Prozent zugenommen. Wir ziehen damit eine jüngere, flottere Kundenschicht an. Mehr Männer kommen herein, um Geschenke zu kaufen. Und meine neuen Anzeigen sind jetzt so jugendlich und frisch, dass sie auch die unkonventionellen Kunden herlocken. Pass auf, schon bald werden wir ein nettes Umsatzplus vorweisen können.“

„Auch wenn ihm meine Schaufenster missfallen, für höhere Verkaufszahlen hat er bestimmt eine Menge übrig“, meinte Chloe hoffnungsvoll. „Soweit ich weiß, hat es seit über zwei Jahren keine Umsatzsteigerung mehr gegeben. Und wir beide bringen es fertig, das zu ändern. Ich bezweifle, dass er uns feuern wird.“

„Na also!“, rief Gina. „Endlich höre ich wieder die alte Chloe Durrant!“

Gina hatte recht. Sie sollte mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihren Instinkt haben. Im Herzen wusste sie, sie war eine gute Designerin. Vielleicht war sie im Augenblick keine richtige „Künstlerin“ mehr, aber sie war die beste Schaufenstergestalterin, die DeWilde jemals gehabt hatte.

Es hatte lange gedauert, all das wieder aufzubauen, was Julien zerstört hatte, und sie würde jetzt auch nicht so einfach wieder aufgeben. Julien. Selbst sein Name reichte aus, immer noch eine tiefliegende Unsicherheit in ihr an die Oberfläche zu bringen.

Chloe war gerade zweiundzwanzig gewesen, als sie in New York ankam, frisch vom Chicago Institute of Art and Design, voller Zuversicht, die Welt mit ihren Bildern in Erstaunen zu versetzen. Bei einer Galerieeröffnung hatte sie Julien Moreau kennengelernt, und er hatte sie mit seinen charmanten europäischen Manieren und seiner umwerfenden Ausstrahlung völlig verzaubert. Einen Monat später lebten sie zusammen in seiner unaufgeräumten, farbbeklecksten Atelierwohnung.

Zuerst war ihr Leben wundervoll gewesen. Chloe inspirierte ihn zu Bildern und saß ihm sogar mehrmals Modell dazu. Aber dann begann es in ihrer Beziehung zu kriseln. Julien hatte Probleme mit seinem Selbstbewusstsein, und er konnte sein Ego nur zufriedenstellen, indem er ihr eigenes Selbstbewusstsein nach und nach zerstörte. Er war zwar umwerfend, aber nicht in der sinnlichen Weise, wie sie zuerst gedacht hatte. Stattdessen setzte er alles herab, was sie tat, in erster Linie ihre Bilder.

Als sie ihm nichts mehr zu bieten hatte, wandte er sich einer frischen, jungen und gut entwickelten „Muse“ zu und verließ Chloe. Ihre Leidenschaft fürs Malen war zerstört und ihr Vertrauen in die Männer erschüttert. Vier Wochen später stellte sie fest, dass sie schwanger war. Ein höflicher Anruf bei Julien, der ihn über seine bevorstehende Vaterschaft informierte, reichte aus zu erkennen, dass sie ihr Kind allein würde aufziehen müssen. Er hatte vor, innerhalb eines Monats nach Frankreich zurückzugehen, ihm war seine Kunst wichtiger als sie und ihr gemeinsames Kind …

Von da an nahm Chloe jeden Job an, den sie bekommen konnte. Ihre Pinsel und Farben standen verschlossen im Schrank, während sie all ihre Energie dazu aufwandte, ihrer Tochter und sich ein anständiges Leben zu ermöglichen. Nach und nach gelang es ihr, sich einen guten Ruf als selbständige Schaufensterdesignerin zu schaffen, und sie fand genügend Arbeit in den Designerboutiquen und Galerien an der Madison Avenue. Vor drei Jahren lernte sie Gina kennen, und es dauerte nicht lange, bis sie gute Freundinnen wurden.

Als ihr dann die Stellung bei DeWilde’s angeboten wurde, war es ihr, als würde ein Traum wahr werden – ein regelmäßiges Einkommen, Krankenversicherung – und ein Job, bei dem sie endlich ihr ganzes Können beweisen konnte. Nicht nur ihren Vorgesetzten, sondern mehr noch sich selbst.

DeWilde’s brauchte sie ebenso sehr, wie sie selbst die Firma brauchte. Bevor sie anfing, hatte jahrzehntelang eine nette alte Dame die Schaufenster gestaltet. Für Minerva Carmichael waren Brautjungfernkleider, die nicht aus Taft gearbeitet waren, modisch gewagt, und im Schaufenster erschien kein Brautkleid, das nicht zusammen mit Perlen gut aussah. Um es noch schlimmer zu machen, die Werbeanzeigen waren so langweilig, dass sie wohl kaum jemals einem Leser auffielen.

