Prinz meines Lebens

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Es war ein Fehler! Lani hätte sich nicht auf eine heiße Nacht mit Prinz Maximilian einlassen dürfen - so sehr sie sich auch nach ihm sehnt! Denn sie weiß, dass Max nie heiraten will. Und schon gar keine einfache Nanny wie sie. Lani wird gehen - auch wenn ihr Herz daran zerbricht …


  • Erscheinungstag 19.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755393
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Maximilian Bravo-Calabretti, Thronfolger von Montedoro, kam zwischen den niedrigen Fächerpalmen hervor und stellte sich der Frau in den Weg, die seit Neujahr kaum mit ihm gesprochen hatte.

Lani Vasquez schrie auf und wich ein Stück zurück. Dabei wäre ihr fast ihr Buch aus der Hand gefallen. „Hoheit!“ Sie wirkte verärgert. „Du hast mich erschreckt.“

Außer ihnen war niemand auf dem Gartenweg, der oben am Rande der Klippe entlangführte. Sicher war es allerdings nicht, dass sie allein bleiben würden: Jeden Moment könnte hier ein Gärtner auftauchen, um eine Hecke zu beschneiden. Vielleicht hatte auch einer der Palastgäste gerade Lust auf einen Morgenspaziergang. Darauf wollte es Max aber nicht ankommen lassen, er wollte mit Lani unter vier Augen sprechen. Er griff nach ihrer Hand, und erneut zuckte sie zurück.

„Komm mit“, sagte er bestimmt und zog sie weiter den Weg entlang.

Sie blieb einfach stehen. „Nein, Max.“

Als er sich zu ihr umwandte, funkelte sie ihn trotzig an. Trotzdem hielt er weiter ihre zarte Hand fest. Ihr Gesicht war gerötet, das dicke schwarze Haar fiel ihr offen über die Schultern. Der Wind, der vom Meer zu ihnen heraufwehte, hatte es zerzaust. Am liebsten hätte Max sie an sich gezogen und geküsst. Aber erst wollte er in Ruhe mit ihr sprechen – wenn sie sich davon überzeugen ließ. „Du gehst mir schon die ganze Zeit aus dem Weg“, bemerkte er.

Es zuckte um ihre Mundwinkel: ein verlockender Anblick … „Stimmt. Und jetzt lass bitte meine Hand los.“

„Wir müssen in Ruhe miteinander reden.“

„Nein, müssen wir nicht.“

„Doch.“

„Es war doch nur ein Ausrutscher“, beharrte sie leise, und ihre Stimme verlor sich.

„Das darfst du nicht sagen.“

„Es ist aber so. Ich möchte nicht mit dir darüber sprechen.“

„Komm einfach kurz mit, mehr verlange ich gar nicht.“

„Ich muss jetzt aber zurück in die Villa.“ Lani arbeitete für seinen Bruder Rule und dessen Frau als Kindermädchen. Die beiden wohnten ganz in der Nähe, in einer Villa im Stadtteil Fontebleu. „Da warten sie schon auf mich.“

„Es dauert nur ein paar Minuten.“ Er wollte weitergehen.

Sie stöhnte auf, und es hatte erst den Anschein, als würde sie sich weiterhin nicht von der Stelle rühren. Doch dann gab sie nach und folgte ihm. Immer noch hielt er ihre Hand fest und zog sie hinter sich her, ohne sich auch nur einmal zu ihr umzudrehen. Er zog sie weg vom Panoramaweg an der Klippe und ein Stück durch den Garten. Hin zu einem zweiten Weg, der sich die felsigen Hügel hinaufschlängelte, und durch ein Olivenwäldchen führte. Dahinter lag eine eingeebnete Fläche, auf der man einen französischen, streng geometrischen Garten angelegt hatte.

Schweigend ging Max ihr voran durch einen kleinen Rosengarten. An den dornigen Stauden zeigten sich jetzt im Februar schon die ersten zarten Knospen. Dann folgten sie einem gewundenen, von Blumenspalieren gesäumten Steinpfad.

Vor einer Steinmauer mit einer kleinen Pforte blieben sie stehen. Max öffnete sie, ließ Lani den Vortritt und ging dann ebenfalls hindurch.

