Prinzessin Auroras Weihnachtskuss

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Sobald der umwerfend attraktive Rancher Walker sie ansieht, verspürt Prinzessin Aurora dieses wundervolle Kribbeln … Doch ihre Sehnsucht nach heißen Küssen unterm Weihnachtsbaum scheint vergeblich, denn Walker besteht darauf, dass sie nur gute Freunde sein können. Aber warum?


  • Erscheinungstag 05.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755805
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein abgekartetes Spiel. Das war Aurora „Rory“ Bravo-Calabretti, der Prinzessin von Montedoro, sofort klar, als sie Walker McKellan am Rand der privaten Landebahn auf dem Flughafen von Denver stehen sah. Ihre Mutter hatte darauf bestanden, dass sie mit dem Privatjet anreiste, und ihre Mutter hatte es ganz sicher auch eingefädelt, dass Walker auf sie wartete. Undenkbar, dass sie aus einem Flugzeug ausstieg und ganz allein durch den Zoll ging, ohne einen großen, starken Mann an ihrer Seite, der dabei für ihre Sicherheit sorgte.

Groß und drahtig, in alten Jeans, abgewetzten Stiefeln und einem Lammfellmantel, lehnte Walker mit vor der Brust verschränkten Armen an seinem grünen SUV. In der fahlen Wintersonne sah er durch und durch amerikanisch aus – wie ein Rancher, der gerade vom Zusammentreiben der Herde kommt, oder ein Trapper, der eben noch in der Wildnis war. Obwohl sie sich über ihre Mutter ärgerte, konnte Rory nicht widerstehen, holte ihre geliebte Nikon-Kamera heraus und machte durchs Flugzeugfenster mehrere Bilder von ihm.

Walker war ein prima Kerl, und Rory hielt große Stücke auf ihn. In den mehr als sieben Jahren, die sie regelmäßig nach Colorado kam, waren sie sehr gute Freunde geworden. Und seine Freunde sollte man nicht ausnutzen. Rory selbst wäre auch nie auf die Idee gekommen. Dafür aber ihre Mutter, die sich normalerweise um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerte. Nur hier hatte sie eine Ausnahme gemacht und Walker für ihre Zwecke eingespannt. Und Walker hatte es zugelassen.

Je länger Rory darüber nachdachte, desto mehr ärgerte sie sich auch über ihn. Wieso hatte er zugestimmt, ihr Aufpasser zu sein? Damit nahm er ihr die Möglichkeit, sich unauffällig aus der Affäre zu ziehen.

Sie verstaute die Kamera wieder in ihrer Schultertasche, zog ihren Mantel an und ging zum Ausgang, wo sie dem Steward und dem Piloten dankte. Als sie die Gangway betrat, stieß Walker sich vom Wagen ab und kam auf sie zu.

„Meine Lieblingsprinzessin. Gut siehst du aus.“

Sie trug einen roten doppelreihigen Wollmantel, einen langen Pullover, dicke Winterleggins und warme Stiefel mit Profilsohle. Sein bewundernder Blick aus den blauen, von vielen Fältchen umrahmten Augen galt nicht nur ihrem Modegeschmack, sondern auch der Tatsache, dass sie für einen Winter in Colorado passend und praktisch gekleidet war, das wusste sie.

Er umarmte sie zur Begrüßung. „Hey.“

Schnell machte sie sich wieder los. Wenn er sich darüber wunderte, ließ er es sich nicht anmerken. „Hattest du einen guten Flug?“, fragte er.

„Ganz nett“, erwiderte sie kurz angebunden.

Jetzt blickte er sie fragend an, doch sie ignorierte es.

„Ich muss durch den Zoll“, sagte sie. „Aber ich denke, es dauert nicht lange.“

Eine halbe Stunde später waren sie auf dem Weg nach Justice Creek, wo ihre Verwandten des Bravo-Zweigs der Familie lebten. Walker versuchte, Small Talk zu machen. Er zog sie damit auf, wie viele Koffer sie dabei hatte, und drohte ihr scherzhaft damit, dass er sie auf seiner Ranch kochen und putzen lassen würde.

Rory gab nur einsilbige Antworten und starrte aus dem Fenster, wo sich am Horizont die Rocky Mountains als graue Silhouette abzeichneten. Schließlich gab Walker auf, schaltete das Radio ein und summte ein wenig schräg die Country-Weihnachtslieder mit.

