Überzeuge mich mit heißen Küssen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Das ruhige Leben in dem kleinen Ort Verity ist vorbei - das wird Wyatt schlagartig klar, als TV-Moderatorin Destiny Jones sein Büro betritt. In ihrer Show möchte sie über das geheimnisumwitterte Wrenville-Haus berichten. Was für Wyatt aus persönlichen Gründen nicht infrage kommt! Auch wenn die rotgelockte Schönheit mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen versucht, seine Einwände beiseitezuwischen - so leicht macht Wyatt ihr es nicht. Bei ihrem Sex-Appeal könnte er schwach werden. Aber um hinter das Geheimnis zu kommen, muss sie sich schon ein bisschen mehr anstrengen …


  • Erscheinungstag 06.09.2016
  • Bandnummer 1941
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723095
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Was Wyatt Milan, der Sheriff von Verity, einer beschaulichen Kleinstadt in Texas, an seinem Job am meisten schätzte, war die Tatsache, dass er immer genau wusste, was ihn erwartete. An diesem Spätnachmittag im Oktober jedoch, als er nach der Streife gerade in die Main Street einbog, beschlich ihn das Gefühl, dass etwas anders war als sonst.

„Das war’s dann wohl mit dem geruhsamen Nachmittag“, flüsterte sein Deputy Val Lambert. „Schauen Sie mal!“

Wyatt schaute. Auf seinem Parkplatz vor dem Rathaus, unmittelbar vor dem Schild, auf dem unmissverständlich zu lesen war: „Parken verboten! Reserviert! Büro des Sheriffs“, stand eine knallrote Stretchlimousine, die so ausladend war, dass sie noch einen Teil des Stellplatzes daneben beanspruchte.

Niemand im Ort besaß ein derart protziges Auto, und das obwohl es hier eine Menge wohlhabender Familien gab, zu denen auch die von Wyatt zählte. „Der Schlitten gehört keinem von hier“, brummte er. Die Worte waren mehr an ihn selbst gerichtet als an den Deputy, und noch während er sprach, beschlich ihn das ungute Gefühl, dass es mit dem Frieden in seiner Heimatstadt bald vorbei sein würde.

„So eine riesige rote Kiste habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen“, sagte Val ehrfürchtig.

Wyatt hielt neben der Limousine. „Schreiben Sie einen Strafzettel und stecken Sie ihn hinter die Scheibenwischer. Dann kommen Sie rein. Falls sich der Fahrer nicht im Rathaus aufhält, müssen wir ihn suchen. Die Bürger dieser Stadt haben ein Recht auf Ruhe und Ordnung. Das Letzte, was ich hier brauchen kann, ist, dass irgendein Dahergelaufener Unfrieden stiftet.“

„Ganz meine Meinung. Wie kommt jemand auf die Idee, seine fette Karre ausgerechnet auf dem Parkplatz des Sheriffs abzustellen?“

„Entweder ist der Typ stinkfaul, ein Querulant oder zu blöd zum Lesen. Oder er bildet sich ein, er käme mit allem durch. Wer weiß?“

Wyatt ließ Deputy Lambert aussteigen, fuhr um das Gebäude herum und parkte in der Gasse dahinter. In seinem Leben ging es häufiger drunter und drüber, als ihm lieb war: Vor einigen Jahren der hässliche Bruch mit seiner Verlobten, dann der Streit zwischen seinem Bruder und dessen Nachbarin, einer Calhoun, der die jahrhundertealte Fehde zwischen den beiden Familien kräftig schürte. Immer wieder musste er in seiner Funktion als Sheriff von Verity County schlichtend in eine Auseinandersetzung zwischen seinem Bruder Tony und Lindsay Calhoun eingreifen. Aber allmählich bekam er die Sache in den Griff. Aus diesem Grund passte es ihm so gar nicht in den Kram, dass nun jemand auftauchte, der den mühsam hergestellten Frieden stören könnte.