Simpson-Davis war nach Minnies Abschied ins Rentenalter sehr daran gelegen gewesen, Chloe einzustellen. Aber sie hatte hinter seiner offenen Begeisterung für sie auch Verzweiflung gespürt. So als ob er – und alle anderen auch – bald ebenfalls gehen mussten, wenn sie es nicht schaffte, die Verkaufszahlen in die Höhe zu katapultieren. Es war also nicht schwer gewesen, seine Zustimmung zu ziemlich radikalen Änderungen zu gewinnen, auch wenn ein paar der älteren Verkäuferinnen einen kleinen Aufstand geprobt hatten. Und sie hatte es geschafft, dass Gina eingestellt wurde, um die Zeitungswerbung auf Vordermann zu bringen.

„Es wird wirklich Zeit, hier ein paar Dinge zu ändern“, sagte Chloe. „Seit rund sechzig Jahren ist DeWilde’s New York nicht ein Jota von seiner alten Marktstrategie abgewichen. Der Laden ist inzwischen so exklusiv geworden, dass sich kaum noch jemand herein traut.“

„Du hast recht.“ Gina gab ihr recht und zielte auf eine Kiste auf der anderen Seite des Raums. Sie hob den Styroporkopf, warf, und gleich darauf plumpste er hinein. „Absolut!“

„Wir müssen ein neues Image schaffen. Wir müssen erreichen, dass all diejenigen herkommen, die eine Schwäche für Romantik haben – nicht nur Bräute und Anhang.“

„Völlig richtig!“, rief Gina begeistert.

„Aber was ist, wenn er nicht einverstanden ist? Wenn er meine Ideen ebenso ablehnt wie meine Schaufenster?“

„Flirte mit ihm“, schlug ihr Gina vor.

„Was?“, krächzte Chloe.

„Der Bursche ist ein notorischer Weiberheld, Chloe. Das gesamte Verkaufspersonal zerreißt sich das Maul über seine Eskapaden. Wenn du ihn auf deine Seite bringen willst, flirte mit ihm, nur ein wenig. Halte ihn hin. So wie er dich angestarrt hat, hast du bereits seine Aufmerksamkeit erregt, würde ich sagen. Nun brauchst du nur noch seine Schwäche für schöne Frauen auszunutzen.“

„Das kann ich nicht!“, protestierte Chloe. „Es ist so … es passt nicht zu meinem Berufsethos. Außerdem, er findet mich gar nicht attraktiv. Nein, absolut nicht. Ich könnte es nicht tun.“

„Tu, was du willst. Aber bestimmt würde es die Unterhaltung mit ihm interessanter gestalten.“

Chloe riss die Augen auf. „Wie spät ist es?“

Gina schaute auf ihre Armbanduhr. „Elf.“

„Gütiger Himmel, ich bin bereits zu spät.“ Chloe strich sich ihren Röhrenrock glatt und schob eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr. „Sehe ich okay aus?“ Sie wirbelte zu Gina herum.

„Du siehst absolut schrecklich aus.“

„Wie bitte?“, schrie Chloe entsetzt.

„Dieses Kostüm. Und dieser nette Lehrerinnendutt an deinem Hinterkopf – du siehst aus, als würdest du auf eine Beerdigung gehen!“

„Ich dachte, Mr. DeWilde würde ein etwas geschäftsmäßigeres Outfit beeindrucken.“

„Du hast das letzte Mal ein Kostüm getragen, als du versucht hast, Audrey in die Wellton Academy hineinzubringen.“

„Aber es hat doch geklappt, oder?“, meinte Chloe zuversichtlicher und nahm ihre Unterlagen vom Tisch. „Außerdem, ich hätte wohl kaum in meiner normalen Alltagskleidung dort aufkreuzen können. Sie wäre nie genommen worden.“

„Ich bin sicher, du wirst Sloan DeWilde ebenso leicht bezirzen, wie du den Schulleiter bezirzt hast.“

„Ich habe keinesfalls die Absicht, Sloan zu bezirzen“, verteidigte sich Chloe. „Hier geht es um etwas Geschäftliches, und wenn er nicht sieht, wie gut meine Ideen sind, dann ist er eben kein guter Geschäftsmann.“ Sie holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. „Drück mir die Daumen.“

„Das ist nicht nötig“, neckte sie Gina. „Klimpere nur ordentlich mit den Lidern, und der Mann sinkt dir zu Füßen.“

„Es gibt ein Memo. Glauben Sie etwa, ich schreibe Memos zu meinem eigenen Vergnügen, Sloan DeWilde? Sie sollen gelesen werden.“

Sloan blickte von dem hohen Stapel Berichte auf, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, und begegnete dem stahlblauen Blick von Miss Edna Crenshaw, Assistentin des Hauptgeschäftsführers von DeWilde’s Fifth Avenue – in anderen Worten, seine rechte Hand und der Fluch seiner Existenz.

