Der Feind, der mich auf Händen trägt

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Seine grauen Augen faszinieren sie, sein sexy Lächeln weckt pures Verlangen in ihr. Als Zoe Alston dem smarten Millionär Ryan Dailey im Wahlkampfbüro begegnet, ist die sozial engagierte Schönheit von der prickelnden Chemie zwischen ihnen überwältigt. Schon bald verliebt sie sich in den erfolgreichen CEO, denn Ryan trägt sie auf Händen, und die Liebesstunden, in denen er sie aufs Zärtlichste verwöhnt, sind einfach berauschend. Doch ehe sie von einer gemeinsamen Zukunft träumen kann, muss Zoe ihm ein Geständnis machen …


  • Erscheinungstag 20.12.2019
  • Bandnummer 2113
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725532
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Statt den Worten der Hauptrednerin zum Thema „Schöne Frauen gehen in Führung“ zu lauschen, musterte Everly Briggs nachdenklich ihre Tischnachbarin Zoe Crosby. Einst die Trophäe, mit der sich ein reicher Geschäftsmann aus Charleston, South Carolina, schmückte, war Zoe nun frisch geschieden und wirkte nicht so, als würde sie in Everlys Pläne passen.

Vor der Veranstaltung hatte Everly sich schlaugemacht und herausgefunden, welche der anwesenden Frauen kürzlich von ihren Männern betrogen, verlassen oder abgezockt worden waren. Zwei Teilnehmerinnen waren Everly besonders aufgefallen, und während sie die Begrüßungscocktails tranken, hatte sie sich mit Zoe Crosby und London McCaffrey bekannt gemacht. Nachdem sie ihnen erzählt hatte, wie mies sich Ryan Dailey, ein erfolgreicher Unternehmer, ihrer Schwester gegenüber benommen hatte, dauerte es nicht lange, bis London erzählte, auf welch gemeine Art Linc Thurston die Verlobung mit ihr gelöst hatte.

„Also sind wir alle drei Opfer eines reichen, mächtigen Mannes geworden“, führte Everly aus, wobei das auf Zoe vermutlich am besten zutraf. Deren Ex-Mann hatte Charlestons gewieftesten Scheidungsanwalt engagiert und dafür gesorgt, dass Zoes Kosten die Abfindung, die sie zu erwarten hatte, bei Weitem übertrafen. „Findet ihr nicht, dass es Zeit wird, die Herren der Schöpfung auch ein bisschen bluten zu lassen?“

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Zoe interessiert zugehört und ab und zu genickt. Everly ging davon aus, dass eine Frau, die betrogen, verlassen und gezwungen worden war, ihre Ehre vor Gericht zu verteidigen, jede Gelegenheit nutzen würde, sich zu rächen. Doch je länger sie sich mit Zoe unterhielt, desto klarer wurde ihr, weshalb Tristan Crosby seine Frau so verächtlich behandelt hatte. Zoe war einfach zu sanft und passiv. Ihr fehlten Feuer und Entschlossenheit. Doch Everly wusste, dass es ihr gelingen würde, das um seinen Status gebrachte Luxusgeschöpf so aufzustacheln, dass Zoe sich auf ihren Rachefeldzug einließ.

„Es funktioniert, wenn wir nicht den eigenen, sondern den Mann der jeweils anderen aufs Korn nehmen“, führte Everly weiter aus und war dankbar, dass London McCaffrey zustimmend nickte. Zoe dagegen wirkte immer noch besorgt, daher erklärte Everly: „Sehen Sie mal, Zoe. Wir sind uns heute das erste Mal begegnet. Kein Mensch käme auf die Idee, dass zwischen uns eine Verbindung besteht. Ich kümmere mich um Linc. London macht Tristan fertig, und Sie setzen wir auf Ryan an.“

„Was genau verstehen Sie darunter?“, fragte Zoe. „Was wäre meine Aufgabe?“

Everly seufzte innerlich. „Was Ryan betrifft – nun, seine Zwillingsschwester kandidiert für den Senat“, fuhr Everly fort, entschlossen, den Tycoon dafür büßen zu lassen, dass er ihre Schwester hinter Gitter gebracht hatte. Er war durch sein Verhalten schließlich selbst schuld daran gewesen, dass sie ausgetickt war und Entwicklungsdaten gelöscht hatte, was seine Firma um Millionen brachte.