Hoffentlich lässt sich das schnell und einvernehmlich regeln, dachte Wyatt, als er das Rathaus durch den Hintereingang betrat, und dieses Monstrum fährt bald wieder dahin zurück, wo es hergekommen ist.

Die Absätze seiner Stiefel schrammten über die ausgetretenen Dielen, als er mit großen Schritten durch den langen Korridor marschierte, vorbei an der Aktenkammer, dem kleinen Aufenthaltsraum und dem Konferenzzimmer. Auf der rechten Seite des Ganges befanden sich das Büro des Bürgermeisters, das Stadtarchiv und das Versorgungsamt, links das Büro des Sheriffs und zwei Arrestzellen. Im zentralen Empfangsbereich gruppierten sich ein paar kunststoffbezogene Bänke um den Schreibtisch des diensthabenden Beamten, Corporal Dwight Quinby. Dessen Blick verriet Wyatt schon von Weitem, dass etwas vorgefallen war.

„Da ist eine Frau in Ihrem Büro, Sheriff“, sagte Quinby und strich sich mit den Fingern durch das ohnehin wirre Haar. „Ich habe sie gebeten, hier draußen Platz zu nehmen, aber irgendwie hat sie mich dazu gebracht, ihr zu verraten, wo sich Ihr Büro befindet. Keine Ahnung, wie sie das angestellt hat. Dann hat sie mich angelächelt, und weg war sie.“

„Nur die Ruhe, Dwight. Wie heißt sie?“

„Nicht mal das weiß ich. Gerade hat sie noch hier gestanden, und plötzlich war sie in Ihrem Büro. Ich weiß echt nicht, wie sie das geschafft hat.“

„Wenn Val reinkommt, sagen Sie ihm, dass wir die Beifahrerin der Limousine gefunden haben. Er soll den Chauffeur suchen und veranlassen, dass die Kiste von meinem Parkplatz verschwindet. Oder besser: Rufen Sie Argus an, der soll sie abschleppen.“

„Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung, sobald Sie die Frau gesehen haben.“

Wyatt schüttelte entrüstet den Kopf. „Unwahrscheinlich. Rufen Sie den Abschleppdienst“, befahl er, auch wenn Dwights Bemerkung und der verklärte Blick des Corporals ihn stutzig machten. Er war gespannt, wer ihn in seinem Büro erwartete.

„Wird erledigt.“ Durch das ovale Glas in der Eingangstür hatte Dwight einen guten Ausblick auf die rote Limousine. „Eine wie die ist Ihnen bestimmt noch nie untergekommen“, fügte er plötzlich hinzu, und diese Bemerkung war so untypisch für den Corporal, dass Wyatt vor Überraschung der Mund offen blieb.

Er atmete einmal tief durch und machte sich auf den Weg ins Büro. Egal, was diese Frau von mir will, zuerst muss diese Karre aus dem Weg, dachte er. Hoffentlich hat die Lady nicht vor, sich in Verity niederzulassen. In der Stadt wimmelte es von wohlhabenden Familien, deren Mitglieder sich alle möglichen Freiheiten herausnahmen – Wyatts Familie bildete da keine Ausnahme –, und der Umgang mit ihnen erforderte außerordentliches Fingerspitzengefühl und großes diplomatisches Geschick. Die Besitzerin der roten Stretchlimousine allerdings hatte jeglichen Anspruch auf Diplomatie und Feingefühl in dem Moment verwirkt, als sie den Parkplatz des Sheriffs belegte, fand Wyatt. Er stieß die Tür zu seinem Büro auf, trat ein … und die Limousine war vergessen.

Eine Frau mit leuchtend roten Haaren und endlos langen Beinen rekelte sich in einem der Besuchersessel. Ein Blick aus ihren großen grünen Augen, und Wyatt war unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen. Unter großer Anstrengung gelang es ihm schließlich doch, die Augen abzuwenden, aber als sein Blick über ihren Körper wanderte, verschlug es ihm erneut den Atem. Zerstreut überlegte er, ob in der Nähe vielleicht wieder einmal Dreharbeiten stattfanden, deren Star er hier vor sich hatte.