Auf der anderen Seite einer perfekt gepflegten Rasenfläche stand ein Steinhäuschen zwischen zwei alten Bäumen.

Max stieß die schwere Holztür auf, ließ dabei Lanis Hand los und bat sie, zuerst einzutreten. Sie kam seiner Bitte nach – nicht ohne ihm vorher einen misstrauischen Blick zuzuwerfen.

Durch die beiden Fenster fiel trübes Licht in den Raum. Die Möbel waren mit Tüchern bedeckt. Max zog eines nach dem anderen herunter und ließ sie auf den Holzboden fallen. Zum Vorschein kamen ein zerkratzter Tisch mit vier Stühlen, ein Sofa, zwei Beistelltische und zwei Polstersessel. Die einfache Küche nahm eine der Wände ein. An der gegenüberliegenden Wand führte eine Holztreppe nach oben zu den Schlafgelegenheiten.

„Setz dich doch“, forderte er Lani auf.

Doch sie blieb einfach neben der Tür stehen. Dabei umklammerte sie ihr Buch. „Wo sind wir eigentlich?“

„In einem alten Gärtnerhaus. Im Moment wohnt hier aber niemand. Und jetzt setz dich erst mal.“

Nach wie vor rührte sie sich nicht. „Was soll das, königliche Hoh…“

„Hör bitte auf, Lani, über diese Anrede sind wir doch längst hinaus.“

Einen Moment lang schwieg sie und betrachtete ihn bloß stumm mit ihren großen dunklen Augen. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen, um ihr alle Sorgen aus dem Gesicht zu küssen. Aber ihre Ausstrahlung hielt ihn davon ab. Rühr mich bloß nicht an, schien sie ihm sagen zu wollen.

Sie atmete hörbar aus, ihre schmalen Schultern senkten sich. „Warum willst du nicht zugeben, dass das Ganze nur ein Ausrutscher war? Das ist uns doch beiden klar.“

„Nein.“ Er ging einen Schritt auf sie zu. Sie versteifte sich leicht, wich aber nicht zurück. „Es war wunderschön“, raunte er ihr zu. „Das hast du selbst gesagt.“

„Ach, Max. Warum dringe ich einfach nicht zu dir durch?“ Sie wandte sich ab und blickte aus dem Fenster.

Er betrachtete ihre Rückansicht und ihr rabenschwarzes Haar, das ihr in dicken Locken über die Schultern fiel. Sofort musste er wieder an das denken, was zwischen ihnen passiert war …

Es war am Silvesterabend geschehen, auf dem Neujahrsball des Fürstenhauses von Montedoro. Er hatte sie zum Tanzen aufgefordert. Sobald sie sich in seine Arme geschmiegt hatte, hatte er sie nicht wieder loslassen wollen. Und so war es auch gekommen.

Fünf Lieder lang tanzte er mit ihr, und jeden Tanz erlebte er wie im Zeitraffer. So hätte er ewig weitermachen können, aber Lani hatte offenbar Bedenken. Nach dem fünften Tanz blickte sie ernst zu ihm hoch. „Ich ziehe mich lieber wieder zurück.“ Dann verschwand sie aus dem Ballsaal.

Max sah ihr lange nach. Schließlich konnte er es nicht mehr ertragen und folgte ihr. In einer Nische des langen Korridors, der vom Ballsaal wegführte, hatte er sie das erste Mal geküsst. Direkt unter den Fresken, auf denen muskulöse Engel zu sehen waren und Heilige, die den Märtyrertod starben. Abrupt löste sie sich wieder von ihm und funkelte ihn dabei mit ihren dunklen Augen an.

Also küsste er sie gleich noch mal.

Und dann noch ein drittes Mal. Und wie durch ein Wunder war es ihm gelungen, sie mit diesen beiden Küssen umzustimmen. Lani nahm ihn an der Hand und führte ihn in ihr kleines Zimmer. Es gehörte zu dem großen Apartment, das sein Bruder Rule mit seiner Familie bewohnte, das allerdings jetzt vollkommen leer war.

