Lucy und die Kunst des Küssens

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Nach langer Krankheit will Lucy so vieles nachholen. Erotik inklusive. Und ausgerechnet er soll ihr Lehrmeister sein! Dabei empfindet Damien wie ein Bruder für die zarte Designerin. Bis sie ihn küsst, und ein knisternder Weihnachtsflirt beginnt. Ein Strohfeuer … oder mehr?


  • Erscheinungstag 12.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755386
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Am Morgen von Thanksgiving wurde Damien Bravo-Calabretti, Prinz von Montedoro, von einem lauten Klopfen aus dem Schlaf gerissen.

Er richtete sich auf und sah sich verärgert im Zimmer um. Wer konnte so dreist sein, ihn an einem seiner spärlichen freien Tage so früh zu belästigen? Er warf einen Blick auf die Uhr. Na schön, es war halb neun.

Trotzdem wäre er gern noch länger liegen geblieben. Doch das Klopfen wollte nicht enden. Für gewöhnlich hätte sein Butler Edgar die Tür geöffnet, doch Damien hatte seinem treuen Diener für heute freigegeben. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen, griff nach dem Morgenmantel und durchmaß das Apartment mit langen Schritten. Auf dem Weg zur Tür kam ihm ein Gedanke: Ob die frühe Besucherin etwa Vesuvia war?

Hoffentlich nicht. Es war definitiv viel zu früh, um sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Außerdem war es zwischen ihnen aus. Sie wusste das ebenso gut wie er.

Davon abgesehen war sie doch gerade in Italien, oder nicht? Und selbst wenn nicht – keiner der Türsteher hätte sie eingelassen, ohne Damien Bescheid zu geben. Niemand kam ungesehen und ohne Schlüssel durch die Haupttür.

Allerdings ging es hier um Vesuvia. Ihre Wirkung auf Männer war legendär.

Unwirsch knotete Damien im Gehen das seidene Band des Morgenmantels zu. Seine Wut wuchs mit jedem Schritt – auch wenn er sich eigentlich besser im Griff haben sollte. Mit einer ungeduldigen Geste öffnete er die Tür – und hielt erstaunt inne.

Die Besucherin war keineswegs Vesuvia.

Es war die süße junge Lucy Cordell, die Schwester seines zukünftigen Schwagers Noah, der im kommenden Frühjahr Damiens Schwester Alice heiraten würde.

Beim Anblick seines mürrischen Gesichtsausdrucks wich Lucy erschrocken zurück. Eine entzückende zarte Röte blühte auf ihren Wangen. „Oh“, entfuhr es ihr. „Es ist zu früh, stimmt’s? Ich hätte es wissen müssen. Du hast noch geschlafen …“

Ihr Blick huschte über seinen Körper, von den nackten Füßen über die halb entblößte Brust bis zu dem leichten Schatten um sein Kinn und den schwarzen, verstrubbelten Haaren.

Mit einem Mal war Damien verlegen. Er zog den Morgenmantel zu und strich sich durch das Haar. „Luce. Hallo.“

„Sag schon: Es ist zu früh, richtig? Oh, ich wusste es.“

„Nein. Wirklich. Ist schon in Ordnung.“ Wenn er gewusst hätte, dass es Lucy war, hätte er zumindest seine Shorts angezogen. Dami hatte Lucy sehr gern. Sie war so erfrischend ungekünstelt. Alles an ihr war frisch und unverdorben und auf eine liebliche Art charmant.

Und heute Morgen sah sie wirklich bezaubernd aus, mit ihren großen, braunen Augen und dem kurz geschnittenen, gewollt zerzausten Haar, das ihr Gesicht so gut zur Geltung brachte. Außerdem trug sie wie immer eines ihrer cleveren, selbst entworfenen Outfits. Damien konnte einfach nicht anders, als ihr die frühe Störung zu vergeben.