Über die Schultern der Frau ergoss sich eine Flut roter Locken, die ihr etwas Sinnliches, Ungebändigtes verliehen, das ihm heiße und kalte Schauer über den Rücken jagte. Die makellose, seidige Haut verstärkte die Anziehungskraft noch, die von dieser Frau ausging. Sie trug ein grünes Kleid, das die Farbe ihrer Augen betonte und sich auf eine Art und Weise um ihren Körper schmiegte, die es Wyatt unmöglich machte, einen klaren Gedanken zu fassen. Beim Anblick ihrer perfekten Rundungen schoss die Temperatur im Raum gefühlt auf das Niveau eines texanischen Sommers, aber das hinderte ihn nicht daran, von ihrer schmalen Taille Notiz zu nehmen, bevor sein Blick über den Saum des Kleides und an langen, wohlgeformten Beinen hinunterdriftete.

„Einen wunderschönen guten Morgen dem Sheriff von Verity County.“ Die Frau dehnte die Worte ein wenig beim Sprechen. Ihre Stimme klang samtweich, und das verlieh dem Gruß eine fast schon erotische Note.

Wie ferngesteuert ging Wyatt auf sie zu. Die Andeutung eines Lächelns verlieh ihren vollen roten Lippen einen sanften Schwung, und Wyatt konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie es wäre, diesen Mund zu küssen. „Wyatt Milan. Guten Morgen.“

Sie lächelte, und seine Knie wurden weich. Sie hatte ein umwerfendes Lächeln. Es brachte ihr ganzes Gesicht zum Leuchten, und Wyatt konnte nachvollziehen, wie sie den Corporal am Empfang dermaßen verzaubert hatte. Als sie die Hand ausstreckte, ergriff Wyatt sie automatisch. Ihre Finger waren feingliedrig und warm, und als sie seine Hand berührten, durchzuckte ihn eine Art elektrischer Schlag. An einem dieser Finger funkelte ein herrlicher, mit Perlen und Diamanten besetzter Ring, an der anderen Hand trug sie keinen Schmuck, wie er mit einem verstohlenen Blick feststellte.

„Sehr erfreut! Ich bin Destiny Jones aus Chicago.“

Der Name bohrte sich wie ein Dolch in Wyatts Bewusstsein und riss ihn abrupt aus seiner Verzückung. Obwohl er die Frau nie zuvor gesehen hatte, war sie keine Unbekannte für ihn. Sein Verstand begann wieder zu arbeiten, sein Atem normalisierte sich, und es gelang ihm fast, sie anzusehen, ohne dass sein Körper verrücktspielte. Diese Frau bedeutete massiven Ärger.

„Die Schwester von Desirée Jones?“ Mit Desirée, einer temperamentvollen Schönheit – Filmschauspielerin und Dauergast in den Schlagzeilen der Boulevardpresse – hatte Wyatt eine Affäre gehabt, als sie sich bei Dreharbeiten in Verity aufhielt. Eine Affäre, die ein schlimmes Ende gefunden hatte. Jetzt erinnerte er sich auch, dass Desirée ihm von ihrer älteren Schwester erzählt hatte, die eine Fernsehsendung über ungelöste Geheimnisse moderierte und einen Bestseller geschrieben hatte.

„Aha, Sie erinnern sich.“

„An eine schöne Frau … selbstverständlich.“ Während Wyatt Destiny noch einmal gründlich musterte, wappnete er sich innerlich. Wie ihre Schwester war auch Destiny atemberaubend schön, und genau wie sie führte sie wahrscheinlich ein ziemlich ausschweifendes Liebesleben.