Walker wartete geduldig. So, wie er Rory kannte, hielt schlechte Laune bei ihr nie lange an. Er ließ sie also in Ruhe, bis er auf die schmale Landstraße abbog, die nach Nordwesten in die Berge führte. Als sie immer noch nichts sagte, schaltete er das Radio wieder aus.

„Na komm schon, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.“

Sie gab nur ein ungnädiges Knurren von sich und warf ihm einen Seitenblick zu.

„Hast du wenigstens das Geld angenommen, das sie dir angeboten hat?“, fragte sie dann.

„Nein, hab ich nicht.“

Empört stieß sie die Luft aus. „Das geht so einfach nicht.“

„Sie hat trotzdem einen Scheck geschickt“, versuchte er sie zu trösten.

„Wag es nicht, ihn zurückzuschicken.“ Streng blickte Rory ihn an. „Schlimm genug, dass sie dich als Babysitter für mich angeheuert hat. Auf keinen Fall machst du das umsonst.“

„Aber ich bin gern dein Babysitter.“

„Na toll, soll mich das etwa aufheitern? Du weißt, wie ich es hasse, wenn du mich wie ein Kind behandelst.“

„Hey, du hast doch vom Babysitten angefangen, nicht ich.“

Als sie wieder nur schweigend aus dem Fenster starrte, fügte er hinzu: „Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich gern mit dir zusammen bin. Und es kommt mir einfach nicht richtig vor, auch noch Geld dafür zu nehmen, nur, weil ich auf dich aufpasse.“

„Aber ich brauche überhaupt keinen Aufpasser! Und was ist, wenn sich jemand in den Bergen verirrt? Oder ein Waldbrand ausbricht?“

Walker gehörte zum Bergrettungsteam und zur freiwilligen Feuerwehr, doch er zuckte nur die Achseln.

„Es ist Winter, so viele Wanderer sind zurzeit nicht unterwegs. Und Waldbrände kommen auch eher im Sommer vor. Aber wenn was passiert, kriegen wir das schon irgendwie hin.“

Als Nächstes versuchte sie es mit Drohungen. „Ich meine es ernst. Du löst den Scheck ein, oder ich rede nie wieder ein Wort mit dir.“

Die Tour konnte er auch. „Mach nur so weiter, dann werde ich froh darüber sein. Aber jetzt mal ehrlich – glaubst du wirklich, es ist meine Schuld, dass deine Mutter auf einen Bodyguard für dich besteht?“

„Das hab ich doch gar nicht gesagt.“

„Warum bist du dann sauer auf mich?“

„Bin ich doch gar nicht.“

„Dann hör auf, rumzuzicken.“

„Super, jetzt führst du dich auf wie einer meiner großen Brüder. Und ich war so froh, dass ich die los bin!“

So langsam reichte es ihm. „Okay, Rory, genug jetzt. Hör auf damit.“

Sie verzog den Mund. „Siehst du, meine Rede. ‚Hör auf damit‘.“ Sie ahmte seine tiefe Stimme nach. „Genau wie ein besserwisserischer, angeberischer, tyrannischer großer Bruder.“

Jetzt ging sie ihm aber wirklich auf die Nerven.

„Na schön, ich geb auf. Dann schmoll eben den ganzen Weg zur Ranch weiter.“

Die Stimmung war definitiv im Keller, und er machte sich nicht die Mühe, das Radio wieder einzuschalten. Beide starrten sie zehn Minuten lang schweigend vor sich hin, bis Rory es nicht mehr aushielt. Sie streifte sich die rote Wollmütze vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die langen braunen Haare.

„Mensch, der ganze Sinn der Sache war doch, dass ich allein herkomme und meine Ruhe habe. Ich bin erwachsen, aber meine Mutter behandelt mich immer noch wie ein Kind. Das ist nicht fair.“

Sie knetete die Mütze in den Händen. „Ich habe wirklich gedacht, sie hätte es endlich kapiert. Sie hat endlich zugegeben, dass es vielleicht ein wenig übertrieben sein könnte, mir einen Bodyguard auf den Hals zu hetzen, sobald ich Montedoro verlasse. Ist doch auch wahr. Ich habe acht ältere Geschwister und eine Menge Nichten und Neffen, die in der Thronfolge alle vor mir dran sind. Ich will mich einfach nur frei bewegen können und meinen Job machen.“

Rory war eine talentierte Fotografin, deren Bilder schon im National Geographic und anderen großen Magazinen erschienen waren.