„Aber ich dachte, es geht um die Männer“, wandte Zoe ein. „Wieso soll ich dann die Zwillingsschwester …“

„Da Ryan das Leben meiner Schwester ruiniert hat“, erläuterte Everly betont ruhig, „scheint es mir nur fair, wenn wir die Chancen seiner Schwester, gewählt zu werden, ruinieren. Indem wir ihre Karriere zerstören, treffen wir Ryan am tiefsten. Verstehen Sie, was ich meine, Zoe?“

Zoe nickte unschlüssig, und Everly nahm sich vor, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, falls sich Zoe als unfähig erwies, das Ding durchzuziehen.

1. KAPITEL

Zoe umklammerte die Armlehnen des abgenutzten Friseursessels und betrachtete ihr Spiegelbild. Zoe Ex-Crosby, nun wieder Zoe Alston. Seit heute war die Scheidung rechtskräftig, und ab jetzt würde sie in jedem Formular, das nach ihrem Familienstand fragte, ein Häkchen bei „geschieden“ machen müssen. Seit einem Jahr versuchte sie, sich klarzumachen, dass es nicht ihre Schuld war, und trotzdem schämte sie sich und hatte das Gefühl, versagt zu haben.

„Sind Sie auch ganz sicher?“, fragte Penny, die Stylistin, und ließ Zoes langes, seidiges Haar durch ihre Finger gleiten. „Die Naturfarbe ist wunderschön, dieses warme Blond mit den helleren Strähnen. Soll ich nicht einfach ein paar Zentimeter kürzen und es dabei belassen?“

Zoe schüttelte den Kopf. „Nein, es soll alles ab. Alles.“

Penny verzog das Gesicht, als bereite ihr die Vorstellung Schmerzen. „Es geht mich ja nichts an, und Sie sind so schön, dass es völlig egal ist, welche Frisur Sie tragen. Aber ich muss trotzdem noch mal nachfragen: Alles ab? Glatze?“

Tristan war unglaublich dominant gewesen, auch was Zoes Haar betraf. Er schrieb ihr die Länge vor und verbot ihr, es stufig schneiden zu lassen. Hochstecken durfte sie es auch nicht, und der Lockenstab war tabu. Kontrolle total, nicht nur hier, sondern in jedem Lebensbereich.

Zoe seufzte, und ihr Mut sank. Sie hatte diesen Friseursalon vorhin in der festen Absicht betreten, sich kahl rasieren zu lassen, um Tristan auf diese Weise den Mittelfinger zu zeigen. Er hatte keine Macht mehr über sie. Trotzdem schien es ihr nun, als wäre die Option Glatze ein wenig zu radikal. Was konnte sie also tun, um ihre Freiheit zu feiern? Nachdenklich betrachtete sie die Fotos an den Wänden, die Models mit verschiedenen modischen Frisuren zeigten.

Ein Bild gefiel ihr besonders, und sie deutete darauf. „Wie wäre es damit?“ Die Brünette trug ihr Haar kurz und stachelig. „Ich will diesen Kurzhaarschnitt, aber platinblond.“

Die Stylistin wirkte erleichtert. „Das würde perfekt zu Ihrem fein geschnittenen Gesicht passen.“

„Dann los.“

Anderthalb Stunden später wagte Zoe einen Blick in den Spiegel und erkannte sich kaum wieder. Wo war die biedere Gattin eines erfolgreichen Geschäftsmanns mit ihren Kaschmir-Twinsets und den geblümten Kleidern geblieben? Aus dem Spiegel blickte ihr eine junge, frische Frau in schwarzen, modisch zerrissenen Jeans, geometrisch gemustertem T-Shirt und schicker Punkfrisur entgegen. Ihre Finger zitterten, als sie sich durch die blondierten Spitzen fuhr.

Tristan wäre über diese Veränderung entsetzt gewesen.

Puh, sie musste endlich aufhören, alles, was sie tat, unter dem Aspekt zu betrachten, ob es Tristan gefallen würde. In Zukunft war allein wichtig, was ihr gefiel und sie glücklich machte.