„Drei Jahre hat es gedauert, bis ich endlich Veritys berühmten Sheriff kennenlerne.“ Ihr Lächeln hätte die Polkappen zum Schmelzen gebracht. „Sie sind ein Milan. War da nicht etwas mit einem alten Streit zwischen Ihrer Familie und der Familie Calhoun?“

Da haben wir ihn schon, den Ärger, dachte Wyatt. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich. „Ach, davon haben Sie gehört? Und was genau ist der Zweck Ihres Besuchs?“

Die Dreistigkeit, mit der sie über seinen Parkplatz, über sein Büro und jetzt sogar über ihn verfügen wollte, amüsierte ihn, aber er hatte keine Lust, wertvolle Zeit mit Small Talk zu vergeuden. Allerdings war seine Neugier geweckt, und merkwürdigerweise drängte ihn eine innere Stimme sogar, sie zum Essen einzuladen.

„Erstens möchte ich Sie zu einem Interview über das Haus von Lavita Wrenville überreden. Das gäbe ein wunderbares Thema für meine Sendung.“

Mit einem Schlag wurde Wyatt wieder nüchtern, er lächelte nur noch aus Höflichkeit. Das Haus von Lavita Wrenville war Schauplatz einer Schießerei zwischen einem Milan und einem Calhoun gewesen, bei der es um eine Frau ging. Beide Männer sowie der Vater der Frau kamen dabei ums Leben. Das war zwar mehr als hundert Jahre her, konnte aber den Streit zwischen den verfeindeten Familien durchaus wieder neu entfachen.

„Das Haus ist an sich völlig uninteressant“, sagte er, „und Sie dürfen sich nicht einbilden, Sie könnten die Morde, die sich vor mehr als einem Jahrhundert ereignet haben, jetzt noch aufklären. Die Spuren sind eiskalt. Kommen Sie doch einfach nächstes Jahr wieder, wenn die Villa Eigentum der Stadt Verity wird.“

„Wird sie das? Darüber müssen Sie mir unbedingt mehr erzählen. Abgesehen davon habe ich es mir nun mal in den Kopf gesetzt, über das Haus zu berichten, auch wenn ich die Todesfälle nicht klären kann. Dieser Fall ist weitgehend unbekannt, dabei ist die Story ganz außergewöhnlich. Die Zuschauer werden sie lieben.“

„Die Geschichte von Texas steckt voller ungelöster Geheimnisse, die viel spannender sind und sich an wesentlich aufregenderen Orten ereignet haben.“

Sie schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln. „Was Sie nicht sagen, Sheriff! Aber ich habe mich nun mal auf diese Story eingeschossen. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, ziehe ich es auch durch.“

„Und Sie sind daran gewöhnt, dass Sie bekommen, was Sie wollen, nehme ich an.“ Denn welcher Mann könnte ihr etwas abschlagen? dachte Wyatt, während er sie unauffällig musterte. Bei diesem Killerlächeln?

„Meistens, ja.“ Sie beugte sich vor. „Warum“, fragte sie in einem Tonfall, bei dem die meisten Männer dahingeschmolzen wären, „sind Sie so versessen darauf, mir diese Story madig zu machen, Sheriff Milan?“

„Nun, Verity ist ein ruhiges Städtchen, und die Einwohner lieben es so, wie es ist. Ich als Sheriff lege von Amts wegen großen Wert auf Ruhe und Ordnung. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, gibt es hier praktisch nichts, was sich zu besichtigen lohnt.“

„Ich versichere Ihnen, ich habe nicht vor, den Ort in eine Touristenattraktion zu verwandeln.“ Sie lächelte. „Übrigens, hat Ihnen schon jemand gesagt, dass es ganz gut ist, dass Sie nicht für das lokale Touristenbüro arbeiten?“

„Wir haben gar keines“, erwiderte er ruhig. „So viel dazu. Es tut mir leid, dass Sie die weite Reise umsonst gemacht haben, Ms. Jones. Hätten Sie vorher mit mir gesprochen, hätten Sie sich den Weg sparen können. Lavita Wrenville war die Letzte ihrer Familie. Sie hat ihr Haus der Stadt Verity vermacht. Allerdings tritt das Testament erst im nächsten Jahr in Kraft. Bis dahin kann die Stadt weder über das Haus noch über das Grundstück verfügen. Als Sheriff kann ich Ihnen den Zutritt also nicht gestatten.“

„Mir tut es leid, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten, Sheriff.“ Ihre goldenen Armreifen klirrten leise, während sie in ihrer großen Handtasche wühlte. Wyatt nutzte die Gelegenheit, sie noch einmal von Kopf bis Fuß zu mustern. Unwillkürlich stellte er sie sich nackt vor und bekam eine Gänsehaut.