„Ich will doch nur ein ganz normales Leben. Ist das etwa zu viel verlangt? Ich brauche keinen Schutz. Ein Bodyguard ist nicht nur Geldverschwendung, er ist auch ein Klotz am Bein.“

„So schlecht ist es doch gar nicht gelaufen. Immerhin bist du ohne Bodyguard hier“, sagte er.

„Ja, weil sie dich angeheuert hat.“

„Aber wir würden doch auch so die meiste Zeit miteinander verbringen, oder? Immerhin sind wir die Trauzeugen.“

Sie seufzte schwer. „Du schaffst es eh nicht, mich aufzumuntern, du kannst auch damit aufhören.“

„Wie du willst.“

Wieder schwieg sie – etwa fünf Minuten lang. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht …“

Bis jetzt hatte sie ihn nur von der Seite angemacht, also überlegte er kurz, sie einfach zu ignorieren. Aber wozu einen dummen Streit sinnlos in die Länge ziehen?

„Okay, bin ganz Ohr. Was weißt du nicht?“

„Ach, es ist wegen Ryans und Claras Hochzeit. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie wirklich heiraten wollen – und so plötzlich. Da stimmt doch was nicht.“

Walkers jüngerer Bruder und Rorys Lieblingscousine hatten vor zwei Wochen alle mit der Neuigkeit überrascht, dass sie am Samstag vor Weihnachten heiraten würden.

„Ich frag mich die ganze Zeit, was wirklich los ist“, fügte sie hinzu.

Aha, dann war sie jetzt also fertig mit Schmollen. Wurde auch Zeit. Er unterdrückte sein zufriedenes Lächeln. Und dann dachte er an Clara und Ryan und runzelte selbst besorgt die Stirn.

„Ja“, sagte er. „Rye hat zu der ganzen Sache nicht viel gesagt.“

Sein jüngerer Bruder war nach eigener Aussage seit der Highschool in Clara verliebt und hatte ihr in den letzten zehn Jahren mehrmals einen Heiratsantrag gemacht. Jedes Mal hatte sie ihm einen Korb gegeben, wenn auch sehr liebevoll.

„Was hat sich denn auf einmal geändert?“, fragte Rory nachdenklich. „Und meinst du wirklich, Ryan will sein Junggesellenleben aufgeben?“

Rye hatte zwar immer davon gesprochen, wie sehr er Clara liebte, aber er hatte in der Zwischenzeit nicht gerade keusch gelebt. Die Frauen liefen ihm nach, und er war kein Kind von Traurigkeit. Seine Beziehungen hielten nie lange – maximal zwei Monate –, dann vergingen ein paar Wochen, in denen er Single war, und schon tauchte er mit der nächsten Frau auf.

„Ich weiß nicht, was sich geändert hat“, sagte Walker. „Und ich bin ganz deiner Meinung. Ich hoffe, er weiß, was er tut.“

„Es sieht Clara einfach nicht ähnlich, sich plötzlich für Ryan zu entscheiden, nachdem sie ihn all die Jahre immer abgewiesen hat. Am Telefon hat sie mir gesagt, dass sie sich geirrt hat, dass sie ihn wirklich liebt und weiß, dass sie mit ihm glücklich sein wird.“

„Ja, das hat sie mir auch erzählt. Dass sie endlich zur Vernunft gekommen ist und ihren besten Freund heiraten wird.“

Rory zog die Nase kraus. „Na ja, das kann ich irgendwie verstehen. Glaube ich.“ Dann schüttelte sie wieder den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Wenn ich sie mal einen Moment allein erwische, werde ich sie noch mal darauf ansprechen. Ob sie sich wirklich sicher ist.“

„Dann beeil dich besser damit, denn wie du weißt, ist in zwei Wochen die Hochzeit.“

„Stimmt auch wieder. Ich will keinen Unfrieden stiften. Ryan wollte Clara immer schon heiraten, und Clara ist nicht leichtfertig. Wenn sie ihn heiratet, dann nur, weil sie es wirklich will.“

Die Straße wand sich jetzt durch die Berge, und zu beiden Seiten lagen kiefernbestandene Hänge. Hier und da glänzten ein paar Schneefelder.

„Sollen wir bei Clara halten?“, fragte Walker, als sie ins Justice Creek Valley hinunterfuhren.