Als Max sich einige Stunden später von ihr verabschiedet hatte, hatte sie ihn angelächelt und ihm einen zärtlichen Gutenachtkuss gegeben.

Seitdem hatte sie kaum ein Wort mit ihm gesprochen. Fünf lange Wochen war das inzwischen her.

„Lani. Sieh mich doch wenigstens mal an …“

Sie fuhr zu ihm herum. Ihr Gesichtsausdruck wirkte längst nicht mehr so grimmig wie eben. Hatte sie vielleicht auch gerade an ihre gemeinsame Nacht gedacht? Dann wich sie doch wieder ein Stück zurück. „Das Ganze war ein Ausrutscher“, betonte sie erneut. „Und jetzt muss ich wirklich los.“

„Feigling.“

Sie zuckte zusammen. Als hätte er sie mit diesem einzigen Wort wie mit einem scharfen Geschütz getroffen. Dann nahm sie die Hand vom Türknauf und legte ihr Buch auf den Tisch daneben. „Hör bitte endlich auf damit. Manchmal passieren eben Dinge, die eigentlich gar nicht passieren dürfen. Wir haben uns da zu etwas hinreißen lassen …“

„Ich bereue jedenfalls nichts davon“, gab er zurück. Im Gegenteil: Für ihn hatte das neue Jahr damit ganz wunderbar begonnen. Doch auf einmal kam ihm ein schlimmer Verdacht: War sie etwa schwanger? „Aber wir waren wirklich unvorsichtig, da hast du schon recht. Gehst du mir etwa deswegen aus dem Weg? Bist du …?“

„Nein“, unterbrach sie ihn. „Wir hatten noch mal Glück, du kannst also beruhigt sein.“

„Ich vermisse dich“, sagte er, bevor sie sich wieder von ihm abwenden konnte. „Dich und unsere Diskussionen in der Bibliothek. Wir haben uns immer so gut verstanden und waren doch eigentlich gut befreundet …“

„Ach, komm!“, erwiderte sie abfällig. Aber an ihrem Blick war zu erkennen, wie sehr sie unter ihren eigenen Worten litt. „Wir waren doch noch nie befreundet.“ Dann blinzelte sie sich die Tränen aus den Augen.

„Lani …“ Er ging ein paar Schritte auf sie zu.

Doch als sie eine Hand hob, blieb er stehen. „Wir haben uns ganz gut verstanden“, korrigierte sie ihn. „Aber mehr kann zwischen uns nicht sein, das wäre unangemessen. Überleg doch mal: Ich arbeite für deinen Bruder und seine Familie – als Kindermädchen. Da habe ich eine Vorbildfunktion und sollte mich vernünftig benehmen.“ Sie schluckte. „Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen.“

„Hör endlich auf damit! Ich will nicht noch mal hören, dass das ein Fehler war.“

„Aber das war es doch.“

„Warum denn? Wir sind beide erwachsen, da können wir machen, was …“

„Jetzt hör mir mal zu, Max.“ Sie ging rückwärts in Richtung Tür. „Das war eine einmalige Geschichte. Noch einmal passiert uns so etwas nicht.“

Gerade wollte er ihr widersprechen, da überlegte er es sich doch anders. Schließlich wollte er sie auf keinen Fall abschrecken oder verärgern. Dann würde sie ihn hier einfach stehen lassen. Außerdem wollte er sich jetzt nicht mit ihr streiten, sondern dafür sorgen, dass sie wieder so unbefangen in seiner Nähe sein konnte wie vor dieser schicksalhaften Silvesternacht. „Du hast absolut recht“, sagte er. „Das passiert nicht noch mal.“

Erstaunt blinzelte sie ihn an. „Ich … Was hast du da gerade gesagt?“

„Dass ich gern ein Abkommen mit dir treffen würde.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Ich will aber nicht mit dir darüber verhandeln.“

„Warte doch erst mal mein Angebot ab.“

„Ach, du hast auch noch ein besonderes Angebot für mich?“ Sie klang verächtlich.