Sie zog zwei Umschläge hervor und hielt sie ihm hin. Sehr zu seinem Missfallen erkannte er das Logo auf einem davon. „Ich habe mich mit dem Gouverneur von Texas und dem Bürgermeister von Verity in Verbindung gesetzt. Von beiden habe ich die schriftliche Erlaubnis, das Haus der Wrenvilles zu betreten. Genau genommen bin ich ein Gast des Bundesstaates Texas. Ein sehr netter Mann übrigens, Ihr Gouverneur. Falls Sie sich selbst überzeugen wollen, hier, bitte.“

Wyatt unterdrückte einen Fluch. Es gab zwei Dinge, die er unbedingt vermeiden wollte: dass die alte Familienfehde neu aufflammte und dass ein Heer von Touristen durch die Wrenville-Villa trampelte. Jetzt war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte: Dieser attraktive rothaarige Dickschädel war dabei, sein friedliches Leben auf den Kopf zu stellen und die Ruhe im beschaulichen Verity zu stören.

Nachdem er beide Briefe gelesen hatte, beschloss er, ein ernstes Wort mit dem Bürgermeister zu reden, der ihn mit keiner Silbe auf Destiny Jones und ihr Anliegen vorbereitet hatte. Der Bürgermeister scheute grundsätzlich jede Art von Auseinandersetzung, aber dass er sich sogar so weit verstieg, zu behaupten, die Bürger von Verity wären „entzückt“, wenn die Geschichte der Wrenvilles ins Fernsehen käme … Kannte der Mann seine Stadt wirklich so schlecht?

„Nun denn“, bemerkte Wyatt barsch, als er ihr die Briefe wieder aushändigte, „das Haus ist riesig und steht seit einer Ewigkeit leer. Die wüstesten Gerüchte ranken sich um das Anwesen, und viele Leute, vor allem Jugendliche, haben dort immer wieder heimlich herumgeschnüffelt. Inzwischen ist das Interesse aber erlahmt, und so soll es auch bleiben.“ Er spürte förmlich, wie sein Wille und der der atemberaubenden, charmanten Frau vor ihm gegeneinanderprallten. Und er spürte, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, sosehr er sich auch dagegen sträubte.

„Ich nehme an, dass Sie selbst auch schon im Haus waren.“

„Als Jugendlicher, klar. Aber die jungen Leute von heute interessieren sich nicht mehr dafür. In den drei Jahren, seit ich im Amt bin, mussten wir nicht ein einziges Mal ausrücken, weil Unbefugte in die Villa eingedrungen sind.“

„Ich bin nun einmal von Natur aus neugierig und lasse mir von Ihnen keine Angst einjagen. Drei ungelöste Morde und ein versteckter Schatz, wenn das kein Knüller ist!“

„Von wegen. Die Morde haben sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts ereignet, da kräht heute doch kein Hahn mehr nach. Und was den angeblichen Schatz betrifft: Lavita war zwar eine exzentrische alte Jungfer, aber es heißt, sie hätte das Geld, das sie von ihrem Vater geerbt hat, recht bald durchgebracht und war danach auf Unterstützung angewiesen.“

„Vielleicht fehlt Ihnen nur der nötige Abstand, schließlich sind Sie in gewisser Weise persönlich betroffen.“ Destinys Lächeln milderte den Einwand ein wenig ab. „Ich finde das Thema jedenfalls unglaublich spannend. Sie geben mir doch hoffentlich ein Interview“, sagte sie, aber ihr Tonfall ließ Wyatt unwillkürlich an heiße Küsse denken statt an ein sachliches Interview. „Immerhin wurde einer Ihrer Vorfahren in dem Haus erschossen. Höchstwahrscheinlich von einem Calhoun!“