Abgesehen davon gab es noch einen anderen Grund für ihre Verwandlung.

Stufe eins war geschafft. Zoe verließ den Salon und ging in die Drogerie. Dort kaufte sie brombeerfarbenen Lippenstift und Lidschatten in rauchigen Tönen. Auch etwas, das Tristan ihr nie erlaubt hätte zu tragen. Zurück im Auto, nahm sie den Rückspiegel zur Hilfe, um sich zu schminken. Mit neuem Selbstvertrauen fuhr sie los. Ziel war das Kampagnenbüro von Susannah Dailey-Kirby, die für einen Senatorenposten kandidierte. Zoe hatte vor, sich als Wahlhelferin zu bewerben und sich unentbehrlich zu machen. So konnte sie Susannah am besten ausspionieren. Irgendetwas würde sich finden lassen, um Ryan Daileys Zwillingsschwester an den Pranger zu stellen. Die Idee zu diesem Plan stammte selbstverständlich von Everly.

Da Zoe keine Ahnung hatte, wie man vorging, wenn man jemandem schaden wollte, war sie dankbar gewesen für Everlys Ratschläge. Während ihrer Ehe war sie vor allem damit beschäftigt gewesen, den Psychoterror, den Tristan ausübte, zu überleben. Selbst wenn sie wütend auf ihn gewesen war, fehlte ihr die Kraft, es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen. Immerhin war sie schlau genug gewesen, für den Fall der Fälle Geld zurückzulegen von dem, was Tristan ihr monatlich überwies. Ihre Familie war nicht reich, und es war ihr wichtig, finanziell unabhängig zu werden.

Doch als Tristan herausfand, dass sie sich ein kleines Vermögen zusammengespart hatte, verlangte er das Geld zurück, damit er seine Macht behielt. Der Vorfall machte sie noch vorsichtiger und misstrauischer, auch ihren so genannten Freundinnen gegenüber.

Der goldene Käfig ihrer Ehe war die Hölle gewesen. Wie hatte sie nur so dumm sein können, ihr Studium im ersten Jahr abzubrechen, um diesen Typen zu heiraten? Eine Märchenhochzeit mit einundzwanzig, ein reicher Mann, die Aussicht, zur High Society von Charleston zu gehören, waren zu verlockend gewesen. Doch bald schon waren ihre naiven Träume zerplatzt wie Seifenblasen.

Jetzt, nach der Scheidung, blieben ihr nicht einmal Freundinnen. Niemand hatte sich während des schmutzigen Scheidungskriegs auf ihre Seite geschlagen. Tristan hatte überall die Lüge verbreitet, sie sei fremdgegangen. Keiner glaubte ihr, als sie ihre Unschuld beteuerte. Die Untreue eines Mannes wurde in den Südstaaten immer noch milder beurteilt als die seiner Ehefrau.

Sie schob ihre Erinnerungen beiseite, als sie sich ihrem Ziel in North Charleston näherte. Das Kampagnen-Hauptquartier von Susannah Dailey-Kirby lag ganz in der Nähe des Tierheims, wo Zoe ein Mal pro Woche als ehrenamtliche Helferin arbeitete. Sie war mit Hunden und Katzen aufgewachsen und liebte alle Tiere. Tristan hatte ihr natürlich nicht erlaubt, ein Haustier zu halten.

Die vergangene Woche hatte sie in dem Fast-Food-Restaurant auf der anderen Straßenseite verbracht und beobachtet, wer in Susannahs Büro ein- und ausging. Mittlerweile war sie nicht mehr so ganz überzeugt davon, dass Everlys Racheplan eine gute Idee war. Doch sie war so erzogen, dass man ein Versprechen nicht brach, koste es, was es wolle. Deshalb hatte sie es wohl auch so lange in ihrer unglücklichen Ehe ausgehalten. Sie hatte gelobt, Tristan zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod sie schied. Punkt. Dass er alles getan hatte, um sie ihren Schwur bereuen zu lassen, galt da nichts. Wenn er es nicht gewesen wäre, der sie schließlich loswerden wollte, wäre sie vermutlich jetzt noch mit ihm verheiratet.