Abwartend betrachtete Max sie, während sie sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. Schließlich brach sie das Schweigen: „Okay, okay. Was willst du mir vorschlagen?“

„Ich verspreche dir, dass ich nicht versuchen werde, dich zu verführen“, begann er und lächelte. „Und du hörst dafür auf, mir aus dem Weg zu gehen. Dann können wir wieder …“ Er zögerte, als ihm einfiel, wie sie reagiert hatte, als er von ihrer Freundschaft gesprochen hatte. „Dann können wir wieder wie früher miteinander umgehen.“

Sie verdrehte die Augen. „Ach, komm. So was funktioniert nie im Leben.“

„Ich glaube aber doch.“ Ganz ruhig und unbeeindruckt klang er dabei, fand er. So war es auch am besten. „Außerdem kann man das nicht verallgemeinern. Wenn wir das beide wirklich wollen, dann klappt es auch.“ Insgeheim hoffte er dabei, dass Lani irgendwann feststellen würde, dass sie sich doch mehr von ihm wünschte als eine nette Bekanntschaft …

Unentschlossen blieb sie vor der Tür stehen und sah ihm dabei direkt in die Augen. Er erwiderte ihren Blick und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu wirken.

Dann, endlich, senkte sie den Blick und ging zu dem rustikalen Esstisch. Dort fuhr sie über die Lehne eines schlichten Holzstuhls. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Montedoro ist ein wunderschönes Land, ich liebe es. Als ich damals mit Sydney hergekommen bin, dachte ich noch, dass ich ein halbes oder höchstens ein ganzes Jahr hierbleiben würde, einfach um neue Erfahrungen zu sammeln.“ Sydney war Max’ Schwägerin und gleichzeitig Lanis beste Freundin. „Jetzt, zwei Jahre später, bin ich immer noch da. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich in Montedoro mein wahres Zuhause gefunden habe. Dass ich in Wirklichkeit hierhergehöre. Ich will Hunderte von Romanen schreiben, die alle hier spielen … und nie mehr wieder wegziehen.“

„Ich weiß. Es will doch auch niemand, dass du wegziehst.“

„Ach, Max … Wenn du oder irgendjemand aus deiner Familie mich loswerden will, wird mein Visum für Montedoro sofort annulliert.“

„Wie oft soll ich dir das noch sagen? Daran hat niemand Interesse.“

„Jetzt tu nicht so, als würdest du mich nicht verstehen. Wenn eine Affäre zu Ende geht, wird es oft unangenehm. Du bist ein absolut fairer, anständiger Mensch. Aber du bist eben auch der rechtmäßige Thronfolger von Montedoro. Und ich bin bloß eine Angestellte. Wir … na ja, wir begegnen uns nicht gerade auf Augenhöhe.“

„Da irrst du dich aber. Für mich sind wir absolut gleichauf. In jeder Hinsicht, die in einer Beziehung zählt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Hast du es immer noch nicht verstanden? Wir sind viel zu weit gegangen. Jetzt müssen wir alles ganz schnell vergessen.“

Wie bitte, er sollte sie wieder vergessen? Das kam überhaupt nicht infrage. „Ich erkläre es dir noch mal, und hoffentlich kann ich diesmal endlich zu dir durchdringen: Was auch immer zwischen uns passiert ist – ich würde dich nie aus Montedoro vertreiben, darauf gebe ich dir mein Wort. Ich will dir auf keinen Fall das Leben schwer machen.“

Erneut funkelte sie ihn an. „Genau das machst du aber gerade.“

„Verzeih mir“, sagte er leise und hielt dabei ihrem wütenden Blick stand.

Wieder schwiegen sie, die Stille erschien ihm endlos lang.

Schließlich senkte Lani den Kopf, sodass ihr die glänzenden schwarzen Locken über die geröteten Wangen fielen. „Ich finde das alles gerade richtig schlimm“, sagte sie.

„Ich auch.“

Sie sah Max in die Augen. In ihrem wunderschönen Gesicht erkannte er Erschöpfung, Verzweiflung und Trauer. „Ich vermisse unsere Gespräche ganz schrecklich“, gestand sie schließlich.

Na, immerhin. Sein Herz schlug höher.