„Zumindest in der Version, die in meiner Familie kursiert. Die Calhouns behaupten, es wäre genau umgekehrt. Aber das war lange vor meiner Zeit. Es gibt wirklich so gut wie nichts zu erzählen: Lavita war eine überspannte alte Schachtel und hat ziemlich zurückgezogen gelebt. Das ist alles.“

„Ich hoffe nicht, dass das schon alles war, Sheriff. Ich würde mich gern ausführlicher mit Ihnen unterhalten, denn ich bin überzeugt, dass Sie mehr über die Geschichte der Stadt wissen als irgendjemand sonst.“ Destiny bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln, das ihn fast schwach werden ließ. „Ich habe mich so darauf gefreut, Sie kennenzulernen.“

Inzwischen hatte Wyatt eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sie Dwight dazu gebracht hatte, sie in sein Büro vorzulassen. Es war unmöglich, sich zu konzentrieren, wenn sie an seinen Lippen hing, ihm zulächelte und ihn anhimmelte, als wäre er der geistreichste Mann der Stadt. Mit dieser Masche und ihrem Aussehen konnte sie so gut wie alles erreichen. Wie von selbst wanderte sein Blick über ihre langen Beine, und sein Körper regte sich. Nein, er hatte keine Lust, ihr ein Interview zu geben. Er wollte mit ihr ins Bett gehen … und sie anschließend hochkant hinauswerfen.

„Kann ich Sie nicht doch dazu überreden, Ihre Meinung zu ändern?“, flötete sie.

„Versuchen Sie’s ruhig“, erwiderte er belustigt.

„Das könnte ganz amüsant werden.“

Auch Wyatt fand die Idee eigentlich recht spannend. Nein, es war nicht einfach, Destiny Jones etwas abzuschlagen. Mühsam riss er sich vom Anblick ihrer Beine los und sah auf, direkt in diese grünen Augen, die ihn sofort in ihren Bann schlugen. Die Härchen an seinen Armen richteten sich auf, sein Puls begann zu rasen, er hatte Mühe, zu atmen. Am liebsten hätte er sie gepackt und an sich gezogen, obwohl er genau wusste, dass diese ganze Show einzig und allein dazu diente, ihn weichzukochen.

„Sheriff Milan“, schnurrte sie.

Mit einem Ruck richtete er sich auf. „Kein Interview“, stieß er hervor, bemüht, seine Stimme normal klingen zu lassen, während er gegen den Drang ankämpfte, sie an sich zu ziehen und zu küssen.

Sie lächelte. „Ich hoffe, Sie ändern Ihre Meinung noch. Sie leben in dieser Stadt, Sie gehören zu einer der Familien, die in den berüchtigten Streit verwickelt sind, und Sie sind der Sheriff – da kommt vieles zusammen.“

„Ich führe ein total langweiliges Leben, und der Streit ist so gut wie eingeschlafen. Mir liegt nichts daran, ihn wieder ins Rampenlicht zu zerren.“

Sie lachte ihr helles, ansteckendes Lachen, dem er den ganzen Tag zuhören könnte. Verzweifelt kämpfte er darum, vernünftig, sachlich und unpersönlich zu bleiben, dabei wollte er nur noch den Hemdkragen lockern und diese vollen Lippen küssen. Nur mit großer Mühe konnte er sich darauf besinnen, was er ihr noch mitzuteilen hatte.

„Ihr Wagen steht auf meinem Parkplatz. Sie haben einen Strafzettel bekommen“, platzte er heraus, in einem verzweifelten Versuch, zur Tagesordnung zurückzukehren. Aber die Worte kamen nur krächzend heraus, und es fiel ihm ungeheuer schwer, an etwas anderes zu denken als daran, sie zu küssen. Er hasste das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. „Wir lassen den Wagen abschleppen“, fuhr er fort, und allmählich wurde sein Kopf klarer. „Wo ist Ihr Fahrer?“

„Er ist in der Nähe einen Kaffee trinken gegangen. Ich rufe ihn an, sobald ich hier fertig bin.“

„Das Auto muss weg. Sofort!“ Nur beiläufig nahm Wyatt wahr, dass sie die Tatsache, dass ihr Wagen abgeschleppt wurde, vollkommen kaltließ.