Allerdings wollte sie ihm das nicht abnehmen. Ihr hübsches Gesicht war gezeichnet von peinlich berührter Reue. „Ach du liebes bisschen. Du hast Besuch, stimmt’s?“ Sie wich einen Schritt zurück. „Oh, Dami. Es tut mir wirklich, wirklich leid. Ich wollte dich nicht stören. Aber ich habe wochenlang gebraucht, um mich dazu durchzuringen, und dachte, ich gehe lieber sofort und frage dich, bevor ich wieder die Nerven verliere.“

„Die Nerven verliere?“ Er sah sie amüsiert an. „Warum? Was möchtest du mich fragen?“

„Oh.“ Sie schlug die Augen nieder. „Ich hasse mich.“

Er winkte sie in das Apartment. „Komm doch rein. Hier im Flur lässt es sich nicht so gut reden.“

„Aber du bist doch … beschäftigt.“

„Nein, bin ich nicht. Ich schwöre dir, dass ich ganz allein in der Wohnung bin.“

„Wirklich?“

„Wirklich wirklich. Und jetzt komm rein.“

Lucy zögerte. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und spähte zwischen ihren Fingern hindurch. „Das ist so peinlich. Aber heute Morgen war ich mir so sicher, und ich wollte nicht länger warten, und dann …“

„Nun, was auch immer es ist, ich würde es lieber drinnen besprechen. Ich mache uns einen Kaffee, einverstanden?“

Kopfschüttelnd nahm sie die Hände vom Gesicht – doch nur, um die Arme schützend um ihren schmalen Körper zu legen. „Ich musste dich einfach sehen. Und ich wollte es machen, bevor mich der Mut verlässt. Aber ich hätte zumindest warten können bis neun oder bis … wann auch immer du wach bist, oder … Lieber Himmel, jetzt denkst du bestimmt, dass ich überhaupt keine Manieren habe.“

Eine winzige Sorgenfalte störte ihre mädchenhaften Züge. „Oh, Dami. Sorry, sorry, sorry. Das ist so albern, nicht wahr?“

„Luce, worum geht es hier überhaupt?“

Sie schlug erneut die Augen nieder und starrte für einen Moment auf ihre Schuhspitzen. Dann sah sie auf und sagte mit zitternder Stimme: „Weißt du was? Ich komme später wieder, und dann können wir vielleicht …“

Sie verstummte, als er energisch nach ihrem Handgelenk griff. Mit leicht geöffnetem Mund sah sie ihn an. Ihre Lippen zitterten ein wenig – ein Umstand, den Dami zugleich erheiternd und anziehend fand.

„Komm jetzt rein“, sagte er sanft.

„Ich will dich nicht …“

„Luce.“ Er fing ihren Blick und hielt ihn fest.

„Oh, Gott.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Komm rein. Bitte.“

Das wirkte. Endlich. Sie nickte kurz und ließ traurig die schmalen Schultern hängen, doch immerhin ließ sie sich von ihm über die Schwelle ziehen. Mit der freien Hand schloss Dami die Tür hinter ihr und führte sie behutsam den Flur entlang, vorbei an seinem Wohnzimmer und dem kleinen Arbeitszimmer bis zur Küche.

Nicht, dass er sehr viel Zeit hier verbracht hätte, doch ab und zu bevorzugte er es, zu Hause zu essen. Allein.

Er deutete auf einen Stuhl am Fenster. „Setz dich.“ Während er die frischen Kaffeebohnen mahlte und die elegante Stempelkanne in Gang setzte, sagte Lucy kein Wort. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und regte sich nicht.

Dami wurde wieder bewusst, dass er gar nichts unter dem schwarzen Seidenmantel trug. Am liebsten wäre er rasch in sein Schlafzimmer gegangen, um sich anzuziehen. Doch er befürchtete, dass Lucy in einem unbeobachteten Moment kalte Füße bekommen und aus dem Apartment flüchten würde.

Und inzwischen war er mehr als neugierig auf das, was sie wohl auf dem Herzen hatte. „Es überrascht mich, dich so früh im Palast zu sehen“, sagte er leichthin.

„Ich wohne hier. Ich habe ein wunderschönes Zimmer im dritten Stock.“

„Ich war davon ausgegangen, dass du bei deinem Bruder und Alice in der Villa wohnst.“

„Um ehrlich zu sein, habe ich Alice gebeten, mir hier ein Zimmer zu geben. Für das …. Lebensgefühl, weißt du?“

An der Art, wie sie zögerte, konnte Dami sofort ablesen, dass noch etwas anderes dahintersteckte.

„Und wegen Noah?“

Sie hob die Schultern. „Er hat versprochen, mir mehr Freiraum zu geben und mich endlich mein eigenes Leben führen zu lassen. Trotzdem denkt er immer noch, er wüsste, was das Beste für mich ist. Hier im Palast bin ich freier. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Und ich brauche keinen großen Bruder, der darauf achtet, wann ich abends nach Hause komme.“ Sie seufzte tief. „Mal ehrlich: Manchmal benimmt er sich, als sei ich zwölf – und nicht dreiundzwanzig.“

„Er liebt dich und will dich beschützen.“

Sie warf ihm einen düsteren Ich-will-das-nicht-hören-Blick zu, und er beschloss, das Thema zu wechseln.