„Es ist schon nach vier, und bald wird es dunkel. Lass uns direkt zur Ranch fahren. Ich sehe sie ja morgen.“

Wie immer genoss Rory den Ausblick, als sie sich der Bar-N-Ranch näherte. Diese lag in einem kleinen Seitental und war seit fünf Generationen im Familienbesitz. Walker und Ryan hatten sie von ihrer Mutter Darla und ihrem Onkel John Noonan geerbt. Vor vier Jahren hatte Ryan seinen Anteil an Walker verkauft und war in die Stadt gezogen. Walker betrieb die Ranch weiter, allerdings nicht zur Viehzucht, sondern als Ferienranch. Neben den vier Hauptgebäuden gab es fünf gemütliche Holzhütten auf dem Gelände, die an Gäste vermietet wurden.

Das Haupthaus, in dem Walker wohnte, war aus Granit und Holz gebaut und hatte eine große, umlaufende Veranda. Walkers Jagdhund, Lonesome, und seine schwarze Katze Lucky warteten schon auf sie, als sie ankamen. Rory lachte, als sie die beiden so einträchtig nebeneinander auf der obersten Stufe sitzen sah.

Als Walker ausstieg, rannte der Hund auf ihn zu, während die Katze gemessenen Schritts folgte. Er streichelte beide, dann lud er Rorys Gepäck aus.

Rory nahm ihre Handtasche und einen Koffer und folgte ihm ins Haus. Er führte sie die Treppe hinauf zu einem Zimmer am Anfang des Flurs, trat ein, stellte die Koffer auf einen Flickenteppich in der Mitte des Raumes und drehte sich zu ihr um. Rory war auf der Schwelle stehen geblieben. Als sich ihre Blicke trafen, wurde sie plötzlich verlegen und wusste nicht, was sie sagen sollte.

Seltsam. Das passierte ihr sonst nie.

„Im Schrank hängen Bügel, und den Schreibtisch habe ich ausgeräumt“, sagte er. „Ich hole nur noch eben deinen letzten Koffer.“

Er ging an ihr vorbei und die Treppe hinunter. Als er weg war, betrat Rory das Zimmer, in dem sie die nächsten zwei Wochen wohnen würde. Es hatte zwei große Fenster. Unter einem stand ein schwerer Schreibtisch aus dunklem Holz, unter dem anderen ein breites Bett, das mit einem bunten Quilt bedeckt war. Neben dem Wandschrank lag die Tür zum Bad. Rory öffnete sie und stellte fest, dass das Bad zwei Türen hatte. Die gegenüberliegende führte über einen kurzen Flur zu einem weiteren Zimmer, das kleiner war als ihres und auf den Hof hinausging.

Ob Walker hier schlief? Nein, bestimmt nicht. Neugierig betrat Rory den Raum und blickte sich um. Nein, ganz sicher nicht. Walker mochte es zwar schlicht, aber dieses Zimmer war zu aufgeräumt. Es gab keinerlei persönliche Gegenstände.

Sie ging zurück ins Bad und blickte stirnrunzelnd in den Spiegel. Jetzt kannte sie Walker schon sieben Jahre und war zum ersten Mal im Obergeschoss seines Hauses. Ob das hier das einzige Bad hier oben war? Würde sie es sich mit Walker teilen? Das könnte peinlich werden – zumindest für sie. Falls Walker sie nackt sah, würde er ihr wahrscheinlich nur den Kopf tätscheln und ihr raten, sich was überzuziehen, bevor sie sich erkältete.

Als sie unten die Haustür zufallen hörte, eilte Rory in ihr Zimmer zurück und fing an, ihre Koffer auszupacken.

Walker blieb in der Tür stehen. „Alva hat uns was fürs Abendessen vorbereitet, wenn du Hunger hast.“ Die Colgins – Alva und ihr Mann Bud – halfen auf der Ranch aus und bewohnten das zweite der Hauptgebäude. „Wo soll ich den Koffer hinstellen?“

„Lass ihn einfach da stehen.“ Wurde sie jetzt tatsächlich rot? Ihr Gesicht fühlte sich plötzlich so warm an. Ob er ahnte, dass sie rumgeschnüffelt hatte? Wenn ja, dann verkniff er sich gerade einen Kommentar.

„Also, hast du Hunger?“

„Ich bin am Verhungern. Ich packe noch eben den Rest aus und komme dann gleich runter.“

Als er gegangen war, sortierte Rory weiter ihre Sachen ein – aber nur so lange, bis sie seine Schritte auf der Treppe hörte. Dann eilte sie wieder ins Bad und schaute dort in alle Schränke. Sie fand Handtücher, Pflaster, eine abgelaufene Schachtel Aspirin und eine halbvolle Packung mit Tampons.

