Nur du und ich im Mondschein

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Als sie in seinen Armen liegt, leuchtet der Himmel in zauberhaften Farben: Das Nordlicht macht den Kuss zwischen Prinzessin Arabella und Preston zu etwas Magischem. Wenn diese Umarmung nur nie enden würde! Doch wenn Preston von Arabellas Geheimnis erfährt …


  • Erscheinungstag 22.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754815
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Neuigkeiten verbreiteten sich rasch in Elk Creek, Montana.

Und die Anwesenheit einer echten Prinzessin in der Stadt war eine Sensation!

Der Name Ihrer Hoheit lautete Arabella. Arabella Bravo-Calabretti. Ihre Mutter war die Herrscherin eines reichen Kleinstaats im Mittelmeer.

Prinzessin Arabella hatte drei aneinandergrenzende Zimmer im Drop On Inn genommen, dem einzigen Hotel der Stadt. Es hieß, sie habe ein Baby mitgebracht. Und außerdem eine Kinderfrau und einen Bodyguard.

Trotzdem hätte der Pferdezüchter Preston McCade normalerweise keinen Gedanken an eine Prinzessin verschwendet, ganz egal, ob sie sich nun in Elk Creek oder sonst wo befand.

Allerdings hatte Ihre Hoheit Arabella offenbar Fragen gestellt. Und zwar über ihn. Schon am Abend ihrer Ankunft, einem Sonntag Anfang Dezember, hatte Preston erfahren, dass die Prinzessin Kontakt mit ihm aufnehmen wollte.

Und als er am Montagmorgen in Colsons Futtermittelhandlung eine Bestellung aufgeben wollte, sah er sofort, dass Betsy Colson vor Neugier fast platzte.

„Preston!“ Betsy schlüpfte hinter dem Ladentisch hervor. „Hast du schon gehört, dass eine Prinzessin in der Stadt ist?“

„Dir auch einen guten Morgen, liebe Betsy“, antwortete Preston grinsend.

„Ich weiß es von Dee Everhart, die es direkt von RaeNell erfahren hat.“ RaeNell und Larry Seabuck waren die Eigentümer und Betreiber des Drop On Inn. „Sie kommt aus Montedoro, diese Prinzessin. Hast du schon einmal von Montedoro gehört? Es liegt vor der französischen Küste und soll wunderschön sein. Ein Paradies mit Palmen und weißen Sandstränden, in dem das ganze Jahr die Sonne scheint.“

Preston nahm seinen Cowboyhut ab und klopfte den Schnee heraus. „Apropos Wetter – heute schneit es angeblich den ganzen Tag durch. Und morgen auch.“

„Hörst du mir eigentlich zu?“, fragte Betsy empört.

„Nein, aber RaeNell hat mir das gestern schon erzählt. Sie hat mich extra zu Hause auf der Ranch angerufen, um mir zu sagen, dass sich irgendeine Prinzessin nach mir erkundigt hat.“

Betsy senkte ihre Stimme verschwörerisch. „Dee hat gesagt, dass RaeNell behauptet hat, dass dich die Prinzessin sprechen will, Preston.“

„Dann kann sie mich ja anrufen. Ich stehe im Telefonbuch.“

Betsy zog über ihrer Stupsnase die Augenbrauen zusammen. „Was kann eine Prinzessin wohl von dir wollen?“

„Keine Ahnung. Bis wann ist das Spezialfutter da?“

„Spätestens am Mittwoch.“

„Okay, also bis dann.“ Er wandte sich zur Tür.

Betsy rief ihm nach: „Sie wohnt übrigens im Drop On Inn, falls du es nicht weißt! Du könntest doch einfach dort vorbeigehen …“

„Bis Mittwoch, Betsy.“ Preston stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf und verschwand eilig.

Der Schneefall hatte etwas nachgelassen. Und das Drop On Inn war nur ein paar Häuser weiter auf der anderen Seite der Hauptstraße. Wenn Preston ehrlich war, hatte ihn doch ein bisschen die Neugier gepackt.

Larry Seabuck, der nicht mehr ganz junge Besitzer des Drop On Inn, stand gebückt und mit schütterem grauen Haar an der Rezeption, als Preston die Hotellobby betrat. „Preston, na, alles in Ordnung bei euch?“

„Ja, danke, keine Klagen. Ich habe gehört, dass einer deiner Gäste nach mir gefragt hat.“

„Unsere Prinzessin“, sagte Larry ehrfürchtig. Er klang beinahe besitzergreifend.