Auf den ersten Blick würde man sie vom Alter her vielleicht für eine freundliche, großmütterliche Person halten. Aber nach weiterem Kontakt mit Miss Crenshaw wurde einem schnell klar – falls Edna eine aufopferungswürdige Großmutter war, dann nur von einem Rudel knurrender Rottweiler.

„Ich kann mich nicht erinnern, dieses Memo erhalten zu haben“, beharrte er.

Sie richtete sich steif auf. „Am fünfzehnten Juli habe ich es per Boten auf die Farm geschickt, zusammen mit dem Verkaufsbericht des zweiten Quartals.“

Zierlich, aber mit der Haltung eines Generals auf dem Schlachtfeld, trug Miss Crenshaw immer die gleiche Arbeitsbekleidung – ein maßgeschneidertes Kostüm, das nichts tat, um von ihrer steifen Natur abzulenken, dazu eine altmodische Bluse ohne jedes schmückende, aber unpraktische Beiwerk wie Rüschen oder dergleichen. Ihr mit silbrigen Fäden durchzogenes Haar war im Nacken straff zu einem Knoten gebunden. Sloan war sich ziemlich sicher, dies war der Grund für ihren ständig missbilligenden Ausdruck, der sich noch verstärkte, sobald er nur in ihre Nähe kam.

Sie hatte drei Jahre vor seiner Geburt für seinen Vater zu arbeiten begonnen. Nach Aussage von Edna Crenshaw hatte Henry DeWilde in den sieben Jahren davor mindestens zwei persönliche Assistentinnen zerschlissen. Beide waren eher bereit zu kündigen, als sich ständig mit seinem Desinteresse fürs Geschäft herumzuschlagen.

Aber Edna war geblieben und hatte sich jeder neuen Herausforderung gestellt, die Henry ihr bereitet hatte. Nicht lange, und sie führte mehr oder weniger die Filiale, holte sich nur bei den schwierigsten Entscheidungen das Einverständnis dafür von Henry. Nach Henrys Tod blieb sie weiterhin das Verbindungsglied zwischen Sloans Familie und einer Reihe schnell aufeinanderfolgender Geschäftsführer.

Sloan vermutete, dass Ednas Stellung bei DeWilde’s ihr Leben war. Sie erwähnte niemals eine Familie, einen Ehemann, geschweige denn Kinder, oder sonstige Interessen. Sie betrat das Geschäft um Punkt sieben Uhr, drei Stunden bevor die Türen geöffnet wurden. Dann blieb sie hinter ihrem Schreibtisch, bis das Geschäft um sechs Uhr schloss, und war gewöhnlicherweise die Letzte, bevor der Wachdienst abschloss und seinen Dienst begann.

Natürlich hatte Sloan keinen direkten Beweis dafür. Er kam kaum vor zehn Uhr und ging bereits wieder gegen drei, und er achtete sorgfältig darauf, nicht mehr als einen Tag im Monat in seinem Büro aufzutauchen.

„Ich habe gehört, Minnie Carmichael ist in Rente gegangen. Was wissen Sie über diese neue Person … Chloe Durrant?“

Edna verzog den Mund, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen. „Sie hatte die besten Empfehlungen.“ Sloan wusste sofort, Miss Crenshaw war kein besonderer Fan von Chloe Durrant. „Sie haben Mr. Simpson-Davis freie Hand bei der Einstellung von Personal gegeben. Ich wurde in dieser Angelegenheit nicht befragt, so spielt es keine Rolle, was ich denke.“

„Mir scheint, Ihnen gefällt Miss Durrants Arbeit nicht sonderlich“, sprach Sloan das Offensichtliche aus.

„Ich kann mich nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben.“

„Kommen Sie, Edna – sagen Sie mir rundheraus Ihre Meinung. Was halten Sie wirklich von Miss Durrant?“

Sie zupfte an den Manschetten ihrer Bluse, bis beide genau einen Zentimeter unter der Kostümjacke hervorschauten. „Ich halte ihre Ideen für DeWilde’s für völlig unangemessen. Wir sind in dieser Stadt eine Institution, einer Tradition verhaftet, über die sie sich entschlossen hinwegzusetzen scheint. Wenn es nach mir ginge, ich würde sie auf der Stelle hinaussetzen. Ihre Schaufenstergestaltung kann nur unserem Verkauf und unserem besonderen Ruf für guten Geschmack schaden.“ Das letzte wurde mit einem abfälligen Schnauben gesagt.