Der Kaffee war mittlerweile fertig. Dami goss ihr eine Tasse ein und stellte Milch und Zucker auf den Küchentisch. Im Brotkorb fand er sogar noch ein paar süße Gebäckstücke, die er zusammen mit Serviette und Silbergabel auf einem hübschen Porzellanteller anrichtete. Er schob ihr den Teller hin und lächelte sie aufmunternd an. „Greif zu.“

Dann nahm er ihr gegenüber Platz, lehnte sich zurück und beobachtete, wie Lucy sorgfältig Milch und Zucker in den Kaffee rührte. Vorsichtig nahm sie einen kleinen Schluck. „Mhmm. Der ist gut.“

„Das Leben ist zu kurz für schlechten Kaffee.“

Das zauberte ein zaghaftes Lächeln in ihr Gesicht.

Er neigte den Kopf. „Was amüsiert dich?“

„Es ist so merkwürdig. Die ganze Situation … Von einem Prinzen Kaffee und Gebäck serviert zu bekommen …“

Dami winkte lässig ab. „Für gewöhnlich würde Edgar das übernehmen, aber ich habe ihm heute freigegeben.“

Ihre Wangen färbten sich erneut in einem zarten Rot. „Danke, Dami. Du bist immer so nett zu mir.“ Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen.

„Luce?“ Er sprang auf, ging um den Tisch und kniete neben ihrem Stuhl nieder – in der ständigen Bemühung, den Morgenmantel geschlossen zu halten, um ihnen beiden die Peinlichkeit zu ersparen. „Was muss ich da sehen? Tränen?“

Sie schniefte leise. „Oh, Dami …“ Als sie den Kopf hob, drang ihm ihr süßer Duft in die Nase. Kirschen und Seife. So war Luce. Am liebsten hätte er gelächelt, doch sein Ausdruck blieb ernst.

Er zog ein seidenes Taschentuch aus der Brusttasche des Morgenmantels und reichte es ihr. „Hier.“

Lucy wandte traurig den Blick ab und betupfte ihre Wangen mit dem Seidentuch. „Ich mache mich lächerlich.“

„Nein, das tust du nicht. Das hast du noch nie getan.“ Er erhob sich, doch dann zögerte er – so, als ob er an ihrer Seite bleiben wollte, falls sie wieder anfing zu weinen.

Lucy wedelte mit dem Tuch in Richtung seines Stuhls. „Bitte, setz dich doch wieder. Dein Kaffee wird ja kalt.“

Ruhig nahm er wieder Platz und sah sie lange an. „Nimm ein Gebäck. Es gibt Himbeer- und Mandelgebäck – such dir eins aus.“

Gehorsam griff sie nach dem Himbeerplunder und nahm einen winzigen Bissen. Ein kleiner Klecks der roten Füllung haftete an ihrer Unterlippe. Dami beobachtete, wie sie ihn ableckte. „Mjam!“

„Schön, dass es dir schmeckt.“ Dami lächelte. „So. Worüber wolltest du nun mit mir reden?“

Sie holte tief Luft. „Zunächst einmal …“

„Ja?“

„Oh, Dami. Zunächst einmal möchte ich mich bei dir bedanken.“

„Aber warum?“

„Ach, komm schon. Du weißt, warum. Dafür, dass du mich gerettet hast, als ich keinen Ausweg mehr sah. Als mir die Ideen ausgingen.“

Lucy hatte Dami über ihren Bruder Noah kennengelernt. Die beiden Männer waren gute Freunde, und Dami hatte das Geschwisterpaar zu Hause in Kalifornien besucht. Dami war dabei nicht entgangen, dass Lucy sich nach all den Jahren ihrer Krankheit und unter der Aufsicht ihres älteren Bruders eingesperrt fühlte.

Es war sein Vorschlag gewesen, dass sie ihrem Traum folgen und nach New York ziehen sollte, um dort am College Modedesign zu studieren.

Dami hob die Schulter. „Du hast mir schon gedankt. Sogar mehrmals.“

„Aber ich kann dir gar nicht genug danken. Du hast genau zum richtigen Zeitpunkt eingegriffen. Noah und ich hatten uns festgefahren. Du bist zu ihm durchgedrungen, als es mir nicht mehr möglich war.“

Noah wollte zunächst nicht einsehen, dass Lucy ihr eigenes Leben in New York haben sollte. Doch nach dem Gespräch mit Dami war ihm klar geworden, dass Mode ihr Leben war – und das College in Manhattan eine großartige Gelegenheit, Karriere zu machen.