„Würdest du sie bitte anrufen? Sag ihr, dass ich hier bin, um mit ihr zu sprechen.“

„Hm … sie hält sich momentan nicht in ihrem Zimmer auf.“

Preston stützte sich mit dem Ellenbogen auf den weihnachtlich dekorierten Rezeptionstresen. „Du wirkst so nervös, Larry. Warum sagst du nicht einfach, was Sache ist?“

Larry schob seine Brille hoch. „Nun ja, eine Frau von Welt. Eine Adlige. Und sie ist unser Gast. Wir hatten schon einige Anfragen von Journalisten, ob sie bei uns wohnt. Aber sie will nicht gestört werden. Wir müssen ihre Privatsphäre respektieren.“

Preston, der sein Leben in den vergangenen Jahren nicht be­sonders lustig gefunden hatte, musste plötzlich ein Lachen unterdrücken. „Sieht sie eigentlich gut aus, diese Prinzessin?“

„Oh ja. Außerordentlich attraktiv.“

„Ich glaube, du hast dich verliebt, Larry. Pass besser auf, bevor RaeNell es merkt.“

„Ach, komm schon, Preston, nicht doch“, wehrte Larry ab, doch seine Röte verriet ihn.

„Sag mir einfach nur, wo ich sie finde. Ich verspreche auch, dass ich mich anständig benehmen werde.“

Larry presste die Lippen zusammen. „Du?“, fragte er skeptisch. „Jede Wette, dass du noch nicht einmal weißt, wie man eine Prinzessin überhaupt anspricht.“

„Aber das wirst du mir zweifellos gleich erklären, nicht wahr, Larry?“

„Du darfst dich in ihrer Gegenwart nur hinsetzen, wenn sie dich ausdrücklich dazu auffordert. Wenn du sie das erste Mal ansprichst, nennst du sie ‚Eure Hoheit‘. Danach kannst du ‚Ma’am‘ sagen.“

„Hat sie dir das alles erklärt?“

Larry rümpfte die Nase. „Natürlich nicht. Ich habe mich eben informiert. Auf Wikipedia.“

„Aha, alles klar. Also, wo ist sie?“

Endlich gab Larry auf. „Sie sitzt gegenüber im Sweet Stop Diner beim Frühstück.“ Er deutete mit seiner knochigen Hand auf die gegenüberliegende Straßenseite.

„Danke, Larry. Einen schönen Tag noch!“

Prinzessin Arabella beobachtete, wie ein großer, attraktiver Mann zielstrebig auf ihren Tisch zusteuerte. Er blieb vor ihrem Tisch stehen, nahm seinen Cowboyhut ab und sagte höflich: „Eure Hoheit, ich bin Preston McCade. Ich habe gehört, dass Sie mich gesucht haben.“

Ihr Bodyguard stand wachsam an der Eingangstür. Die Prinzessin nahm Blickkontakt mit ihm auf und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf, bevor sie den Rancher mit einem Lächeln bedachte. „Das ist richtig, Mr McCade.“ Sie wies auf den leeren Platz gegenüber am Tisch. „Bitte setzen Sie sich zu mir.“

Alle Gäste hatten neugierig die Köpfe in ihre Richtung gedreht.

Prinzessin Arabella konnte die Spannung im Raum beinahe greifen, während der Rancher seine Lederjacke auszog und sie zusammen mit seinem Hut neben sich auf die Sitzbank legte. Er trug ein hellblaues Hemd, dessen Farbton genau zu seinen Augen passte. Seine Jeans und die Cowboystiefel aus Wildleder waren ordentlich und sauber, aber viel getragen und abgenutzt.

Blaue Augen, dachte sie unwillkürlich. Genau wie Ben …

„Das Übliche, Preston?“, rief die Kellnerin vom Tresen quer durch das Lokal.

„Klingt gut, Selma.“

Die Kellnerin gab die Bestellung weiter an die Küche. Dann kam sie mit einer Kaffeekanne und füllte die Tasse, die bereits auf dem Tisch gestanden hatte, für Preston.

Der Rancher nutzte die Zeit, bis die Kellnerin außer Hörweite war, und trank einen Schluck. „Bleiben Sie länger in der Stadt, Ma’am?“

„Bitte nennen Sie mich Belle. Ich weiß noch nicht, wie lange mein Besuch hier dauern wird.“

Sie sahen einander an. Sein Blick war entspannt und ruhig. Preston McCade hatte starke, breite Schultern und ein ausgeprägtes Kinn mit einem sexy Grübchen. Belle konnte verstehen, dass er Anne gefallen hatte. Das wäre jeder Frau so gegangen.