Wut stieg in ihr auf, wann immer sie an ihr Dilemma dachte. Aber sie wusste nicht, ob sie eher auf Tristan wütend war oder auf sich selbst.

Als sie die Lobby des Kampagnenbüros betrat, riss sie sich zusammen. Sie wollte hier einen Job, und dafür musste sie überzeugend wirken.

Eine Türklingel ertönte, doch niemand in dem großen Büroraum beachtete Zoe. Es herrschte eine bleierne Atmosphäre, die Anwesenden starrten alle auf einen großen Fernsehbildschirm. Zögernd ging sie weiter. Hier war irgendetwas nicht in Ordnung.

Vier Leute umstanden einen großen, schlanken Mann mit dichtem, grauem Haar. Auf mehreren Schreibtischen klingelten die Telefone, doch niemand ging ran.

Aus dem Lautsprecher des Fernsehers dröhnte die Stimme des Sprechers, und Zoe hörte genauer hin. Anscheinend gab es einen neuen Bewerber für den Senat, und alle, die hier arbeiteten, waren geschockt. Froh, dass noch niemand Notiz von ihr genommen hatte, ging Zoe rückwärts und stieß prompt mit jemandem zusammen.

Das Erste, was sie wahrnahm, war ein männlich-würziges Eau de Toilette, das Nächste war eine breite, muskulöse Brust, von der sie abprallte wie ein Kätzchen von einer Dogge. Zoe stolperte und wäre wohl hingefallen, hätte der Mann sie nicht am Arm festgehalten. Seine Finger waren kraftvoll, sein Griff warm und fest. Die Berührung war so intensiv, dass sie sekundenlang keinen einzigen Gedanken fassen konnte.

Dann drehte sie sich um und blickte in seine grauen Augen. Wie elektrisiert schossen wilde Gefühle durch ihren ganzen Körper. Doch gleich darauf erkannte sie ihr Gegenüber, und ihr Atem stockte.

Ryan Dailey. Der Mann, dem ihr Rachefeldzug galt. Groß, breitschultrig, markantes Kinn … Wie auf den Fotos, die Everly ihr gegeben hatte. Ihm persönlich zu begegnen, war jedoch etwas ganz anderes, und der Auftrag, den sie zu erledigen hatte, änderte leider überhaupt nichts daran, dass sein anziehendes Lächeln ihre Nerven zum Vibrieren brachte und sinnliche Bilder in ihrem Kopf entstehen ließ. Unwillkürlich errötete sie.

„Alles in Ordnung?“, fragte er.

Seine tiefe, warme Stimme verwirrte sie nur noch mehr. „Ja“, war alles, was sie herausbrachte.

„Ryan Dailey“, stellte er sich vor und ließ seinen interessierten Blick von ihrem weißblonden, stacheligen Schopf über ihre dunkel geschminkten Lippen bis zu ihrem flippigen Outfit wandern. „Ich bin Susannahs Bruder.“

Neben seiner hochgewachsenen Gestalt, die in einem dunkelblauen Maßanzug mit weißem Hemd und hellblauer Krawatte steckte, kam Zoe sich trotz ihrer acht Zentimeter Absatz winzig vor. Doch obwohl Ryan Daileys Ausstrahlung so überwältigend war, löste er keine Furcht in ihr aus, ganz im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann.

Entspannt war sie trotzdem keineswegs. „Ich bin Zoe …“, begann sie und brach ab, ehe ihr der gewohnte Nachname entschlüpfte. Zoe Crosby war Vergangenheit.

„Schön, Sie kennenzulernen, Zoe“, erwiderte er, und seine grauen Augen verrieten, dass er es ernst meinte. Immer noch hielt er ihren Arm umfasst.

„Gleichfalls“, sagte sie und entzog sich endlich seiner Berührung. Doch immer noch konnte sie den Druck seiner Finger spüren, selbst durch ihre schwarze Lederjacke hindurch.