„Natürlich. Wenn ich hier fertig bin. Ich kann ziemlich hartnäckig sein, wenn ich etwas will, Sheriff. Und ich will Sie umstimmen. Sie ändern doch gelegentlich Ihre Meinung, oder?“ Das klang so freundlich und harmlos, dass er lachen musste.

„Manchmal, ja“, sagte er und dachte im Stillen, dass diese Frau so anstrengend war wie schon lange nichts mehr. Kein Mensch hatte ihn je so aus der Fassung gebracht. „Übernachten Sie in Verity?“, fragte er, obwohl er ahnte, wie die Antwort lauten würde.

„Ja, wir sind im Verity Hotel abgestiegen.“

„Gute Wahl. Das Hotel kann zwar nicht mit ungelösten Geheimnissen aufwarten, aber es hat eine lange Geschichte. Erst vor drei Jahren wurde es komplett renoviert.“

Sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, die Augen von ihr abzuwenden. Im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester, der Schauspielerin, die eher eine klassische Schönheit und entsprechend arrogant war, wirkte Destiny einerseits sehr freundlich und charmant, gleichzeitig aber war sie auch unglaublich sexy. Diese Kombination brachte seinen Puls auf Hochtouren, und da ging es ihm wahrscheinlich kaum besser als jedem anderen Vertreter seines Geschlechts.

„Hat der Bürgermeister Ihnen etwas über die Geschichte der Stadt und des Hauses erzählt?“, stammelte er.

„Nein. Aber er schien ganz begeistert von meiner Idee zu sein, eine Sendung darüber zu produzieren. Ich treffe mich im Laufe der Woche mit ihm.“

Das war nicht anders zu erwarten, dachte Wyatt, laut aber sagte er: „Wissen Sie, was? Sie gehen heute Abend mit mir essen, dabei erzähle ich Ihnen alles über diese Stadt.“ Die Worte rutschten ihm einfach so heraus. Viel klüger wäre es gewesen, die Dame so rasch wie möglich hinauszukomplimentieren und ihr dann möglichst aus dem Weg zu gehen. Stattdessen lud er sie ein … und hoffte inständig, dass sie die Einladung annahm.

„Wie reizend!“ Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln. „Ich nehme Ihr Angebot sehr gern an. Darf ich Sie von meinem Chauffeur abholen lassen?“

Wyatt, in dessen Kopf sich der Nebel allmählich lichtete, lehnte ab. „Ich hole Sie gegen sieben im Hotel ab.“

„Einverstanden.“ Sie stand auf und streckte ihm die Hand hin.

Er ergriff sie. Da, wo sich ihre Finger berührten, brannte seine Haut wie Feuer. Sie hatte einen Wahnsinnskörper, wie geschaffen für die Liebe, und er nahm sich vor, sie ins Bett zu kriegen. Vielleicht war sie ja auch gar nicht abgeneigt, in der Hoffnung, ihn damit für ihre Zwecke einspannen zu können.

„Es war mir ein Vergnügen“, murmelte er.

„Aber Sie wären mich gern los“, ergänzte sie, doch ihr Lächeln nahm den Worten die Schärfe.

„Ich habe nichts gegen Sie persönlich. Doch wir leben hier in der Provinz, und Sie versuchen, uns Großstadtflair aufzudrücken.“

„Das haben Sie aber nett ausgedrückt, Sheriff.“

„Wollen wir uns nicht duzen? Wir werden in der nächsten Zeit vermutlich öfter miteinander zu tun haben“, sagte er, während ihn im Stillen die Frage beschäftigte, ob ein Kuss von ihr so berauschend wäre, wie er es sich vorstellte.