Abgesehen von seiner äußeren Attraktivität mochte sie auch seine Art. Er wirkte nachdenklich, gleichzeitig aber auch lässig. Er erschien ihr wie ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, was passieren würde, wenn sie ihn nicht leiden konnte.

Und nicht nur darüber war sie besorgt gewesen, sondern auch über viele andere Dinge. Ihr Herz war schwer wie ein Stein. Wegen des Verlusts ihrer Freundin. Und wegen Ben …

Wie konnte Anne das nur tun? Warum musste ihre Freundin das von ihr verlangen?

„Alles in Ordnung, Ma’am, ich meine Belle?“ McCade hatte sich zu ihr vorgebeugt und musterte sie prüfend. Er sprach leise, mit einer Stimme, die echte Besorgnis verriet.

Plötzlich schaffte sie es nicht mehr, seinem Blick standzuhalten. Sie sah nach unten, auf seine Hände, die er um die Kaffeetasse gelegt hatte. Er hatte große und kräftige Hände. Mit vielen Schwielen.

Wie war wohl sein Leben?

Sie musste vieles über ihn erfahren. Die Verantwortung lastete schwer auf ihr.

Belle zwang sich zu einem Lächeln und hob den Kopf. „Ja, danke, alles in Ordnung.“ Sie sah zum Fenster hinaus. „Es schneit schon wieder.“

Er nickte. „Sie sollten besser nicht zu lange hierbleiben. Es könnte sein, dass wir schon in dieser Woche so viel Schnee bekommen, dass Sie Montana erst wieder verlassen können, wenn das Frühlingstauwetter einsetzt.“

„Das Risiko muss ich wohl eingehen, Mr McCade.“

„Preston.“

„Preston.“

Er deutete auf ihren fast vollen Teller. „Sie sollten essen. Sonst werden die Eier kalt.“

Aber sie hatte keinen Hunger. Nicht mehr. Als Preston so entschlossen auf ihren Tisch zugeschritten war, war ihr jeder Appetit vergangen.

Preston nippte an seinem Kaffee und versuchte, die Prinzessin nicht allzu auffällig anzustarren.

Larry hatte recht gehabt. Sie war wirklich außerordentlich attraktiv mit ihrem dichten, glänzenden braunen Haar und den whiskeyfarbenen, mandelförmigen Augen. Ihre Haut schien zu schillern, und Preston war sich sicher, dass sie sich weich anfühlen würde, wenn er sie berührte.

Auch die inneren Werte der Prinzessin schienen zu stimmen. Sie sprach leise und höflich, drückte sich gewählt aus und lächelte freundlich. Kein Wunder, dass sie Larry gefiel.

Die Kellnerin brachte sein Frühstück: vier Eier, gebratenen Schinken, Bratkartoffeln, Buttertoast und ein großes Stück Apfelkuchen. Preston ließ es sich schmecken.

Er mochte die Offenheit, mit der die Prinzessin seinen forschen Blicken standhielt. Aber sie wirkte ernst und bedrückt.

„Haben Sie immer schon in Montana gelebt, Preston?“

„Mit Ausnahme der vier Jahre, in denen ich in Utah aufs College gegangen bin, ja. Meine Familie hat eine Ranch ein Stück außerhalb von Elk Creek. Wir züchten Pferde, hauptsächlich Quarter Horses, und bilden sie für die Rancharbeit aus.“

„Quarter Horses“, wiederholte sie lächelnd. „Die amerikanischste aller Pferderassen. Hervorragende Sprinter. Und sehr wendig. Ideal für die Arbeit mit Rindern auf einer Ranch.“

„Sie kennen sich mit Pferden aus?“

„Mein Vater ist auf einer Ranch aufgewachsen“, erklärte sie. „In Texas, in der Nähe von San Antonio. Mein Cousin Luke lebt heute auf dieser Ranch und züchtet ebenfalls Quarter Horses.“

„Dann ist Ihr Vater also Amerikaner?“

„Durch die Heirat mit meiner Mutter wurde er Staatsbürger von Montedoro, aber davor war er Amerikaner. Und wir Kinder durften früh reiten lernen. Züchten Sie auch Rinder?“

„Ja, wir haben eine kleine Herde, aber unser Schwerpunkt ist ganz klar die Pferdezucht. Unsere Ranch ist seit vier Generationen in Familienbesitz, und ich führe sie gemeinsam mit meinem Vater. Wir sind ziemlich stolz auf unser Zuchtprogramm. Unsere Pferde sind sehr ausgeglichen und ruhig – ideal geeignet für die Zwecke unserer Abnehmer. Aber auch auf Rodeos haben sie schon in allen Kategorien Preise abgeräumt. Übrigens stehen bei uns auch zwei erstklassige Zuchthengste.“

Preston verstummte erstaunt. Seit wann redete er so viel? Normalerweise war er eher wortkarg.