„Sie sind neu bei Susannahs Kampagne“, bemerkte Ryan nun.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Wenn Sie schon länger für sie arbeiten würden, wären Sie mir aufgefallen.“

Seine Worte sandten ein Prickeln über ihre Haut, aber sie war auf der Hut. „Ich würde gern als freiwillige Helferin mitarbeiten, aber es scheint, als wäre es gerade kein guter Zeitpunkt, um sich zu bewerben.“ Zoe wies auf den Fernsehbildschirm und die Leute, die davor standen. „Ich komme an einem anderen Tag wieder.“

„Bleiben Sie“, forderte er sie mit einem gewinnenden Lächeln auf. „Ich stelle Sie den anderen vor.“

Unwillkürlich lächelte Zoe. „Ich warte lieber hier. Wenn jemand Zeit für mich hat, können Sie mir ja ein Zeichen geben.“

Er nickte und ging an ihr vorbei.

Fasziniert sah Zoe ihm nach. Das also war Ryan Dailey.

Obwohl sie versprochen hatte zu warten, verließ sie das Büro. Als sie draußen war, atmete sie erst einmal tief durch. Kein Wunder, dass Everly darauf bestanden hatte, die Zwillingsschwester zum Ziel des Rachefeldzugs zu machen. Einen derart einflussreichen Mann zur Strecke zu bringen, hätte Zoe sich niemals zugetraut, auch wenn ihr Ex-Mann ihr noch einen Rest Selbstbewusstsein gelassen hätte.

Zwischen Tristan und Ryan Dailey gab es jedoch große Unterschiede. Ryan schien nicht der Typ, der andere erniedrigen musste, um sich selbst groß zu fühlen. Andererseits hatte er Everlys Schwester hinter Gitter gebracht … Musste Zoe ihn also fürchten?

Erstaunt stellte Ryan fest, dass die kurze körperliche Begegnung mit Zoe etwas in ihm geweckt hatte, was in seinem Leben seit einiger Zeit fehlte. Begehren. Es war lange her, seit er das letzte Mal Lust verspürt hatte, eine Frau zu besitzen. Sie auf ganz klassische Weise flachzulegen mit allem Drum und Dran. Selbst jetzt, Minuten später, sandte sein Körper noch eindeutige Signale aus. Doch als er die Gruppe vor dem riesigen Bildschirm erreicht hatte, wurde er schnell ernüchtert. Der TV-Spot, der ankündigte, dass Lyle Abernathy ebenfalls für einen Senatorenposten kandidierte, war zwar vorüber, aber das Wahlkampfteam seiner Schwester diskutierte mögliche Strategien.

„Hi, Gil“, begrüßte Ryan den großen, grauhaarigen Mann.

„Hallo, Ryan. Hast du schon gehört?“

„Dass Abernathy kandidiert. Ja.“

„Das ist schlecht für uns“, konstatierte der Wahlkampfmanager.

„Wie geht es Susannah damit?“

„Du kennst doch ihr Motto. Niemand soll sehen, dass du Blut und Wasser schwitzt.“

Ryan nickte. „Da vorne wartet übrigens jemand, der bei euch mitmachen will. Als Volontärin. Sie heißt …“ Er wandte sich um, sah, dass Zoe gegangen war, und fluchte. „Mist.“ Die Vorstellung, dass er sie nie wiedersehen würde, tat fast weh. Verrückt …

„Sieht so aus, als habe sie es sich anders überlegt“, bemerkte Gil.

„Sie hatte das Gefühl, sie komme ungelegen.“

„Hoffentlich haben wir sie nicht verschreckt. Wir können jeden Helfer brauchen“, sagte Gil. „Weißt du, wie sie heißt?“

„Zoe.“ Das war alles, und es war nicht viel. „Kannst du mir Bescheid sagen, falls sie noch mal auftaucht? Sie hat raspelkurzes hellblondes Haar und trägt eine schwarze Lederjacke. Eine Mischung aus Punk und Rock’n’Roll.“

Gil nickte. „Ich behalte die Sache im Auge.“

„Danke. Ich sehe mal, wie es Susannah geht.“ Ryan durchquerte den großen Raum und betrat gleich darauf das durch eine Glaswand abgetrennte Büro seiner Zwillingsschwester. Susannah saß hinter ihrem Schreibtisch und starrte auf ihren Computerbildschirm. Ihr langes schwarzes Haar fiel in einem akkuraten Schnitt auf ihre Schultern, und sie trug ein königsblaues Kostüm. Trotz der fatalen Neuigkeiten wirkte sie völlig entspannt. Als ihr Bruder eintrat, hob sie den Blick. „Was machst du denn hier?“

„Ich wollte wissen, wie du die Sache aufnimmst“, erwiderte Ryan.