„Und deine beiden Kleinen sind mir sehr ans Herz gewachsen“, fuhr sie fort. Max’ Sohn Nicholas war acht Jahre alt, seine Tochter Constance sechs. Lani verstand sich sehr gut mit deren Kindermädchen Gerta. „Ich …“ Sie blickte ihn ungläubig an. „Meinst du wirklich, dass das klappt? Dass wir wieder gute Freunde werden können, so wie vorher?“

„Da bin ich mir absolut sicher.“

„Gute Freunde, mehr nicht.“

„Einverstanden“, erwiderte er. Bis dir klar wird, dass du dir eigentlich mehr wünschst – genau wie ich, fügte er in Gedanken hinzu. Er hielt ihr die Hand hin.

Sie runzelte die Stirn.

Er wartete weiter ab und zog dabei eine Augenbraue hoch. Auffordernd-freundlich sollte das aussehen. Lani ließ den Blick von seinem Gesicht zu seiner Hand und wieder zurück huschen. Gerade wollte er den Arm wieder sinken lassen, da stand sie doch auf und schlug ein. Er umschloss fest ihre schlanken Finger … und erschauerte.

Viel zu schnell zog sie die Hand wieder zurück und nahm sich ihr Buch. „Darf ich jetzt gehen?“

Nein, dachte er. Wenn er sie schon nicht küssen und in den Arm nehmen durfte, dann wollte er sich wenigstens noch ein bisschen mit ihr unterhalten – so wie früher.

„Max?“ Sie zog die Stirn in Falten.

Er war ratlos. Was sollte er bloß tun, damit sie ihn wieder an sie heranließ? Im Moment sah es so aus, als wäre jeder Versuch zwecklos, da half nur Geduld. „Dann bis demnächst in der Bibliothek. Da huschst du wenigstens nicht gleich wieder weg, sobald ich in deiner Nähe bin.“

In ihren Augen blitzte etwas von ihrem alten Humor durch. „Ich husche nicht.“

„Was machst du denn dann? Flitzen? Sausen? Schnellen?“

„Jetzt hör aber auf!“ Es zuckte um ihre Mundwinkel.

Max hielt das für ein gutes Zeichen. „Versprich mir einfach, dass du nicht gleich wieder wegrennst, wenn wir uns demnächst über den Weg laufen.“

Sie zögerte noch einen Augenblick, dann gab sie ihm endlich die ersehnte Antwort: „Ja. Und ich … ähm … freue mich, wenn wir uns bald wiedersehen.“

Wie sollte er ihr das glauben, wenn sie dabei so unglücklich klang? Und ihre vollen Lippen verzog, die er so gern auf seinen gespürt hätte? Wahrscheinlich wäre alles viel einfacher, wenn sie ihm völlig gleichgültig wäre.

Andererseits war ihm viele Jahre lang alles gleichgültig gewesen, und sein Leben war ihm damals schrecklich leer vorgekommen … bis er Lani kennengelernt hatte.

Sie wandte sich zur Tür.

„Lani, bitte warte noch …“

Sie hielt inne und spannte sich merklich an, drehte sich aber nicht zu ihm um. „Was ist denn noch?“

„Lass mich das machen.“ Er ging an ihr vorbei, um ihr die Tür zu öffnen.

Sie nickte ihm noch einmal zu, ohne ihm dabei in die Augen zu schauen, und verließ das Gartenhaus.

Lange blieb er im Türrahmen stehen und sah ihr nach.

2. KAPITEL

„Was ist los mit dir?“, fragte Sydney O’Shea Bravo-Calabretti. Die ehemalige Top-Anwältin für Wirtschaftsrecht hatte inzwischen einen anderen Titel angenommen: Prinzessin von Montedoro. Sie und ihre Freundin Lani saßen auf Kinderstühlen an einem Tisch im Spielzimmer. Das Zimmer gehörte zu der Villa, das Sydney und ihr Mann Rule vor zwei Jahren gekauft hatten, kurz nach ihrer Hochzeit.

Lani hatte Sydneys einjährige Tochter Ellie auf dem Schoß. Sie küsste das Mädchen auf die goldblonden Locken. „Alles in bester Ordnung“, log sie.