„Haben Sie Geschwister?“, fragte Belle.

„Nein, außer meinem Vater habe ich keine weiteren Verwandten.“

Sie beugte sich neugierig vor. „Warum lächeln Sie? Wegen Ihres Vaters?“

Er grinste. „Um das zu verstehen, müssten Sie ihn kennen. Mein Vater hält sich nämlich für unwiderstehlich.“

„Aber Sie nicht?“

„Ich überlasse es jedem Menschen, sich selbst ein Bild von ihm zu machen“, antwortete Preston augenzwinkernd. „Aber ich warne Sie. Er redet Sie in Grund und Boden, wenn Sie ihm nur den Hauch einer Chance dazu bieten.“

„Und Ihre Mutter?“

„Lebt nicht mehr.“

„Das tut mir leid.“

Er zuckte die Achseln. „Das ist schon sehr lange her. Damals war ich noch ein Kind.“

„Das muss hart gewesen sein. Nicht nur für Sie, auch für Ihren Vater.“

„Wie gesagt, es ist lange her.“ Irgendwie hatte Preston das Gefühl, dass Belle ihn ausfragte. Dabei hatte er selbst auch Fragen an sie. Besonders die eine: Warum war sie hier? Aber es hatte den Anschein, als wollte sie ihn aus irgendeinem Grund erst besser kennenlernen, bevor sie ihm das verriet.

Eigentlich fand er das ganz in Ordnung. Schließlich war er auch neugierig und wollte mehr über sie erfahren. „Was ist mit Ihrer Familie?“

Sie trank einen Schluck Kaffee. „Meine Eltern sind beide am Leben und bei bester Gesundheit.“

„Und Sie müssen Geschwister haben, weil Sie vorher ‚wir Kinder‘ gesagt haben.“

„Ich habe vier Schwestern und vier Brüder.“

„Was für eine große königliche Familie.“

„Montedoro ist ein Fürstentum“, erklärte die Prinzessin.

„Dann ist Ihr Vater also kein König?“

„Mein Vater wäre ohnehin nicht der König, sondern meine Mutter die Königin. Sie ist die Fürstin und damit das Staatsoberhaupt von Montedoro.“

Ach ja, richtig, jetzt erinnerte Preston sich, das hatte RaeNell ja schon gesagt. „Und Ihr Vater wurde in Amerika geboren …“

Sie nickte. „Meine Eltern haben sich in Los Angeles kennengelernt. Er war Schauspieler. Er wurde sogar einmal mit dem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.“

„Aber er gab die Schauspielerei auf, als er Ihre Mutter heiratete?“

„Genau. Und als meine Mutter die Regentschaft übernahm, wurde er damit zu Seiner Hoheit Evan, Prinzgemahl zu Montedoro.“

„Ich verstehe“, sagte Preston, doch das war eigentlich eine Übertreibung. Das Einzige, was er wirklich verstand, war, dass ihn und diese Prinzessin Welten trennten.

Plötzlich kam er sich unbeholfen und dumm vor. Er hatte zu viel geredet und auch noch mit seinen Zuchtpferden angegeben. Als ob die Prinzessin sich dafür interessieren würde!

Aber was auch immer sie von ihm wollte, sie schien es keineswegs eilig zu haben damit. Er schob seinen Teller von sich, wischte sich den Mund ab und legte die Serviette auf den Tisch.

Die Prinzessin verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. „Vielleicht wäre es möglich, dass wir uns irgendwo unter vier Augen unterhalten?“, schlug sie vorsichtig vor.

Das klang vernünftig. Auch wenn es im Diner nicht mehr ganz so still war wie vorher, als er hereingekommen war, hatte er keinen Zweifel, dass alle Anwesenden aufmerksam verfolgten, was an ihrem Tisch gesprochen wurde.