„Oh, Himmel! Du und Mom. Sie hat mich gerade angerufen. Mir geht es prima.“ Und das meinte sie ernst. Selbst als sie noch Kinder gewesen waren, gab es nichts, was Susannah aus der Fassung bringen konnte. „Lyle bremst uns nicht aus“, fuhr sie fort.

Ryan blickte über die Schulter zu den anderen, die die Köpfe zusammensteckten und beratschlagten. „Gil teilt diese Auffassung nicht.“

„Ach, er macht sich halt immer zu viele Sorgen.“

„Und du zu wenig.“

„Was würde das bringen? Lyle hat sich in einem anderen Wahlbezirk aufstellen lassen, weil er in seinem alten nicht zum fünften Mal kandidieren kann. Er ist zu arrogant, um sich vorzustellen, dass ich als Konkurrentin gefährlicher bin als Jeb Harrell.“

„Aber du kandidierst zum ersten Mal, Susannah.“ Ryan unterließ es, hinzuzufügen, dass sie es als Frau in der Politik schwerer haben würde. Dazu kam, dass Abernathy jede Gelegenheit nutzen würde, um Susannah mit Dreck zu bewerfen.

„Ich bin die beste Kandidatin für den Bezirk, und das weiß auch jeder“, gab Susannah zurück. „Lyle Abernathy weiß das übrigens auch.“ Sie grinste.

„Umso mehr wird er versuchen, dir zu schaden.“

„Es gibt aber nichts, womit er mir schaden könnte, Bruderherz. Ich bin absolut sauber.“

„Dann wird er etwas erfinden.“

„Wir sind gewappnet, glaub mir, Ryan.“

Er gab es auf. Susannah Dailey-Kirby war in der Lage, mit jedem Kontrahenten fertigzuwerden.

Durch die gläserne Trennwand warf Ryan einen Blick hinüber zum Eingangsbereich, in der Hoffnung, Zoe doch noch zu entdecken.

Seine Schwester war seinem Blick gefolgt. „Suchst du jemanden?“

„Ja, deine neue Wahlkampfhelferin.“

„Da ist aber niemand.“

„Sie ist wieder gegangen, weil alle so mit den aktuellen Ereignissen beschäftigt waren. Ich hatte gehofft, sie würde sich entschließen, wiederzukommen.“

„Meine Herrn. Sie scheint Eindruck auf dich gemacht zu haben. Ist sie hübsch?“

„Ja.“

Was war bloß in ihn gefahren? Er hatte mit Zoe gerade mal eine Minute gesprochen. Und seitdem konnte er an nichts anderes mehr denken als an sie.

„Sehr hübsch?“, hakte Susannah nach.

„Sehr hübsch“, gab er zu. „Aber auf eine ganz andere Weise als die Frauen, die mich sonst interessieren.“

„Wie denn?“

Wenn er das bloß so genau hätte benennen können. Sie war schön, aber nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Und ob sie intelligent und humorvoll war, wusste er auch nicht. Trotzdem wollte er sie wiedersehen. Unbedingt.

„Sie war irgendwie punkig. Schwarze, löchrige Jeans, auffällig gemustertes T-Shirt, kurzes, stachliges Haar, hellblond, dunkel geschminkte Augen und lila Lippenstift.“ Doch unter der flippigen Oberfläche hatte er ihre Verletzlichkeit gespürt.