„Ich habe es nur dir zu verdanken, dass ich jetzt in Manhattan lebe. Glaubst du, ich wüsste nicht, wie schwierig es ist, hier eine Wohnung zu bekommen? Nach all den Jahren zu Hause bin ich vielleicht ein bisschen weltfremd, aber nicht naiv. Und ich weiß, dass ich dank dir nur einen Spottpreis dafür bezahle.“

In Manhattan bewohnte Lucy ein kleines Apartment in einem wunderschönen alten Gebäude, das Dami gehörte. Sie mochte die Lage und ihre freundlichen Nachbarn und fühlte sich sehr wohl dort.

Jetzt legte Lucy einen Scheck auf den Küchentisch und schob ihn Dami hin. „Ich möchte dir etwas zurückgeben. Zumindest ein bisschen.“ Sie legte die Fingerspitzen an ihre Brust. „Du hast so viel für mich getan.“ Knapp oberhalb des Ausschnitts konnte man die Spitze einer blassen Narbe erkennen, die von ihrer Operation zurückgeblieben war.

Darüber trug sie ein geschmackvolles Oberteil, dazu einen engen, geblümten Rock mit einem breiten, schwarzen Gürtel und hohe Stiefel. Alles, was Lucy anzog, zeugte von Modebewusstsein und einem untrüglichen Gespür für den eigenen Stil.

Dami musterte sie eindringlich. Er schüttelte den Kopf. „Sei nicht albern. Noah hat bereits für alles bezahlt.“

Noah besaß ein riesiges Anwesen in Carpinteria, in der Nähe von Santa Barbara. Nachdem er eingesehen hatte, dass Lucy ihr eigenes Leben führen wollte, hatte er nicht nur ihrem Umzug zugestimmt, sondern auch die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt.

„Dami, du hast mich in deinem Privatjet mitgenommen. Du hast mir dieses fantastische Apartment besorgt und nicht einmal eine Kaution dafür verlangt.“

„Nimm den Scheck zurück, Lucy.“

„Nein! Ich habe jetzt einen Treuhandfonds. Mir geht es gut. Und ich möchte dir etwas zurückgeben.“ Sie war plötzlich sehr ernst.

Damien wurde bewusst, wie wichtig ihr diese Geste war. Den Scheck nicht zu nehmen wäre beleidigend – und würde ihr das Gefühl geben, auf Almosen angewiesen zu sein. „Na schön. Damit sind wir also quitt.“

Ein großes Lächeln erstrahlte in ihrem Gesicht. „Fantastisch.“

Dami griff nach dem Mandelgebäck und sah sie forschend an. „War es das, worüber du mit mir reden wolltest?“ Wenn es so wäre, wäre er enttäuscht. All die Gesten, das Erröten, die Tränen – wegen Geldschulden, die im Grunde überhaupt keine waren.

Doch Lucy presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

Mit einem Mal war er wieder völlig bei der Sache. „Da gibt es noch etwas?“, fragte er mit wachsendem Interesse.

Sie nickte. Als sie sprach, hielt sie den Blick stur auf ihr Gebäck gerichtet. „Du und deine Freundin, Vesuvia …?“

V? Sie wollte allen Ernstes über V reden? Warum? Er wollte das jedenfalls nicht. Aber ganz offensichtlich hatte Lucy ohnehin schon wieder der Mut verlassen.

„Was ist mit Vesuvia?“, fragte er vorsichtig.

Ruckartig hob sie den Kopf. Ihr kurzes Haar glänzte im Licht der Morgensonne. Sie schluckte und seufzte leise. „Na ja, sie ist so wunderschön und glamourös und … sie ist auf den Titelseiten aller Magazine, die ich gerne lese … Vogue und Bazaar und Glamour und Elle.“

Er hob die Braue. Dann gab er sich Mühe, unbefangen zu klingen. „Möchtest du, dass ich sie dir vorstelle?“ Vielleicht gab es dafür einen bestimmten Grund. Vielleicht hoffte sie, Vesuvia könne irgendwann ihre Kleider vorführen.

Hoffentlich nicht, dachte er missmutig.

„Mir vorstellen? Oh, nein. Nein, gar nicht.“

Erleichtert lehnte er sich zurück. „Was dann?“

„Nun, seid ihr, äh, noch immer zusammen?“, fragte sie atemlos.