Hatte die eine Freundin von Walker hiergelassen? Er hatte keine Freundin, soweit Rory wusste. Und wenn doch, hatte er die beiden einander nicht vorgestellt. Er hatte allerdings eine Exfrau, Denise. Sie war groß, blond, sexy – und schon lange fort. Seit über sechs Jahren wohnte sie in Miami. Wie Rory gehört hatte, war es bei Denise und Walker Liebe auf den ersten Blick gewesen. Laut Clara hatte Denise geschworen, dass sie den Rest ihres Lebens mit Walker auf der Bar-N-Ranch verbringen wollte – wovon allerdings nach dem ersten Winter in den Rocky Mountains keine Rede mehr gewesen war.

Die Ehe hatte nicht mal ein Jahr gehalten. Denise hatte die Scheidung eingereicht und war zurückgekehrt in ihre Heimat Florida. Es hatte Walker schwer getroffen.

Rory war Denise nur ein einziges Mal begegnet, ein paar Monate nach der Hochzeit – und sie hatte die Frau überhaupt nicht leiden können. Nicht, weil sie unsympathisch gewesen wäre … na ja, das auch. Aber möglicherweise lag es auch daran, dass Rory heimlich für Walker schwärmte, seit sie ihn vor sieben Jahren das erste Mal gesehen hatte. Da hatte sie ihn noch gar nicht richtig gekannt – aber trotzdem.

Dummerweise würde nie etwas draus werden, dafür gab es zu viele Hindernisse zwischen ihnen. Denise war nur eines davon. Natürlich konnte man Hindernisse auch überwinden, aber nur, wenn Walker das auch wollte. Und er wollte nicht, das musste sie wohl oder übel akzeptieren. Er war ein sehr guter Freund, und das war alles.

Offenbar war er in den letzten zwei Jahren mehr oder weniger über Denise hinweggekommen, aber Rory bezweifelte, dass es seit seiner Ehe für ihn jemand anderes gegeben hatte. Das sagte er auch selbst – dass er wie sein Onkel John wäre, ein Einzelgänger, der gern allein lebte.

Seufzend blickte Rory in die weit offenen Badschränke. Handtücher, Pflaster, Kopfschmerztabletten und die Tampons. Keine Männerkosmetika. Also hatte Walker sein eigenes Bad. Dieses Geheimnis war gelöst.

Enttäuscht ließ sich Rory auf den Rand der Badewanne sinken.

Schlecht. Ganz, ganz schlecht.

Sie war nicht mehr verliebt in ihn, schon lange nicht mehr. Wieso dachte sie also über Situationen nach, in denen sie ihn vielleicht nackt sehen würde? Sie musste sich zusammenreißen. Schließlich würde sie zwei Wochen lang hier wohnen. Und noch dazu war er ihr Bodyguard!

Nichts, aber auch rein gar nichts würde zwischen ihnen passieren, und sie würde es bis zur Hochzeit schaffen, ohne sich komplett lächerlich zu machen. Und danach kehrte sie nach Montedoro zurück. Zu ihrem ganz normalen Leben. Ende der Geschichte.

Walker war ein Freund, nichts weiter. Und mehr wollte sie auch nicht.

Sie sprang auf und blickte sich herausfordernd im Spiegel an. Niemand sollte gefälligst das Gegenteil behaupten – auch nicht die kleine Stimme in ihrem Herzen, die ihr sagte, dass sie von Anfang an mehr gewollt hatte und dass sich daran auch nie etwas ändern würde.

2. KAPITEL

„Es ist ein bisschen komisch“, sagte Rory, als sie eine Weile später in der großen Wohnküche am Esstisch saßen und Alvas köstliches Elchgulasch genossen. Dazu gab es warme Brötchen, die Walker frisch gebacken hatte. „Ich meine, dass ich hier bei dir wohne …“

Er nahm einen Schluck Bier. „Gefällt es dir nicht?“

Täuschte sie sich, oder wirkte er ein wenig auf der Hut?

„Entspann dich, alles ist bestens“, erwiderte sie schnell. „Und es tut mir leid, dass ich vorhin so biestig war.“

„Schon okay. Aber was meintest du denn mit ‚komisch‘?“, hakte er nach.