„Das stimmt nicht, das sehe ich sofort. Du guckst schon wieder so komisch. Irgendwie abwesend und ziemlich besorgt.“

Ertappt! Seit ihrem gestrigen Gespräch mit Max war Lani durcheinander. Bis heute hatte sie niemandem erzählt, was zu Silvester geschehen war, nicht mal Syd. Dabei sollte es bleiben. Trotzdem musste sie ihr jetzt eine Erklärung für ihr Verhalten geben, sonst gab Syd keine Ruhe. „Na ja, das Buch, an dem ich gerade schreibe, macht mich verrückt.“

Es handelte sich um den dritten Teil eines historischen Dreiteilers, der im alten Montedoro spielte. Und Syd, die schon seit sieben Jahren mit ihr befreundet war, wusste, wie sehr Lani mit ihren Büchern zu kämpfen hatte, wenn es an den Mittelteil ging. Da hing die Handlung regelmäßig durch.

Trotzdem nahm Syd ihr die Ausrede nicht ab. „Dass deine Bücher dich verrückt machen, ist doch der Normalzustand. Irgendetwas ist noch passiert.“

Verdammt. Lani runzelte die Stirn und tat, als würde sie genauer über Syds Frage nachdenken. „Nein, es hat nur mit diesem Buch zu tun.“

„Yolanda Vasquez, du lügst wie gedruckt.“

Und jetzt? Auf keinen Fall wollte sie ihrer Freundin erzählen, was passiert war: wie die Nanny und Möchtegern-Schriftstellerin Yolanda Vasquez mit Maximilian Bravo-Calabretti in der Neujahrsnacht nackt über die Matratze gerollt war. Dem verwitweten Thronfolger, der seine verstorbene Frau noch immer liebte, wie alle wussten.

„Was heißt das eigentlich genau, wenn jemand wie gedruckt lügt?“, erkundigte Lani sich aufgesetzt fröhlich. „Das klingt ja so, als wäre alles Gedruckte eine Lüge. Okay, in manchen Fällen ist das wohl so.“

Syd verzog keine Miene. „Du glaubst nicht ernsthaft, dass du mit diesem Ablenkungsmanöver bei mir durchkommst, oder?“

„Nani, Nani …“ Syds Tochter Ellie drehte sich zu Lani herum. Dann streckte sie ihre Hand aus und versuchte, ihrer Nanny die Finger in den Mund zu stecken.

Lani umschloss sie vorsichtig mit den Lippen. „Hm … Das sind aber leckere kleine Finger.“ Ellie kicherte und wippte auf und ab. Dann nahm Lani das Kind hoch, wirbelte es herum und setzte es auf dem Boden ab.

In diesem Moment klingelte Syds Telefon. Sie nahm den Anruf entgegen, der sie offenbar an eine Online-Konferenz erinnern sollte. Syd arbeitete ehrenamtlich in einer Organisation von Anwälten, die weltweit ihre Hilfe anbot. Sie zog sich ins Nebenzimmer zurück und bat Lani, die beiden Kinder ins Bett zu bringen.

Lani war dankbar für die Unterbrechung und fühlte sich gleichzeitig schuldig. Durch den Anruf war sie schon wieder darum herumgekommen, ihrer Freundin von dem One-Night-Stand mit Max zu erzählen.

Die dicke, mit kunstvollen Schnitzereien verzierte Holztür zur Bibliothek knarrte leise. Lani blickte von ihrem Laptop auf.

Das konnte nur Max sein.

Er trug einen weißen Pulli und eine graue Hose. Sein verwuscheltes Haar glänzte kastanienbraun im sanften Licht des Kronleuchters. Dann fixierte er sie mit seinen stahlblauen Augen. Ihr Herz schlug so schnell, dass sie kaum noch atmen konnte.

Er wollte, dass zwischen ihnen alles wieder so war wie früher, hatte er gesagt. Aber das war unmöglich. Je länger sie darüber nachdachte – und seit ihrem Gespräch im Gärtnerhaus hatte sie praktisch nichts anderes getan –, desto sicherer war sie sich, dass es für beide kein Zurück mehr gab.