Damien war versucht, ihr zu sagen, dass seine Beziehung mit Vesuvia allein seine Sache war. Im Grunde ging es sie überhaupt nichts an. Doch er konnte es nicht. Dafür mochte er Lucy einfach zu sehr. Und davon abgesehen war ihr das Gespräch ohnehin schon unangenehm genug.

Deswegen erklärte er geduldig: „Nein, wir treffen uns nicht mehr. Ich fürchte, es hat einfach nicht funktioniert.“

Lucy sah ihn durchdringend an. Plötzlich hatte Damien das Gefühl, er befände sich in einem Verhör.

„Also habt ihr Schluss gemacht, du und Vesuvia? Und du hast gerade niemand anderes?“

Ein leises Lachen entfuhr ihm. „Ja, haben wir – und nein, habe ich nicht. Luce, Liebes, möchtest du mir nicht endlich sagen, worum es eigentlich geht?“

Entmutigt sank sie zurück auf ihren Stuhl. „Oh, Dami. Es ist nur … Da gibt es einen Mann. Einen ganz besonderen Mann, den ich getroffen habe.“

„Ein Mann?“ Jetzt war er wirklich ratlos. Von V zu einem besonderen Mann in weniger als drei Sätzen.

„Ja. Er ist wirklich heiß. Er ist Schauspieler. Und er wohnt in meinem Haus in NoHo. Ich meine natürlich in deinem Haus. Brandon? Brandon Delaney?“ Offenbar erwartete sie, dass er alle Mieter persönlich kannte.

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung.“

Aber sie gab noch nicht auf. „Blondes Haar, die tollsten Karamellbonbon-Augen …“

Dami beschäftigte einen Manager und einen Hausverwalter für das Gebäude in New York und hatte nur eine vage Vorstellung davon, wer darin wohnte. Einige Apartments waren vermietet, andere verpachtet.

Und Karamellbonbon-Augen? Ging es hier um einen Kerl oder um ein Dessert?

„Ich fürchte, ich kenne keinen Brandon Delaney.“

„Oh, Dami. Er hält mich für ein Kind, verstehst du? Aber das bin ich nicht. Ich meine, na schön, ich bin unerfahren und vielleicht sogar ein bisschen naiv. Das weiß ich selbst. Aber ich bin nicht dumm. Ich bin nur über die Hälfte meines Lebens krank gewesen. Deswegen sind viele Dinge … an mir vorbeigegangen. Aber jetzt nicht mehr. Mir geht es gut. Ich bin gesund und stark und lebe meinen Traum. Und langsam muss ich wirklich damit anfangen, die Dinge zu tun, die alle normalen Leute auch tun. Ich meine, ich bin ja normal, und ich habe, hm, Bedürfnisse, so wie alle anderen auch …“

Sie zögerte. „Was ich sagen will: Ich will auch mal jemanden abschleppen.“

Dami versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. „Abschleppen“, wiederholte er langsam.

„Genau. Du weißt schon. Sex haben?“

„Äh, sicher. Ich verstehe.“

„So. Aber ich fühle mich so unsicher und unvorbereitet.“ Sie hob die Hände und presste die Fingerspitzen an die Schläfen. „Ich meine, ich habe in den vergangenen anderthalb Monaten ein paar Typen in Manhattan getroffen.“ Jetzt vollführten ihre Hände große, umfassende Gesten über ihrem Kopf. „Da waren ein paar nette dabei, aber bei keinem von ihnen hatte ich das Gefühl, dass es passen würde. Dass ich mich, na ja, ihnen hingeben könnte. Außer Brandon. Er ist wahnsinnig attraktiv. Aber in seinem Leben dreht sich alles um die Schauspielerei. Und er sagt, dass ihm Lebenserfahrung am allerwichtigsten ist. Er würde niemanden daten, der so unerfahren ist wie ich. Er will keinen langweiligen Sex mit einer unschuldigen Jungfrau.“

Damiens Kopf schwirrte. „Du hast diesen Brandon gefragt, ob er …?“

„Oh, nein!“ Erneutes Erröten. „Nicht direkt, meine ich. So gut kenne ich ihn nun auch wieder nicht.“

„Ach so. Verstehe.“ Er verstand nicht im Mindesten, aber er zog es vor, zu nicken und zu schweigen.