„Na ja, das haben wir noch nie gemacht.“

Sonst übernachtete sie immer im Haltersham, einem um die vorige Jahrhundertwende erbauten Luxushotel, in dem es angeblich spukte. „Du weißt doch, wie es sonst läuft …“

„Wie denn?“ Er hob eine Augenbraue.

War das sein Ernst? Er wusste nicht, wie es sonst lief? Geduldig erläuterte sie ihm, was er eigentlich hätte wissen müssen.

„Wir treffen uns in Ryans Bar.“ Walkers Bruder gehörte das McKellan’s, eine beliebte Kneipe in der Stadt. „Oder bei Clara. Oder wir gehen in die Berge.“

Sie waren beide gerne draußen und machten öfter mehrtätige Campingtouren. Manchmal nahmen sie Clara und Ryan mit – vier gute Freunde, die ein Hobby teilten, nichts weiter. Aber jetzt wollten Clara und Ryan heiraten – und Rory übernachtete bei Walker.

„Seit wir uns kennen, war ich vielleicht fünf- oder sechsmal hier auf der Ranch. Und heute habe ich zum ersten Mal das Obergeschoss gesehen. Findest du das nicht ein bisschen schräg?“

Er blickte sie eindringlich an. „Du willst nicht wirklich hier übernachten, oder? Das willst du mir doch damit sagen, nicht wahr? Deshalb warst du auch so sauer, dass ich auf dich aufpassen soll.“

Na toll, jetzt hatte sie alles noch komplizierter gemacht.

Sie nahm ein Brötchen, schnitt es auf und griff nach dem Buttermesser. „Nein, das wollte ich damit nicht sagen.“

„Aber du bist was Besseres gewöhnt, richtig? Die Ranch liegt dir zu weit draußen, wir haben kein zuverlässiges Internet und es gibt keinen Zimmerservice.“

„Nein, so ein Quatsch! Ich finde es wunderschön hier! Und sehr gemütlich. Ich wollte mich nicht beklagen, ehrlich nicht.“

Er redete weiter, als hätte sie gar nichts gesagt. „Zugegeben, ich kann deine Sicherheit hier besser garantieren als im Hotel, aber wenn du lieber dort wohnen willst, können wir …“

„Hörst du jetzt endlich auf?“

„Ich will das jetzt klären.“

„Es gibt nichts zu klären! Ich hab doch nur gesagt, dass es sich ein wenig seltsam anfühlt. Das sollte doch nur ein Gespräch werden!“

„Ein Gespräch.“ Er wirkte geradezu grimmig.

„Genau. Ich sag etwas. Du antwortest. Ich sage wieder etwas … schon mal davon gehört?“

Er legte seine Gabel so heftig auf den Teller zurück, dass sie laut klirrte. „Irgendetwas geht dir gewaltig auf die Nerven. Was ist denn bloß los?“

„Nichts“, log sie. „Es ist nichts.“

Aber das stimmte natürlich nicht. Es waren die beiden Türen im Bad. Wegen denen hatte sie gedacht, sie würde Walker vielleicht nackt sehen, und das war nun mal nichts, worüber man bei einem sehr guten Freund nachdenken sollte.

Jahrelang hatte alles prima zwischen ihnen funktioniert, und für ihn hatte sich offenbar nichts daran geändert. Bei ihr sah das allerdings ein bisschen anders aus …

Auf gewisse Weise hatte er recht, auch wenn sie das nie zugeben würde. Sie wollte nicht hier wohnen – aber nicht, weil seine Ranch kein Luxushotel war. Es kam einfach alles zusammen. Mit ihm unter einem Dach zu leben, dass er ihr Bodyguard war, die plötzliche Heirat von Ryan und Clara – alles war anders als sonst, und das brachte sie dazu, an Dinge zu denken, die völlig tabu waren! Und weckte Sehnsüchte in ihr, die sich nie erfüllen würden …

Er lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete sie prüfend. „Was immer es auch ist, du solltest es mir sagen.“

Von wegen. Auf gar keinen Fall würde sie dieses Gespräch mit ihm führen, in dem es darum ging, wie heiß sie auf ihn war, aber dass ihr schon klar war, dass er überhaupt nicht auf sie stand. Nicht heute. Nie wieder.

„Ich weiß überhaupt nicht, was du meinst“, log sie zum zweiten Mal.

„Oh doch, das tust du.“

„Es ist aber wirklich nichts, glaub mir.“ Sie gähnte herzhaft, und er fiel darauf rein.

„Bist du müde?“

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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