„Mit Sicherheit, Wyatt.“ Ihre Stimme klang weich wie Honig. „Momentan habe ich die Hierarchie auf meiner Seite – Gouverneur sticht Sheriff. Du siehst, ich habe mich gut vorbereitet. Meine Schwester hat mir nämlich alles über dich erzählt.“

Er schmunzelte. Bei seiner letzten Begegnung mit Desirée war sie stocksauer gewesen. Sie hatte von ihm verlangt, dass er ihr nach Kalifornien folgen sollte, und seine Weigerung war gar nicht gut angekommen. Ihre ältere Schwester stand ihr an Sturheit vermutlich in nichts nach. Hinter Destinys Charme und ihrem strahlenden Lächeln verbarg sich ein Dickschädel von gewaltigen Ausmaßen, das spürte er.

Als er sie zur Tür brachte, stieg ihm ein Hauch ihres betörenden Parfüms in die Nase. Er begleitete sie bis ins Foyer, wo sich bereits eine ganze Traube von Menschen versammelt hatte, die lärmend und mit klickenden Kameras auf sie einstürmten. Sofort stellte er sich schützend vor Destiny, aber sie schob ihn sanft beiseite.

„Selbstverständlich stehe ich Ihnen für Ihre Fragen zur Verfügung“, sagte sie und lächelte in die Objektive.

„Aber nicht hier drinnen!“, rief Wyatt in einem Ton, bei dem alle sofort verstummten. „Leute, haltet eure Pressekonferenz bitte draußen auf der Straße ab. Hier wird gearbeitet.“

Ein Mann und eine Frau lösten sich aus der Gruppe und nahmen Destiny in ihre Mitte. Wyatt kannte sie nicht, doch er vermutete, dass es sich um Mitarbeiter handelte. Er fluchte leise. Bald würde die Geschichte der Familie Wrenville und damit auch die der Familien Milan und Calhoun und ihres Streits im ganzen Land über die Bildschirme flimmern.

„Ich gehe zum Bürgermeister“, teilte er dem Deputy mit.

Dieser schüttelte den Kopf. „Der ist schon weg. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er morgen früh mit Ihnen sprechen will.“

„Verflixt!“ Macht sich einfach aus dem Staub, weil er genau weiß, dass ich stinksauer bin, dachte Wyatt auf dem Rückweg in sein Büro. Niemand in der Stadt wird begeistert sein, wenn diese Ms. Jones alte Feindschaften wiederaufleben lässt.

Spontan verließ er das Rathaus durch den Hinterausgang und lief zur Main Street zurück in der Hoffnung, dass die Pressekonferenz beendet und die Limousine abgefahren wäre. Weit gefehlt! Nicht nur blockierte der Wagen immer noch seinen Parkplatz, auch die Zahl der Zuschauer war weiter gestiegen. Außerdem parkte ein paar Meter weiter ein Übertragungswagen, vor dem gerade Scheinwerfer aufgebaut wurden, und überall liefen Männer mit Videokameras herum. Was für ein Zirkus, dachte Wyatt und schüttelte den Kopf. Diese Frau weiß ganz genau, wie man sich Aufmerksamkeit verschafft. Er durfte nicht vergessen, für heute Abend ein Séparée zu reservieren.

Er ließ den Blick über die Menge schweifen. Fast jeden kannte er mit Namen. Dass Destiny einen solchen Menschenauflauf verursachte, überraschte ihn wenig. Sie war eine Frau, die alle Blicke auf sich zog. Eine sanfte Brise spielte mit ihrem Haar. Wie sie so in der Sonne stand und Fragen beantwortete, wäre sie auch als Filmstar durchgegangen. Auf einmal blickte sie in seine Richtung, und ihm war, als hätte sie die Hand ausgestreckt und ihn berührt. Kopfschüttelnd ging Wyatt ins Rathaus zurück, wo er von Dwight erfuhr, dass die Limousine erst in ein paar Stunden abgeschleppt werden konnte, weil es auf dem Highway einen Unfall gegeben hatte, zu dem der Abschleppwagen gerufen worden war. Und dass der Chauffeur der Limousine den Wagen erst wegfahren würde, wenn die Chefin es wünschte.

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Lone Star Legends