„Aber ich habe versucht, ihn zu küssen …“

„Und?“

„Er hat mich davon abgehalten. Zwar sehr sanft, aber trotzdem.“

„Also hast du ihn nicht geküsst?“

„Nein. Er hat es verhindert. Er hat mir gesagt, dass ich zu jung und unerfahren bin und dass ich meine Gefühle so offensichtlich mit mir herumtrage. Er will mir nicht wehtun. Und das würde er natürlich, weil ich mich ja Hals über Kopf in ihn verlieben würde. Er sagte, er würde nichts mit Jungfrauen anfangen und dass er momentan sowieso an keiner ernsthaften Beziehung interessiert sei. Außerdem ist die Schauspielerei sein Leben.“

Was für ein anmaßender Vollidiot, dachte Dami bei sich. Laut sagte er: „Du bist umwerfend, Luce, und absolut bezaubernd. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden.“

Sie legte die Hand auf ihr Herz. „Oh, Dami. Siehst du? So bist du. Du hast mir von Anfang an das Gefühl gegeben, jemand zu sein. Du hast mich ernst genommen. Irgendwie findest du immer die richtigen Worte, damit ich mich … besser fühle.“

Dami fragte sich zum wiederholten Mal, wo das alles hinführen sollte. „Also bist du zu mir gekommen, weil du meinen Rat möchtest?“ Er griff nach seiner Kaffeetasse.

Lucy entgegnete: „Nein. Nicht deinen Rat. Sex.“

Die Tasse knallte auf den Tisch. „Wie bitte?“

„Dami, es ist so einfach. Ich möchte, dass du mit mir schläfst. Ich möchte, dass du der Erste bist.“

2. KAPITEL

Die Situation war so unwirklich, dass Dami einen Moment brauchte, um sich zu sammeln. „Liebste Luce“, setzte er an. „Hast du mich gerade gebeten, dein Liebhaber zu sein?“

Sie nickte eifrig, und ihr glänzendes braunes Haar wippte im Takt. „Oh ja. Ich meine, bitte. Ich mag dich Dami. Wirklich. Und wenn ich mir vorstelle, mit dir Sex zu haben, ist da nichts Sonderbares oder … Peinliches. Du bist so erfahren. Ich brauche jemanden, der genau weiß, was er tut, und ….“ Sie verstummte.

Dami öffnete den Mund, doch da entfuhr ihr ein leises Stöhnen. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und versuchte, ihre Wangen zu verstecken, die mittlerweile in einem entzückenden Himbeerrot leuchteten. „Oh, mein Gott. Du solltest dein Gesicht sehen. Bis hierher läuft es nicht so besonders gut, oder?“

„Luce, ich …“

Doch bevor er noch mehr sagen konnte, sprang sie auf und sah panisch zur Tür. Dami hielt sie am Handgelenk fest. „Warte.“

„Ehrlich, ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Es war eine dumme, lächerliche Idee. Und jetzt hältst du mich für kindisch. Für eine vollkommene Idiotin.“

Er trat näher. „Nein. Ich halte dich weder für kindisch noch für eine Idiotin. Es ist in Ordnung, Lucy, ehrlich.“

Sie wollte sich losmachen. „Bitte lass mich gehen. Das ist so peinlich.“

Doch Dami hielt sie fest. Er hob die Hand und hauchte einen leichten Kuss auf ihren Handrücken. Dann sah er ihr aufmerksam in die Augen. „Bitte, Lucy. Beruhige dich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich schwöre dir, dass ich dich nicht kindisch finde. Und um ehrlich zu sein, fühle ich mich ziemlich geschmeichelt.“

„Nein, bist du nicht“, jammerte sie leise.

Mit dem Daumen strich er beruhigend über ihre Hand. „Hör mir zu.“

Ein leiser Schluchzer löste sich in ihrer Brust.

„Hörst du mir zu, Luce?“

Sie nickte langsam. Dann ließ sie sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken, genau zwischen zwei kunstvolle Gemälde, die Dami bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung ersteigert hatte. „Ja, ich höre dir zu“, flüsterte sie schließlich.

„Ich fühle mich geschmeichelt.“ Er lächelte sie an, bis sich auch auf ihrem bekümmerten Gesicht der Anflug eines Lächelns zeigte.

„Mal ehrlich, Luce, du bist so unberechenbar. Bei dir weiß man nie, was als Nächstes kommt. Dir gelingt es immer wieder, mich zu überraschen. Und weißt du, was das Erstaunlichste daran ist? Du überraschst mich mit deiner umwerfenden Ehrlichkeit. Du bist ein so wertvoller, aufrichtiger Mensch.“

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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