Sloan lachte leise auf, und die beiden roten Flecken auf ihren Wangen glühten noch stärker. „Ich muss Sie wohl nicht fragen, was Sie von den Schaufenstern halten …“

„Meine Meinung ist unwichtig. Entscheidend ist nur, was unsere Kunden denken. Welche Mutter wird jemals ihre Tochter herbringen, um für sie ein Brautkleid oder die Aussteuer zu kaufen, nachdem sie diese Fenster gesehen hat?“

„Dann glauben Sie also, Miss Durrants unkonventionelle Ideen könnten dem Umsatz schaden?“

„Nicht könnten – werden! Darauf können Sie sich verlassen. Das verstärkte Kundenaufkommen im Erdgeschoss ist nur das Resultat des üblichen Spätsaison-Tourismus.“

Sloan runzelte die Stirn. „Es hat eine Zunahme in der Anzahl der Kunden gegeben?“

Edna nickte kurz.

„Ich werde diese neue Entwicklung mit Miss Durrant diskutieren müssen. In fünf Minuten habe ich eine Besprechung mit ihr.“

„Eine Besprechung?“ Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf wie ein schmollendes Kind. „Warum wurde ich nicht darüber informiert? Wie soll ich den Überblick über Ihre Termine behalten, wenn Sie sie mich nicht arrangieren lassen?“

Sloan zuckte mit den Schultern. „Es ergab sich aus der Situation heraus. Aber rufen Sie doch bitte Cassandra Talbot in der Galerie an und sagen Sie das Essen mit ihr ab. Sagen Sie ihr, ich würde bis über beide Ohren in Arbeit stecken. Und dann rufen Sie in der Blumenabteilung an und lassen Sie von Miss … Soundso einen hübschen Blumenstrauß hinschicken.“

„Mr. Elvin ist unser Florist“, berichtigte Edna ihn. „Und ich bin Ihre Persönliche Assistentin, nicht Ihre Privatsekretärin. Ich möchte weder in Ihr Privatleben verwickelt werden, noch möchte ich etwas mit den diversen Frauen zu tun haben, die anscheinend darin eine Rolle spielen.“

„Dann holen Sie mir einen Kaffee und ich erledige es selbst“, brummte Sloan.

Aber Edna blieb standhaft und verschränkte die Arme vor der Brust. „Darüber hinaus habe ich keine Ambitionen, Kellnerin zu werden. Die Kaffeekanne steht dort, wo sie immer steht“, sagte sie. „Sie sind einigermaßen fit – die Entfernung werden Sie mit Leichtigkeit zurücklegen, und das Gewicht der Tasse dürfte ebenfalls für Sie kein Problem sein.“

Damit drehte sie sich herum und verließ das Büro. Sloan blieb mit der Frage zurück, wieso er sich ihre kratzbürstige Art eigentlich gefallen ließ. „Weil Edna das Geschäft besser kennt als du Idiot“, murmelte er vor sich hin. „Und ohne Edna Crenshaw müsstest du garantiert mehr Zeit in diesem Mausoleum von Büro verbringen!“

Fünf Minuten später, nachdem er das Essen mit Cassandra persönlich abgesagt und mit der Blumenabteilung telefoniert hatte, erschien Edna wieder im Eingang.

„Miss Durrant ist hier.“

Sloan warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie war fünf Minuten zu spät. Er lächelte. „Bitten Sie sie herein, Miss Crenshaw. Und halten Sie mir bitte alle Telefongespräche vom Leib.“

Edna schnaubte abfällig. „Ich nehme nicht an, dass die Leitung glühen wird, aber ich werde versuchen, mit allem fertig zu werden, was hereinkommt.“

„Das machen Sie doch immer, meine liebe Miss Crenshaw“, sagte Sloan. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie täte.“

„Ich auch nicht.“ Sie stieß die Tür weiter auf und warf einen Blick ins Vorzimmer. „Miss Durrant, Mr. DeWilde wird Sie jetzt sprechen können.“

Autor

Kate Hoffmann
Seit Kate Hoffmann im Jahr 1979 ihre erste historische Romance von Kathleen Woodiwiss las – und zwar in einer langen Nacht von der ersten bis zur letzten Seite – ist sie diesem Genre verfallen. Am nächsten Morgen ging sie zu ihrer Buchhandlung, kaufte ein Dutzend Liebesromane von verschiedenen Autorinnen und...
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