„Ernsthaft?“, bemerkte seine Schwester amüsiert. „Das hört sich tatsächlich nicht so an, als wäre sie dein Typ.“

Er war es leid, Affären mit erfolgreichen, hochgebildeten Frauen zu haben, die seine starke Schulter nicht benötigten. Wenn er die Wahl hatte, würde er eine Gefährtin vorziehen, die sich nicht davor fürchtete, ihn zu brauchen, sich anzulehnen. „Vielleicht bin ich auf der Suche nach etwas Neuem, etwas ganz anderem.“

Trotz des Desasters mit Kelly Briggs gefiel ihm die Vorstellung, für eine Frau den Helden spielen zu dürfen. In einer Zeit, in der Frauen emanzipiert waren, dürfte es allerdings schwer sein, so jemanden zu finden. Ryan hatte nichts gegen gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und eine gerechte Verteilung der Hausarbeit, aber er war romantisch und sehnte sich auch nach Ritterlichkeit auf seiner und Zartheit auf der anderen Seite.

Zoe war ihm ein Rätsel. Sie hatte so einen Blick, der seinen Beschützerinstinkt weckte, obwohl ihr Outfit sagte: Hände weg. Und vielleicht war es besser so. Bei Kelly Briggs hatte er einen Fehler gemacht. Er hatte ihr geholfen, und sie hatte seine Fürsorge für Liebe gehalten. Als er ihr erklärt hatte, dass sein Engagement rein platonisch sei, war sie ausgerastet und hatte aus Rache sein Unternehmen schwer geschädigt.

„Hier geht es doch gar nicht um mich“, wehrte Ryan ab. „Es geht um deinen Wahlkampf. Du kannst jede Hilfe gebrauchen, vor allem jetzt, da Lyle ebenfalls ins Rennen geht.“

„Sicher.“ Seine Schwester lächelte. „Mir kannst du nichts vormachen. Ich hoffe, sie kommt noch mal vorbei. Wie heißt sie noch gleich?“

„Zoe.“

„Gut. Wenn sie hier auftaucht, werden wir alle Details notieren. Ich möchte nicht, dass sie dir ein zweites Mal entwischt.“

Ryan schüttelte den Kopf und erwiderte: „Wie du denkst. Ich muss jetzt los. Ruf mich an, wenn es Neuigkeiten gibt.“

Susannah stand auf, kam zu ihm und umfasste seinen Arm. „Hör zu, großer Bruder, ich danke dir für deine Besorgnis, was Lyle betrifft. Aber alles wird gut.“

Er legte seine Hand auf ihre. „Ich weiß.“

„Und ich hoffe, dass die geheimnisvolle Zoe zurückkommt“, fuhr Susannah fort. „Und auch, dass sie die wunderbarste Frau der Welt ist, denn ich will, dass du glücklich bist.“

„Mir geht’s gut“, wandte er automatisch ein.

„Klar, weiß ich doch. Aber ich wünsche dir den Himmel auf Erden mit der richtigen Frau.“ Susannah hatte ihre Jugendliebe Jefferson geheiratet und zwei Kinder mit ihm bekommen. Sie waren die perfekte Familie. Daneben arbeitete Susannah als erfolgreiche Anwältin. Ihr gelang alles, was sie anpackte, und sie behielt dabei ihre frauliche Grazie.

Ryan verstand, was sie ihm sagen wollte. „Jeff kann sich glücklich schätzen, dich zu haben. Ihr beiden habt die Latte ziemlich hoch gelegt, was mein zukünftiges Glück angeht.“

Sie lachte. „Ja, wir sind ein gutes Team. Ohne ihn könnte ich das alles nicht durchziehen.“

Er umarmte sie kurz, winkte ihr ein Lebewohl zu und verließ das Büro. Obwohl er wusste, dass niemand seine Schwester so schnell einschüchtern konnte, machte es ihm Sorgen, dass Lyle jetzt ebenfalls in den Wahlkampf eingestiegen war. Es war Zeit, einen Kumpel in der Stadt aufzusuchen, um zu besprechen, welche schmutzigen Tricks bis zu den Wahlen zu erwarten waren.

2. KAPITEL

Am Tag nach ihrem ersten Versuch, sich um einen Job in Susannah Dailey-Kirbys Wahlkampagne zu bewerben, kehrte Zoe zurück und hoffte, auf weniger Chaos und vor allem nicht erneut auf Ryan zu stoßen. Als sie das Großraumbüro, das in einem ehemaligen Ladengeschäft untergebracht war, betrat, waren alle beschäftigt und gut gelaunt. Die Krise schien bewältigt, und Zoe wurde sofort begrüßt.