Ihm war das möglicherweise sehr recht. Wahrscheinlich wünschte er sich eine heiße kleine Affäre, die dort anknüpfte, wo sie in der Neujahrsnacht aufgehört hatten.

Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, wünschte sie sich das auch. Weil sie wusste, dass sie viele magische, erfüllende Momente miteinander verbringen würden … solange alles gutging.

Aber irgendwann nahm so eine Affäre immer ein hässliches Ende. Und dann saß sie in null Komma nichts im nächsten Flieger nach Texas. Immerhin hatte sie schon einmal all ihre Hoffnungen auf eine einzige zum Scheitern verurteilte Affäre gesetzt. Und war daran fast zerbrochen.

Max nickte ihr zu. „Hallo, Lani.“

Sie erschauerte. „Hi, Max“, erwiderte sie bemüht heiter.

„Mach ruhig weiter, ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten.“

Und das sollte sie ihm glauben? „Okay.“ Sie wandte sich wieder dem Laptop zu.

Während Lani auf den Bildschirm starrte, nahm sie ihn als dunklen Schatten wahr, lauschte seinen leisen Schritten auf dem Parkettfußboden mit den aufwändigen Intarsienarbeiten. Dann hörte sie, wie eine Tür aufgeschlossen wurde. Offenbar besuchte Max gerade einen der Räume mit eingeschränktem Zutritt, in dem die wertvollen alten Bücher aufbewahrt wurden. Sie selbst durfte diese Räume nur in Begleitung des uralten Palastbibliothekars oder seines Assistenten betreten. Eigentlich dürfte sie jetzt, um acht Uhr abends, überhaupt nicht in der Bibliothek sein, wenn Max ihr nicht die Sondererlaubnis dafür gegeben hätte.

Vor einem Jahr hatte er ihr ihren eigenen Schlüssel zu dem prächtigen, von Büchern gesäumten, zweistöckigen Hauptraum überreicht: für sie ein unendlich kostbares Geschenk. Denn es eröffnete ihr die Möglichkeit, herzukommen, wann immer sie wollte. Zu jeder Tages- und Nachtzeit konnte sie sich hier zum Schreiben hinsetzen, zwischen alten Büchern und einer beeindruckenden Sammlung von Dokumenten, die sie für ihre Nachforschungen brauchte.

Das war allein deswegen praktisch, weil die offiziellen Öffnungszeiten der Bücherei fast eins-zu-eins mit ihren Arbeitszeiten als Nanny für Trev und Ellie übereinstimmten.

Nach ihrer Arbeit in der Bibliothek zog Lani sich in ihr Zimmer im Palastapartment der Familie zurück. Von dort aus hatte sie es am nächsten Morgen nicht weit zu Rules und Sydneys Villa im Stadtteil Fontebleu. Sie brauchte nur durch die schön gestalteten Gärten zu schlendern und den Felshügel hinunterzugehen, auf dem der Palast stand.

In der Bibliothek war Lani abends völlig ungestört. Es sei denn, sie begegnete Max. Wobei er sie nicht wirklich störte, schließlich war er auch zum Arbeiten hier. Als Wissenschaftler hatte er ein Buch über sein Land Montedoro und dessen Beziehung zu Frankreich, seiner „großen Schwester“, geschrieben. Außerdem hatte er einige Artikel über das montedorische Rechtssystem und die Landesgeschichte verfasst. Mehrmals jährlich hielt er Vorträge an Hochschulen und auf Konferenzen.

Vor dem schicksalhaften Zwischenfall in der Neujahrsnacht hatte er sich oft zu Lani in die Bibliothek gesetzt, und schweigend hatten sie dort nebeneinander an ihren Projekten gearbeitet.

Wenn nur sie beide dort waren, hatten sie manchmal gemeinsame Pausen eingelegt und sich unterhalten. Auch wenn sie sich außerhalb der Bibliothek begegnet waren, hatten sie stundenlange Gespräche geführt. Immer wieder ging es dabei um ihre gemeinsamen Interessen: das Schreiben und alles, was mit Geschichte und Montedoro zu tun hatte.

Zwischen ihnen hatte eine besondere Verbindung bestanden.

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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