Wieder überlegte Preston, wie wenig sie miteinander gemeinsam hatten und wie vollkommen unterschiedlich ihre Leben waren. Und er erinnerte sich daran, dass er sich ohnehin nicht für Frauen interessierte. Jedenfalls nicht mehr, seit ihn seine Verlobte vor zwei Jahren Hals über Kopf für diesen Idioten Monty Polk verlassen hatte.

Aber hatte RaeNell nicht erwähnt, dass die Prinzessin ein Baby hatte? Dieses Kind musste ja wohl auch einen Vater haben. Andererseits trug sie keinen Ehering. Aber warum würde sie mit einem Baby nach Elk Creek reisen, wenn sie nicht die Mutter war?

Er nahm allen Mut zusammen und fragte: „Sind Sie eigentlich verheiratet, Belle?“

„Nein, ich bin nicht verheiratet.“

Aber was hatte es dann mit dem Baby auf sich?

Preston brachte nicht den nötigen Mut auf, ihr diese indiskrete Frage zu stellen. Schließlich ging ihn das alles überhaupt nichts an.

Stattdessen öffnete sich sein Mund wie von selbst, und er hörte sich sagen: „Darf ich Sie vielleicht für heute Abend zum Essen einladen?“

Die Prinzessin hatte ihn gebeten, sie um sieben Uhr im Drop On Inn abzuholen.

Preston erschien pünktlich, frisch geduscht und rasiert, in braunen Hosen und einem sportlichen Sakko unter dem Wintermantel. Trotzdem fühlte er sich unbehaglich.

RaeNell stand an der Rezeption und gab vor, einen kleinen Weihnachtsbaum mit bunten Kugeln zu schmücken. Aber in Wirklichkeit musterte sie ihn schamlos. „Du hast dich ja richtig schick gemacht, Preston. Ich werde dich bei der Prinzessin anmelden.“

Preston nickte.

Sie hob den Telefonhörer ab und rief im Zimmer der Prinzessin an: „Lady Charlotte? Bitte informieren Sie Ihre Hoheit, dass Preston McCade in der Lobby wartet … Ja. Vielen Dank.“ RaeNell legte auf und wandte sich an Pres: „Sie kommt gleich herunter.“

„Gut, danke.“

RaeNell trat einen Schritt zurück, um das Bäumchen zu bewundern. „Wohin führst du sie aus? Ins Bull’s Eye? Ja, natürlich. Sonst gibt es in der Stadt ja keine anständigen Steaks.“

Preston antwortete nicht. Aber das war auch nicht nötig. RaeNell war schon immer in der Lage gewesen, eine Unterhaltung vollkommen allein zu bestreiten.

RaeNell flüsterte so laut, dass sie genauso gut hätte schreien können. „Und, was wollte sie von dir? Worum geht es hier? Na, komm schon, mir kannst du es doch sagen. Du weißt, dass ich schweigen werde wie ein Grab.“

„Keine Ahnung. Sie hat es mir noch nicht gesagt.“

„Aber die halbe Stadt hat gesehen, dass du mit ihr gefrühstückt hast. Ihr habt den Anschein erweckt, als würdet ihr euch schon seit Ewigkeiten kennen.“

Preston sagte kein Wort und sah sie mit gespielter Gleichgültigkeit an. Doch natürlich war er genauso neugierig wie RaeNell, was Belle ihm zu sagen hatte.

Glücklicherweise kam sie, gefolgt von ihrem Bodyguard, gerade die Treppe herunter und verhinderte so, dass sich RaeNell weiter in Dinge mischte, die sie nichts angingen.

RaeNell setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und begrüßte Belle, die einen langen Wollmantel und schwarze Stiefel mit flachen Absätzen trug, überschwänglich.

Beim Frühstück hatte sie einen Kaschmirpullover und braune Hosen zusammen mit braunen Stiefeln getragen. Preston gefiel die Art, wie sie sich kleidete – schnörkellos und praktisch. Zwar teuer und gediegen, aber dezent.

Ihre Blicke trafen sich. „Hallo, Preston.“ Es fühlte sich an, als ginge in der altmodischen Lobby des Hotels plötzlich die Sonne auf.

Galant bot er ihr seinen Arm an. Sie trat neben ihn und hakte sich unter. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl.

Der Bodyguard hielt ihnen die Tür auf.

Sobald sie außer Hörweite von RaeNell waren, erklärte Preston Belle: „Das Restaurant ist nicht weit entfernt, nur ein paar Hundert Meter. Wenn Ihnen ein kleiner Schneesturm und ein paar Windböen nichts ausmachen, können wir zu Fuß gehen.“

Sie kam näher und umfasste seinen Arm etwas fester.