„Hi, ich bin Tonya“, sagte die hübsche Rothaarige, die Mitte zwanzig sein mochte und zu ihren Jeans ein Kampagnen-T-Shirt mit dem Slogan Dailey for Senate trug. „Kann ich Ihnen weiterhelfen?“

„Ja. Ich war gestern schon mal hier und …“

„Dann sind Sie Zoe?“, unterbrach Tonya.

Erschrocken überlegte Zoe, ob es sein konnte, dass man bereits herausgefunden hatte, weshalb sie sich bewerben wollte. Doch dann siegte die Vernunft, und sie verwarf diesen Gedanken.

„Ja“, antwortete sie.

„Wunderbar! Wir freuen uns sehr, dass Sie zurückgekommen sind. Ryan hat erwähnt, dass Sie da waren und wieder gegangen sind, ehe wir Gelegenheit hatten, mit Ihnen zu sprechen.“

„Sie schienen alle sehr beschäftigt zu sein“, erwiderte Zoe. „Da dachte ich, es wäre besser, zu einem anderen Zeitpunkt wiederzukommen.“

„Wir sind sehr froh, dass Sie da sind. Haben Sie schon mal bei einer Wahlkampagne mitgemacht?“

Zoe schüttelte den Kopf, und Tonya beschrieb ihr die verschiedenen Aufgaben, die die freiwilligen Helferinnen und Helfer übernehmen konnten. Dann sagte sie: „Kommen Sie doch mit zu meinem Schreibtisch. Dort nehme ich Ihre Daten auf.“

Für Zoe war es kein Problem, Tonya ihre E-Mail-Adresse und ihre Handynummer zu geben. Doch was ihren Wohnsitz betraf, konnte sie nicht die Wahrheit sagen. „Ich wohne zurzeit bei einer Freundin“, erklärte sie. „Kann ich auch ein Postfach angeben?“

Zweifelnd blickte Tonya zu ihr hinüber, doch dann nickte sie. „Warum nicht. Sind Sie auf der Suche nach einer Wohnung?“

„Auf jeden Fall.“ Zoe dachte an das winzige Hinterzimmer in ihrem Laden, den sie vor einem Jahr angemietet hatte. Danach hatten die Anwaltskosten für die Scheidung sämtliche Rücklagen aufgefressen und ihren Traum, sich selbstständig zu machen, nahezu ruiniert. Sie hatte vorgehabt, Kunsthandwerk auf Kommissionsbasis zu verkaufen, um so den Opfern häuslicher Gewalt ein Zusatzeinkommen zu verschaffen. „Es ist nicht leicht, etwas zu finden, das ich mir leisten kann.“

„Verstehe“, meinte Tonya nur und ging dazu über, Zoe nach ihren beruflichen Fähigkeiten zu befragen, um herauszufinden, welche Aufgaben sie im Wahlkampfteam übernehmen konnte.

Während Zoe die Fragen beantwortete, ließ sie ihren Blick hinüber zu dem verglasten Büro im hinteren Bereich der Kampagnenzentrale wandern. Sie fürchtete sich vor ihrer ersten Begegnung mit Susannah, denn es lastete schwer auf ihrer Seele, dass sie von jetzt an alles tun würde, um dieser Frau zu schaden.

Schon jetzt peinigten sie Schuldgefühle. Die Scheidung von Tristan und die Wut auf ihn und sich selbst hatten sie so beschäftigt, dass sie bisher keinen Gedanken darauf verschwendet hatte, welche Auswirkungen Everlys Racheplan auf die Opfer haben würde. Sie war da hineingerutscht, aber sie hatte vor, sich an die Abmachung zu halten. Deshalb musste sie aufhören, die Sache zu hinterfragen. Ryan Dailey hatte Everlys Schwester großen Schaden zugefügt. Da Zoe genau wusste, wie man sich fühlte, wenn man von einem Mann gedemütigt worden war, musste sie sich jetzt einfach darauf konzentrieren, Ryan dieselbe Ohnmacht und Verzweiflung spüren zu lassen.

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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