Preston nahm einen Hauch ihres Parfüms wahr. Es war wie sie: zurückhaltend, aber verführerisch.

„Ich würde sehr gern zu Fuß gehen.“

„Hat Ihr Bodyguard eigentlich einen Namen?“, schnitt Preston mutig ein schwieriges Thema an.

„Marcus.“

„Sie können Marcus hierlassen. Ich verspreche, dass ich mich anständig benehmen werde.“

Sie seufzte resigniert. „Marcus folgt mir auf Schritt und Tritt. Er würde sogar dann mitkommen, wenn ich ihn ausdrücklich wegschicken würde. Ich habe ihm nämlich nichts zu befehlen. Er gehört dem Geheimdienst von Montedoro an und untersteht ausschließlich dem Kommando seiner Vorgesetzten. Seine Aufgabe ist es, mich zu beschützen, und er nimmt seinen Job sehr ernst.“

„Ich verstehe. Dann gehen wir also zu dritt.“

Im Bull’s Eye-Steakhouse hatte sich seit Prestons letztem Besuch nichts verändert. Das Restaurant war rustikal eingerichtet. Auf den Tischen lagen rot-weiß karierte Tischdecken, die Wände waren vom Boden bis zur Höhe der Sessellehnen mit Holz vertäfelt. Darüber hingen alte Bilder, die das Cowboy- und Ranchleben von früher zeigten.

An diesem frühen Montagabend im Dezember war das Bull’s Eye nicht besonders gut besucht. Trotzdem hatte Preston vorsorglich angerufen, um den ruhigsten Tisch in der hintersten Ecke reservieren zu lassen.

Wayne, der langjährige Kellner, begrüßte sie, führte sie an ihren Tisch und reichte ihnen höflich die Speisekarten, bevor er wieder verschwand.

Sobald sie sich entschieden hatten, stand er an ihrem Tisch und nahm ihre Bestellungen auf. Kurz darauf brachte er ihnen die bestellte Flasche Rotwein samt Gläsern und ein Körbchen mit Brot.

„Ich weiß, das Restaurant ist nichts Besonderes“, entschuldigte sich Preston, „aber Sie werden sehen, das Rib-Eye-Steak, das Sie gewählt haben, ist erstklassig.“

„Davon bin ich überzeugt.“ Belle trank einen Schluck Wein.

Preston saß so, dass er die Tür im Auge hatte.

Der Bodyguard hielt sich respektvoll im Hintergrund.

„Ich habe Sie gegoogelt“, begann Preston das Gespräch.

Belle nickte, überhaupt nicht überrascht. „Und? Haben Sie dabei etwas Interessantes herausgefunden?“

Er nahm sich eine Scheibe Weißbrot und strich Butter darauf. „Ich habe gelesen, dass vor einigen Jahren Ihr Bruder Alexander entführt wurde.“

„Ja, das hat uns alle schwer getroffen. Wir mussten annehmen, dass er tot war. Doch er ist lebend zu uns zurückgekehrt. Ein Glück, dass dieser Albtraum vorbei ist. Seine Frau Lili, die wie eine Schwester für mich ist, erwartet übrigens nächsten Monat Zwillinge.“

„Habe ich das richtig verstanden, dass Lili selbst eine Thronfolgerin ist?“

„Genau. Sie ist die Kronprinzessin des Inselstaats Alagonia.“

Preston musste lachen. Es war schon komisch, sich von einer Prinzessin über Fürstenhäuser, Adelstitel und Bodyguards belehren zu lassen.

„Wissen Sie sonst noch etwas?“

„Ja, dass Sie sich sehr für die humanitäre Organisation Krankenschwestern ohne Grenzen engagieren.“

„In meiner Familie sehen wir es als unsere Aufgabe an, den Menschen zu dienen. Ich bin ausgebildete Krankenschwester, aber ich arbeite nicht in der Pflege. Stattdessen vertrete ich die Organisation nach außen und sammle Spenden, damit wir Medikamente und medizinisches Personal dorthin schicken können, wo es am dringendsten gebraucht wird.“

Belle war eine wahre Augenweide. Am liebsten hätte Preston ihr ewig gegenübergesessen, ihrer Stimme gelauscht und ihr in die Augen gesehen. Dass sie Krankenschwester war, beeindruckte ihn. Obwohl ihre Familie so viel Geld besaß, dass sie mit Sicherheit niemals arbeiten musste, hatte sie eine sinnvolle praktische Ausbildung gemacht.

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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